Steinway A, 1901 - Restaurieren?

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edi

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24. Aug. 2010
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Hallo!

Ich habe zuhause einen kleinen Flügel (Steinway) stehen der mir immer gute Dienste geleistet hat. Die Fabrikationsnummer sagt mir, dass es ein Baujahr 1901 ist, aus NYC. Zum Zeitpunkt des Kaufs, vor ca. 10 Jahren, wurde anscheinend die Mechanik teilweise erneuert und neue Saiten eingesetzt. Leider kann ich mich nicht mehr sehr gut erinnern was genau gemacht wurde weil ich damals ziemlich klein war. Laut meinen Eltern wurden die Saiten von dem Restaurateur selber hergestellt (ist das möglich?) und leider sind die mit Draht umwickelten Saiten auch schon auseinander gegangen, sozusagen. Ich habe die immer mit Modellkleber fixiert, damit sie sich nicht mehr abrollen (war damals ziemlich klein und das schien mir die beste Möglichkeit). Soweit zur Vorgeschichte.

Der Klang des Flügels ist ausserordentlich laut, hart und direkt, oft kommt es mir so vor als ob die Obertöne lauter schwingen als der Grundton. Das fällt besonders auf, wenn man ihn mit unserem anderen Flügel vergleicht, einem Steinway D aus den 1970ern, der immer vernünftig in Schuss gehalten wurde. Die Mechanik scheint mir sehr stumpf zu sein, man kann sehr wenig dynamisch machen und die Klangfarbe ist immer knallig, fast so als ob die Hämmer aus Holz sind und nicht aus Filz.

Jetzt frage ich mich, ob es sich lohnt den Flügel restaurieren zu lassen. Soweit ich das sehe guckt man nach Mechanik, Saiten, Resonanzboden und vielleicht sogar Rahmen? Die Mechanik ist wie gesagt direkt vor dem Kauf restauriert, aber nie umfassend nach persönlichen Wünschen intoniert worden. Kann man da die 'Härte' wegarbeiten? Oder kommt die Klangfarbe eher von den Saiten, die ja nicht original sind sondern nicht unbedingt vertrauenswürdig? Zu guter Letzt, kann man den Resonanzboden selber untersuchen? Wenn ich Photos machen und die hier verlinken würde, könnte jemand daraus Schlüsse ziehen?

Bevor ich es vergesse, wie oft müssen Mechanik, besonders Hämmer und Dämpfer ausgetauscht werden? Der Flügel wurde eigentlich konstant 3 bis 4 Stunden täglich bespielt (die armen Eltern!).

Vielen Dank,

Edi

PS: Ich habe ein paar Photos angehängt. Bin über alle Informationen (ob die Mechanik original ist, egal was) dankbar!
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Edit: Bilder verkleinert.
 
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Hammerköpfe nebst Stielen, Kapseln und Röllchen wurden erneuert, ebenso die Dämpferfilze, viel mehr kann man aus den Bildern nicht ersehen.

Wenn sich die umsponnenen Basssaiten aufgewickelt haben, dann hat der Klavierbauer damals wohl nicht vernünftig gesponnen.

Furchtbar finde ich die neue Lackierung des Gußrahmens:
Glanzlack über alles drübergeklatscht, auch über die Agraffen.


Eine Restaurierung ist bei diesem Flügel hinfällig, ein Neuaufbau lohnt sich bei einem Steinway eigentlich (fast) immer.
Immer im Hinterkopf behalten dass ein Amerikanischer Steinway in der Qualität nicht ganz und im erzielbaren Verkaufspreis ganz und gar nicht an das Niveau der Hamburger Instrumente herankommt.
 
Hallo Edi,

Jetzt kann ich mir das vorstellen, was Du gestern im Chat gesagt hast. Es ist also ein amerikanischer Steinway. :p

Schade um die Sache mit der Rahmen-Lackierung, die Erneuerung der Hämmer ohne Intonieren und genaues Abstimmen der Mechanik. Alles husch husch schnell erledigt und hinterher unspielbar. Bestimmt haben Deine Eltern viel Geld zahlen müssen für so eine furchtbare Reparatur.

Eine Überarbeitung bei diesem Flügel ist überfällig und nicht hinfällig.;) Auf jeden Fall muss man die umsponnenen Saiten erneuern. Die Hämmer kann man mit viel Aufwand sicher intonieren, dürfte es sich doch wenigstens um Steinway Originalteile handeln und die Mechanik ordentlich abstimmen (Nachbleien) und regulieren.

LG
Michael
 
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Eine Überarbeitung bei diesem Flügel ist überfällig und nicht hinfällig.;)

Eine Überarbeitung ist dringend notwendig und dürfte auch nicht allzuteuer werden.

Eine Restaurierung ist eigentlich ausgeschlossen, da wurde schon zu viel gepfuscht.

Ein komplette Neuaufbau wäre auch überlegenswert, die Kosten dafür liegen im Bereich der Kosten eines neuen Markenklaviers, dafür hat man aber später auch einen neuwertigen (amerikanischen) Steinway, der immerhin auch schon ein Sostenuto hat.
 
Vielen Dank für die raschen und ausführlichen Antworten. Ein paar Fragen hätte ich noch. Was genau beinhaltet ein Neuaufbau? Würde da der gesamte Rahmen ausgetauscht und die Mechanik ersetzt werden? Das scheint mir etwas zu aufwändig, es wird wohl eine Überarbeitung werden. Mit "da wurde schon zu viel gepfuscht" meinst du nur die Lackierung von Rahmen und Agraffen (besonderes letzteres ist unangenehm weil die Lackierung sogar an manchen schon abplatzt)? Oder gibt es noch etwas? Was mir aufgefallen war ist, dass die Pilote schief sitzen und einen Hex-Kopf haben. Kann es sein, dass der Restaurateur damals Tasten mit falschem 'Pilotenbohrloch' benutzt und dann Schrauben vom Baumarkt schräg reingedreht hat (um den Sattel doch noch zu treffen) anstatt vernünftige Pilote zu nehmen? Die Tasten selber haben mich auch immer irritiert, das Plastik fühlte sich nur halb so wertig an wie andere Steinways.

PS: Wo liegt preislich eine Überarbeitung, wenn man davon ausgeht dass ein paar Saiten und die notwendigen Filze (alle Hämmer und Dämpfer) erneuert werden?
 
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Hallo Edi,

Jetzt hab ich den kleinen Ausschnitt der Tasten gesehen. Die sind wohl auch erneuert worden - oder täusche ich mich.

Die Piloten sind Original. Sie werden bei Steinways schräg hineingedreht. Keine Baumarktware ;) aber ein wenig verwendeter Hexkopf

Was KBM mit Neuaufbau meint weiß ich nicht, jedenfalls denke ich mit neuen Hebegliedern bestücken und sicherlich nochmals besaiten. Wahrscheinlich nochmals neue Hammerstiele mit Köpfen. Wenn der Boden keinen Sprung hat, oder der Blankbezug mit falschen Saiten bestückt, würde ich das aber nicht machen. Die Hebeglieder muss man sich genauer ansehen. Erneuern kann, muss aber nicht nötig sein.

Ein hochwertigerer Belag wäre sicher gut. Wie sieht denn die Klaviatur sonst aus? Sind die Abstände zwischen den Tasten deutlich unregelmäßig und fehlt seitliches Tastenholz? Man kann bei einem Neuaufbau auch die Klaviatur komplett erneuern.

LG
Michael
 
Gut zu hören, dass die Pilote original sind. Wie sieht man ob die Hebeglieder ausgetauscht werden müssen? Als Laie kann man das wohl nicht abschätzen? Ich hab noch ein paar Photos von Hämmer und Röllchen gemacht, und dann noch eins von dem Belag. Vielleicht bringt das ja noch etwas.
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Schade, dass der Restaurateur den Rahmen so vermurkst hat. Wie kann ich sehen ob der Resonanzboden noch vernünftig gewölbt ist oder Risse hat? Bald kommt ein S&S Mechaniker vorbei um sich den Flügel anzusehen. Hoffentlich fällt er nicht in Ohnmacht wegen des Lacks. Ist S&S immer viel teurer oder lohnt sich der (eventuelle) Qualitätsunterschied?
 
Hm,
zu dem letzten Bild:
Treffen die Hämmer auf 2 oder 3 saiten auf?
Wenn sie auf 3 Saiten treffen, sieht man jedoch nur 2,5 rillen. XD Was ich damit sagen will ist, dass sie Falsch zu den Saiten ausgerichtet sein könnten.

Des weiteren sehen die Hammerrölchen auch erneuerungsbedürftig aus.

Und noch eine Anmerkung: Sind die schwarzen Tasten sind aus Ebenholz? :confused:

Vielleicht sagt Klavierbauer/Klaviermacher noch was dazu. Eventuell sind es noch die Originalen und nur die Weißen wurden erneuert.
Wegen des Preises, schreibe den Klavierbauer an oder rufe ihn an, denn das kann sich schon oft unterscheiden.
Wegen der Risse. Einfach von oben auf Risse/Spalten im Resonanzboden achten. Das fällt dann doch schon auf. ;)
 
Ja, lass mal begutachten...

Ich persönlich würde die Glieder belassen und wenn nötig reinigen und regulieren. Wenn die Gliederachsen steif sind, kann man sie tauschen usw. also restaurieren ;) Viel mehr würde ich darauf achten, ob die Garnierungen der Tasten sauber laufen und nicht zu viel Spiel haben. Vielleicht sind auch die Vorderdruckfilze falsch gemacht worden beim erneuern. Hinterher spielt sich so ein Flügel gar nicht mehr steinwayähnlich.

Die Hämmer muss man abziehen, regulieren und auf Chor stellen - die haben ja nicht mal alle drei Saiten getroffen. Wenn alles fertig eingestellt ist, kann mit dem Intonieren begonnen werden. Wenn der Hammer sehr hart ist, werden viele kleine Löcher zu machen sein. Danach bekommt der Flügel wieder einen schönen Klang:cool:

Der Rahmenlack und Abpaltzungen ist nur ein optischer Mangel. Das wirkt sich auf den Klang nicht aus, außer es wäre Lack in den Löchern der Agraffen drinnen.

Der Belag ist wirklich sehr billig - es gibt hochwertigere. Leider sieht man an den Fotos nicht, ob das Tastenholz unterhalb des Belags seitlich eine Vertiefung hat. Das heißt, dass die eigentliche Taste dort schmäler ist als am Oberbelag. Ganz sicher merkt man aber, dass die Vorderkante an der Unterseite scharfkantig ist.

LG
Michael
 
Was KBM mit Neuaufbau meint weiß ich nicht

Der Versuch einer Definition, was in unserem Betrieb diese Begriffe bedeuten:

Restauration: Instrument unter Bewahrung möglichst vieler Originalteile und ggfl. unter Anwendung alter Arbeitsweisen in den Zustand bei ehemaliger Erstauslieferung versetzen.

Überarbeitung: Instrument wieder in einen funktionsfähigen, alltagstauglichen Zustand versetzen.

Neuaufbau: Instrument in einen Zustand versetzen, der dem Zustand zum Zeitpunkt der damaligen Erstauslieferung oder ggfl. auch dem Zustand einer aktuellen Erstauslieferung entspricht.
Im Gegensatz zur Restauration versucht man hier nicht um jeden Preis am Originalzustand festzuhalten und kann z.B. auch eine runtergespielte Mechanik komplett gegen eine neue Mechanik austauschen, eine verranzte Schellack-Oberfläche durch Polyester ersetzen, etc.


Restaurationen sind v.A. für Liebhaber historischer Instrumente und deren Klänge interessant, bei den meisten hier dürfte aber eher die Alltagstauglichkeit als der Originalzustand von Interesse sein.
Du fragtest im Titel nach einer Restauration, die lohnt sich aber nicht, da an dem Flügel schon zu viel nicht mehr original ist.

Bei einer Überarbeitung ist der Umfang nicht näher definiert, man macht das, was aktuell notwendig ist bzw. was der Kunde investieren will.
Bei Deinem Flügel wird man nach der Beschreibung die Bass-Saiten ersetzen, die Mechanik überarbeiten, intonieren und alles regulieren.
In 20h Arbeit ist da schon sehr viel geschehen und der finanzielle Aufwand hält sich in Grenzen.


Nachdem sich bei den Steinway-Konstruktionen der letzten Jahre kaum etwas verändert hat, bietet sich ein Neuaufbau an. Danach hat man ein einem aktuellen Neuinstrument ebenbürtigen Flügel.
Natürlich kann man für einen Neuaufbau mit optischer Überarbeitung, neuer Mechanik, etc. problemlos 10-20.000,- Euro investieren, hat aber danach einen neuwertigen Flügel, der aktuell neu ein vielfaches kosten würde.


Bei den alten Steinways sollte man sich die Messing-Tubengestelle immer genau ansehen, die reisen sehr gerne.
Bei einem Neuaufbau wird man diese zumeist ohnehin komplett ersetzen.
 

Das Mechanikgestellt aus den Messing-Rohren (Tuben als Plural von "Tubus", nicht an Zahnpasta denken :D).
Das Holz im inneren quillt auf und sprengt die Messing-Rohre.
 
Vielen Dank, KBM! Ich habe wohl Restauration und Neuaufbau verwechselt. Am Anfang dachte ich, dass wirklich sehr viel Arbeit investiert werden müsste, jetzt glaube ich eher, dass man mehr regulieren muss als ersetzen. Mal als ganz dumme Frage, könnte der Flügel auch 'modern' klingen nach einer Überarbeitung? Ich habe gerade auf einem Steinway B aus 2004 gespielt und muss sagen, dass ich ganz platt bin. So einer würde aber um die €30.000 kosten, oder nicht? Am liebsten hätte ich einen Flügel der einigermaßen modern klingt und auch so reagiert - ich will ja bei Konzerten keinen Schock kriegen und nicht mit neuen Instrumenten zurecht kommen. Wäre so etwas auch mit meinem Flügel möglich oder ist der grundsätzlich 'alt'? Was mich auch stört ist der leichte und undifferenzierte Anschlag. Ist das mit Gewichten und Regulierung zu ändern, oder liegt das einfach daran, dass es ein Modell A ist?

Vielen Dank schonmal an alle,

Edi
 

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