Seltsame Klavierkompositionen/ oder auch nur vereinzelte Stellen

Ich hab auch ein Seltsames, weil es nämlich das Einzige seiner Art des Komponisten ist:
@Revenge mit diesem Argument (sein einziges dieser Art) könnte man Verdis Streichquartett und Wagners Ring des Nibelungen auch als seltsam bezeichnen: Verdi hat nur das eine Streichquartett komponiert, Wagner hat nur eine einzige Opern-Tetralogie komponiert ;-);-);-)
 
Ich finde es merkwürdig, wenn in Stücken das technische Niveau einen starken Ausreißer hat (also eine kurze Stelle unvergleichlich viel schwerer zu spielen ist als der Rest), oder sich technische Anforderung und Klangergebnis nicht die Waage halten, oder eine technische Schwierigkeit "unnötig" erscheint bzw. man ganz ähnliche Effekte auch mit viel einfacherem Klaviersatz herstellen könnte.

Ein Beispiel dafür sei "Rain Tree Sketch I" von Takemitsu. Ich habe hier die entsprechende Zeit (2:32) direkt verlinkt:



Weiterhin habe ich bisher noch nicht den Schluss der Toccata von Debussy verstanden, den finde ich wirklich äußerst merkwürdig (letzte Zeile im Video):
 
"Vexations" von Erik Satie:

 
Ich finde es ziemlich schräg, dass Schumann am Ende des mignon über ein A7 auf Eb zurück geht. Da rollts mir jedesmal die Fußnägel hoch.
 
Da ist kein A7. Das ist, mal jazzmusikermäßig ausgedrückt, ein "chromatic approach". Bei gleichbleibendem Basston Bb wird erst das Voicing G C# E (arpeggiert) gespielt, und das rutscht dann chromatisch hoch zu Ab D F. Die Akkorde sind Bb vermindert und Bb7. Nichts Ungewöhnliches.
 
Meine Lieblings-Seltsam-Stelle ist in Brahms' 4. Ballade die Passage im ersten piu-lento-Teil nach der 2. Klammer. Ich für meinen Teil habe jedenfalls recht lange gebraucht, bis ich die begriffen hatte. Herrlich dissonant-undurchsichtig, impressionistisch-vernebelt.
 
Klingt trotzdem sch... 🤣
 
Die seltsame Oktavenpassage in Beethovens Klavierkonzert Nr. 5.
Hier im Beispiel von Zimermann optimal gespielt ab 11:10

 

Sehr skurril finde ich das Menuett aus Bachs G-Dur-Partita. Dass es sich um ein Menuett handelt, wird durch den Rhythmus vollkommen verschleiert. Man hört einen 6/8 mit jeweils hemiolischen Schlusswendungen - dabei stellen die Hemiolen den eigentlich regulären 3/4 des Menuetts dar und der 6/8 ist das Irreguläre in diesem Stück. Ich frage mich da immer, ob evt. Alkohol im Spiel war...

 
Für mich schon immer eine seltsame Komposition:



lg marcus

Ich finde, das klingt immer, egal wer es interpretiert, so, als wäre Chopin beim Komponieren dieses Stückes extrem weinselig gewesen.

@mick siehe oben, das habe ich vor dem Lesen Deines Kommentars geschrieben :-D
Es wäre doch mal eine Studie wert, genau das zu recherchieren...
 
Völlig über meine Hutsschnur gehen die Werke der "New Complexity"-Bewegung (mit Brian Ferneyhough als wohl prominentestem Vertreter). Es ist mir ein Rätsel, mit welcher Motivation man so etwas komponieren als auch einstudieren kann.

 
Reiner Brainfuck.

Kennt man schon seit vielen Jahrzehnten in der Neuen Musik - dieses Komponieren, um damit anzugeben, wie geil kompliziert es auf dem Papier aussieht.

Natürlich ist diese Art Musik meist unmusikalischer Schwachsinn.

Es gibt sehr gute Werke, die musikalisch hervorragend und gleichzeitig tatsächlich sehr komplex sind - so etwas zu schreiben erfordert allerdings einen außerordentlich guten, ja genialen Musiker - und das sind solche Schreiberlinge in aller Regel nicht. Alles reines Blendwerk, analog zu gewissen Tendenzen in der akademischen Literatur, wo mit jeder Menge Fachausdrücken plus schlecht lesbarem Satzbau hochgestochener Inhalt vorgetäuscht wird.
 
Klingt so, wie Vanille-Eis mit Heringsfilet schmeckt.
 
Ich find‘s putzig - allerdings VIEL zu lang. Ich frage mich allerdings, ob das nicht mit einem Sequenzer-Tool eingespielt wurde …
Das Stück entstand im Jahre 1981, da war man in technischer Hinsicht ganz sicher noch nicht so bestückt. Ein analoges Merkmal steht in Verbindung mit etlichen Klavierwerken der (Spät-)Romantik: es ist ein literarisches Zitat vorangestellt. In diesem Falle ist dieses wohl Programm: "'Tout est hiéroglyphique' (Baudelaire)", in der Tat ist bei der Einstudierung das Enträtseln der geschriebenen Vorgabe zunächst der zentrale Vorgang schlechthin. Das Schriftbild der "New Complexity"-Kompositionen fußt auf Schreibweisen, die letztlich auf spätserielle Techniken zurückgeht. Hat man also einige Stücke von Komponisten wie Stockhausen, Boulez, Xenakis oder vergleichbaren Komponisten analytisch durchdrungen und/oder selbst einstudiert und aufgeführt, ist das Enträtseln durchaus auch hier zu schaffen. Angesichts meiner inzwischen anders gelagerten Spezialisierung habe ich die Noten im Schrank, mir aber nicht die Einstudierung dieses Stücks aufgehalst.

Reiner Brainfuck.

Kennt man schon seit vielen Jahrzehnten in der Neuen Musik - dieses Komponieren, um damit anzugeben, wie geil kompliziert es auf dem Papier aussieht.

Natürlich ist diese Art Musik meist unmusikalischer Schwachsinn.
Bei Kompositions-Wettbewerben waren/sind solche Opera durchaus preisverdächtig, zumal der Komponist Professor an einer deutschen Musikhochschule war und in vielen Wettbewerbsjurys saß. Von Spezialisten für Spezialisten, nicht weniger, aber eben auch nicht mehr. Deshalb blieb ich stets auf Distanz zu Wettbewerben und habe mich nach etlichen Jahren des Doppellebens praktisch von der Neue-Musik-Szene komplett losgesagt, bereue es aber nicht, mir Fertigkeiten im Verständnis derartiger Werke angeeignet zu haben. Rundheraus "unmusikalischer Schwachsinn" würde ich trotz einer gewachsenen kritischen Musikauffassung dennoch nicht einfach sagen, aber es ist augenfällig, dass es auch im "Neue-Musik-Betrieb" gewisse Mode- und Zeiterscheinungen gab und gibt. Heute ist es keineswegs einfacher geworden: Du kannst absolut alles machen und bewegst Dich mehr oder weniger überzeugend im Spannungsfeld zwischen Simplizität und Komplexität, zwischen betonter Eingängigkeit und absolutem Durchgeknallt-Sein, zwischen..., egal, alles ist möglich und nichts ist ausgeschlossen. Übrigens ist der inzwischen für Easy-Listening-Pianomusik bekannte Ludovico Einaudi Kompositionsschüler von Luciano Berio und damit ein Beispiel dafür, dass die Grenzen zwischen sehr unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen im Musikbetrieb immer durchlässiger werden.

LG von Rheinkultur
 
Ich sage ja bewusst, dass nicht ALLE dieser Stücke Schwachsinn sind und nicht ALLE dieser Komponisten Kompetenz nur vortäuschen. Aber ein großer Teil!
 
Hier wird ja erstaunlich viel seltsamer Chopin als Beispiel angeführt, also mache ich da doch direkt weiter... :egelTeufel:

Ich finde bis heute den Schlussakkord in der Polonaise-Fantaisie (op. 61) hochgradig seltsam. Der Akkord in großer Lautstärke, aber der Grundton fehlt bzw. geht maximal unter, weil er zuvor nur Pianissimo angeschlagen wurde. Ich finde das Stück insgesamt absolut faszinierend, aber der Schluss lässt mich dann immer so unglaublich unbefriedigt zurück.
 

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