Schon wieder ein Flügelkauf

  • Ersteller des Themas Flügelfreund
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Hi,

ich muß meinen obigen schwärmerischen Beitrag zu später Stunde ;-) zur Duplexskala etwas relativieren.

Der Unbedarfte könnte durch meinen Vergleich mit den Orgel-Mixturen den Eindruck gewinnen, daß das genauso gut hörbar ist.

Das ist nicht der Fall.

Solange der Ton klingt, ist es fast nicht hörbar, da zu leise. Ausserdem wird es hauptsächlich durch die Anschlagsenergie angeregt und verklingt danach sehr schnell. Die DS ist also hauptsächlich als eine Art silbriger Nachklang nach kurzen kräftigen Tönen hörbar.

Gruß
 
Vielen Dank für diese sehr interessanten Informationen, ich lerne viel ! Die Aliquot Diskussion führt mich zu der Frage, ob ich bei einem Blüthner mit höherem Aufwand=Kosten für das Stimmen rechnen muss. Wird ggf. ein Kawai Flügel mit Duplex Skala einfacher und - da nagelneu - vielleicht auch seltener zu stimmen sein? Dabei gehe ich davon aus, dass die ggf. auch mehrfachen ersten Stimmungen mitgekauft werden.
 
Ich fand das Aliquotsystem von Blüthner bisher immer überschätzt. Bei den alten Flügeln ist der Effekt kaum hörbar. Seeehr subtil. Bei den neuen ist das tatsächlich anders, da ist es sehr deutlich hörbar. Aber sehr anstrengend zu stimmen. Ich habe letzte Woche einen gestimmt (Baujahr ca. 2001). Leider musste ich den reichlich hochstimmen, so dass für Feinheiten kein Platz war (verstimmt sich ja eh schon, während ich stimme). Ich bin gespannt auf die Nachstimmung in einigen Wochen. Problematisch ist, wenn man die Aliquotsaite zum Stimmen mit einem Plektrum zupft um sie besser zu hören. Mir scheint, als wenn die Saite dann eine andere Tonhöhe hätte, als wenn sie einfach nur mitschwingt. Andererseits wird bei den neuen Flügeln die Aliquotsaite ganz gut in Schwingung versetzt, da sie die gleiche Tonhöhe hat. Ist somit deutlich besser hörbar als bei den alten Flügeln.

Steingraeber hat übrigens auch keine Duplexskala. Und ich meine Grotrian auch nicht, aber da bin ich mir gerade nicht sicher.
 
keine Duplexskala. Und ich meine Grotrian auch nicht, aber da bin ich mir gerade nicht sicher.
Das wurde unterschiedlich gehandhabt. Man findet bei Grotrian sowohl Instrumente, bei denen die Saiten zwischen Kopadaster und Wirbelfeld über eine befilzte Holzauflage geführt werden, als auch mit einer Führung über einen Druckstab, bei der die Saiten frei schwingen können. (->Frontduplex, die sich m.M. deutlicher im Klang bemerkbar macht)
Grüße
Toni
 
Es ist die Frage, was genau man als Duplex definiert. Das System, wie es Steinway patentiert hat, sieht mehrere schräg verlaufende Segmente mit Stufen vor (Front Duplex), während manche Instrumente einen durchgehenden Druckstab haben, der einen zusätzlichen klingenden Saitenabschnitt zwischen Kapodaster und Wirbel bildet (ohne Abstufung). Ebenso gibt es Instrumente, die hinter dem Steg einen solchen Druckstab haben (bei anderen Flügeln wird dieser Bereich gern mit Filz gedämpft), eine Duplex-Konstruktion nach Patent sieht auch hier abgestufte Verläufe vor. Die Stufen ergeben sich aus den unterschiedlich resonanten Längen im Verhältnis zur Tonhöhe der betreffenden Saite. Ich meine, dass Steingräber auch so einen Druckstab zwischen Steg und Plattenanhang hat, zumindest beim großen Konzertflügel habe ich es auf einem Foto so gesehen.
 
Mangels direkter Vergleichsmöglichkeit habe ich nun versucht, die Klangunterschiede anhand vieler youtube Einspielungen nachzuvollziehen und glaube schon einen generellen Unterschied zwischen dem Steinway/Duplex Klangideal, zu dem ich auch Kawai zähle, und Blüthner zu hören. Ich muss aber sagen dass ich in vielen Videos beeindruckt war auch vom Kawai Klang, den ich für manche Stücke sogar vorziehen würde, für andere aber klar den Blüthner. Idealerweise, wenn ich also das alles spielen könnte und unbegrenzt Geld und Platz hätte, bräuchte ich einen Blüthner für Schubert, Chopin, Mozart, Debussy, manche Beethoven Sonaten und Pop Balladen und dann noch einen Kawai (oder Steinway) für Bach, andere Beethoven Sonaten und Rock oder Jazz artiges.
 
Hallo Flügelfreund,

ich halte es auch für gewagt, derartige Feinheiten auf Youtube ausmachen zu wollen. Der Klang einer Youtube-Aufnahme wird vom Aufnahmeequipment, der Raumsituation sowie der Mikrophonierung viel stärker geprägt, als vom Instrument.

Und das hier:
Steinway/Duplex Klangideal, zu dem ich auch Kawai zähle, und Blüthner zu hören
überrascht mich auch. Ich habe viele Instrumente angespielt, vornehmlich, um die Bandbreite der Flügelklänge auszuloten und mich dann für "meinen" Klang zu entscheiden. Ehrlich gesagt fand ich es verwirrend und habe nur bedingt Herstellertendenzen gehört. Ich habe allerdings auch überwiegend restaurierte Vorkriegsflügel getestet, weil das mein Beuteschema war.

Wenn ich überhaupt Tendenzen erkannt habe, dann waren (alte) Blüthner eher grundtönig/warm, (alte) Bechsteine eher obertonreich/silbrig, bei den neueren war Yamaha zunächst aggressiv brillant (man merkt hier aber schnell, dass man den Anschlag kontrollieren muss und ein C3 dann wunderbar perlend klingen kann, aber doch anders als ein Bechstein) und vielleicht in der Nähe von Steinway. Kawai hingegen klang für mich eher warm ähnelt Blüthner eher als dass er gerade das Gegenteil vom Blüthner-Klang wie Du es hier darstellst.

Diese vermeintliche Erfahrung wurde allerdings über den Haufen geworfen, als ich meinen eigenen Blüthner gekauft habe. Der liegt nämlich eher bei dem oben beschriebenen silbrigen Bechstein-Klang.

Was will ich damit sagen? Versteif Dich nicht so auf Marken, probier's einfach aus.

Ciao
- Karsten
 
Ach, noch was - Bach finde ich kann man auf jedem Flügel spielen. Gerade auch auf Yamaha. Nur meine persönliche Meinung.

Und nochmals "One more thing": Da Du anscheinend durchaus schon gut spielen kannst wird die Spielart für Dich wichtig sein und Du bist vermutlich in der Lage, hier feine Nuancen wahrzunehmen. Und da gibts tatsächlich grundlegende Unterschiede.
  • Die von Dir geschätzten alten Blüthner-Flügel sind in der Regel sehr leicht gewichtet und bieten auch wenig dynamischen Widerstand. Ich hatte so was gesucht und hab es nun auch bekommen, bin aber nach einem halben Jahr Eingewöhnung nicht sicher, ob ich das noch mal so kaufen würde.
  • Gleiches gilt für alte Bechsteine. Mir scheint, dass bei diesen noch ein ziemlich geringer Tastentiefgang hinzukommt. Das kann man durchaus mögen, es ist aber gewöhnungsbedürftig.
  • Alte Flügel haben kein Sostenuto-Pedal. Kannst Du darauf verzichten?
  • Neue Flügel haben keinen Elfenbeinbelag. Kannst Du mit der Haptik der neueren Beläg leben? Phenolharz ist schon doof, bei Shigeru Kawai ist es wohl eine Keramik - die fühlt sich Klasse an.
 
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@dilettant ja das sind alles so Punkte. Der DDR Blüthner hat zwar ein Sostenuto Pedal das ich nicht unbedingt brauche aber eine Plastiktastatur und ist recht leicht gewichtet. Die Kawais fühlen sich da mit ihrem künstlichen Elfenbein und auch von der Gewichtung besser an. Ich spiele zwar nicht gut aber habe zum Glück nie ganz sondern nur temporär aufgehört und das "Sonatinenniveau" kindlichen Klavierunterrichts gehalten bzw. ausgebaut. Da ich gerade eine Phase plötzlicher Klaviereuphorie durchlebe überlege ich aber ernsthaft nach 25 Jahren Abstinenz wieder Unterricht zu nehmen.
 
Und nochmal zu den Klängen: Man muss natürlich wegen der erheblichen Streuung jedes Instrument einzeln betrachten und jeder hört auch anders. Ich empfinde den "typischen" Steinway Klang als ausgewogen zwischen brillant und romantisch und dabei rund und "bodenständig", Kawai geht für mich in die selbe Richtung wenn auch vielleicht mit weniger Differenzierungsmöglichkeiten. Yamaha ist für mich zu brillant bis scharf. Außerdem fand ich bei vielen Yamahas die Ansprache im pp zu unsensibel. Aber ich habe bei meiner Flügelsuche auch die größeren Konzertflügel ausprobiert für die das nicht gilt und die sich auch dem Steinway Klang annähern. Blüthner (idealerweise) ist für mich ein ganz eigener Klang: sphärisch und pastellhaft-sanft, träumerisch, dabei aber kraftvoll. Ich liebe den Klang aber er passt nicht zu jeder Musik.
 
Nun war ich nochmal im Steinway Haus und habe auch noch gewissen Gefallen an einem fast neuen Essex 173cm gefunden der einen für die Größe sehr beeindruckenden Klang hat und sich auch gut spielt. Mir gefiel dort auch die Mühe, die man sich mit der Intonation jedes Instruments macht, ich habe mich auch mit dem Techniker unterhalten. Insoweit ist m.E. der Mehrpreis gegenüber anderen Chinainstrumenten gerechtfertigt, für den Service den man im Steinway Haus bekommt. Der Essex spielt für mich etwa in der Liga des Kawai GE 30 und gefällt mir vielleicht sogar etwas besser, da auch größer. Ob er an den RX2 herankommt, weiß ich nicht. Blüthner ist ja wieder ein völlig anderes Kapitel. Ich habe mich inzwischen auch mit einem professionellen Pianisten über meine Qual der Wahl unterhalten, der mir sagte, er spiele nur auf Steinway und würde - wenn er für ein Konzert aus den von mir erwogenen Instrumenten wählen müsste - auf jeden Fall den neuen Kawai nehmen, da ältere Flügel, egal wie groß die Marke, von der Spielbarkeit und Formbarkeit des Tons nicht so gut seien wie neue Flügel. Den Essex hatte ich da aber noch nicht erwähnt. Was ist die Meinung der guten Pianisten hier im Forum? Für mich wäre es schon schön, für Hauskonzerte etc. einen Flügel zu haben, bei dem Pianisten nicht gleich die Nase rümpfen. Ich selbst werde wahrscheinlich nie so gut sein, diese Feinheiten wirklich bewusst einsetzen zu können.
 
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Spiel in Deinem Steinway-Haus mal erst den Steinway in der Größe, dann den passenden Boston und dann den Essex. In dieser Reihenfolge. Ich habe einmal einen Essex gespielt im Vergleich zu einem Boston und zumindest dieser Essex war zumindest im Vergleich zum Boston wirklich grauenvoll. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Essex an einen (guten) RX2 rankommt und auch beim GE30 bin ich mir da nicht so sicher.

Der professionelle Pianist spielt vielleicht auf der Bühne nur auf Steinway. Er muss die Instrumente auch nicht bezahlen - er kriegt noch Geld dafür. Hat er zu Hause auch einen Steinway? Einen neuen, weil die alten sind ja Mist? Glaub ich nicht so wirklich, und da siehst Du, was seine Aussage vermutlich wert ist.

Das mit der besseren Spielbarkeit und Formbarkeit des Tons bei modernen Instrumenten ist vielleicht nicht ganz falsch, irgendwie aber auch Ansichtssache. So ein 80 Jahre alter Bechstein oder Blüthner erlaubt jedenfalls durchaus, den zu gestalten. Ein Billiginstrument wie ein Essex wird Dir hier die größeren Steine in den Weg legen, egal wie neu es ist.

Die alten Flügel spielen sich vor allem anders, und Dein professioneller Pianist hat keine Veranlassung, sich auf diese alten Instrumente einzustellen, wo er doch auf den Bühnen eh nur Steinways vorfindet. Das ist ja völlig in Ordnung. Aber Du selbst willst ja vermutlich nicht konzertieren, sondern zu Hause nett Mucke machen.
 
Ich habe den Essex direkt mit dem 5 x teureren Steinway verglichen, der Unterschied war natürlich sehr deutlich, vorallem war der Ton beim Steinway sehr viel "feiner", nuancierter, beim Essex war der Klang auch gut aber im Vergleich etwas aufdringlich. Nach meinem Gefühl spielt der Steinway kultiviert zurückhaltend und man muss in die Tasten hauen, wenn man einen starken Sound will, der Essex will laut und etwas "knallig" spielen und man muss (und kann) ihn ausbremsen. Toll war bei dem Essex der für die Größe sehr dynamische Bass. Von Boston konnte ich nur einen größeren Flügel vergleichen und den Vergleich musste der Essex nicht scheuen. Der angespielte Essex wurde angeblich speziell für Lang Lang optimiert/intoniert und von ihm auch bei einem Konzert gespielt , so dass er nun als "fast neu" mit deutlichem Preisnachlass verkauft wird, das kann natürlich ein bloßer Marketingtrick sein, trotzdem habe ich den Eindruck, dass man sich hier besondere Mühe bei der Intonation gegeben hat.
 

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