erst mal hör ich, was es da zu hören gibt, ohne voreingestellte Erwartungen - und was es da in Guldas erstem Satz der Waldsteinsonate zu hören gibt, ist sehr gut: ohne irgendwelche Einschränkungen.
ich wiederhole noch mal: wenn in einer Unterrichtsstunde der Kopfsatz der Waldsteinsonate so, wie von Gulda gespielt, gebracht wird und die Lehrkraft meckert daran herum, dann ist ein Lehrerwechsel äußerst dringend angesagt...
das E-Dur Seitenthema mit seiner cantablen Akkordik ist für sich schon Gegensatz genug, dem braucht man nicht auf die Sprünge helfen: es genügt und ist deutlich, wenn es im Tempo und cantabile gespielt wird - das macht Gulda. Übrigens ist "der große Gegensatz" des Seitenthemas im Kopfsatz dieser Sonate eine etwas merkwürdige Angelegenheit, denn Beethoven verzichtet auf diesen vermeintlichen Gegensatz in der Durchführung komplett!
was in Guldas Aufnahme "rhythmisch nivellierte Triolen" im ersten Satz sein sollen, ist mir schleierhaft, denn man hört dort ein sehr präzises und auch rhythmisch präzises Klavierspiel.
wenn bei Gulda im Kopfsatz irgendwas schlecht wahrgenommen wird, dann liegt das an der schlechten Wahrnehmung - - vermutlich wolltest du was anderes ausdrücken, etwa dass Guldas Klavierspiel hier keinen feinen off-beat Akzente (eine interessanter Begriff im Kontext einer mittleren Beethovensonate) darstellen würde: da mag dich ein Blick in die Noten darüber belehren, dass die Synkopen während der Achteltriolen nirgendwo ein Akzentzeichen aufweisen, überhaupt ist die Notation des Kopfsatzes sehr sparsam mit Akzenten (ich empfehle, vor aller Kritik die Noten sehr genau zu kennen!!). Der Notentext wird von Gulda ohne Einschränkungen oder Undeutlichkeiten realisiert, und das mit Schwung und Elan - - so sollte dieser Satz klingen.
der dritte Satz stand hier, ausgehend von Sesams Beispiel, welches nur dem ersten Satz gilt, nicht zur Debatte.
Da ich diese Sonate seit meiner Kindheit bestens kenne, denn sie wurde für Klavierabende in unserem Haus immer wieder geübt, habe ich natürlich ein Klangbild im Ohr und vergleiche andere Interpretationen mit meiner Vorstellung.
Wenn ein Student in einer Unterrichtsstunde tatsächlich so spielen würde wie Gulda hier dann würde nicht
gemeckert , sondern es wäre erstmal Anerkennung geben.
Trotzdem würde ich einige Anmerkungen machen, die als Vorschläge aufzufassen sind. Aber im allgemeinen braucht an derartiger Pianist keine Ratschläge mehr, denn er ist fertig ausgebildet. Der Lehrerwechsel wird nicht nötig sein.
Ja, dieses E-dur Thema erscheint nicht in der Reprise und trotzdem stellt es einen grossen Gegensatz zum Hauptthema dar. Und ich kenne viele Interpretationen, wo mir die Darstellung gerade dieses Themas besser gefällt als bei Gulda.
Dass ich eine schlechte Wahrnehmung habe ist wieder eine deiner gewagten Behauptungen und die Belehrung, dass es an den Triolenstellen keine Akzente gäbe zeigt mir eher, dass du vielleicht den Notentext nicht richtig studierst hast.
Die erste Triolen Stelle beginnt gleich im Anschluss an das E-dur Thema und die linke Hand spielt klar erkennbar Synkopen, die anschliessend von der rechten Hand übernommen werden.
Die Hauptstelle mit den Triolen beginnt aber dann in C-dur, wo ebenfalls gleich zu Beginn der synkopische Rhythmus die Richtung vorgibt und im weiteren Verlauf die Betonung noch weiter wandern, sodass wir Akzente auf der letzten Triole der Zählzeit 2 haben.
All diese Feinheiten rauschen mir bei Gulda zu sehr vorbei.
Wenn es dir so besser gefällt, dann mag das für dich gut sein.
Ich bevorzuge Interpretationen, die solche Feinheiten auch hörbar machen.