Pedaleinsatz

Das Klavier - besonders wenn es ein gutes ist - ist ein sehr tückisches Instrument: man hört jede Unebenheit -- dieser ärgerliche Effekt verstärkt sich, sowie das rechte Pedal betätigt wird (egal ob es richtig oder falsch eingesetzt wird)

Hinzu kommt eine weitere Eigenart des Klaviers: je höher die Töne sind, umso rascher werden sie leiser und umso schneller verklingen sie - auch wenn man die Dämpfung aufhebt.

Das führt zu einer ersten Überlegung:
- möglichst differenziert anschlagen können (also nicht alles gleichlaut)
- und das umso mehr, sowie Pedal dazugenommen wird

Ein erstes Experiment wäre zu versuchen, zwei sehr lange fff-Akkorde zu verbinden. Hierzu ist sinnvoll, sich diese langen Akkorde zeitlich einzuteilen, z.B. wenn man sich den Akkord als ganze Note denkt ruhige Achtel zählen - und dann ausprobieren und hinhören, wie der Klang ist, wenn man auf dem zweiten oder dritten usw. Achtel das Pedal runtertritt. (diese Übung zur Wahrnehmung wird in verschiedener Literatur erklärt)

Ein zweites Experiment wäre: Pedal runtertreten, einen C-Dur Akkord anschlagen und danach einen Fis-Dur Akkord, den Fis-Dur Akkord in den Tasten halten und das Pedal langsam aufheben - man stellt fest: igitt!! Daraus ist zu lernen, dass sowohl das runtertreten als auch das aufheben des Pedals schnell erfolgen soll.

Ein drittes Experiment wäre: einen sehr tiefen Basston fff anschlagen, Pedal nehmen, Finger lassen los, dann ein paarmal das Pedal ganz schnell hoch und runter - dasselbe mit einem hohen Ton zum Vergleich. Aha, die brummigen Biester im Bass brauchen eine stärkere (bzw. längere) Abdämpfung, um zu verschwinden.

Ganz offensichtlich: die Tücken des Klaviers steigern sich mit der Pedalnahme :)
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Zum lernen, besonders für Anfänger, ist das nachgetretene Pedal erst mal das wichtigste: z.B. Schumanns "kleinen Choral" aus dem Album für die Jugend spielen, sich jeden Akkord zeitlich einteilen, und dann eben exakt mit dem Anschlag eines neuen Akkords Pedal aufheben, Finger halten, neues Pedal übernimmt. Und sich an diesen Mechanismus gewöhnen.

Und so bleibt es erstmal, sowohl bei langsamen als auch bei mittleren Stücken. Man lernt allmählich, dass man diesen Mechanismus durchaus sehr schnell ausführen kann und wird mit sauberem, unvermischtem Klang belohnt (z.B. auch in Chopins wunderschönem Des-Dur Nocturne oder Liszts dritter Consolation wird das nachgetretene Pedal eingesetzt)

Darüber hinaus kann man sich Klaviersachen von Bartok anschauen: er hat statt Ped. und * als Zeichen Klammern unter den Noten eingesetzt, welche ganz exakt zeigen, wo Pedal getraten wird, wie lange gehalten und wo losgelassen.

Erst wenn es soweit ist, dass man differenziert (das muss sein, sonst klingts nicht gut) auch schnelle Sachen spielen kann, kommt eine scheinbar andere Pedalverwendung hinzu: mit dem Klang, der im Pedal bleiben soll, wird es getreten - aber vor jedem neuen Pedal muss eine deutliche Pedallücke sein. Diese Lücke wird den Klang immer klären, und man wird sie nicht hören, denn das spielt sich ja in sehr schnellen Sachen ab (z.B. Chopin drittes Scherzo, Beethoven Finale Waldsteinsonate etc.) --- das Prinzip ist aber, ob nachgetreten oder nicht, dasselbe: durch deutliches Dämpfen (Pedal aufheben) wird vermieden, dass Saiten, die man nicht mehr hören will, weiterklingen; das gilt besonders für wuchtige Bässe (da muss die Lücke wirklich deutlich sein)

Klar gibt es noch Spezialfälle: Pedalvibrato, Halbpedal usw - das kriegt man, wenn man Skrjabin oder Debussy spielt sicher im Unterricht gezeigt.
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Zweifel habe ich, ob elektronische Instrumente bzgl. des Pedals wirklich so reagieren wie richtige Instrumente. Übrigens reagiert und funktioniert die Dämpfung bzw. rechtes Pedal bei Flügeln stärker und schneller als bei Klavieren (Pianinos) - bei letzteren muss man die Lücken länger machen.
 
Hallo rolf, vielen Dank für Deinen tollen Beitrag zum Thema!

Ganz offensichtlich: die Tücken des Klaviers steigern sich mit der Pedalnahme :)

... und die Schönheit des Flügelklangs erreicht dadurch überirdische Qualität...

aber vor jedem neuen Pedal muss eine deutliche Pedallücke sein. Diese Lücke wird den Klang immer klären

das richtige Arbeiten mit (in der Länge richtig bemessenen, und richtig gesetzten) Pedallücken finde ich auch aus meiner Erfahrung heraus ganz essentiell

Zweifel habe ich, ob elektronische Instrumente bzgl. des Pedals wirklich so reagieren wie richtige Instrumente.

bei meinem V-Piano ist von der eigentlichen Klangwirkung her kein Unterschied zu vermerken. Jedoch von der Reaktion auf den Pedaleinsatz her schon: der Pedaleinsatz läßt sich mittels Durchtreten / Halten auf verschiedenen Zwischenhöhen sehr sehr exakt dosieren, d.h. es läßt sich auch die Nachklangdauer während des Spiels sehr gut mitsteuern.

Bei entsprechend gefühlvollem Fuß kann man sehr viel mehr tun und erreichen als am mechanischen Instrument.

Ob genau das nun gut oder schlecht ist, überlasse ich der Meinung der Leser ;)

Ich freue mich über diese Möglichkeit, nutze und benutze sie und würde sie nie mehr missen wollen.

Schöne Grüße
Dreiklang
 
Aber kann man den Gebrauch des rechten Pedals wirklich erklären? Ich meine, man kann Grundbegriffe beibringen, wie im Beitrag von Rolf beschrieben, aber den Gebrauch im Stück und den geschmackvollen Einsatz lernt man durch Probieren und Beobachten anderer Spieler, die es gut können.
Und das braucht einfach Zeit. Und ein gutes Ohr und gefühlvollen Fuß, sowie ein gut eingestelles Pedal und ein sensibel reagierendes Instrument.

Sicher gibt es unterschiedliche Stilrichtungen, in denen das Pedal unterschiedlich benutzt wird. Wenn man zum Beispiel Barockmusik und romantische Musik gegenüber stellt.
Ich persönlich mag bei Barockmusik nicht das Verschwimmen, das bei romantischer Musik durchaus erwünscht sein kann.
 
Ein zweites Experiment wäre: Pedal runtertreten, einen C-Dur Akkord anschlagen und danach einen Fis-Dur Akkord, den Fis-Dur Akkord in den Tasten halten und das Pedal langsam aufheben - man stellt fest: igitt!!

Ich stelle da an keiner Stelle "igitt" fest.

Zuerst stelle ich fest: "Hey, cooler Akkord, der durch die 6 Töne entsteht! C7b9#11!"

Anschließend stelle ich fest: "Hey, interessanter Übergangseffekt durch das langsame Pedal!"

Bewertungen wie "igitt", "Boah, das klingt ja NUR schrecklich" etc. haben im Klavierunterricht und Üben grundsätzlich nichts zu suchen! Es gibt nur unterschiedliche Schallwellen, die aus dem Klavier rauskommen - komplexe und weniger komplexe. Und im Unterrichts-/Übeverlauf ist lediglich zu gucken, welcher Schallwellenverlauf für den im aktuellen Stück angestrebten Effekt passend wäre und wie man den am günstigsten realisiert.

"Igitt" heißt: Ich höre nicht mehr hin, weil ich auf jeden Fall vermeiden will, mit der unerwünschten Schallwelle konfrontiert zu werden. Und das ist dann der Tod des musikalischen Spiels, das ersetzt wird durch einen Spießrutenlauf durch "richtig" zu drückende Tasten und Pedale.

LG,
Hasenbein
 
Zuerst stelle ich fest: "Hey, cooler Akkord, der durch die 6 Töne entsteht! C7b9#11!"
oh... c-#c-e-#f-g-#a ist also C7"b"9#11? :D rührende Enharmonik... und das #c? wo bleibt das?
Spaß beiseite: für Anfänger wird ein solcher Akkord erstmal eine herbe Dissonanz sein.

...dir scheint so ein wenig entgangen zu sein, dass es bei diesem deutlichen Exempel darum geht, die Wirkung von unsauberem Pedalschmieren zu zeigen - spielt man Schumanns kleinen Choral mit "verschmiertem" Pedal, dann wird er wie klingen? Erraten: igitt :D

Bewertungen wie "igitt", "Boah, das klingt ja NUR schrecklich" etc. haben im Klavierunterricht und Üben grundsätzlich nichts zu suchen!
oh doch, wenn es igitt klingt, weil es igitt gespielt wird, muss man das auch verklickern - bist du nicht sonst gegen schmusige Kuschelpädagogik? :D:D
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Nein. Es klingt nicht "igitt". Es klingt in jenem Stück FALSCH, weil das Stück nicht so gemeint ist. Das kann man auch ohne Kuschelpädagogik unverblümt so sagen.

Aber "igitt"-Klänge gibt es nicht. Peng, aus.

Und die von Dir kritisierte Enharmonik ist so, wie man den Akkord gewöhnlich unter Jazzmusikern als Akkordsymbol aufschreiben würde. Dort (in den JRP-Akkordsymbolen) existiert nämlich Enharmonik nicht. Da gibt es sogar so was für "Klassiker" Absurdes wie eine "#9". :D

LG,
Hasenbein
 
Spaß beiseite: für Anfänger wird ein solcher Akkord erstmal eine herbe Dissonanz sein.

oh doch, wenn es igitt klingt, weil es igitt gespielt wird, muss man das auch verklickern
Vorab: Danke für tollen Erklärungen zum Pedaleinsatz, mir ist der Zeitablauf der Koordination von Hand und Fuss nun klar geworden.

Die Akkordfolge C-Dur / F#-Dur ist in der Tat etwas schräg, wenn beileibe auch nicht IGITT, da ich mich aber instinktiv verspielt habe und C-Dur/F#m gegriffen habe: Klingt einfach geil..., egal, was das Pedal macht... :-). Habe aber dennoch verstanden, was Deine Message ist!
 
Hallo violapiano,

Aber kann man den Gebrauch des rechten Pedals wirklich erklären? Ich meine, man kann Grundbegriffe beibringen, wie im Beitrag von Rolf beschrieben, aber den Gebrauch im Stück und den geschmackvollen Einsatz lernt man durch Probieren und Beobachten anderer Spieler

ich finde, gerade der gute Pedalgebrauch setzt schon eine besondere Musikalität des Spielers voraus (hören können, etwas als schön erkennen können, Klangvorstellung).
Ich finde und fand immer, unser Instrument will klingen (d.h. natürlich nicht, in einer Tonsuppe zu ersaufen). "Knochentrockenes" Spiel empfinde ich oft als nicht besonders schön. Klar, es kann auch superschön sein.

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Zitat von rolf:

ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber der Kampf gegen selbige macht den größten Teil meines hobbymäßigen Übealltags aus :D:D:D:D

Viele Grüße!
Dreiklang
 

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