„So rasch wie möglich“

Ich versuche mal, die Diskussion moderierend zusammenzufassen:

Partei A (@Henry, @StefanN) sagt, Bach habe explizit für das Cembalo bzw. die Orgel (und alle anderen zu der Zeit verfügbaren Tasteninstrumente) komponiert und seine kompositorischen Ideen seien beeinflusst von genau diesen Instrumenten, die ihm zur Verfügung standen.

Partei B (@Carnina, @mick und ich) sagen, Bach habe eine kompositorische Idee gehabt und geschaut, mit welchen Mitteln er sie umsetzen kann.

Habe ich die beiden Positionen einigermaßen getroffen?





























Noch ein Aspekt und ein Argument für Bachs Akzeptanz des modernen Konzertflügels. Im Barock war es durchaus üblich, Werke für ein bestimmtes Instrument auf andere Instrumente zu übertragen. Nur so am Rande. :001:
 
Zuletzt bearbeitet:
Habe ich die beiden Positionen einigermaßen getroffen?
Ja. Ich denke. Für mich ist Musik ein „musikalischer Gedanke“ keine Punkte und ein Instrument. Ich will den Inhalt erfassen. Dafür ist mir jedes Mittel recht. Noten sind ein Mittel zum Zweck. Wenn dort genau steht was der Komponist will, halte ich mich dran. Aber ich versuche dem „Sinn“ zu folgen. So hab ich’s gelernt und lerne es noch. wenn man das nicht macht, läd man die Noten am besten auf den Rechner und lässt sie von KI abspielen. Dann braucht niemand mehr ein Instrument lernen, dann ist Musik tot und wir holen uns einfach eine gut eingespielte Konserve. Da hätte ich keine Lust mehr Klavier zu lernen.
 
Unabhängig von Bach und Legato Pedal. Spiele ich auch staccatto mit Pedal. Mit sehr kurzen Portato Pedal (ich tu zumindest mein bestes) weil (und die Erklärung leuchtete mir ein und passt FÜR MICH und mein Empfinden bestens): weil kein Instrument, keine Stimme Töne so kurz abreißen/abschneiden kann wie das Klavier. Der Dämpfer fällt wie ein Beil. Auf der Geige oder mit der Stimme klingt es immer minimal aus. Nur weil Pianisten den Ton wenn er mal klingt nicht mehr beeinflussen können, vergessen sie dass man ihn nicht nur beim entstehen beeinflussen kann, sondern auch wie er endet. Auch da spiel ich deshalb bei staccatto nicht einfach einen trocknen Akkord sondern versuche das mit Pedal voller aber kürzer als der Noten wert zuspielen. Oder oder. Auch da ist der Punkt auf dem Blatt nicht nach Schema F zu spielen.

Muss niemand so machen. Nur am Rande.aber die Dänpfung moderner Flügel ist nunmal sehr „gründlich“
 
Ich versuche mal, die Diskussion moderierend zusammenzufassen:

Partei A (@Henry, @StefanN) sagt, Bach habe explizit für das Cembalo bzw. die Orgel (und alle anderen zu der Zeit verfügbaren Tasteninstrumente) komponiert und seine kompositorischen Ideen seien beeinflusst von genau diesen Instrumenten, die ihm zur Verfügung standen.

Partei B (@Carnina, @mick und ich) sagen, Bach habe eine kompositorische Idee gehabt und geschaut, mit welchen Mitteln er sie umsetzen kann.

Beide "Parteien" haben recht. Unrecht hat nur, wer meint, die beiden Positionen würden sich ausschließen. Selbstverständlich hat Bach für vorhandene Instrumente komponiert, hat deren Tonumfänge und dynamischen Möglichkeiten berücksichtigt, und selbstverständlich hatte Bach, der die damals verfügbaren Instrumente recht gut kannte, beim Komponieren schon konkrete Vorstellungen, mit welchem/welchen dieser Instrumente seine kompositorische Idee umzusetzen wäre.
 
Noch ein Aspekt und ein Argument für Bachs Akzeptanz des modernen Konzertflügels. Im Barock war es durchaus üblich, Werke für ein bestimmtes Instrument auf andere Instrumente zu übertragen. Nur so am Rande. :001:

Viel entscheidender wie eine durchaus übliche, unterschiedliche Wahl des Claviers ist doch eine der barocken Musizierpraxis- und Kompositionsidee entsprechende Wiedergabe. - Natürlich nur, wenn man - in diesem Fall - Bach gerecht werden will und SEINER kompositorischen Idee.
Diese realisiert man dann mit den Mitteln, die das jeweilige Instrument zur Verfügung stellt.
 
Letztes Jahr in der Elbphilharmonie:
Schiff spielte zwei Beethoven Klavierkonzerte auf einem Hammerflügel. Während des ersten Satzes schlief meine Tochter ein. Ich konnte mich auch nur mit Mühe wach halten.
Da fehlten einfach so viele Farben, Dynamik und die Power eines normalen Konzertflügels. Es war tatsächlich schnarchlangweilig.
Ich bin mir sicher, Beethoven hätte einen Steinway D geliebt.
LG,
NaMu
 
Letztes Jahr in der Elbphilharmonie:
Schiff spielte zwei Beethoven Klavierkonzerte auf einem Hammerflügel. Während des ersten Satzes schlief meine Tochter ein. Ich konnte mich auch nur mit Mühe wach halten.
Da fehlten einfach so viele Farben, Dynamik und die Power eines normalen Konzertflügels. Es war tatsächlich schnarchlangweilig.
Ich bin mir sicher, Beethoven hätte einen Steinway D geliebt.
LG,
NaMu
Klagte nicht sogar Haydn über den schwachen Ton damaliger Instrumente. Ich glaub ich hab das in „biografische Nachrichten von Joseph Haydn“ gelesen (schwacher Ton, kurzer Ton, irgendwas war da). Mir ist’s nur im Gedächtnis geblieben weil ich das nicht erwartet hätte.
 
Nach der oben genannten Logik: Beethoven hätte natürlich auch keinen modernen Flügel hören wollen. Und sein ffff ist bitte auch nur mezzoforte zu spielen. Schließlich war er schwerhörig UND hatte keinen modernen Flügel. Er kann also garkein ffff gehört haben und pp wohl garnicht. Daher war seine musikalische Vorstellung an das Instrument und die Schwerhörigkeit gebunden und muss pianissimo und piano heute auf modernen Flügel unhörbar leise und ffff nur in moderater Lautstärke gespielt werden.

oder man geht dann doch davon aus, dass die Musikalische Vorstellung nicht an Instrument und Gehör (!) gebunden ist.
 

Die meisten vergessen eh, dass diese ganzen verschiedenartigen Stimmungen, ob Valotti oder Werckmeister und Konsorten eigentlich nur das Ziel hatten, mit Hilfe identifizierbarer und definierter Schwingungen so nah wie möglich dem pythagoräischem Komma einen Stinkefinger zu zeigen. Die mathematischen Verhältnisse einer vollkommenen gleichschwebenden Stimmung sind halt kompliziert und nicht einfach mal dadurch abzubilden, dass ein Intervall passt und ein anderes eher nicht.

Es ist absurd, den ganzen historischen Stimmungen anzudichten, sie seien darauf ausgerichtet, bestimmte Tonarten schön klingen zu lassen. Es sind alles Krücken, von denen einige näher als andere am tatsächlichen "Equal Temperament" sind wie es heutige Stimmgeräte können.

Und Du vergißt die andere Seite der Medaille, tatsächlich beabsichtigten einige der Konsorten mit ihren bewußt ungleichstufigen Temperaturen eine deutlich hörbare Tonartencharakteristik; ein vehementer Verfechter derselben war Johann Philipp Kirnberger:

"Zweytens wird durch die gleichschwebende Temperatur die Mannigfaltigkeit der Töne aufgehoben. Denn sie läßt schlechterdings nur zwey Charakter übrig, da auf der einen Seite alle Durtöne, und auf der anderen alle Molltöne sich vollkommen gleich sind. Also hätte man durch die 24 Tonleitern nicht nur würklich nichts gewonnen, sondern sehr viel verloren. Denn die bloß diatonische Tonleiter, wie die Alten sie gebraucht haben, wovon oben gesprochen worden, gab verschiedne, an Charakter wol von einander abgezeichnete Tonarten, davon allemal die, welche sich zum Ausdruck am besten schickte, konnte gewählet werden. Die gleichschwebende Temperatur hebt dieses auf, und läßt dem Tonsetzer blos die Wahl zwischen der großen und der kleinen Tonart.
Diese Gründe sind wichtig genug, um eine Temperatur fahren zu lassen, die so viel Unvollkommenheit nach sich zieht."

 
Und Du vergißt die andere Seite der Medaille, tatsächlich beabsichtigten einige der Konsorten mit ihren bewußt ungleichstufigen Temperaturen eine deutlich hörbare Tonartencharakteristik; ein vehementer Verfechter derselben war Johann Philipp Kirnberger:

Nö, den Einen (und die wenigen Ungenannten) halte ich für Spinner, aber wohlbekannt sind sie mir schon. Wenn sie denn wenigstens auch nur ein Beispiel der relevanten Literatur zitiert hätten, das auch heute in originaler Handschrift überliefert ist und das in deren Stimmungen grandios klingt und im heutigen Equal Temperament absolute Grütze ist: Wunderbar!

Meanwhile: Komponisten haben sich weiterentwickelt, während solche nicht einmal akademische Diskussionen längst obsolet sind und es eigentlich schon immer waren. Mit welchem relevanten Komponisten hat Kirnberger nochmal zusammengearbeitet?

Ach so.
 
Und Du vergißt die andere Seite der Medaille, tatsächlich beabsichtigten einige der Konsorten mit ihren bewußt ungleichstufigen Temperaturen eine deutlich hörbare Tonartencharakteristik; ein vehementer Verfechter derselben war Johann Philipp Kirnberger:
Die "historischen Stimmungen" sind nicht so zu unterschätzen.

Es gibt Menschen, die mögen diese arg jammernde große Terz bei der gleichstufigen Stimmung nicht.

Da sind historische Stimmungen schon sehr angebracht, auch wenn man bei der Anzahl der Tonarten etwas eingeschränkter ist.

Hier kann man natürlich auch beim stimmen Kompromisse finden, welche die "Reiztonarten" noch so einigermaßen erträglich macht.

In sofern ist die Werckmeister III schon mal garnicht soo verkehrt, auch wenn da Bachs Es Moll ein wenig gewöhnungsbedürftig ist.

Diese ist natürlich bei der Werckmeister III arg aggressiv - aber ich denke mal, des war von Bach durchaus beabsichtigt.
 
Kennt ihr solche Leute, die einfach zu gern essen und abnehmen wollen und sich teure Sportkleidung, Protein-Shakes, Mikronährstoffkapseln, Pulsuhr, GPS Tracker, Ratgeber, Online Kurse, Walking Stöcke etc. kaufen und dann nicht vor die Türe gehen, weils regnet, zu warm/zu kalt/zu windig ist? Warum hab ich grad solche Assoziationen…..? 😁
 
Kennt ihr solche Leute, die einfach zu gern essen und abnehmen wollen und sich teure Sportkleidung, Protein-Shakes, Mikronährstoffkapseln, Pulsuhr, GPS Tracker, Ratgeber, Online Kurse, Walking Stöcke etc. kaufen und dann nicht vor die Türe gehen, weils regnet, zu warm/zu kalt/zu windig ist? Warum hab ich grad solche Assoziationen…..? 😁

Solche Leute mag es sicherlich geben - soll ja bei den Grünen- Anhängern sehr verbreitet sein.

Wie Du jetzt allerdings darauf kommst, erschließt sich mir noch nicht so ganz.
 
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In sofern ist die Werckmeister III schon mal garnicht soo verkehrt, auch wenn da Bachs Es Moll ein wenig gewöhnungsbedürftig ist.

Diese ist natürlich bei der Werckmeister III arg aggressiv - aber ich denke mal, des war von Bach durchaus beabsichtigt.
Und was ist mit der dazugehörigen Fuge in dis-moll? Die war wahrscheinlich ursprünglich in d-moll.
Hat Bach da dann eine Vermehrung der Aggression beabsichtigt? Und ist dis-moll genauso "arg aggressiv" wie es-moll?
 
Und Du vergißt die andere Seite der Medaille, tatsächlich beabsichtigten einige der Konsorten mit ihren bewußt ungleichstufigen Temperaturen eine deutlich hörbare Tonartencharakteristik; ein vehementer Verfechter derselben war Johann Philipp Kirnberger
Nun hat Kirnberger selbst meines Wissens keine Tonarten jenseits Es-Dur/E-Dur verwendet - blieb also immer in dem Rahmen, in dem man mit den damals gängigen ungleichstufigen Stimmungen gut zurecht kam. In diesem begrenzten Kontext hatte er natürlich Recht. Aber je mehr Vorzeichen, umso schwieriger ist dieses Postulat zu halten.

Wenn sie denn wenigstens auch nur ein Beispiel der relevanten Literatur zitiert hätten, das auch heute in originaler Handschrift überliefert ist und das in deren Stimmungen grandios klingt und im heutigen Equal Temperament absolute Grütze ist: Wunderbar!
Es ist in gewisser Weise eine Frage des Geschmacks und der Hörgewohnheiten. Ich persönlich finde frühbarocke Sachen (die sich meist durch eine eher einfache, nicht chromatische Harmonik auszeichnen) in gleichstufiger Stimmung reichlich fade. Ob es absolute Grütze ist, mag dahingestellt sein. Aber auf dem Klavier würde ich sowas tatsächlich nicht spielen wollen.
 
Die Toccata von Rossi wurde mit hoher Wahrscheinlichkeit für das Archicembalo geschrieben. Wie sinnvoll es ist, sowas auf einer Orgel mit Vallotti-Stimmung zu spielen, darüber kann man sich trefflich streiten.
 

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