Tempo/Geschwindigkeit frisst Musik

Meine 5 Cents. Es ist schwieriger, ein Stück GANZ sauber langsam zu spielen als mit Tempo zu protzen. Nichtsdestotrotz wird dies jeder mal tun - zum Ausprobieren, zum Angeben, zu was auch immer. Völlig legitim. Genauso, wie man seine XXX PS durchaus gepflegt fahren kann, aber hin und wieder mal aufs Gaspedal treten muss.

Sesam: ich arbeite grade ganz barbarisch an der Inventio#4. Die spielen ordentliche Pianisten so in 1:00 bis 1:20. Der Tim Fellner hat das mit 0:47 eingespielt. Und ich fands am Anfang grausam. Mittlerweile liebe ich diesen "Sturm". Aber nicht wegen des Tempos - sondern weil trotzdem der Anschlag perfekt ist.

Grundsätzlich ist MIR Tempo erst mal nicht geheuer.
 
Was sind denn die "professionelle(n) Spieler", von denen Du im Eingangspost schreibst, wenn nicht Pianisten?

Hallo Pianovirus,

das ist richtig, aber wenn du genau liest, dann siehst du, dass ich etwas vom "Zwang des Standards" geschrieben habe. Diese Motivation dürfte eine andere sein, als das schnelle Spielen aus Gründen des Effekts zu wählen. Siehe die kleine Auswahl der YT-Videos. Falls anhand dieser Beispiele immer noch Zweifel daran bestehen, dass Tempo gelegentlich das höchste Ziel ist, der hat wohl was auf den Ohren. Meine eingangs gestellte Frage bezog sich genau auf dieses Phänomen: was treibt diese Hobbyspieler an, solche Katzenmusik zu veranstalten dank des viel zu unkontrolliert hohen Tempos? Ich sags nochmal: das Abweichen der Diskussion auf generell hohe Tempi hat Rolf hier "verbrochen", übrigens bereits durch seine Replik im post #2. Super, Rolf!
Damit keine Missverständnisse aufkommen bzgl. der von dir, Pianovirus, zitierten Stelle, habe ich den Beitrag nachträglich geändert.


LG, Sesam
 
Hallo Fisherman,

Nichtsdestotrotz wird dies jeder mal tun - zum Ausprobieren, zum Angeben, zu was auch immer. Völlig legitim. Genauso, wie man seine XXX PS durchaus gepflegt fahren kann, aber hin und wieder mal aufs Gaspedal treten muss.

Bin ganz deiner Meinung, ausprobieren und ein bißchen angeben ist völlig legitim :D Allerdings fürchte ich, dass viele Hobbyspieler Musik und Tastenakrobatik weitreichender verwechseln und sich vom bloßen Tastenwirbel oftmals sehr, über die Maßen beeindruckt zeigen. Ich frag mich da schon, welche Denke dafür verantwortlich ist, dass man es lieber in Kauf nimmt, unmusikalisch zu spielen (so denn es überhaupt wahrgenommen wird), anstatt einfach einen Gang zurückzuschalten.

Sesam: ich arbeite grade ganz barbarisch an der Inventio#4. Die spielen ordentliche Pianisten so in 1:00 bis 1:20. Der Tim Fellner hat das mit 0:47 eingespielt. Und ich fands am Anfang grausam. Mittlerweile liebe ich diesen "Sturm". Aber nicht wegen des Tempos - sondern weil trotzdem der Anschlag perfekt ist.

Ich glaube, das hängt damit zusammen, dass man selbst im Laufe der Arbeit an einem Stück immer mehr Facetten darin entdeckt und einem deshalb auch Interpretationen, die vormals unanhörbar waren, plötzlich gut gefallen.



LG, Sesam
 
Leute, der Pianist Timo Neumann spielt zu schnell. Irgendwelche in Turnhallenmassenhaltung gedrillten Asiaten auch! Endlich bin ich von Sesams These überzeugt! Sesam hat recht. Alle anderen liegen falsch. Das ist doch mehr als offensichtlich.

((Das Tragische: Da ich bei Sesam ganz bestimmt auch auf "ignore" gesetzt bin, liest sie das nicht einmal....:)))
 
Hallo Fisherman,



Bin ganz deiner Meinung, ausprobieren und ein bißchen angeben ist völlig legitim :D Allerdings fürchte ich, dass viele Hobbyspieler Musik und Tastenakrobatik weitreichender verwechseln und sich vom bloßen Tastenwirbel oftmals sehr, über die Maßen beeindruckt zeigen. Ich frag mich da schon, welche Denke dafür verantwortlich ist, dass man es lieber in Kauf nimmt, unmusikalisch zu spielen (so denn es überhaupt wahrgenommen wird), anstatt einfach einen Gang zurückzuschalten.

[...]

Die "Denke" , die dafür verantwortlich zeichnet, ist die, dass es nun mal ziemlich unterschiedliche Ansichten darüber gibt, was (gutes) Klavierspiel ausmacht. Und das wird sich nicht ändern. Und das ist auch gut so. Mag jeder an seinem Klavierspiel arbeiten, und, falls er Unterricht nimmt, auf einen guten Lehrer hoffen, der ihn dabei begleitet. Warum sollte ich mir Gedanken darüber machen, warum in irgendwelchen Youtube-Filmchen in einem mir nicht gefallendem Tempo gespielt wird. Das ist mir so schnurzpiepegal....:D
 
ach Gubu, mir ist auch so manches schnurzi - aber man kann ja doch mal drüber nachdenken. Ich find es schön, dass hier hin und wieder Gedankengänge auftauchen, die - im Grunde genommen - nicht wirklich wichtig sind. Aber was ist wirklich wichtig?

Als großer Fan jeglicher Entschleunigung stehe ich hier klar bei Sesam!:D
 

031.gif


Zum Beispiel, sich diese Frage zu stellen...
 
Die Verknüpfung zum Konzertpianisten kam durch den sich ereifernden Rolf, dessen neuerliche Beiträge ich dank "ignore-Funktion" nicht mehr lesen muss.

diese Botschaft ist sicher ungemein wichtig, besonders für Tempofragen :rolleyes: ... man wird künftig an jede Metronomangabe anmerken: von Sesam ignoriert // von Sesam gutgeheißen :D


siehste Sesam, ich ignoriere hier gar keine Beiträge - schließlich wäre dann mancher Unterhaltungswert für mich stark abgemildert... und da Du gerne auskeilst, will ich Dir gar nicht ersparen, dass das auch für Deine Tempophilosophie hier gilt, welche ich folglich ganz gewiß nicht und niemals ignorieren werde :D

was liest man hier noch scharfsinniges? Du änderst lange Zeit nachher Deine eigenen Beiträge? ja warum denn: bist Du mit Dir unzufrieden oder gar auf dem Wege, Dich womöglich selbst auch noch auf Deine Ignorierliste zu setzen??

mit bestem Dank
fürs Amüsemang,
Rolf
 
Allerdings fürchte ich, dass viele Hobbyspieler Musik und Tastenakrobatik weitreichender verwechseln und sich vom bloßen Tastenwirbel oftmals sehr, über die Maßen beeindruckt zeigen. Ich frag mich da schon, welche Denke dafür verantwortlich ist, dass man es lieber in Kauf nimmt, unmusikalisch zu spielen (so denn es überhaupt wahrgenommen wird), anstatt einfach einen Gang zurückzuschalten.

bzgl. derer, die schnelle Stücke nicht sauber können, wäre zu sagen: nehmt halt andere oder übt mehr - ganz einfach. und wenn´s nich klappt, tja, dann war das Stück halt (noch) zu schwierig.

ansonsten ist insgesamt aus den Fehlern - egal von wem sie sind und warum sie gemacht werden - nicht viel mehr zu lernen, als dass man sie vermeiden sollte - - - - kurzum: was also bringt das wortreiche Gewettere an Erkenntnis?

Antwort: nüscht, schlichtweg nichts.

Denn die Annahme, man würde Fehler in Kauf nehmen, weil man irgendwas oder irgendwen imitieren will (sei es diesen oder jenen Spieler, sei es einen Tempostandard), degradiert doch diejenigen, die die solche Fehler machen, zu ziemlichen Idioten :D :D

des weiteren wäre festzustellen, dass die Erfolge oder Blamagen auf Hobbyniveau in keiner Disziplin, seie es Klavierspiel, seie es heimatkundliche historische Forschung, irgendetwas relevantes über diese Disziplin aussagen.

nochmals, denn da bin ich nicht von abzubringen: "ein falscher Ton stört, ein falsches Tempo verzerrt" (V. Margulis) - - wer ein presto als allegretto bringt, verzerrt die Musik. Beethoven war da recht eindeutig: "wer´s nicht greifen kann, soll´s bleiben lassen" - - - ehe es Wutgeheul hagelt: das sind Beethovens Worte!
 
auf einem ganz anderen Blatt steht freilich der Unfug, der manchmal sogar mit Wut und Eifer betrieben wird:
- natürlich ist es unmusikalisch und blöde, restlos alles auf Teufel komm raus prestississimo zu spielen (und das ganz besonders dann, wenn man´s allegro nicht mal sauber hinkriegt)
leider kommt sowas vor, c´est la vie - aber daraus generell abzuleiten, dass sich überall in der Musik olympische Wettkämpfe breit gemacht hätten und alles andere, sogar den musikalischen Geschmack, die Klangkultur etc verdrängt hätte, halte ich für arg übertrieben!

das hab ich vor 18 Tagen angemerkt - bis jetzt finde ich keinerlei Grund, das zu revidieren
 

- wer ein presto als allegretto bringt, verzerrt die Musik
... aus der Sicht des Komponisten!!!!

Da gab/gibt es nun welche, denen ihr Werk so heilig ist, dass sie miniziös alles vorschreiben, bis hin zur Gesamtdauer des Werks (Bartok), dann gabs wohl welche, die das eher locker sehen und auf die musikalischen Fähigkeiten der Interpreten vertrauten (Bach) und wieder andere ermuntern kräftig zur Interpretation (Satie).

Abgesehen von explizit angegebener Werktreue (die ja eigentlich nur bei lebenden Komponisten verifiziert werden kann), sollte doch eigentlich gelten: Es muss Musik dabei rauskommen - ob die nun (zu) schnell oder (zu) langsam ist - das ist m.E. völlig subjektiv.

Der Begriff "Interpret" wird durch Deine Forderung "Presto=Presto!" ad absurdum geführt, der Interpret somit zur Abspielmaschine degradiert.
Wenn allerdings ein presto als allegretto gespielt wird, dann ist das natürlich nicht werktreu, sondern sehr frei interpretiert. Es kommt also eigentlich drauf an, was auf der Verpackung draufsteht. "XYZ spielt SEINE Interpreation von ABC" ist was anderes als "XYZ spielt ABC".

just my 5 Cents.
 
Fisherman, Du wirst darauf warten:

Alles, was im vorgegebenen Tempo gespielt wird, ist also keine Interpretation ?? :eek:
 
AAARGHHH - you got me!!!!:D

Jetzt muss ich erst mal nachdenken. Sch...

Hängt das nicht davon ab, wie eng man den Begriff fasst?
Und wäre - wenn man den Komponisten ins Spiel bringt - dann nicht z.B. Bach völlig frei zu gestalten? Ohne dass irgendjemand mosern dürfte?

Und wären dann alle Dynamik- und Tempohinweise , die spätere Musikwissenschaftler/Komponisten hinzugefügt haben, nicht eigentlich obsolet, bzw. verpönt? Von einigen Werken gibt es unterschiedliche Notierungen, was ist damit?

Und: Sind wir nicht inzwischen ganz weit weg vom Faden? Ging es nicht darum, dass S meinte, viele Interpreten würden zu sehr auf Tempo/Technik achten, statt auf Musik?
 
Der Begriff "Interpret" wird durch Deine Forderung "Presto=Presto!" ad absurdum geführt, der Interpret somit zur Abspielmaschine degradiert.
Wenn allerdings ein presto als allegretto gespielt wird, dann ist das natürlich nicht werktreu, sondern sehr frei interpretiert.

...das ist eine etwas holperige Logik: macht man´s richtig, ist man Abspielmaschine, macht man´s falsch, ist man nicht werktreu... ja was soll man denn tun? :D :D
 
AAARGHHH - you got me!!!!:D

Jetzt muss ich erst mal nachdenken. Sch...

Hängt das nicht davon ab, wie eng man den Begriff fasst?
Und wäre - wenn man den Komponisten ins Spiel bringt - dann nicht z.B. Bach völlig frei zu gestalten? Ohne dass irgendjemand mosern dürfte?

Und wären dann alle Dynamik- und Tempohinweise , die spätere Musikwissenschaftler/Komponisten hinzugefügt haben, nicht eigentlich obsolet, bzw. verpönt? Von einigen Werken gibt es unterschiedliche Notierungen, was ist damit?

Und: Sind wir nicht inzwischen ganz weit weg vom Faden? Ging es nicht darum, dass S meinte, viele Interpreten würden zu sehr auf Tempo/Technik achten, statt auf Musik?

Wieso weg vom Thema? So lange darum gerungen wird, was denn (richtiges) "Tempo" ist, wird es wohl zum Thema gehören.

Und für mosern dürfen bin ich ja sowieso nicht...

(Wenn schon, dann bin ich "auf Krawall gebürstet", wie man hier unlängst lesen konnte!!:D)
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Und: Sind wir nicht inzwischen ganz weit weg vom Faden? Ging es nicht darum, dass S meinte, viele Interpreten würden zu sehr auf Tempo/Technik achten, statt auf Musik?

...wie schon gesagt: wenn aus irgendwelchen Gründen was falsch gemacht wird, dann sollte man versuchen, solche Fehler zu vermeiden - - das ist so ziemlich das einzig konstruktive, was man mit Fehlern anstellen kann :) denn durch lamentieren werden die nur sehr selten korrigiert...

ansonsten wird es dabei bleiben, dass die korrekte Übersetzung von presto nun mal schnell lautet, und nicht buhuhu das geht auch langsamer :D :D
 
...das ist eine etwas holperige Logik: macht man´s richtig, ist man Abspielmaschine, macht man´s falsch, ist man nicht werktreu... ja was soll man denn tun?
Ich machs an der Intention des K. fest: Bartok hats penibel vorgegeben, also sollte ich es ERST MAL RICHTIG können - was ich später daraus mache, ist mein Bier. Muss ja nur mir gefallen.
Satie fordert von anfang an zu starker Interpretation auf - also ist eigentlich alles möglich, solange es den Grundgedanken widerspiegelt. Und da wirds m.E. richtig interessant: Rodriguez (?) hat hier mal die Gnossiene#2 eingestellt, die überhaupt nicht meiner Vorstellung von Saties Intention (nachdenklich, rätselnd) entsprach. Bei R war es mehr ein Tanz - aber: es war gut!!!!

Und ist es nicht genau diese mögliche Bandbreite, die den Reiz ausmacht?

Das geht mit der vermeintlich präziseren Sprache übrigens auch. Der eine trägt ein Gedicht oder Prosa so vor, dass es Dir glatt am A... vorbei geht - beim nächsten heulst Du Rotz und Wasser oder bist so berührt, dass es Dich wochenlang nicht loslässt.

Letzteres sollte das Ziel sein. BEWEGEN! Alles andere muss sich diesem Ziel unterordnen. Und ob nun seelenlose Tempo-Perfektion zu diesem ziel führt?
Die Betonung muss vermutlich auf Seele liegen - und Rolf, ich hab Dich spielen hören - bei Dir ist sie da. Immer.

Und nicht immer erfasst man die "Seele" sofort. Die von mir an anderer Stelle angeführte Inventio#4 von Tim Fellner ist ein gutes Beispiel. Am Anfang war da nur besagte seelenlose Technikprahlerei - aber mit der Zeit habe ich einen drängenden Sturm gespürt/gehört, der mich sehr berührt.

Wenn sich dieser Effekt nun nach oftmaligem Hören nicht einstellt: so bleiben zwei Möglichkeiten:
a) ich bin nicht reif genug, mir fehlt Wissen, Zugang, was auch immer
b) es ist Murks

Diese Frage wird sich aber nie beantworten lassen. Ich stand tief bewegt im Museum of Modern Art vor einer "rotgestrichenen Zimmermannslatte". Meine Frau erfreulicherweise auch. Aber 1.000 andere Leute haben/hätten nur den Kopf geschüttelt. Und dies unabhängig von jedem (Aus)-Bildungsaspekt.

Nun kommts aber: Ultraschnelles Spiel ist in höchstem Maße geeignet, Leute zu beeindrucken, die eigentlich gar keinen Zugang haben. Es entspricht also in der visuellen Kunst durchaus dem Schnellzeichner oder der fotorealistischen Malerei, die selbst die grössten Banausen noch zum Staunen bringt. Nun stellt sich die Frage: Ist es deswegen keine Kunst - oder ist esgar große Kunst.

Und ab da verabschieden wir uns gemeinsam in das lebenslange Philosophiestudium. Übrigens gibt die Philosophie auf diese Frage bis heute keine gültige, anerkannte Antwort, Und das ist auch gut so.
 
Letzteres sollte das Ziel sein. BEWEGEN! Alles andere muss sich diesem Ziel unterordnen. Und ob nun seelenlose Tempo-Perfektion zu diesem ziel führt?

wer sagt denn, dass jedes presto oder prestissimo seelenlos ausgeführt würde??? wo steht, dass technisch perfekt vorgetragenes hohes Tempo dort, wo es verlangt ist, plötzlich seelenlos oder unmusikalisch sei???

auch Musik in presto-Tempo berührt, sowohl die Hörer als auch die, die das spielen (z.B. das Finale von Chopins Trauermarschsonate) - - gelegentlich sind allerdings enorm berührende schnelle Sachen nicht leicht zu spielen. Das ist dann Pech oder ärgerlich - - aber wie schon Saint-Saens geschrieben hat:
die überwundene Schwierigkeit wird zu Schönheit
und das setzt halt voraus, dass man den technischen Part so beherrscht, dass er keine Rolle mehr spielt - relevant ist das expressive Spielen, und das in jedem Tempo.

natürlich ist es eine falsche Herangehensweise, wenn man außer Tempo nix sonst wahrnehmen will, sondern nur auf die Stoppuhr gafft - - aber wie schon mehrmals gesagt: Fehler jeglicher Art taugen nur dazu, dass man sie - sofern sie erkannt werden - vermeidet.
 

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