Stimmen mit Gerät oder den Öhren?

Öööhhmm, habs immer noch nicht verstanden....:denken:

Natürlich ist beim Klavier kein Ton/keine Saite völlig frei von Inharmonizität. Ich hab ja auch nur geschrieben, dass die Inharmonizität im Bereich der Temperatur nicht so hoch ist, wie im Bass oder Diskant, natürlich stark abhängig von der Größe des Instruments.
Die Spreizung bezeichnet nach meinem Verständnis aber die Streckung der Oktaven zum Bass und zum Diskant in Abweichung zum theoretisch idealen Abstand, der ja bei einer idealen Saite auch bei allen Obertönen gleich wäre, in Wirklichkeit aber nicht ist.
Natürlich gibt es auch innerhalb der Temperatur Abweichungen vom idealen Wert, aber ich würde das hier nicht als Spreizung bezeichnen. Ging mir hier mehr um die Begrifflichkeit.
 
Es ist ganz einfach so: wenns stimmt, dann stimmts - egal was jemand misst. Ich mag keine gestreckten Stimmungen, wie ich auch keinen gestreckten Wein mag. :-D
Den Öhren muss es gefallen^^

LG
Michael
 
Die Spreizung bezeichnet nach meinem Verständnis aber die Streckung der Oktaven zum Bass und zum Diskant
.

Freilich, nur beginnt die Spreizung bereits in der Temperatur. Mach Dir doch mal den Spaß, schnapp Dir ein Kleinklavier, ein Stimmgerät und stimm chromatisch von a - a´ hoch, spiel die Intervalle an, und grüß die Wolfsquinten :-D

Nach Gehör tätst die Quinten ned so arg jaulen lassen, hier schaust daß die Intervalle ausgeglichen sind, wo mit Du die Spreizung schon von vornherein in die Temperatur legst.

Viele Grüße

Styx
 
Ach ja, was mir da jetzt gerade noch einfällt; die Stimmprüfungen in LB haben nach wie vor nach Gehör zu erfolgen - hab ja mal zum Lehrling von uns gesagt "ja, steckst Dir a Gitarrenstimmgerät ein, hast a aktzeptable Temperatur in a paar Minuten gelegt" (wär natürlich für mich auch bequemer - könnt ich mir in der Werkstatt gemütlich von den Lehrlingen Kaffe machen lassen, anstatt sie im Klavier stimmen zu unterweisen :-D) Stimmgeräte sind zu den Prüfungen ned zugelassen.

Nun mußt ich mich diesbezüglich in der Stimmtechnik auch ein wenig umorientieren, hab i früher auschließlich die Temperatur nach Quinten gelegt, was natürlich auch das Stimmen der Oktaven bei der Temperaturlegung erforderte, ist heuer die 13 (Halb)ton Stimmung gefordert.
Hier mal meine ursprüngliche Temperaturlegung:

a´- a - e´-h´-h - f#´- f# - c#´- g#´- g# - d#´- b´- b- f´ - f - c´- g´ - g - d´

die heutige Methodik:

a´- a - e´ - h - f#´ - c#´ - g#´ - d#´- b - f´- c´- g´- d´

Viele Grüße

Styx
 
Uiuiui, das Video sollten lieber nicht manche Veranstalter zu Gehör bekommen.

Dann werden noch mehr Klaviere nicht vor dem Auftritt gestimmt, weil der Veranstalter denkt: "Wieso, passt doch!?!"
 

Vermutlich nicht, aber schon der Pianist in diversen derartigen Konzerten :blöd:
 
Entsprechende Instrumente wurden mir schon zuweilen als "frisch gestimmt" präsentiert, als ich dann nachfragte, welcher Kollege es denn "gestimmt" hätte, war meist die Antwort "war ein Bekannter von xyz der kann das auch und er hätte ja auch ein Stimmgerät dabei gehabt" :blöd:


Viele Grüße

Styx
 
Es ist ganz einfach so: wenns stimmt, dann stimmts - egal was jemand misst. Ich mag keine gestreckten Stimmungen

Aber "wenn´s stimmt", dann ist die Stimmung gestreckt. ;-)


Vielleicht wird es anders herum erklärt deutlicher:

Die Frage, ob der Klavierstimmer gespreizt hat oder nicht, stellt sich erst, seitdem es die ersten Stimmgeräte gibt und man damit die Arbeit der Stimmer nachzuvollziehen versucht.

Wenn ein Stimmer ein Instrument für die Ohren eines Musikers super gestimmt hat, und man dann mit einem Frequenzzähler die Grundtöne vermisst, würde man feststellen, dass er den Bass zu tief und den Diskant zu hoch gestimmt hat - verglichen mit dem, was man aufgrund der Frequenz bei einer gleichstufig schwebenden Stimmung erwarten würde, nämlich z.b. a=440Hz, b= 440x2^(1/12), h=Frequenz von bx2^(1/12), etc.

Der Stimmer kommt nicht zu einem Instrument und sagt: "Ach, wie schön, ein Konzertflügel, den spreize ich weniger stark" oder "iihh - ein Kleinklavier, das muss ich stärker spreizen".
Der Stimmer macht seine Arbeit so, "dass es passt" und wenn man dann die Grundtöne vermisst, würde man feststellen, dass die Stimmung des Konzertflügel weniger stark gespreizt ist als die des Kleinklaviers. Die Spreizung hat sich der Stimmer aber nicht vorgenommen sondern sie ist das Resultat.


Physikalische Notwendigkeit des Spreizens:

Die Notwendigkeit der Spreizung liegt in der Inharmonizität der Saiten, durch die sich die natürliche Obertonreihe spreizt. Damit ist leider der 1. Oberton nicht mehr die Oktave auf den Grundton, sonder er liegt etwas höher. Und der zweite Oberton ist nicht mehr die Quinte auf die Oktave, sonder auch minimal darüber.
Jetzt haben wir gerade im Bass das Problem, dass sehr viele der Obertöne noch im hörbaren Bereich liegen und das Phänomen, dass der Grundton nicht die größte Intensität zu haben braucht. Nicht selten ist z.B. der 2. Oberton (= 3. Teilton = Quinte auf die Oktave des Grundtones) lauter als der Grundton.
Würde man jetzt mit einem Stimmgerät den Grundton frequenzrichtig stimmen, würde sich ein Akkord falsch anhören, da der lautere 2. Oberton noch zu hoch ist. Stimmt man so, dass "es passt", hat man sich korrekt an dem lauteren Oberton orientiert - aber damit den Grundton tiefer als errechnet gestimmt.


Das war dann aber auch das Problem, als die ersten elektronischen Stimmgeräte auf dem Markt kamen:
Diese errechnen die Frequenzen der einzelnen Töne, indem Sie eine Oktave in 12 gleiche Halbtonschritte zerlegen, wie oben dargelegt ( a=440Hz, b= 440x2^(1/12), h=Frequenz von b x2^(1/12), etc.).
Die ersten weit verbreiteten Stimmgeräte waren von Wandel&Goltermann das STG-1 (Mitte der 50er Jahre) und v.A. danach das STG-5. Die heutigen "Chromatic Tuner" arbeiten nach dem gleichen Prinzip. Zur Messung werden immer die Grundtöne oder immer die gleichen, festgelegten Obertöne herangezogen, ohne zu berücksichtigen, welcher Oberton tatsächlich der lauteste oder für den Höreindruck der relavanteste ist.
Wenn man damit ein Klavier stimmt, stimmt es eben nicht, weil es nicht gespreizt wurde.

Der vermeintliche Durchbruch kam dann (Anfang der 90er) Jahre mit dem TLA CTS-5 - das ich damals natürlich auch gleich haben musste. ;-)
Diese Geräte berücksichtigten die Spreizung zumindest ansatzweise, da Sie verschiedenen voreingestellte Spreizungskurven hatten, bei den größeren Geräten konnte man sogar eigene Spreizungen speichern.
Mit dem Wissen, dass ein gut gestimmter Konzertflügel schwächer gespreizt ist als ein Kleinklavier, hat man vor dem Stimmen eine der voreingestellten Spreizungen ausgewählt, z.B. "stark 1". Je nach Auswahl der voreingestellten Spreizung musste man hauptsächlich im Bass noch mehr oder teilweise auch erstaunlich wenig nachkorrigieren und das Ergebnis war schon nicht schlecht, auf jeden Fall um Welten besser, als mit einem chromatischen Stimmgerät.
Aber auch diese Gerätegeneration liegt nun schon 20 Jahre zurück.

Die aktuellen Stimmgeräte sind eigentlich gar keine Geräte mehr sondern eine Analysesoftware für das Handy oder andere Computer.
Diese Geräte vermessen die Instrumente hinsichtlich der Spreizung der Obertonreihe/Inharmonizität.
Entweder wird vor dem Stimmen eine Spreizungskurve ermittelt (z.B. bei Tunelab) oder während der Stimmung wird bei jedem einzelnen Ton die Verteilung und v.A. Intensität der einzelnen Obertöne ermittelt und festgelegt, welcher der Obertöne der hör-relevanteste ist und als Referenz herangezogen wird. Es wird nicht mehr stur nach Grundton oder x-ten Oberton gestimmt.

Man mag es glauben oder nicht:
Die Stimmungen mit diesen Geräten haben nichts im geringsten mit den Stimmungen von Chromatic-Tuner oder dem CTS-5 zu tun, das ist eine ganz andere Qualität.
Es setzt aber voraus, dass man entweder das Instrument vorher vermisst und darauf achtet, dass einige Parameter richtig einstellt sind (bei Tunelab) oder man arbeitet mit Programmen, die im Hintergrund analysieren und muss sich um gar nichts mehr kümmern (z.B. Tunic/Onlypure oder ansatzweise noch Verituner).
Mit tunelab einfach mal drauf los stimmen liefert genauso grässliche Ergebnisse wie mit 30,- Euro- Chromatic-Tunern.


Das man mit Tunelab hervorragende Ergebnisse erzielen kann, wollte ich bis zu dem Zeitpunkt auch nicht glauben, als mir vor Jahren (da lief Tunelab noch auf dem Pocket-PC, Android gab´s noch nicht) der Stimmer des Hessischen Rundfunks die Vorteile dieser Software zeigte und meinte, dass dort alle Flügel mittels Tunelab gestimmt würden. :schweigen:
Gerade im Studio-/Konzertbetrieb ist es ein unglaublicher Vorteil, wenn man die Stimmung des Flügels abgespeichert hat und in einer Konzertpause chromatisch die Töne durchgehen und sehen kann, wo sich was verzogen hat.
Oder Duo-Stimmen: Zwei Steinway D müssen in der Aufnahmepause zueinander passend nachgestimmt werden, stehen sich aber bereits mit einem Klaviaturabstand von 3m gegenüber auf der Bühne und dürfen nicht mehr verschoben werden, da sie schon fertig mikrofoniert sind.

Gerade im High-End-Bereich sind die "Computer-Stimmungen" mittlerweile extrem verbreitet, weil der Musiker, der den Flügel wenige Stunden vor dem Konzert/der Aufnahme das erst mal anspielt, sich eben u.U. nicht über eine schöne, charaktervolle Cis-Dur-Stimmung freut, sondern einheitliche Arbeitsbedingungen erwartet.


Nach diesem kurzen Exkurs über Stimmgeräte zurück zum Thema Spreizung:

Eine aus Sicht eines Musikers richtig gut klingende Klavierstimmung ist gespreizt.
Warum klingt eine gespreizte Stimmung besser/richtiger?

  • Zum einen ist dies aufgrund der Inharmonizität der Saiten wie oben dargestellt notwendig.
  • Zum anderen hat der Klavierstimmer aber noch mit solchen Problemchen zu kämpfen, dass er in die 7 Oktaven eines Klaviers irgendwie 12 Quinten unterbringen muss.
    Nur sind jetzt blöderweise 12 reine Quinten mehr als 7 Oktaven (pythagoräisches Komma).

    Eine Oktave ist ein relativ dankbares Intervall, das leicht(!!!) überzogen immer noch als Oktave angenehm erklingt, sodass es sich anbietet, das pythagoräische Komma ein Stück weit von den Quinten weg Richtung der Oktaven zu verschieben.
    Werden also die Oktaven minimal (!!!) größer gewählt, kommt man mit den Quinten eher Richtung rein. Dies ist auch gerade in der Kammer-/Orchestermusik von Bedeutung.Betrachtet wir z.B. ein Klaviertrio: Cello (in reinen Quinten c-g-d-a), Geige (in reinen Quinten g-d-a-e) und Klavier (mit zu kleinen Quinten) sollen zusammen musizieren.
    Bei den Streichern werden reine Quinten aufeinander geschichtet, beim Klavier müssten die Quinten
  • Ein psychoakustisches Phänomen, die sog. "Tonheit".
    Rein physikalisch entspricht eine Verdoppelung der Tonhöhe einer Verdoppelung der Frequenz, d.h., ein Ton von 880Hz ist doppelt so hoch wie ein Ton mit 440Hz. Soweit klar.
    Bei der Psychoakustik entspricht die Verdoppelung der Tonheit der Verdoppelung der wahrgenommenen Tonhöhe.
    Im Bass verlaufen Frequenz und Tonheit weitestgehend parallel. Ein Ton mit der Tonheit 200 wird als doppelt so hoch wahrgenommen wie ein Ton mit der Tonheit 100.
    Tonheit und Frequenz scheinen also nur verschiedene Einheiten zu sein.

    Im Bass stimmt das, über etwa 500Hz muss man die Frequenz des zweiten, hintereinander gespielten Tones deutlich größer als doppelt so hoch wählen, sodass der Eindruck einen Tonhöhenverdoppelung (Oktave) erfolgt.

    Einfach mal ausprobieren:
    Die Oktave eines Tones stimmen, ohne die Töne gleichzeitig anzuschlagen, nur nacheinander, ohne Hilfsintervalle/Proben.
    Wenn nacheinander gespielt der Eindruck einer Oktave entsteht, ist der ober Ton viel zu hoch.

gleich geht´s wieter...
 
zweiter Teil:

So gibt es also viele Gründe, warum eine gut/richtig klingende Klavierstimmung immer gespreizt sein wird.
Die Stimmer der letzten Jahre habe das einfach so gemacht, ohne darüber nachzudenken, viele gute Stimmer machen es heute noch so, die Spreizung war das Ergebnis der perfekten Stimmung.

Also die Stimmgeräte aufkamen, berücksichtigten die keine Spreizungen, worin der schlechte Ruf der Stimmungen mit Stimmgerät begründet liegt.

Die heutigen Stimm-/Analyse-Apps berücksichtigen die erforderlichen Spreizungen sehr gut und wissen teilweise schon beim Legen der Temperaturoktave und beim Stimmen in der Mittellage, was dem Stimmer im Diskant und Bass erwartet und können so schon in der Mittellage die Weichen stellen.

Es gab vor einigen Jahren einen Vergleichstest (ich weiß nicht mehr, ob vom BDK oder der Euro-Piano) zwischen durch anerkannte Konzertstimmer und mithilfe Stimmsoftware gestimmter Instrumente. In einem anschließendem Blind-Vergleich durch Musiker und Klavierbauer konnten die verschiedenen Stimmtechniken nicht herausgehört werden.:konfus:

Letztendlich ist das eigentliche Handwerk eine der größten Herausforderungen beim Stimmen, also das minimale Drehen der Wirbel, das Setzen, etc.
Ob die Information für die ausführende Hand vom Auge oder vom Ohr kommt, ist dabei gar nicht mehr so relevant.


Das Thema ist komplex, weit komplexer, als ich es in diesem "Aufsatz" beleuchtet habe, aber vielleicht wurde für den ambitionierten Laien nun manches verständlicher.

Tut mir Leid, dass es etwas länger wurde, trotzdem Danke für´s Lesen!


Liebe Grüße aus dem Odenwald,

Thilo

Der Klavierladen
 
Das braucht Dir nicht Leid zu tun, Thilo!
Ich mochte mir die Mühe gar nicht machen, weil es eh falsch verstanden wird. Daher bin ich beim Stimmthema meist kurz angebunden. ;-)

Letztendlich ist das eigentliche Handwerk eine der größten Herausforderungen beim Stimmen, also das minimale Drehen der Wirbel, das Setzen, etc.
Das war der wichtigste Satz in Deinem Posting. Ich sag mal, es sind 80-90% Handwerk, was das stimmen ausmacht. Nicht - was höre ich - sondern was mache ich manuell mit dem was ich höre...
Zu Deinem etc. gehört, dass man die nichtklingenden Bereiche mit stimmt (gefühlsmäßig) , dass man auf markenspezifische Probleme richtig reagiert, dass man den Stimmhammer nicht abzieht, bevor der Wirbel nicht "entlastet" wurde bzw. anders ausgedrückt, dass man die innere Spannung aus dem Material nimmt.. Natürlich darf man nicht zaghaft beim Anschlag sein, aber mit Brachialgewalt macht man mehr die Intonation kaputt als dass man eine haltbare Stimmung zustande bringt. Vieles kann man schlecht beschreiben, wenn es um eine "Tätigkeit mit Gefühl" geht. Eines ist Gewiss: Man braucht viel Erfahrung und ständiges Training (bei der Arbeit) um eine haltbare Stimmung zu erzeugen. Nur ab und zu ein Klavier stimmen ist eindeutig zu wenig, um eine haltbare Klavierstimmung zu machen.

LG
Michael
 
@Klavierladen,

Vielen Dank für die ausführliche Beschreibung. Ja, es ist richtig, wenn du nach Gehör stimmst, denkst ja gar ned darüber nach ob und wie viel man spreizt, es muß halt einfach passen. Und hier haben wir auch das Problem des CTS, der weiß ja ned was er für ein Instrument vor sich hat, so kommt es durchaus vor, daß man die falsche Spreizung eingestellt hat, weil man da von ausging es ist ein kleineres Klavier, braucht also starke Spreizung - die ganze Temperatur kann man dann nach Gehör nacharbeiten (geht mir immer so bei Lagerstimmungen), da hab i dann auch inzwischen die Nase voll, und stimm nach Gehör weiter.

Viele Grüße

Styx
 
aber mit Brachialgewalt macht man mehr die Intonation kaputt als dass man eine haltbare Stimmung zustande bringt.

Naa...intonieren tut man ja ohnehin nach der Stimmung. I halt des ähnlich wie Tastenscherge, solange auf das Klavier einprügeln bis der Wirbel aufgibt - nun gut, ist ned sehr wirtschaftlich, vom Kunden hörst dann mitunter erst wieder was in 5 Jahren :rauchen:

Viele Grüße

Styx
 
Wer sich für das Thema interessiert, kann sich folgendes Hörbeispiel anhören:

http://picosong.com/2r3e/

Da ist eine Oktave vom A zum a1 angeschlagen und dann anschließend in drei Varianten mit einem Bandpassfilter gefiltert. Die Oktave klingt gehörmäßig rein (erstes Hörbeispiel, 0-3s), der zweite Ausschnitt filtert genau bei 440 Hz. Damit wird vom A der 2. Partialton gefiltert, vom a1 der 1. Partialton. Hier kann man eine ganz leichte Schwebung vernehmen, ab 5.5 Sekunden schwillt die Lautstärke wieder an, es würde sogar noch so weiter gehen, wenn der Ton länger zu hören wäre. Deutlich zu hören, dass dies also keine reine 2:1 Oktave ist. Freilich könnte man die Oktave 2:1 stimmen, dann wären aber die höheren Partialtöne mit stärkeren Schwebungen.

Schauen wir uns nun den 4. (A) und 2. (a1) Partialton an (ab 6.5 Sekunden). Auch hier ist eine leichte Schwebung zu hören (bei etwa 8 Sekunden). Als letztes noch der 6. und 3. Partialton, auch hier ist bei c.a. 11.5 Sekunden eine Schwebung zu hören. Da aber die Inharmonizität in der Partialtonreihe nicht linear stärker wird, sondern zu höheren Partialtönen stärker, ist das langsame Schweben auch auf dem 6:3 Partialton ein Hinweis darauf, dass hier die Oktave als ein Kompromiss zwischen 4:2 und 6:3 gestimmt wurde. Keiner der Partialtöne ist wirklich schwebungsfrei, obwohl doch die Oktave gehörmäßig gut klingt. Würde man nun z.B. 2:1 favorisieren, ergäben sich sehr viel stärkere Schwebungen auf 4:2 und 6:3, die den Klang insgesamt unruhiger machen würden.

Es spielt nun keine Rolle, ob man diese Oktave mit einem Stimmgerät herstellt, oder per Gehör mit dem entsprechenden Wissen oder rein durch Erfahrung. Die physikalischen Gegebenheiten sind immer dieselben. Man kann solche Analysen bei jeder beliebigen Tonaufnahme machen, es braucht lediglich mal eine kurze Sequenz, in der die gewünschte Oktave angeschlagen wird.

Wer sich für die Filterung interessiert, dazu reicht Audacity mit dem graphischen Equalizer. Man senkt alle Frequenzen ab, außer die des zu betrachtenden Partialtonpaares.

Meine persönliche Erkenntnis: die meisten Konzertstimmer stimmen mindestens 4:2, häufig auch 6:3 oder einen Kompromiss zwischen beiden Varianten, also de facto eine gestreckte Oktave und zwar schon in der Temperatur, wie hier im Beispiel.
 

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