Stimmen mit Gerät oder den Öhren?

Ich kenne etliche Kollegen, die mit Gerät unterwegs sind, und die auch Konzertstimmungen machen. Ich stimme auch häufiger in diversen Tonstudios für Plattenaufnahmen. Der bekannteste, für dessen Platten ich gestimmt habe, dürfte Götz Alsmann sein. Und gerade in Tonstudios sind die Techniker und auch Musiker immer sehr dankbar dafür, dass ich mit Gerät stimme.

Letztlich ist das doch nur ein Werkzeug. Und wie bei jedem Werkzeug ist das wichtigste, dass man damit umgehen kann. Und das Werkzeug muss natürlich auch gut sein. Konkret heißt das: ich nutze den Verituner und nicht Tunelab oder diese TLA Geräte. Ich messe vorab bei etliche Saiten die inharmonizität. Ich stimme dann stumpf nach Gerät alles durch und anschließend kontrolliere und korrigiere ich nach Gehör. Wobei eigentlich immer nur im Bass etwas zu korrigieren ist. Und die Choire stimme ich natürlich immer nach Gehör. Also eine Saite lasse ich mir vom Gerät vorgeben, die anderen 2 Saiten passe ich dann nach Gehör daran an. Und eine Eigenart habe ich mir angewöhnt, die für einen extrem stabilen Diskant sorgt: in der obersten Oktave stimme ich auch die Choire nach Gerät, also alle 3 Saiten nach Gerät. Extrem selten kommt es mal vor, dass das Choir dann nicht passt, aber fast immer klingt das lupenrein. Damit das funktioniert, muss man natürlich sehr genau arbeiten. D.h., man muss jede Saite so feste anschlagen, bis wirklich keine Bewegung mehr drin ist. Denn normalerweise sacken Saiten ja gerne ab bei Fortissimo Anschlag. Oder wandern auch gerne mal nach oben. Also stimme ich jede der 3 Saiten mindestens zwei mal. Gerne auch öfter. Halt so lange, bis es auch bei übelster Prügelei genau auf dem Punkt ist. Das Ergebnis kann sich nicht nur hören lassen, sondern das bekommt auch kein Boogie Pianist mehr kaputt geprügelt. Und das ist ja auch die Idee dabei. Wenn ich zu einem Instrument komme, merke ich genau, ob ich oder ein anderer Kollege das zuvor gestimmt hat. Wenn ich hart und brutal anschlage und das Choir sofort unrein wird, war es ein Kollege. Wenn es stabil bleibt, war ich der letzte Stimmer. Super Technik, aber anstrengend. Und man sollte definitiv Gehörschutz dabei tragen.

Ich weiß ja nicht, was für einen Gerätestimmer du mal an dein Instrument gelassen hast. Aber von einem Erlebnis auf alle zu schließen, finde ich etwas voreilig. Wahrscheinlich hattest du ja auch schon mal einen Gehörstimmer bei dir, mit dem du ebenfalls nicht so zufrieden warst?
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe beim Stimmen ein wenig zugesehen. Ein wichtiges Werkzeug schien mir der Hammer zu sein. Dann waren da noch kleine Keile...
Vom Mittelbereich bis zum Diskant scheint mir das Stimmgerät eine Hilfe zu sein.

Wie auch immer - die Stimmung gefällt mir sehr gut und hält auch gut.
 
Ich denke es gibt hier auch regionale Unterschiede - im strengkonservativen Bayern kommt es vorwiegend ned so gut, mit Stimmgerät zu stimmen. Im Norden ist man da wahrscheinlich sehr viel unbedarfter. Ich setze natürlich durchaus auch Stimmgeräte ein, wenn das Instrument erst einmal hochgezogen werden muß (was nicht so selten vorkommt), bestimmte Temperaturen gewünscht sind und für Lagerstimmungen (da kann ich mich einfach nicht 90 Minuten mit der Stimmung aufhalten). Eine Problematik welche ich bei stimmung mit Stimmgeräten erlebt hab; das Instrument ist "clear", es verliert an Charakteristik. Das ist bei Hobbyspielern und Klavierschüler sicherlich kein Problem, nur ich habe sehr viele Kunden, die wünschen daß jede Tonart ihre eigene Charakteristik hat, was bei einer Maschinenstimmung einfach nicht machbar ist. Das stimmen nach Gehör ist im Grunde genommen wie eine Handschrift....bei mir ist zum Beispiel D-Dur sehr brilliant Fis- Dur hingegen sehr aggressiv.

Viele Grüße

Styx
 
Nö, warum sollte er?

Er hat's doch gesagt: Manche wollen Charakteristik statt cleaner Sauberkeit.

Und unter diesen "manchen" sind auch Profimusiker.
Dass Götz Alsmann so was egal ist und er es einfach nur "sauber" haben will, ist klar :blöd::coolguy::teufel:
 
Gut, i lass es patentieren :-D

Auch eine gleich schwebende Stimmung vermag Unterschiedlichkeiten aufzuweisen - die Sprengungen sind da ned so ganz unwesentlich. ....sollt a Klavierbauer aber wissen :rauchen:

Viele Grüße

Styx
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  • und bei Klavierstimmungen von Styx :-D
LG
Michael
 
Nö, warum sollte er?

Er hat's doch gesagt: Manche wollen Charakteristik statt cleaner Sauberkeit.

Ist ja auch ok, er hat das schon treffend ausgedrückt: eine Stimmung ist wie eine Handschrift. Aber dass verschiedene Tonarten eben nicht verschiedene Charakteristiken haben, ist ja genau die Idee von gleichschwebend temperierten Stimmungen. Ansonsten sollte man eine andere, historische Temperierung wählen.
 

Ist ja auch ok, er hat das schon treffend ausgedrückt: eine Stimmung ist wie eine Handschrift. Aber dass verschiedene Tonarten eben nicht verschiedene Charakteristiken haben, ist ja genau die Idee von gleichschwebend temperierten Stimmungen.

Nun, in sofern ist es natürlich keine gleichschwebende Stimmung meinerseits, die großen Terzen und Dezimen werden nach oben hin immer schneller :-D

Nur ich meine hier schon mal das Beispiel einer mathematisch gleichschwebenden Stimmung eingestellt zu haben (
). Hier ist es völlig wurscht welche Tonart man spielt, die klingeln alle gleich greisslich.

Nehm ich bei der gleichschwebenden Temperatur eine sehr starke Spreizung, erscheinen die Quinten sauber, wo hingegen die Quarten arg jaulen, verwende ich garkeine Spreizung ist des Ding umgekehrt - von den anderen Intervallen red i erst garned.

Viele Grüße

Styx

PS: und jetzt sag bittschön ned, Deine S&S Kollegen stimmen alle nur "historisch" :zunge:
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Eine gleich temperierte Stimmung bedeutet ja nicht, dass die Tonarten nicht unterschiedlich klingen. Muss ja so sein, da die Abstände ja eben nicht gleich sind.
Allerdings verwundert es mich schon, dass ein Profipianist Wert darauf legen sollte, dass die Stimmung Eigenheiten besitzen soll, wie soll man sich so schnell darauf einstellen können?
Uuuuhh, Achtung Leute, wir spielen heute alles in F, alles andere klingt leider besch... :cry:
 
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Bitte lasse die Brunnenregeneration (Trinkwasser / Brauchwasser) nicht ausser Acht, wenn du schon eine so feine Auflistung machst :zunge:

LG Lustknabe
 
@xentis, i glaub jetzt bist Du es welcher nimmer so in der Stimmung ist :-D

Nein, eine gleichschwebende Temperatur legt man natürlich auch nach Gehör, diese wird aber nie bei jedem Instrumet gleich sein, weil sich hier des Gehör an des Instrument anpassen sollte. Eine Maschine vermag des ned, sie kann es zwar berechnen (so weit sind die heutigen Stimmgeräte schon), nur hören tut sie es ned.
Woast, es nutzt ja nix, wenn ein Instrument zwar absolut perfekt und porentief rein gestimmt ist, es aber im Gesamtklang von Stücken, so gar nix mehr hergeben will - da könnt man Konzerte auch gleich auf dem Digi geben.:lol:

Ich schrieb ja anderswo auch von Spreizung im Baß, jenen ziehe ich in der Regel immer etwas tiefer, so daß die Quinte zu hören ist, hier erscheint beispielsweise im Gesamtklang dann eine recht "große Wärme". Nun mag es aber ned jeder eine derartige Baßfülle zu haben, in diesem Fall ziehe ich ihn dann im Baß fast rein. In den Oktaven nach oben hin, ist es ähnlich, um so mehr Du sie nach oben spreizt, desto brillianter wird der Diskant (alles in allem gehen wir hier mal von einer ordentlichen Intonation aus, wenn die HK so abgespielt san, daß der Baß scharf und der Diskant muffig ist, nützt auch die beste Stimmung nimmer viel)


Viele Grüße

Styx
 
Natürlich hören die aktuellen Stimmapps und rechnen nicht nur...
Ich versteh nicht, wieso Temperatur und Spreizung hier immer vermischt wird?
Eine Temperatur sollte meines Erachtens möglichst nahe am Ideal sein. Die Inharmonizität spielt hier noch keine so große Rolle.
 
Entscheidend ist doch das Wissen über die Zusammenhänge. Die ablehnende Haltung vieler Klavierstimmer gegenüber Stimmgeräten bzw. Software, lässt sich ganz einfach erklären. Man kann Klavierstimmen rein intuitiv lernen und sehr gut darin werden, ohne auch nur einen Ansatz Ahnung davon zu haben, was man da - von der physikalischen Seite betrachtet - tut. Dazu braucht man nur jemandem, der es einem zeigt, das Ergebnis immer wieder überprüft und korrigiert, sowie viel viel Übung und Geduld.

Liest man die deutsche Standardliteratur (Junghans u.a.) zum Thema Klavierstimmung, so kommen Konzertstimmer zur Sprache, die sicherlich hervorragend stimmen konnten, jedoch auch nur zum Teil im Detail verstanden haben, was sie da eigentlich taten.

Einen Konzertflügel zu stimmen, wird von vielen als die "Königsdisziplin" angesehen, dabei sind die Voraussetzungen, dort eine besonders gute Stimmung zu erzielen, am Konzertflügel sogar am besten. Diese Instrumente werden ständig gestimmt, man hat nicht so häufig mit dem Problem zu tun, dass man viel hochziehen muss und darum kämpft, die einzelnen Lagen stabil zu bekommen. Ferner ist auch die Temperatur einfacher zu stimmen, weil die Inharmonizität nicht so extrem eine Rolle spielt. Eine echte Herausforderung auf dem Gebiet sind eher Kleinklaviere. Wenn nun ein Konzertstimmer überwiegend Flügel ein- und derselben Marke, oder sogar immer dieselben Instrumente betreut, so wird er beste Ergebnisse abliefern können, egal ob nach Gehör oder mit Stimmgerät, einfach weil die Umstände günstig sind.

Tonartencharakteristik ist ein Mythos, wenn tatsächlich eine gleichstufige Temperatur verwendet wird, der einzige Unterschied zwischen den Tonarten ist, dass die Geschwindigkeiten der Schwebungen der temperierten Intervalle nach oben hin zunehmen, und zwar ganz gleichmäßig. Jeder gute Klavierstimmer wird versuchen, dies so genau wie möglich hinzubekommen. So kann man es auch auf Lehrvideos von guten Simmern sehen, z.B. Kochsiek weist auf seiner DVD zum Buch "Konzertstimmungen" hin, dass das "Gerüst" aus aufsteigenden Terzen (F3-A3, A3-C#4, C#4-F4, F4-A4) ganz gleichmäßig in der Geschwindigkeit zunehmen muss und er demonstriert das auch im Video. Ganz genau so kann man es auch bei anderen - guten - Stimmtutorials aus dem Netz sehen. Grundsätzlich ist es aber egal, wie man diese Temperatur macht, das Ergebnis ist immer dasselbe. Ich habe das mal untersucht, indem ich von einem sehr guten hiesigen Konzertstimmer die Temperatur "vermessen" habe und das Ergebnis mit einer "synthetischen" Temperatur verglichen habe.

Ich behaupte, dass sehr viele sehr gute Stimmer sich überhaupt nicht mit Stimmgeräten und Software auskennen, diese Dinge ablehnen, und auch Behauptungen über ihre Stimmungen aufstellen, die in der Realität nicht stimmen, etwa, dass man einen "menschlichen Faktor" oder eine gezielte "Verstimmung" hineinbringen müsse. Es wird zwar behauptet, das Ergebnis sieht aber anders aus.

Zwar gibt es eine ganze Reihe von nicht-gleichstufigen Temperaturen, die auf dem Klavier oder Flügel sehr gut klingen, man geht da immer den Handel ein, dass man sich mehr Reinheit in bestimmten Tonarten mit zunehmender Unreinheit in anderen Tonarten erkauft, jedoch ist es ein Mythos, dass eine "zufällig" verstimmte Temperatur besser klänge, als eine exakt gleichstufige. Bei anderen als der gleichstufigen Temperatur muss man sehr genau wissen was man tut und sich an genaue Stimmanweisungen halten, sonst wird das Ergebnis eher erratisch.

Entstehen Abweichungen aber nur aufgrund der Methode, z.B. weil man nach Quinten und Quarten stimmt, wo die langsamen Schwebungen viel schwieriger im Hinblick auf zu- oder abnehmende Geschwindigkeit zu beurteilen sind, dann sollte man es nicht als musikalischen Gewinn verkaufen, wenn diese Temperatur dann etwas "anders" ausfällt, nach dem Motto: "we don't call it a bug, we call it a feauture." Es handelt sich dann schlicht um eine fehlerhafte Temperatur.

Alles nicht so einfach und man wird dem Thema nicht gerecht, wenn man vorschnell der einen oder anderen Methode allein den Vorzug gibt. Eine gute Stimmung setzt eine Menge Wissen und/oder Erfahrung voraus, egal wie man es betrachtet und ob man rein nach Gehör oder mit Hilfe von Stimmgeräten vorgeht.
 
Einen Konzertflügel zu stimmen, wird von vielen als die "Königsdisziplin" angesehen, dabei sind die Voraussetzungen, dort eine besonders gute Stimmung zu erzielen, am Konzertflügel sogar am besten.

Ja, das stimmt, an einem Konzertflügel welcher vor JEDEM Konzert gestimmt und gepflegt wird, ist kaum etwas daran zu tun - dies trifft auf den größtenteil der Konzertsäle zu. Bei den kleineren Bühnen allerdings verhält es sich mitunter doch etwas anders, da wird dann häufig an der regelmäßigen Wartung gespart, und man wird dann kurz vor dem Konzert gerufen da der Pianist auf dem Instrument in seinem Zustand ned spielen kann, Da zu diesem Zeitpunkt auch bereits die Ton und Beleuchtungstechnik zu gange ist, welche ned unbedingt geräuschlos arbeitet, kommt hier bei dem (mutmaßlich 5 Jahre nicht gestimmten) Instrument "so richtig Freude auf". Hier ist der Einsatz von Stimmgeräten kaum noch möglich, die reagieren in einem solchen Falle auf jedes Geräusch.

Viele Grüße

Styx
 
Ich versteh nicht, wieso Temperatur und Spreizung hier immer vermischt wird?
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Gut, dann erklär ich es Dir:

Bei einer starken Spreizung wie es bei Kleinklavieren beispielsweise von Nöten ist beläuft sich die Abweichung (in cent) der gleichschwebenden Temperatur beispielsweise wie folgt:

a´ = 0
a = -2,8
e´= - 1,1
h= -2,3
f#´= -0,7
c#´= -1,8
g#´= - 0,2
d# = -1,3
b = -2,5
f´= -0,9
c´= - 2,1
g´= - 0,4
d´= - 1,6

Hast Du garkeine Spreizung wie beispielsweise bei einem Orchesterflügel, belaufen sich die Abweichungen in der Temperatur bei +- 0

Viele Grüße

Styx
 
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