Tempo/Geschwindigkeit frisst Musik

Hallo,

Zitat von fisherman:
Ging es nicht darum, dass S meinte, viele Interpreten würden zu sehr auf Tempo/Technik achten, statt auf Musik?

Ja, darum ging es mir. Wobei ich einschränkend sagen möchte: auf gute Technik kann gar nicht genug geachtet werden (darunter wird die Musik auch nicht leiden), wenn jedoch -aus welchen Gründen auch immer- das Tempo nicht dem musikalischen Ausdruck dient, sondern um damit vermeintliches Können vorzutäuschen, dann stimmt etwas nicht.

Zitat von fisherman:
Und ob nun seelenlose Tempo-Perfektion zu diesem ziel führt?

Wenn es sich denn wenigstens um Tempo-Perfektion handelt und nicht um Tempo-Murks, dann gehts ja noch. Man weiß ja nicht, wie gehetzt so manche Seele ist....:D

Zitat von fisherman:
Nun kommts aber: Ultraschnelles Spiel ist in höchstem Maße geeignet, Leute zu beeindrucken, die eigentlich gar keinen Zugang haben. Es entspricht also in der visuellen Kunst durchaus dem Schnellzeichner oder der fotorealistischen Malerei, die selbst die grössten Banausen noch zum Staunen bringt. Nun stellt sich die Frage: Ist es deswegen keine Kunst - oder ist esgar große Kunst.

In diesem Zusammenhang komme ich nochmal auf die YT Videos zurück, also auf den hobbymäßigen Durchschnittsspieler, der aber ja durchaus auch Ambitionen hat, am Klavier eine gute Figur zu machen. Ganz abgesehen davon, dass diese Beispiele keinerlei pianistische Referenz sind, man sie sich natürlich nicht zum Vorbild nimmt und damit die Frage nach ihrer Relevanz im Raum steht ... - trotzdem kommt darin etwas zum Ausdruck, was vielleicht bei vielen Klavierspielern dazu führt, dass sie niemals wirklich schnell spielen können werden. Nämlich der in meinen Augen falsche Zugang zum "Schnellspielen". Ich habe beim Anhören dieser Art "Musik" den Eindruck, das ganze wäre geleitet von der Vorstellung, nur wer ein hohes Tempo vorlegt, sei ein guter Pianist.
Dabei geht es überhaupt nicht um die Frage, welche Tempi dem Werk vorgezeichnet sind und dass man diese einhalten muss (das ist, wie ich bereits mehrfach betonte, gar nicht Gegenstand der von mir erhofften Diskussion, da selbstverständlich!).
Gelungene hohe Tempi schmiegen sich nach meinem Verständnis sozusagen anstrengungslos in den musikalischen Ausdruck, alles ist am richtigen Platz, keine klangliche Orientierungslosigkeit. Auf den Lernprozess bezogen, bedeutet diese Zielsetzung für mich eine ganz andere Weichenstellung als ein Tempotraining um damit das erhoffte Können auf der Klaviatur unter Beweis zu stellen. Und sei es nur sich selbst.
Ich persönlich kenne das Gefühl schon, etwas nur langsam oder langsamer spielen zu können, wobei es laut Tempovorzeichnung etwas feuriger gehört. Oje, das klingt aber ziemlich stümperhaft denk ich mir dann.... (wer kennt das nicht?! :twisted:) Tja, ein Dilemma, lasse ich mich nun verleiten und spiele über meine Verhältnisse, komme damit der verbreiteten Vorstellung nach schnell=Können nach oder bleibe ich bei der Musik und übe geduldig über Monate und Jahre hinweg, bis eben meine Finger wie selbstverständlich dem Flügel alle kompositionstreuen Klänge entlocken können (oder auch nicht :D). Bislang schaffe ich es ganz gut letzteren Weg einzuschlagen. Auch weil ich merke, dass meine Finger nicht wirklich frei und flüssig spielen, ganz zu schweigen vom Klang, wenn ich unter der Voraussetzung übe "das muss schneller gehen".
Noch einmal: diese YT Videos lassen sich nicht wegdiskutieren, im Gegenteil, die Liste ließe sich beliebig verlängern, auch mit Beispielen aus dem Bereich "Einspielungen" in diesem Forum. Scheinbar ist die Verführung, schneller zu spielen als kontrollierbar, weil es zum "Können" dazu gehört (?), nicht sooooo selten.

LG, Sesam
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Ich persönlich kenne das Gefühl schon, etwas nur langsam oder langsamer spielen zu können, wobei es laut Tempovorzeichnung etwas feuriger gehört. Oje, das klingt aber ziemlich stümperhaft denk ich mir dann.... (wer kennt das nicht?! :twisted:) Tja, ein Dilemma, lasse ich mich nun verleiten und spiele über meine Verhältnisse, komme damit der verbreiteten Vorstellung nach schnell=Können nach oder bleibe ich bei der Musik und übe geduldig über Monate und Jahre hinweg, bis eben meine Finger wie selbstverständlich dem Flügel alle kompositionstreuen Klänge entlocken können (oder auch nicht :D).

diese verbreitete Vorstellung (die kaum von Verständnis für Musik zeugt) ist doch schon ein falscher Ansatz, also gibt es keinen notwendigen Grund, ihr nachzukommen
 
Roholf - das schreibt S doch! :rolleyes:
 

...nur dass man daraus, dass Fehler gemacht und heuer gerne in Form von Videos verbreitet werden, nicht schließen muss, dass insgesamt der Geschmack im Niedergang befindlich sei :rolleyes: - - man findet von allerlei Musik auch gute, sowohl alte wie neue Aufnahmen (und eventuell lässt sich an diesen mehr lernen, als an anderen) :D :D - - - - - und dass die erwähnte falsche Einstellung eine große Mehrheit darstelle, ist nicht ersichtlich.
 
Naj Rolf, da bewegst Du Dich wohl in einem elitären Zirkel. Meine Erfahrung ist sehr wohl, dass Geschwindigkeit mit Können gleichgesetzt wird. So wie Otoo Normalverbraucher auch gerne bereit ist, einem Fernseh-Schnellzeichner Können zu attestieren, während er ein solches z.B. bei Beuys, Rothko, etc entrüstet negiert.
 
Naj Rolf, da bewegst Du Dich wohl in einem elitären Zirkel. Meine Erfahrung ist sehr wohl, dass Geschwindigkeit mit Können gleichgesetzt wird. So wie Otoo Normalverbraucher auch gerne bereit ist, einem Fernseh-Schnellzeichner Können zu attestieren, während er ein solches z.B. bei Beuys, Rothko, etc entrüstet negiert.

demzufolge wäre nicht elitär, wenn man den eigenen Namen nicht fehlerfrei schreiben kann... ? ...aber bon, wenn Können demokratisch durch Wahlen definiert wird, dann kann man freudestrahlend sämtliche Bildungsanstalten schließen und viel Kohle einsparen :D :D :D :D und da wird sich Otto Normalverbraucher bestimmt voller Rührung freuen
 
dass insgesamt der Geschmack im Niedergang befindlich sei
Mon ami, Du hast von der Masse (s.o.) gesprochen und ich hab bezüglich der Masse geantwortet. Selbstverständlich darf man den Kunstbegriff (und manches andere) nicht demokratisieren. Wohin das führt kann man an der Glotze sehen.

By the way: Da gabs doch mal eine tolle Reihe der BBC, in der Leonard Bernstein jungen Leuten Musik erklärt hat. Ich hab damals (vor vielleicht 20, 30 jahren) nur eine Folge erwischt. Das ist m.W. nie mehr gesendet worden...
Kennt das jemand? Und gibts das noch irgendwo?
 
Und jetzt sag` bloß, du hättest noch nie ein Stück über deine Verhältnisse schnell gespielt, weil es eben deinem pianistischen Ethos schmeichelt? :D ;)
Hallo Sesam,
das kann ich definitiv verneinen. Ich finde den Gedanken sogar völlig abstrus! Wieso sollte ich etwas bewusst "über meine Verhältnisse" schnell spielen, wenn doch dadurch das Stück offensichtlich leiden würde?
Natürlich habe ich aber auch schon einmal etwas zu schnelll vorgetragen. Das lag dann aber keinesfalls an meinem Ego, sondern eher an Krankheit, Aufregung o.ä.
Im übrigen möchte ich noch direkt auf eines deiner YouTube-Videos eingehen.
Nämlich auf das folgende:
http://www.youtube.com/watch?v=FUHDIdt4E_g
Dass das Fantasie-Impromptu schlecht gespielt ist, liegt doch keineswegs in erster Linie am Tempo! Ich weiß nicht, warum du dich immer so sehr darauf versteifst.
Selbst wenn der Klavierspieler das Stück halb so schnell gespielt hätte, wäre es garantiert nicht besser. Im Gegenteil, dann müsste man sich das noch länger anhören. Da mangelt es an ganz anderen Sachen.
LG,
Nachtmusikerin
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
By the way: Da gabs doch mal eine tolle Reihe der BBC, in der Leonard Bernstein jungen Leuten Musik erklärt hat. Ich hab damals (vor vielleicht 20, 30 jahren) nur eine Folge erwischt. Das ist m.W. nie mehr gesendet worden...
Kennt das jemand? Und gibts das noch irgendwo?

Du meinst dieses hier: http://www.amazon.com/Leonard-Bernstein-Peoples-Concerts-Philharmonic/dp/B0002S641O
Aber vorsicht: die DVDs haben den Ländercode der USA, du müsstest evtl. deinen DVD Spieler umstellen. Viel Spaß, falls du sie dir zulegst.

Im übrigen möchte ich noch direkt auf eines deiner YouTube-Videos eingehen.
Nämlich auf das folgende:
http://www.youtube.com/watch?v=FUHDIdt4E_g
Dass das Fantasie-Impromptu schlecht gespielt ist, liegt doch keineswegs in erster Linie am Tempo!

Das sehe ich anders. Es liegt in erster Linie am Tempo, und zwar so was von in erster Linie! Dass das langsamer auch nicht besser klingt ist übrigens nur konsequent. Warum wohl?



EBEN!! Also besteht eigentlich kein Grund, dieses Tempo anzuschlagen. Einverstanden? Fragt sich nur, warum es trotzdem geschieht.

Ich weiß nicht, warum du dich immer so sehr darauf versteifst.

Worauf genau versteife ich mich denn? Du entschuldigst schon, dass ich hier ein Thema diskutiere und dabei natürlich einen Standpunkt vertrete.


LG, Sesam
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Also langsam bin ich echt am verzweifeln. :D
EBEN!! Also besteht eigentlich kein Grund, dieses Tempo anzuschlagen. Einverstanden? Fragt sich nur, warum es trotzdem geschieht.
Als Tempobezeichnung ist "Allegro Agitato" angegeben. Was stellst du dir eigentlich darunter vor?
Es ist völlig egal, in welchem Tempo er das Impromptu spielt (und ich bin mir ziemlich sicher, dass das bei anderen Stücken nicht anders aussieht), es würde immer schlecht sein. Die Grundgeschwindigkeit an und für sich ist hier nicht das, was extrem stört. Zumindest mich.
LG,
Nachtmusikerin
 

Als Tempobezeichnung ist "Allegro Agitato" angegeben. Was stellst du dir eigentlich darunter vor?

Guten Morgen! :D Falls du den Faden nicht verfolgt hast: es besteht von Anfang an nicht der geringste Zweifel an den Tempoangaben durch den Komponisten. Aber ich gehe davon aus, dass auch du nicht jedes Stück sofort im Tempo spielen kannst, sondern langsamer beginnst und das "Zieltempo" erst dann verlauten lässt, wenn du das Stück beherrschst. Dabei soll es vorkommen, dass so mancher hier den zweiten Schritt vor dem ersten tut. Dieses Vorgehen ist meiner Meinung nach gar nicht so selten. Mich interessieren die Gründe, weshalb das passiert. Deshalb habe ich es hier thematisiert. Diese Gründe mögen variieren: Ungeduld, schlechter Geschmack, mäßiger Unterricht oder eben das Phänomen schnelles Spiel mit Können zu assoziieren.

Es ist völlig egal, in welchem Tempo er das Impromptu spielt (und ich bin mir ziemlich sicher, dass das bei anderen Stücken nicht anders aussieht), es würde immer schlecht sein. Die Grundgeschwindigkeit an und für sich ist hier nicht das, was extrem stört. Zumindest mich.

Er hätte wohl aber bessere Chancen zu einem befriedigenderen Ergebnis zu gelangen, wenn er sich mutmaßlich nicht von dem Gedanken leiten ließe, das ach so tolle Fantaisie Impromptu spielen zu "können". So hört es sich für mich zumindest an.

LG, Sesam
 
Guten Morgen! :D Falls du den Faden nicht verfolgt hast: es besteht von Anfang an nicht der geringste Zweifel an den Tempoangaben durch den Komponisten. Aber ich gehe davon aus, dass auch du nicht jedes Stück sofort im Tempo spielen kannst, sondern langsamer beginnst und das "Zieltempo" erst dann verlauten lässt, wenn du das Stück beherrschst. Dabei soll es vorkommen, dass so mancher hier den zweiten Schritt vor dem ersten tut.

bei allen Göttern: erst schlucken, dann kauen ist wohl alles andere als sinnvoll... wenn irgendwer irgendwas ziemlich mies macht, dann ist das ärgerlich, wenn man sich damit auseinandersetzen muss - - man muss aber so manches Video nicht anschauen ;) :D

Die Schlußfolgerungen, die hier gezogen werden, sind nicht zutreffend. Liest man sich ein wenig in klavierpädagogische Literatur ein, wird man feststellen, dass dort, wo ordentlich unterrichtet wird, großes Augenmerk darauf gelegt wird, beim Vorspielen eben nicht von der trainierten Tempogestaltung abzuweichen! Es gibt kein "yeah, nur schnell is prima, dann bin ich Profi" Problem - es gibt lediglich manche ungekonnte Darbietung.
 
(...)

Er hätte wohl aber bessere Chancen zu einem befriedigenderen Ergebnis zu gelangen, wenn er sich mutmaßlich nicht von dem Gedanken leiten ließe, das ach so tolle Fantaisie Impromptu spielen zu "können". So hört es sich für mich zumindest an.

LG, Sesam
:rolleyes: Ach, das ist doch Unsinn, technisch kann der junge Mann das spielen, er müsste nur noch ein bisschen gestalten:p

Ich denke, das ist, was Nachtmusikerin meint, selbst langsam würde es vermutlich nicht nach mehr klingen. Weil das Problem eben nicht das Tempo, sondern der musikalische Ausdruck ist.
Diese Aufnahme ist doch völlig ungeeignet, um dein Anliegen zu unterstützen, sesam.

Wer dieses Stück langsam spielt im Allegro agitato, der hat schlicht und einfach das Thema verfehlt.

Mich persönlich nervt dein Herumreiten auf dem zu schnell spielen. Ich frage mich auch, warum du das machst.:confused:

LG
violapiano

EDIT:
immer nur langsam und schön spielen bringt ein Stück und den Spieler nicht auf Tempo.:floet:
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
By the way: Da gabs doch mal eine tolle Reihe der BBC, in der Leonard Bernstein jungen Leuten Musik erklärt hat. Ich hab damals (vor vielleicht 20, 30 jahren) nur eine Folge erwischt. Das ist m.W. nie mehr gesendet worden...
Kennt das jemand? Und gibts das noch irgendwo?


Hallo fisherman,
gerade heute nachmittag kam eine Folge auf "einsfestival". Ich weiß allerdings nicht, ob dort die ganze Reihe gesendet wird.

LG,
Rosie
 
Danke Rosie! Leider habe ich drei patriarchalische Malaisen:

1. Ich kann keine Telefonanlage bedienen (>>>Sekretärin)
2. Ich kann keinen DVD-Player bedienen (>>> Frau & Mädels)
3. Ich kann keine Sender einstellen (ist mir nicht wichtig)

Sollte also jemand gewillt sein, diese Reihe aufzunehmen und mir auf DVDs zu brennen, so können wir gerne über die "Vergütung" reden.

PS. Nachmittag? Da bin ich im Büro. Heute allerdings im Garten: Blätter (Runde 3 von ca. 10 / Brunnen stilllegen, Schlamm absaugen...). Der Landmann hat immer was zu tun...
 
:Wer dieses Stück langsam spielt im Allegro agitato, der hat schlicht und einfach das Thema verfehlt.

Mich persönlich nervt dein Herumreiten auf dem zu schnell spielen. Ich frage mich auch, warum du das machst.:confused:

Hallo Violapiano,

das hast Du ganz schlicht und ganz richtig formuliert.

Hier https://www.clavio.de/forum/172074-post174.html findest Du, wenn auch in etwas kalt sachlicher Formulierung, das nötige zu diesem Thema.

Leider aber wird hier ja sehr sehr sehr wichtig mitgeteilt, dass man ignoriert, was einem nicht behagt... :rolleyes: - - - insofern wirst Du damit rechnen müssen, dass das hier so weiter gehen wird. Man ist nämlich nicht daran interessiert, bei diesem Thema Argumente wahrzunehmen - man möchte viel lieber, dass die eigenen Thesen gelobt und gestreichelt werden, und das obwohl sie nicht eben allzu haltbar sind... :D :D

herzliche Grüße,
Rolf
 
Sesam, entschuldige bitte meine etwas patzige Antwort, das kam ganz tief aus dem Bauch.
Aber im ernst, überleg doch mal, warum du mit dieser Heftigkeit insistierst, warum du auf dieses Thema und dem Ergebnis, das Du haben möchtest, so beharrst.

Was hat das mit Dir zu tun?

Hast Du schon mal versucht, dein Spielen ins Temo zu bringen? Wenn nein, was hindert dich? Wenn es nicht gleich schön und elegant klingen wird, dann bist Du aber auf dem Weg, das zu lernen.

Wenn Du insistierst, immer müsse alles gesanglich und schön klingen, dann wirst Du selbst nie die Grenze zum schnellen Spielen überschreiten.

Ich kenne von mir selbst, dass es mir Angst macht, schnell zu spielen, und die Kontrolle etwas an die Finger abgeben zu müssen und denen zu vertrauen.
Aber- es macht Spaß, wenn man sich dran gewöhnt hat! Klingt zunnächst- einfach grausam. Aber Übung macht den Meister!^^:):)

LG
violapiano
 

Zurück
Top Bottom