Teppich unterm Flügel

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Gilels

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Hallo!

Ich frage mich, inwiefern es sinnvoll ist, einen Flügel auf einen großen Teppich zu platzieren.
In meinen Überlegungen geht es um einen 1,60 m Flügel, der in einem mittelgroßen schmalen Raum in der Ecke (Bassseite zur Ecke hin) unter einer Dachschräge steht. Die Decke ist mit Holz verkleidet, der Boden ist Laminatboden.

Weil der Flügel ohnehin in diesem Raum sehr laut und schrill klingt, habe ich bisher ein paar kleinere Teppiche und Schafsfelle daruntergelegt. Ich hatte das Gefühl, dass er dann nicht ganz so erschlagend klingt. (Vielleicht kommt hinzu, dass der Raum an sich ein wenig "leer" klingt, als ob keine Möbel darin stehen würden, dem wollte ich auch entgegenwirken)
Allerdings konnte ich den Flügel bisher nicht gut mit offenem Deckel spielen, dann lässt sich die Lautstärke gar nicht mehr "im Zaum halten".

Nur dachte ich mir, dass es einen Unterschied macht, wenn gleich die ganze Ecke des Raumes mit einem Teppich ausgelegt ist (zumindest wäre es dann mal ein gurchgehender Teppich, nichts zusammengefliktes), auf dem dann auch die Beine des Flügels drauf stehen.
Ich erhoffe mir dadurch, dass der Klang des Flügels besser im Raum aufgenommen wird, dass es natürlicher und weicher klingt und dass ich dann vielleicht den Deckel zumindest halb öffnen könnte. Allerdings habe ich auch Angst, dass der Flügel gleichzeitig zu dumpf, zu leise oder schwammig klingen könnte.

Was würdet ihr mir raten?
Was sind eure Erfahrungen damit?

Einen lieben Gruß,
Annette
 
Das hängt natürlich im großen Maße von der Flügelgröße ab, einen Stutzflügel kann man natürlich leichter "zähmen" als 'nen Konzerter. Man kann ihn im negativen Sinne natürlich auch leichter dumpf kriegen.

Ein zweiter Faktor ist dann die Intonation, ein brillanter Flügel lässt sich nicht so leicht dumpf kriegen wie ein von Haus aus weicherer.

Aber ich glaube nicht, dass ein Teppich unter deinem Flügel, auch wenn er etwas größer sein sollte, den Flügel erstickt. Du schreibst ja vor allem, dass der Raum ein wenig "leer" klingt (das deute ich als hallig), da sollte es überhaupt kein Problem sein selbst das komplette Laminat mit Teppich zu versehen.

Alles Liebe
 
Je nach Raum kann es seeeehr hilfreich sein, wenn man etwas in die leeren Ecken des Raumes packt.
Z.B. Eckabsorber aus Schaumstoff, Vorhangstoff o.ä.
Ecken sind akustisch gesehen schwierige Kandidaten und können so entschärft werden. Dem Klang tut's gut, und er wird nicht dumpf. Vorteil einzelner Akustik-Elemente ist, daß man sie beliebig verändern kann, bis einem der Klang gefällt.
 
Hallo Annette,

anscheinend liegt das Problem mit Deinem Flügel v.a. an der ungünstigen Raumakustik. Auch bei mir steht das Instrument (ein Klavier) in einem Raum mit Laminatboden, Holzdecke und Holzwänden - und in diesem Raum klang es lange Zeit schrill. (Zuvor stand es in einem anderen Raum mit vielen Teppichen, auch Wandteppichen, und der Klang war brillant, ohne schrill zu wirken.)
Insofern empfiehlt es sich durchaus, es mit Teppichen zu probieren.
Ich selbst habe das Problem in dem jetzigen Raum inzwischen mit Akustikschaumstoff-Elementen gelöst, die auch Melodicus empfiehlt, allerdings habe ich sie nicht in den Ecken des Raumes aufgestellt, sondern hinter den Resonanzboden. Das Klavier ist dadurch in der Dynamik ein wenig gedämpft, klingt aber nun brillant, ohne übermäßig "scharf" zu sein.
Zusätzlich könntest Du es auch mit Nachintonieren der Hammerfilze probieren, wenn Dein Klavierstimmer/bauer diese Arbeit gut beherrscht. Diese Arbeit hat bei meinem Klavier auch etwas gebracht, entscheidend war letztlich der Akustikschaumstoff.

Mit besten Grüßen
Clavifilius
 
Hallo Annette,

zwei grundsätzliche Bemerkungen zu Deinem Problem:

Probleme verursachen in der Regel glatte, zueinander parallele Flächen, also Fußboden - Decke (sofern nicht, wie bei Dir die Decke schräg verläuft) und gegenüber liegende Wände. Hier bilden sich leicht stehende Wellen / Resonanzen aus – der Ton springt sozusagen fast ungebremst zwischen den Wänden hin und her. Das kann – je nach Neigung der Decke – sogar bei Deiner schrägen Decke der Fall sein, wenn der Schall mehrfach reflektiert wird. Hohe Töne verhalten sich fast wie der Strahl einer Taschenlampe!

Weiter verursachen die Raumecken Resonanzen besonders im Tieftonbereich.

Für die Wirksamkeit eines Dämmmaterials kommt es (abgesehen von der Eignung des Materials selbst) auf das Verhältnis von Dämmstoffstärke und Wellenlänge bzw. Tonhöhe an: Je tiefer die zu dämpfenden Töne, umso dicker muß das Material sein. Um das zu verdeutlichen, unten eine kleine Tabelle.

Hörbar sind Töne bis 10.000 - 15.000 HZ, je nach Alter der Person, sie bestimmen als Obertöne vor allem die Klangfarbe.

Auch ein dicker Teppich wird also (s. Tabelle), ebenso wie ein Vorhang, allenfalls die Obertöne und damit wesentlich die Klangfarbe beeinflussen. Das kann eine unangenehme Schärfe etwas mildern, kann aber im Übermaß zu einem muffigen Klang führen, ohne die eigentlichen Probleme, die im mittleren und unteren Tonbereich liegen können, zu beseitigen.

Es gibt demnach zwei Ansatzpunkte:

Von je zwei parallelen Wänden eine teilweise mit Akustikplatten dämmen, z.B. Basotect; das lässt sich auch optisch sehr ansprechend machen. Damit werden die Reflexionen zwischen den Wänden gemildert.

In zwei oder drei Ecken Blöcke aus Akustikschaum setzen; hier entstehen vor allem die Resonanzen im unteren Tonbereich und deshalb haben diese Blöcke auch Kantenlängen von 20 – 40 cm. Auch das kann optisch ansprechend gemacht werden.

Darüber hinaus ist alles von Vorteil, was eine Streuung des direkten Schalles bewirkt, also offene Regale mit unregelmäßig eingestellten Bücher, CD’s u.a., Pflanzen, Skulpturen, Vasen, Bilder an den Wänden usw.

All das kann natürlich eine gute Intonation nicht ersetzen! Das Ziel sollte sein, den Flügel offen spielen zu können, ohne dass die Ohren schmerzen!

Viel Erfolg!

LG

Pennacken
 

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  • Dämmstoff - Frequenzen.pdf
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Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
...der Flügel ohnehin in diesem Raum sehr laut und schrill klingt,...
...erschlagend klingt...
...ein wenig "leer" klingt...
...lässt sich die Lautstärke gar nicht mehr "im Zaum halten"...
Was würdet ihr mir raten?

Hallo Gilels/Annette,
für meine Wahrnehmung klingt deine Schilderung anhand der zitierten Stellen sehr so, dass der Flügel selbst sowohl von der akustischen Anlage her, als auch von den Hammerköpfen her, einen - sagen wir mal diplomatisch - überaus derben Charme hat. Falls das zutrifft, sollte vielleicht zunächst an dieser Quelle für die Wahrnehmungen gearbeitet und modifiziert werden.

Instrumente, die man für sich als "schön" wahrnimmt, werden eigentlich selbst in akustisch widrigen Verhältnissen weder leer noch schrill noch erschlagend, sondern wecken das dringende Bedürfnis nach dezenten Modifikationen um des Genusses willen.

Wie du die Situation beschreibst, möchtest du durch raumakustische Zügelung überhaupt erstmal klangliche Erträglichkeit herstellen. Vorübergehend mag dir das, mit vergleichsweise drakonischen Eingriffen, gelingen. Im Prinzip wird so aber, wie man so schön sagt, "das Pferd vom Schwanz aufgezäumt".

Täusche ich mich? - Wünschen tät ich dir's ja. In diesem Fall haben die Vorredner bereits das Wichtigste gesagt.

Anderenfalls und überhaupt:

Gruß
Martin
PianoCandle

... und aus Krach wird Klang
 
Hallo Pennacken,

vielen Dank für deinen informativen Beitrag!!
Wenn ich die Angaben aus dem pdf-Anhang richtig verstehe, dann sollten die Schalldämmplatten ca. 35-40cm dick sein, um wirklich alle Lagen/Frequenzen des Flügelschalls zu dämpfen.... puhh, das ist aber ganz schön dick!! Kann ich mir gar nicht vorstellen. Sieht ja dann aus, wie in `ner Gummizelle :D

LG, Sesam
 

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