Repertpoirepflege

  • Ersteller des Themas kreisleriana
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Hallo,

die Grenze, ab der ich mich schwerer tue, die Sachen zu behalten, lokalisiere ich in meiner Biografie ungefähr bei 25 Jahren.
Ich lerne seit ich ca. 21 war bis heute ständig neue Klavierstücke auswendig und frische alte wieder auf. Da sind schon ein paar Jahrzehnte zusammen gekommen.
Ich versuche, meine „Klavierarbeit“ sehr effektiv zu gestalten.
Immer und jederzeit abrufbereit habe ich eigentlich (fast) nichts, ich arbeite aber immer auf Konzerttermine hin. Dann und wann habe ich Stücke für fast zwei Programme auf Lager. Wenn sie dann vorgespielt sind, lasse ich sie wieder versinken und setze mir ein neues Ziel.
Im Moment habe ich einen Klavierabend auswendig auf Lager. Der ruht aber vorübergehend, weil ich mich mit 4 Gottschalk- und 7 Albenizstücken beschäftige. – Die Klavierabendstücke habe ich gut in 3 Tagen mit vielleicht 2-3 Stunden pro Tag wieder vorspielbereit.
Ich habe bei meinen Stücken fast immer Sachen dabei, mit denen ich mich früher schon mal beschäftigt habe. – Näheres in meinem Blog.

Walter
 
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Guten Morgen allerseits,

vorab Entschuldigung für diese weder originelle, noch wirklich neue und für die Profis hier sicher selbstverständliche und vielleicht blöde Frage:

Für mich - und wie man sieht viele andere - ist diese Frage nicht neu, denn ich habe sie mir auch schon gestellt und bis ich Deine gelesen habe hätte ich verzweifeln können darüber, dass es mir genauso ergeht. Neu ist für mich zu lesen, dass es selbst „alten Hasen“ so ergeht und es sich demnach um einen völlig nachvollziehbaren Prozess handelt. Somit finde ich diese Frage – auch für viele andere – sehr gut und wichtig.

... wenn ich die Sachen eine Zeit lang (Monate bis Jahre) nicht ansehe, vieles wieder futsch ist, sowohl aus dem Gedächtnis raus, als auch technisch wieder fast neu erarbeitet werden muss...

Ich hatte schon Demenz oder irgendetwas, das mein Gehirn „zerbröselt“ im Verdacht als Ursache für meine Vergesslichkeit in Sachen Noten und ältere Stücke. Klar, mein Klavierlehrer rät mir immer die Stücke aktuell zu halten, aber meine Überlegungen waren dann auch: Wie oft, wann, wie wenn man ja immer neue Stücke erlernt... und dann noch Fingerübungen. Wenn ich hier im Thema dann lese bei welchem Alter so etwas schon beginnen kann muss ich mir – als Späteinsteigerin in dezent fortgeschrittenem Alter – wirklich keine Sorgen mehr machen und kann es endlich akzeptieren, dass meine grauen Zellen nicht mehr so schnell das machen, was ich möchte.

Vielen Dank, kreisleriana, dass Du mir mit Deinem Thema diesen Stein vom Herzen genommen hast!

Liebe Grüße
Marlene
 
Die Erfahrung, dass ich mich an Stücke aus der Jugend viel besser erinnere als an Sachen, die ich erst kürzlich angefangen habe, musste ich auch machen. Allerdings ist es nie so, dass ein gespieltes Stück völlig weg ist, irgend etwas bleibt immer im Unterbewusstsein haften, einzelne Passagen oder Motive, auch wenn man das Stück als ganzes nicht mehr spielen kann. Statt sich nun über letzteres zu ärgern sollte man sich viel besser freuen über das, was noch da ist und das Stück nochmal erarbeiten. Beim 2. ( oder 3. ... ) mal gräbt man das Stück immer tiefer in das Gedächtnis ein und die Erarbeitung geht schneller als beim ersten mal. Voraussetzung dafür ist, das sich keine Konflikte mit dem Spielen von früher ergeben. Dazu mache ich mir jetzt (früher nicht - das war ein Fehler) ausführliche Notizen zum Fingersatz, so dass ich das Stück immer auf die gleiche Weise spiele.
 
das ist sinnvoll und wird auch oft genug praktiziert
...der Rubinstein untertreibt da er hat geübt, wie alle, und nicht wenig - - Berlioz schrieb eigenhändig, schwarz auf weiß, mit Tinte auf Papier und dem eignen Namen darunter, dass er seine Fantastique in einer Nacht nach einem Spaziergang mit Liszt und Chopin komponiert hatte... das Wunder dabei ist, dass Chopin zu dieser Zeit noch gar nicht in Paris war... aber egal, sowas hört sich halt soooo schön genialisch an :D

Rubinstein hatte dies so gesagt und DANN ist es so.......:D:D:D

Artur Rubinstein über Üben - YouTube
 
Zu der Vergesslichkeit habe ich jetzt doch eine Frage.

Hin und wieder habe ich Bachs C-Dur Präludium gespielt aber im letzten halben Jahr nur dreimal. Ich weiß das so genau weil ich „Klaviertagebuch“ führe. Vor einem Monat bin ich in eine Sitution gekommen in der mich jemand aufgefordert hat das Präludium zu spielen weil er mir etwas zeigen bzw. erklären wollte. Zu meinem Erstaunen wusste ich noch wie es (ich hatte keine Noten dabei) gespielt wird.

Wie ist es möglich dass ich das Präludium (zumindest technisch) spielen konnte (nun ja, es hat „geholpert“ aber ich habe mir keinen abgebrochen wie bei manchen Stücken die ich im Unterricht gelernt habe) obwohl ich es ein halbes Jahr so gut wie nicht gespielt habe. Aber Stücke welche ich im Unterricht lerne verblassen sehr schnell wenn ich sie mehrere Wochen nicht spiele? Und die sind (noch) kürzer als das Präludium.

Habt Ihr eine Idee warum das so ist?
 
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Ich kann die Stücke am sichersten, die ich im Abstand von mehreren Monaten oder Jahren mehrmals habe (ver)sacken lassen und dann nochmals geübt habe. Es gelingt auch mir leider nicht, mir einen größeren Haufen Repertoire konzertreif zu halten. Das liegt vor allem daran, dass mich die Stücke irgenwann so nerven, dass ich sie einfach mal sein lassen muss. Später kann ich sie ja immer noch wieder herausholen und aufwärmen. Wenn ich sie einmal gespielt habe, geht das meist recht schnell, und je öfter dieser Aufwärmprozess erfolgt, desto schneller sind die Stücke wieder bereit. Das einzige, was man jedes Mal neu erarbeiten sollte, ist die Spielsicherheit, also das Bewusstsein über das, was gerade passiert.
 
Hallo alle Repertoire-Interessierten!

Eine Vorgehensweise, wie ich sie üblicherweise pflege:

Mein aktuelles Konzert-Programm hat die Stücke A, B, C, D, E,
dann ist Pause, dann kommt E, F, G, H, I, dann noch eine Zugabe J.
Die Zugabe gehört inhaltlich zur Gruppe nach der Pause.

Die Stücke habe ich in kleine Gruppen eingeteilt: A und B, C blieb längere Zeit für sich, D und E zusammen.

In der Erarbeitungsphase:
A konnte ich schon von früher, B kam dazu. Bis B fertig war, hat A vollständig geruht. Dann kam das gemeinsame Anwärmen von A und B, bis A und B hintereinander durchgeübt werden konnten, also Fehler ausgebügelt. Gepflegt wird das Ganze in mäßigem Tempo.
Dann kam D und E, beide ähnlich gehandhabt wie die ersten zwei Stücke. Dazwischen die Überlegung, ob ich D weg lasse, ich bekam es kaum in meinen Schädel rein.
C ist eine Extra-Nummer mit viel Aufwand, war längere Zeit für sich in Arbeit. Alles andere hat so lange geruht.
Den ganzen ersten Programmteil vor der Pause übe ich dann von vorne nach hinten durch, manchmal fange ich auch mit dem letzten Stück an. Manchmal fange ich auch mit einem mittleren Stück an, mache dann nach hinten und nach vorne fertig.

Es gibt auch eine Übephase, in der vor jedem einzelnen Stück die neuralgischen Stellen extra durchgeübt werden – für jedes der Stücke A … E.

Die Stücke nach der Pause wurden ganz ähnlich in kleine Gruppen eingeteilt und dann von vorne nach hinten, aber auch anders herum durchgeübt.
„Durchgeübt“ heißt nicht „durchgespielt“, d. h. jeder Ungenauigkeit wird nachgegangen.

Während der Erarbeitung des zweiten Teils blieb der erste komplett außen vor. Das wieder Hervorholen ist schon mühsam. Ich greife wieder auf die Kleingruppen zurück, es geht aber viel schneller, bis alles wieder läuft.

Ich hatte in den letzten Monaten wochenweise abgewechselt: die Stücke vor der Pause, die Stücke nach der Pause. In mäßigem Tempo gepflegt und auf Genauigkeit geachtet.

Zur Zeit sind wie in einem früheren Beitrag schon erwähnt, Gottschalk und Albeniz dran.
Ich habe aber keine Bedenken, dass das obige Konzertprogramm Schaden nimmt, wenn ich es einstweilen ruhen lasse. – Das Wiederauffrischen wird allerdings ein Geschäft werden, das nicht unbedingt immer Spaß macht. Aber es lohnt sich!
(Es geht dann wieder mit den Kleingruppen los …bin dann aber viel schneller fertig!)

So mache ich es. Vielleicht kann jemand was damit anfangen, ich hoffe der ersten Frage nach der Pflege des (derzeitigen) Repertoires etwas nachgekommen zu sein.

Walter
 
Interessant, mir geht das auch so mit dem merken von Stücken, ich bin zwar erst 21, aber irgendwie kann ich die "Für Elise" die ich mit 9 gespielt habe, seitdem immer auswendig spielen, obwohl ich seit 10 Jahren nie wieder so richtig daran geübt habe. Die Stücke, die ich jetzt auswendig lerne, sind nach ein paar Monaten wieder weg.
 
Ich kann kaum noch Stücke, die ich mit "vor-17" gespielt habe... die müsste ich auch alle wieder üben.
 

Hin und wieder habe ich Bachs C-Dur Präludium gespielt aber im letzten halben Jahr nur dreimal. Ich weiß das so genau weil ich „Klaviertagebuch“ führe. Vor einem Monat bin ich in eine Sitution gekommen in der mich jemand aufgefordert hat das Präludium zu spielen weil er mir etwas zeigen bzw. erklären wollte. Zu meinem Erstaunen wusste ich noch wie es (ich hatte keine Noten dabei) gespielt wird.

Wie ist es möglich dass ich das Präludium (zumindest technisch) spielen konnte (nun ja, es hat „geholpert“ aber ich habe mir keinen abgebrochen wie bei manchen Stücken die ich im Unterricht gelernt habe) obwohl ich es ein halbes Jahr so gut wie nicht gespielt habe. Aber Stücke welche ich im Unterricht lerne verblassen sehr schnell wenn ich sie mehrere Wochen nicht spiele? Und die sind (noch) kürzer als das Präludium.

Habt Ihr eine Idee warum das so ist?


Gibt es dafür keine Erklärung oder ist meine Frage übersehen worden?

Über eine Antwort würde ich mich freuen.
 
Hallo Marlene,

ich vermute mal: Das Präludium ist von seinem Aufbau her sehr "einfach" (im Sinne der Struktur, keine negative Wertung). Außerdem hast Du ja schon des öfteren hier geäußert, wie sehr Du gerade dieses Stück liebst. Und Dinge, die man liebt, lernt man schneller weil man mit Begeisterung dabei ist. Das mag jetzt Küchenpsychologie sein aber wäre ein Erklärungsversuch meinerseits.

Liebe Grüße
Christian
 
Dinge die man machen muß, (Unterricht?) sind lange nicht so interessant, wie Dinge, die eigentlich nicht dran sind, aber einen selbst interessieren.

Es gibt in der Tat Stücke aus dem Unterricht bei denen ich das Notenheft am liebsten aus dem Fenster geworfen hätte und andere die mir sehr gut gefallen. Aber auch bei diesen schönen Stücken habe ich das Problem dass ich mir die Finger verknote wenn ich sie einige Wochen nicht gespielt habe.


Außerdem hast Du ja schon des öfteren hier geäußert, wie sehr Du gerade dieses Stück liebst. Und Dinge, die man liebt, lernt man schneller weil man mit Begeisterung dabei ist.

Es gibt Stücke die ich noch mehr liebe, aber die werde ich – wenn überhaupt – wohl erst in 10-15 Jahren spielen können (und noch später wenn ich so weiter mache wie in letzter Zeit in der es nicht richtig laufen will).

Vielleicht hänge ich so sehr an dem Präludium weil es das Stück war mit dem ich „Seine Majestät“ angespielt habe (da war allerdings noch ein anderes Stück „am Start“, das ich nie wieder spielen will) und mit dem ich in Wien mit einem Quartett auf Tuchfühlung gegangen bin und zwar mit "dem Klang, der berührt" (ich meine nicht anderes ;).

Aber eine schlüssige Erklärung scheint es ja vermutlich nicht dafür zu geben. Ich sollte es einfach so hinnehmen wie es ist und versuchen es gelassen anzugehen.

Danke für Eure Rückmeldungen.
 
Ich denke ich kann aus meiner Sicht etwas sagen. Ich bin kein ausgebildeter Konzertpianist, spiele aber neben dem Job regelmäßig. Meine Erfahrung:

es kommt darauf an was Ihr vorhabt! Wichtig ist sich Ziele zu setzen, können auch kleine Vorspiele sein. Probiert Repertoire aus, stellt etwas zusammen und entscheidet Euch dann. Stücke müssen reifen, wie ein guter Wein. Ich selber plane meine Konzerte und Wettbewerbe teilweise schon ein Jahr im voraus und fange an zu üben. Altes Repertoire, das ich in ein paar Monaten brauche, das hole ich dann einige Wochen vorher hoch. Dann können andere neue Stücke wieder etwas liegen. Und je öfter man ein Stück dann aufführt, umso besser sitzt es dann. Irgendwann kann man die Stücke einfach abrufen.
 

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