Stück auf Zieltempo bringen

  • Ersteller des Themas Viva La Vida
  • Erstellungsdatum

ich bin gerade zufällig über ein Video gestolpert, das zum Thema "schnelles langsam üben" passt:


View: https://www.youtube.com/watch?v=iQ0m8hmGYv8


natürlich lerne ich daraus nicht, dass es grundsätzlich funktioniert, aber der Ersteller zeigt zumindest, dass es einfachere Bewegungen wie Skalen und Arpeggien gibt, bei denen sich die Bewegungen zu seiner Überraschungen so gut wie nicht unterscheiden.

Der Hartmut
 
Interessant danke @Hartmut , warum sollten auch benachbarte Töne langsam gespielt so anders in der Bewegung sein als schnelle enge Tonfolgen.

VLV
 
So, das unter #149 (Seite 8) gepostete Gavotte von Bach läuft nun mit einem Tempo von M.M.100 (fürs Viertel). Das war die gute Nachricht.
Die schlechte: Es benötigt 140-150 und ich kanns (noch) nicht schneller ... :017:
Melodie isoliert spielen (@chiarina) hilft jetzt nicht mehr. War aber am Anfang hilfreich, auch zum Verstehen des Stücks.

Jemand eine Idee wie man das Tempo hochschrauben kann ? :022:
(Metronom Methode bitte ausgenommen, diese Methode kenne ich und bereits gunug darüber gelesen hier)

Grüße
VLV
 
Es benötigt 140-150 und ich kanns (noch) nicht schneller
Wer sagt denn, dass es 140-150 sein muss? Bach hat in seinen Noten keine Tempoangaben gemacht. Wie gesagt, alles außer den schwarzen Punkten (nämlich Angaben zu Tempo, Dynamik und Artikulation) stammt vom Herausgeber, der natürlich seinem Zeitgeist unterworfen war/ist. Bach vertraute offenbar darauf, dass die Musiker selbst spüren, wie schnell oder langsam ein Stück gespielt werden soll. Sagt dein Gefühl dir, dass es so schnell sein soll? (Bitte sei bei der Beantwortung ganz ehrlich und lasse dich nicht von irgendwelchen gehörten Versionen beeinflussen.) Falls nicht: So what, dann ist doch alles gut.

Falls du es tatsächlich so schnell haben willst, solltest du dich fragen, ob du innerlich schon für ein schnelleres Tempo bereit bist. Oft ist es nämlich so, dass das eigene Gefühl beim Spielen das Stück eher ruhig haben möchte - jedes schnellere Tempo fühlt sich beim Spielen gehetzt, nervös, hektisch an. Falls dies nicht der Fall ist und du beim Spielen den Drang hast, das Tempo anzuziehen, vertraue darauf, dass das Stück nach und nach von selbst schneller wird.

Wenn du die Temposteigerung wirklich forcieren willst (was ich aber ausdrücklich nicht empfehle), bietet sich der additive Aufbau, und zwar im Zieltempo an: Erst spielst du zwei Noten, dann drei usw. Immer erst dann eine Note dazunehmen, wenn es sicher geht. Das kann man takt- oder abschnittweise sowohl von vorne nach hinten als auch von hinten nach vorne üben. Gerne auch zunächst mit getrennten Händen.

Übrigens finde ich für das Stück ein Tempo von ca. 120 vollkommen angemessen.
 
Sagt dein Gefühl dir, dass es so schnell sein soll?
Danke soweit. Mein Gefühl sagt mir 100 ist akustisch ok, aber eher auf der langsamen Seite, speziell wenn man es einmal schneller gehört hat. 150 ist zugegeben echt schnell das muss nicht sein. Deine 120 sind sicher ok, keine Frage. Der musikalische Zugewinn von 100 auf 120 ist allerdings enden wollend, zumindest für mich.
Meine Lehrerin will aber mehr Gas haben ...

Falls du es tatsächlich so schnell haben willst, solltest du dich fragen, ob du innerlich schon für ein schnelleres Tempo bereit bist. Oft ist es nämlich so, dass das eigene Gefühl beim Spielen das Stück eher ruhig haben möchte - jedes schnellere Tempo fühlt sich beim Spielen gehetzt, nervös, hektisch an.
Genau so ist es, mir genügt ruhiger.

Wenn du die Temposteigerung wirklich forcieren willst (was ich aber ausdrücklich nicht empfehle)
Warum?

bietet sich der additive Aufbau, und zwar im Zieltempo an: Erst spielst du zwei Noten, dann drei usw. Immer erst dann eine Note dazunehmen, wenn es sicher geht. Das kann man takt- oder abschnittweise sowohl von vorne nach hinten als auch von hinten nach vorne üben. Gerne auch zunächst mit getrennten Händen.
Bestens, das probiere ich dann auch aus.

SG
VLV
 
@Viva La Vida
Zu deiner Frage: Ich empfehle forciertes Tempo-Beschleunigen deshalb nicht, weil es Stress verursacht und schon ein wenig „Gewalt-Üben“ bedeutet. Aber man kann das machen, keine Frage.
 
Wer sagt denn, dass es 140-150 sein muss? Bach hat in seinen Noten keine Tempoangaben gemacht.

Bach hat durchaus Tempoangaben gemacht - wenn auch oft eher indirekt. Die Überschrift "Gavotte", der Allabreve-Takt und die gewählten Notenwerte ergeben sogar eine ziemlich klare Tempovorschrift. Ein sinnvoller (= tanzbarer) Bereich für eine Gavotte liegt bei ca. 69-88 (Halbe, nicht Viertel!), je nach Charakter und überwiegenden Notenwerten. Die Gavotte aus der 5. Suite gehört eher zum schnelleren Typus, Halbe = 80 ist hier ein guter Anhaltspunkt (ich spiele sie - trotz einiger italienischer Manieren in den Wiederholungen - etwas schneller).

Das Tempo für eine Allabreve-Gavotte in Vierteln anzugeben, ist übrigens brachialer Unsinn; es führt nicht nur zu Hektik, sondern auch zu falscher Artikulation und Phrasierung.

150 ist zugegeben echt schnell das muss nicht sein.
Viertel = 150 ist schnell. Halbe = 75 nicht. ;-)
 
Viertel = 150 ist schnell. Halbe = 75 nicht. ;-)
Richtig. Ein guter Tipp für den TE: in Halben denken.

Und natürlich sprechen Viertel und Achtel für ein eher schnelles Tempo, im Gegensatz zu Sechzehnteln und Zweiunddreißigsteln. Andererseits funktionieren bei Bach verschiedene Tempi für das selbe Stück, im Gegensatz zu anderen Komponisten. Übrigens gibt es für die Gavotte sowohl schnellere als auch langsamere Beispiele.

Daher: Wenn dem TE ein schnelles Tempo nicht erreichbar ist, ist dies nicht das Gleiche, wie wenn in einer Beethoven- Sonate „Allegro vivace“ als „Moderato“ gespielt wird.
 
Daher: Wenn dem TE ein schnelles Tempo nicht erreichbar ist, ist dies nicht das Gleiche, wie wenn in einer Beethoven- Sonate „Allegro vivace“ als „Moderato“ gespielt wird.

Das sehe ich ganz und gar nicht so. Aus Taktart, Notenwerten, harmonischem Tempo und den Erkenntnissen historischer Aufführungspraxis lässt sich bei Bach das Tempo mindestens so präzise ableiten wie aus Beethovens Tempobezeichnungen. Es mag sein, dass die eine oder andere freie Form in sehr verschiedenen Tempi gut und überzeugend klingt, aber beabsichtigt hat Bach das sicher nicht. Und bei einem Tanzsatz entfällt das per se - wenn man eine Gavotte aus Willkür (oder weil man es nicht anders kann) als Andante spielt, ist es halt irgendein Stück, aber keine Gavotte mehr. Und das ist nicht weniger albern, als den Presto-Satz der Mondscheinsonate als Allegretto grazioso zu spielen.
 
@mick
Du beschreibst jetzt Extreme. Sicher - auch bei Bach gibt es einen Rahmen, in dem man sich bewegen muss.
 

@mick
Du beschreibst jetzt Extreme. Sicher - auch bei Bach gibt es einen Rahmen, in dem man sich bewegen muss.

Schau dir mal die Sarabande in dieser Suite an, die vor besagter Gavotte steht. Zur Bachzeit war die Sarabande ein eher langsamer eleganter (höfischer) Tanz, in dieser Suite vielleicht Viertel = 56-64.

Die Gavotte charakterisiert Johann Mattheson so:
„...Ihr Affekt ist wircklich eine rechte jauchzende Freude. Ihre Zeitmaaße ist zwar gerader Art; aber kein Vierviertel-Tact; sondern ein solcher, der aus zween halben Schlägen bestehet; ob er sich gleich in Viertel, ja gar in Achtel theilen läßt. Ich wollte wünschen, dass dieser Unterschied ein wenig besser in Acht genommen würde,...“.
Ein Tempo von Halbe = 50 (Viertel=100) wäre also langsamer als das der langsamen Sarabande.:konfus:
Natürlich kann man die Gavotte als (Trauer-)Marsch spielen, mit einer Bachschen Intention hat das aber nicht das geringste zu tun. Extremismus?:schweigen:
 
@trm Gut, dass du das ins Verhältnis zueinander setzt. Im Kontext einer Suite muss man sicher andere Überlegungen anstellen, als wenn man das Stück isoliert spielt.

Es gibt aber auch den pädagogischen Grund, aus dem ich ein langsameres Tempo als nicht schlimm formuliert habe. Würde ich das Stück spielen, würde ich sicherlich auch ein zügigeres Tempo wählen. Andererseits verträgt Bach verschiedene Tempi beim selben Stück deutlich besser als andere Komponisten (war auch in einem anderen Faden bereits einhellige Experten-Meinung). Bei z.B. Beethoven oder Chopin sieht das ganz anders aus.

Unabhängig davon: Es gibt auch die Möglichkeit, die Illusion zügigeren Tempos zu erzeugen, indem man die Artikulation bzw. Phrasierung lebendig gestaltet oder mit dem Mittel der Betonungswechsel arbeitet (gerade in Tänzen gut möglich). Tempo ist ja nur eins von vielen gestalterischen Parametern.

Aber ich will mich über diese Dinge auch gar nicht streiten. Nicht umsonst gibt es viele verschiedene Interpretationen. Solange man etwas gut begründen kann, ist es doch ok. Und das habt ihr, mick und trm, auf eure (für mich auch nachvollziehbare Weise) getan. Ich denke nur, man muss unterscheiden, ob ein Meister etwas spielt oder ein Schüler. Und ein Schüler darf Musik, die strukturell bedingt tempotolerant ist, in einem gewissen Rahmen langsamer spielen als ein Meister, der ganz andere Überlegungen zur Wahl des richtigen Tempos anstellt.
 
man muss unterscheiden, ob ein Meister etwas spielt oder ein Schüler. Und ein Schüler darf Musik, die strukturell bedingt tempotolerant ist, in einem gewissen Rahmen langsamer spielen als ein Meister, der ganz andere Überlegungen zur Wahl des richtigen Tempos anstellt.
Das verstehe ich nicht. Inwieweit unterscheiden sich die Überlegungen zur Wahl des richtigen Tempos bei Meister und Schüler? Auf "schneller kann ich nicht" wirst Du diese Überlegungen ja wohl nicht begrenzen wollen.
Ich denke gerade an einen Gitarrenschüler, der an einem populären Rockstück herumübt. Nie im Leben würde der auf die Idee kommen, eigene Überlegungen zur Wahl des richtigen Tempos anzustellen oder gar den Rhythmus in Vierteln anstatt Halben zu interpretieren, damit es irgendwie tanzbar bleibt.
Solche Interpretationsfreiheiten erlauben sich dann eher die "Meister".
 
@Peter
Ich beziehe mich nur auf Bach.

Aber auch in der Popmusik gibt es Beispiele für Covers bzw. Bearbeitungen, in denen das Tempo stark verändert wird. Dann wird es allerdings auch zu einem anderen Stück.
 
Aber auch in der Popmusik gibt es Beispiele für Covers bzw. Bearbeitungen, in denen das Tempo stark verändert wird.
Wie ich oben schon schrieb: Das kommt selten aus den Federn von Schülern.
Schon klar. Aber es sollte doch trotzdem eine Gavotte bleiben? Sonst wird das doch auch, wie @mick schon schrieb, zu einem anderen Stück?
 
  • Like
Reaktionen: trm
Die Gavotte ist ja der leichteste Satz aus der 5. Französischen Suite. Bach hat ihn eigenhändig als "Gavotte" bezeichnet und nicht als "Marche funebre".
Gavotte_from_French_suite_n._5.jpg


Meine Lehrerin will aber mehr Gas haben ..

Ich nehme an, daß deine Lehrerin nicht "mehr Gas" haben will, sondern sie möchte, daß du
(nach 8 Jahren Unterricht) dem Charakter des Stückes, einem fröhlichen, beschwingten Tanz, gerecht wirst.

View: https://www.youtube.com/watch?v=f_U0lm6HZMk


Hör dir mal diese Aufnahme (Gavotte ab 8:49) an. Selbst von Andras Schiff gespielt, hört sich bei halbem Tempo die Gavotte recht seltsam an.
 
Zu deiner Frage: Ich empfehle forciertes Tempo-Beschleunigen deshalb nicht, weil es Stress verursacht und schon ein wenig „Gewalt-Üben“ bedeutet. Aber man kann das machen, keine Frage.
Verständlich, aber wann und wo soll ich es dann sonst lernen? Wenn ich nie schneller spiele wird das wohl wenig werden für schnelle Stücke.

Ich nehme an, daß deine Lehrerin nicht "mehr Gas" haben will, sondern sie möchte, daß du
(nach 8 Jahren Unterricht) dem Charakter des Stückes, einem fröhlichen, beschwingten Tanz, gerecht wirst.
Es sind sogar schon 9 . Klar will sie das, das passt doch auch.
Und jetzt? Panik? Ich bleibe dabei dass es mir mit 100 auch gut gefällt, auch wenn es eher falsch ist.

Hör dir mal diese Aufnahme (Gavotte ab 8:49) an. Selbst von Andras Schiff gespielt, hört sich bei halbem Tempo die Gavotte recht seltsam an.
Und er spielt halt 170. Soll mich das jetzt schockieren? Ich kanns halt noch nicht 170.
Bin ja mal auf deine Aufnahme gespannt, aber ich vermute da was, nämlich dass die nie kommt :015:

VLV
 
Es sind sogar schon 9 . Klar will sie das, das passt doch auch.
Und jetzt? Panik? Ich bleibe dabei dass es mir mit 100 auch gut gefällt, auch wenn es eher falsch ist.

Lieber Viva la Vida,

vielleicht denkst und hörst du nicht in Halben. Mach mal folgendes Experiment:
  • stelle das Metronom auf 75/76 (= Halbe) und dirigier dazu. Mach das Metronom aus und übernimm den Puls, dirigier also in gleichem Tempo weiter. Nun stell dir dazu den Anfang der Gavotte vor, summ, sing oder spiel vielleicht sogar dazu. Wie ist der Charakter, wie empfindest du dieses Tempo?
  • nun das Gleiche mit Tempo Halbe = 50. Wie empfindest du nun den Charakter, wie das Tempo? Ist es nicht ziemlich lahm? Ist es noch vivace (lebhaft)? Ich würde sagen, es ist genau das Gegenteil von lebhaft. :003:
@trm: Andras Schiff spielt übrigens auch etwa Halbe = 76, er nimmt sich nur manche agogische Freiheiten heraus. Ich finde es sehr schön gespielt und nicht seltsam, auch wenn man über die Freiheiten diskutieren kann.

Die Gavotte hat auf jeden Fall einen lebendigen Charakter und darf nicht lahm klingen. Ich finde das Dirigieren in Halben und die Vorstellung des Themas dazu, ob nun gesungen, gesummt, mental vorgestellt, gespielt, sehr sinnvoll.

Was nun die Erhöhung des Tempos angeht: all die sehr sinnvollen Übetipps (rhythmisieren, doppelt spielen ....), die schnelle Passagen zum Glitzern bringen, sind hier überflüssig (vielleicht bis auf die Achtelketten gegen Ende). Daher die Fragen:
  • Kannst du die Melodie im Tempo spielen und dabei die linke Hand in Halben auf den Oberschenkel klopfen?
  • Kannst du das Gleiche mit der rechten Hand?
  • Kannst du die linke Hand im Tempo spielen (rechte Hand klopft in Halben)?
Bevor du das nicht kannst, ist gar nicht daran zu denken, alles zusammen im Tempo zu spielen. Ein Haus baut man auch eins nach dem anderen und wenn das Fundament wacklig ist, sollte man lieber nicht mit dem Dachausbau beginnen, überspitzt formuliert. :003:

Arbeite also daran, stimmenweise alles ins Tempo zu bringen. Du kannst natürlich trotzdem beginnen, alles zusammen zu spielen, allerdings gilt folgende Regel: spiele so schnell oder so langsam, dass alles klappt!

Übetipps sind:
  • kleine Abschnitte machen mit überlappenden Übergängen (sehr wichtig!), diese mehrmals wiederholen
  • schwierige Stellen so lange herausgreifen, bis sie nicht mehr schwierig sind
  • rückwärts additiv üben, d.h. von einer schwierigen Stelle aus immer weiter vorne anfangen zu üben, so dass du diese Stelle erst sehr wenig, dann immer mehr in den musikalischen Kontext stellst.
Nicht selten hilft es auch bei schwierigen Stellen, sich einen anderen Fingersatz zu überlegen und/oder rauszukriegen, welche Bewegungen man zur Bewältigung braucht. Wie komme ich in die Stelle hinein und wieder heraus? Manchmal verkrampft man innerlich und äußerlich bei Stellen und muss sich dann bewusst aus der Situation rausziehen, in dem man sich aufrichtet, einen guten Stand mit seinen Füßen hat, atmet etc.. Natürlich ist insgesamt Durchlässigkeit und so viel Entspannung wie möglich wichtig, um ins Tempo zu kommen. Das kann man nur live verbessern und nicht über Forenbeiträge.

Meiner Meinung müsstest du bei Berücksichtigung dieser Tipps dahin kommen, wohin du willst. Wie lange es dauert, kann ich nicht sagen - manchmal hilft es, zu lächeln, auszuatmen und zu sagen:

:003:

Liebe Grüße

chiarina
 

Zurück
Top Bottom