Sinn und Unsinn von Schwierigkeitsgraden

  • Ersteller des Themas Debösi
  • Erstellungsdatum

Debösi

Debösi

Dabei seit
5. März 2017
Beiträge
1.820
Reaktionen
4.158
im Forum liest man verschiedentlich, das eine oder andere Stück sei „leicht“ oder „mittelschwer“ oder sogar „schwierig“.
Wenn da ein Stück als „leicht“ besprochen wird, das ich für mich persönlich als sehr schwierig empfinde, dann frage ich mich manchmal, wem diese Kategorisierung eigentlich weiterhelfen soll. Denn diese Skala ist vollkommen vom individuellen Können, Talent und von der Ausbildung abhängig.
Hat eine Nummer auf der Henle- oder irgendeiner Skala für mich irgendeinen Aussagewert? Was soll ich damit anfangen?
 
Neben den individuell unterschiedlichen Stärken, Schwächen, Vorerfahrungen..., stellt sich zudem die Frage, in welcher Hinsicht ein Stück in eine Schwierigkeitsstufe einsortiert wurde - nach technischem, rhythmischem, gestalterischem...Anspruch?

Ich vermute, solche Schwierigkeitslisten sind eine Mischung aus statistischen Erfahrungswerten und der Vereinbarung von Vertretern diverser Bildungsinstitute, die Einstufungen für Leistungsnachweise vornehmen mußten.

Die Aussagekraft solcher Listen dürfte kaum höher sein als das Ergebnis in einem meiner damaligen Seminare an der Uni, als wir in einer statistischen Berechnung herausgefunden hatten, dass Männer mit roten Socken und Schuhgröße 43 die besten Sprinter seien.
 
Die Henle-Kategorisierung von 1-9 (und ähnliche Einordnungen) sehe ich als grobe Einordnungen, die nicht grundfalsch sind und es gibt bestimmt auch genug Leute, denen so eine grobe Orientierung hilft.

Ab einem gewissen Niveau kann man aber die Schwierigkeit persönlich wohl durch Anschauen der Noten bzw. kurzes Anspielen viel besser selber einschätzen, und so mach ich das dann auch selber meistens. Von daher ist es dann nicht mehr so wichtig, ob da eine 7 von 9 oder eine 8 von 9 dasteht, da muss man einfach schauen ob man es gut hinbekommt, ob man es "irgendwie hinbekommt", oder ob man es eben lieber gleich ganz sein lassen sollte, weil es tatsächlich deutlich zu schwer ist.
 
im Forum liest man verschiedentlich, das eine oder andere Stück sei „leicht“ oder „mittelschwer“ oder sogar „schwierig“.
Wenn da ein Stück als „leicht“ besprochen wird, das ich für mich persönlich als sehr schwierig empfinde, dann frage ich mich manchmal, wem diese Kategorisierung eigentlich weiterhelfen soll. Denn diese Skala ist vollkommen vom individuellen Können, Talent und von der Ausbildung abhängig.
Hat eine Nummer auf der Henle- oder irgendeiner Skala für mich irgendeinen Aussagewert? Was soll ich damit anfangen?
Einige Klavierstücke lassen sich mit einem begrenzten Fähigkeiten interpretieren, andere erfordern ein umfassendes Repertoire an verschiedenen Techniken und viel Erfahrung. Mit dem Auto einer schnurgeraden Landstraße folgen erfordert ja auch weniger Skills als die Rush Hour einer Großstadt.

Die Einstufung auf einer linearen Skala kann bspw. durch Aufsummieren der vorkommenden Schwierigkeiten erfolgen. Dabei muß nicht zwingend eine Übereinstimmung mit dem eigenen Repertoire an technischen Fähigkeiten vorhanden sein. Allerdings ist es sehr selten, daß jemand, der noch mit einer einstimmigen Melodie und akkordischer Begleitung hadert, schnelle Oktavenläufe als einfach empfindet.

An wen richtet es sich? An Amateure auf Intermediate-Level. Profis brauchen sie nicht, sie können sowieso alles selbst einschätzen. Anfänger brauchen passend ausgewählte Übungsliteratur z. B. nach dem RCM-Syllabus. Die "Schwierigkeitsgrade" der Notenverlage fangen meist erst darüber an.
 
Schwierigkeiten sind natürlich ganz unterschiedlicher Art - dem einen fallen schnelle großgriffige Begleitfiguren leicht, dem andern Polyphonie, Polyrhythmik oder große Sprünge, gekreuzte Hände (mir die letztgenannten 4 Sachen). Individuell passen muss deshalb so eine Bewertung nicht unbedingt. Aber ich finde so eine Skala (ich kenne nur die Henle und kann sie auf die Stücke anwenden, die es in diesem Verlag gibt - rund die Hälfte meines Repertoirs) dennoch einigermaßen nützlich.

Grüße
Manfred
 
Die Zahl kann sich eigentlich sowieso nur auf das bloße drücken der Tasten (= reinste Fingertechnik) beziehen. Ansosnten werden viele Pianisten lieber einen Kracher von Chopin oder Liszt spielen als ein langsames Präludium und Fuge von Bach.
 
Die Zahl kann sich eigentlich sowieso nur auf das bloße drücken der Tasten (= reinste Fingertechnik) beziehen.
Bei vielen Einstufungen fließen auch Schwierigkeiten, das Urtext-Notenbild zu entziffern und die Anforderungen an eine sinnvolle Interpretation ebenso mit ein.

Ausführlichst ausnotierte Übungsstücke können deshalb bei gleicher mechanischer Schwierigkeit als leichter eingestuft sein, als ein Urtext der bloß ein paar Ganznoten-Akkorde mit "hier darüber improvisieren" aufführt.
 
Die Schwierigkeitsgrade helfen dabei, die Motivation zum Üben zu behalten. ;-)
Wird das auserwählte Stück als (zu) leicht eingestuft, verliert es schnell mal den Reiz....
Ernst beiseite: es ist hilfreich, solche Listen zu durchforsten, wenn man auf der Suche nach was Neuem ist und gleich alles ungefähr in Frage kommende beieinander hat.
 
im Forum liest man verschiedentlich, das eine oder andere Stück sei „leicht“ oder „mittelschwer“ oder sogar „schwierig“.
Wenn da ein Stück als „leicht“ besprochen wird, das ich für mich persönlich als sehr schwierig empfinde, dann frage ich mich manchmal, wem diese Kategorisierung eigentlich weiterhelfen soll. Denn diese Skala ist vollkommen vom individuellen Können, Talent und von der Ausbildung abhängig.
Hat eine Nummer auf der Henle- oder irgendeiner Skala für mich irgendeinen Aussagewert? Was soll ich damit anfangen?

Die Einordnung der Schwierigkeit braucht natürlich eine (möglichst objektive, aus langer Erfahrung heraus gewonnene) Referenz.

Im "Handbuch der Klavierliteratur" z.B. ist diese Referenz ein durchschnittlich begabter Schüler, also weder ein kleines Wunderkind noch ein 'schwerer' Lerner. Und wenn dieser Otto Normalo oder dieses Lieschen Normala dann halt zwei Jahren an sechs Tagen die Woche ca. 45 Minuten übt (und einmal die Woche bei einem Lehrer vorspricht) kann man davon ausgehen das er oder sie dies und jenes spielen kann. Natürlich gibt es da immer Fehleinschätzungen, aber im Großen und Ganzen ist zumindest das genannte Buch recht hilfreich, auch zum Finden von neuen Stücken.

Wie gesagt, Abweichungen von der Norm gibt es immer (nach oben wie nach unten).

Natürlich gibt es auch viel Murks in dem Bereich: Bei Schott z.B. werden diverse Bach-Inventionen oder Beethoven-Sonaten als "leicht" eingestuft, diverse Chopin-Preludes als "mittelschwer". Naja, ein wenig mitdenken schadet nicht...
 
Diverse Chopin-Préludes sind im Vergleich mit diversen Inventionen durchaus berechtigterweise mittelschwer. Kommt echt drauf an, welche genau. Es gibt eine Handvoll sehr anspruchsvoller Preludes.
 

Diverse Chopin-Préludes sind im Vergleich mit diversen Inventionen durchaus berechtigterweise mittelschwer. Kommt echt drauf an, welche genau. Es gibt eine Handvoll sehr anspruchsvoller Preludes.

Klar, ich meinte das auch andersrum: Die Inventionen sind durch die Bank nicht "leicht".

Dieses Stücke von Chopin sollen z.B. "mittelschwer" sein:

F. Chopin: Regentropfen-Prélude Des-Dur, op. 28/15
Etüde "Tristesse" E-Dur, op. 10/3
Nocturne Es-Dur, op. 9/2
Walzer a-Moll, op. 34/2
Minutenwalzer Des-Dur, op. 64/1
Trauermarsch aus: Sonate b-Moll, op. 35

Mag ja zum Teil stimmen, der dennoch ist das viel zu undifferenziert.

Naja...ist halt Marketing, wenn man die Noten als "schwer" verkaufen würde bliebe der Absatz wohl eher gering.
 
@BWV999: Mit dieser "mittelschweren" Liste kann ich verdächtig gut leben (also muß irgendwas faul dran sein :-D).
Die Liste "mittelschwerer" Stücke für ein Repertoire, die @Stilblüte unlängst hier irgendwo gepostet hat, sieht schon plausibler aus (weil unspielbar :cry2:).
 
"Mittelschwer" scheint alles zwischen zu sein zwischen "Mein 1. Jahr Klavierunterricht" und "Ich bewerb mich jetzt an der Hochschule".

:lol: Eine glasklare Definition! :super:





Ernst beiseite. Ich mach doch gern mal "Sightreading/Prima Vista"-Übungen. Die Literatur muss entsprechend leicht sein. Zumindest im "niedrigschwelligen Bereich" halten die Schwierigkeitsgrade, was sie versprechen.

Obskur wird´s spätestens im "oberen Mittelfeld". Was da alles angeblich Schwierigkeitsgrad 6 oder 7 haben soll, ist nicht immer nachvollziehbar im Vergleich mit Stücken, die mit 8 ausgepreist sind. :denken:

Ich glaube, da lässt sich die Differenzierung nicht allgemeingültig festschreiben, weil die "Schwierigkeiten", die für die Einordnung herangezogen werden, nicht von allen als gleich schwierig empfunden werden. Ab Level 5 schaut man sich besser einfach mal die Noten an, hört ein paar Einspielungen und fragt dann die professionelle Lehrkraft, von der man unterstützt wird, was sie davon hält.
 
Für mich ist die Henle-Skala auch totaler Unsinn. Eigentlich würden zwei Kategirien (für mich) reichen: Henle 1 = schwer, der Rest = sehr schwer. ;-)
 
Für mich ist alles mittelschwer oberhalb von leicht und vor der Grenze des Virtuosen, welches ich als Amateurin wahrscheinlich nicht erreiche.
 
Die haben, was die Schwierigkeit angeht, nicht viel miteinander zu tun... "Mittelschwer" scheint alles zwischen zu sein zwischen "Mein 1. Jahr Klavierunterricht" und "Ich bewerb mich jetzt an der Hochschule".

Beide Stücke findet man in der Anthologie "Liebestraum", deren Inhalt als "mittelschwer" vermarktet wird. Der sonstige Inhalt:

"J.S. Bach: Aria aus: Goldberg-Variationen, BWV 988
G.F. Händel: Grobschmied-Variationen aus: Suite E-Dur, HWV 430 -
C.P.E. Bach: Solfeggietto c-Moll Wq 117/2

W.A. Mozart: Ah, vous dirai-je, Maman C-Dur KV 265 (300e)
Alla turca aus: Klaviersonate A-Dur, KV 331 - Fantasie d-Moll KV 397
Rondo D-Dur KV 485
Sonate C-Dur KV 545

L.v. Beethoven: Pathéthique, Klaviersonate c-Moll, op. 13 - Mondscheinsonate cis-Moll, op. 27/2
Rondo C-Dur, op. 51/1
Die Wut über den verlorenen Groschen, op. 129
C.M.v. Weber: Aufforderung zum Tanz, op. 65

F. Schubert: Moment musical f-Moll D 780
Sehnsuchts-Walzer D 365
Impromptu Es-Dur D 899/2
Impromptu As-Dur D 899/4
Impromptu As-Dur D 935/2

F. Mendelssohn-Bartholdy: Lied ohne Worte E-Dur, op. 30/3
Lied ohne Worte E-Dur, op. 19/1
Frühlingslied, op. 62/6

Robert Schumann: Hasche-Mann, op. 15/3
Am Kamin, op. 15/8
Arabeske, op. 18
Vogel als Prophet, op. 82/7

F. Chopin: Regentropfen-Prélude Des-Dur, op. 28/15
Etüde "Tristesse" E-Dur, op. 10/3
Nocturne Es-Dur, op. 9/2
Walzer a-Moll, op. 34/2
Minutenwalzer Des-Dur, op. 64/1
Trauermarsch aus: Sonate b-Moll, op. 35

F. Liszt: Consolation Nr. 3 Des-Dur
Liebestraum Nr. 3 As-Dur
A. Rubinstein: Melodie in F, op. 3/1
J. Brahms: Walzer As-Dur, op. 39/15
Rhapsodie g-Moll, op. 79/2
T. Badarzewska-Baranowsky: Das Gebet einer Jungfrau
M.P. Mussorgskij: Eine Träne, op. posth. 70/18
Das alte Schloss aus: Bilder einer Ausstellung -

P.I. Tschaikowsky: Barkarole aus: Jahreszeiten, op. 37a/6
Chanson triste, op. 40/2
A. Dvoarak: Humoreske Ges-Dur, op. 101/7
E. Grieg: Zug der Zwerge, op. 54/32
Hochzeitstag auf Troldhaugen, op. 65/53
I. Albeniz: Asturias aus: Suite espagnole No. 1, op. 47/5

C. Debussy: La fille aux cheveux de lin aus: Préludes I, No. 8 - Arabesque Nr. 1 E-Dur
Clair de lune aus: Suite bergamasque -
E. Satie: Gymnopédie No. 1
G. Gershwin: Prelude Nr. 2 cis-Moll"

Denke hier ist dann alles versammelt von "halbwegs spielbar" bis "Musikhochschule"...;)
 
Für mich ist die Henle-Skala auch totaler Unsinn. Eigentlich würden zwei Kategirien (für mich) reichen: Henle 1 = schwer, der Rest = sehr schwer. ;-)

Also wenn "Bach, Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach, Nr. 4 und 5" oder
"Bartok Für Kinder, Band I Nr. 1" für dich wirklich schwer ist...eventuell auf Triangel oder ein anderes weniger komplexes Instrument welchseln? :-D
 
Zum Thema "Schwierigkeitsgrad" ein Anekdötchen von J. S. Schwach:
Ich bin an einer Bearbeitung des Maple Leaf Rag gescheitert, aber mit dem Original gut zurechtgekommen.
Weil die Sprungbässe des Maple Leaf Rag als anspruchsvoll gelten, hat der Bearbeiter sie "entschärft" und aus den Akkorden (Oktaven) einzlene Noten gemacht. Leider helfen die fehlenden Noten dabei, die richtigen Tasten zu finden. Außerdem folgen die Akkorde, wie so oft bei guten Kompositionen, einem natürlichen Flow. Der ist bei der Bearbeitung natürlich weg.
 

Ähnliche Themen


Zurück
Top Bottom