Noten im Konzert mitlesen

  • Ersteller des Themas Pianojayjay
  • Erstellungsdatum

Pianojayjay

Pianojayjay

Dabei seit
17. Mai 2013
Beiträge
6.472
Reaktionen
6.992
Gestern saß ein Herr im Konzert neben mir, der hat - statt sich an der Live Darbietung zu erfreuen - die ganze Zeit die Noten mitgelesen. Macht ihr sowas auch? Oder empfindet ihr es als störend, wenn Ihr oder auch andere es tun?
 
Das habe ich auch schon oft beobachtet... ich finde es hat durchaus seinen Reiz, deshalb kann ich es auch nachvollziehen und es stört mich nicht, wenn andere das tun (wobei direkt daneben sitzend das Geblättere sicher nerven kann), aber für mich persönlich ist das nichts. Ich habe das schon häufig bei Aufnahmen zuhause gemacht (aus Interesse oder weil wir das Stück im Ensemble geplant hatten), aber Live lasse ich lieber den Klang auf mich wirken und genieße ihn (was manchmal schon schwer genug fällt, weil man oft automatisch ins Analysieren gerät und sich dadurch aus der Stimmung bringt ;-)).
 
Hat Henle nicht extra dafür die "Studien-Edition" aufgelegt? :-D
 
Ist doch schön: Da kann man kulturbewußt endlich einmal alte Beiträge recyclen und einer Zweitverwertung zuführen ...
Damit hier mal etwas steht, was im anderen Faden noch nicht zu lesen war: Das, was eine künstlerische Leistung einzigartig macht, steht keineswegs in den Noten. Es sind die feinen Nuancen, die nicht notierbar sind, die einen musikalischen Kontext lebendig machen. Wer mit der Aufgabe ausgelastet ist, sich anhand der Noten durch das Stück hindurch zu hangeln, hat gute Chancen, gerade das wirklich Wichtige nicht mitzubekommen. Warum fordert man wohl als Chorleiter die Damen und Herren in seinem Verein immer wieder auf, endlich nicht mehr auf die Notenblätter zu starren, sondern mit Unterstützung durch die Zeichengebung des Dirigenten die dargebotene Musik lebendig zu machen?

Nein. Die Noten nehme ich noch nicht mal dann mit ins Konzert, wenn ich einen Pressebericht über die Veranstaltung schreibe. Und sonst? Den anwesenden Personen im Publikum demonstrieren, dass ich des Notenlesens mächtig bin? Wer mich als Berufsmusiker identifiziert, traut mir das vermutlich auch dann zu, wenn ich den Zuschauerraum ohne Partitur unterm Arm betrete. Falls nicht, ist es trotzdem egal. Sinnvoller kann es sein, sich mit dem Notentext des Stücks vor dem Konzert zu befassen und mit diesen Erkenntnissen die Darbietungen wachen Sinnes unverstellt auf sich wirken zu lassen. Deshalb ist es übrigens auch so weit verbreitet, als Künstler auswendig zu spielen. Der Notentext ist dann idealerweise so präzise verinnerlicht, dass man das nicht Notierbare als Ausdrucksmittel nutzen kann.

LG von Rheinkultur
 
Wenn sein Notenheft nicht qudratmetergroß ist, sodaß ich ihm bei jedem Umblättern ausweichen muß, sondern schön handlich wie etwa die alten Eulenburg-Studienpartituren, und wenn er vor allem geräuschlos umblättert - warum sollte man ihm den zusätzlichen Genuß nicht gönnen?
 
Also, ich muss zugeben, dass mich das Umblättern gestern schon etwas gestört hat, zumal der Herr neben mir eine andere Ausgabe hatte als Kissin. Das hat schon irritiert. Ich finde es im Konzert so unglaublich spannend auf Fingersätze oder Pedal zu achten, aber auch auf die Körperhaltung. Wenn ich mich auf das Notenbild konzentriere, dann geht all dies verloren. Dazu kann ich mich auch mit CD hinsetzen....

@Ancolie : Mich würde es total stören, wenn neben mir jemand die ganze Zeit die Noten am Tablet mit hellem Bildschirm verfolgt
 
Ich finde es gegenüber dem darbietenden Künstler unanständig ..... sowas sieht wie Kontrolle aus!
Wenn es Studenten in der hintersten Reihe sind, dann ist es OK. .....sonst finde ich sowas daneben.

Hoffentlich hat der Mitleser die richtigen Noten :-D
 
Zuletzt bearbeitet:

Vielleicht wird in ein paar Jahren die Partitur vorne über der Bühne eingeblendet, und bei jedem falschen Ton leuchtet die Note auf und am Ende. 7/5656 falsch;) Und ab einem gewissen Punkt kann man sich das Geld zurückerstatten lassen.

Kann man dann auch direkt eine Wertungsrangliste erstellen.

Man geht doch ins Konzert für den Klang, oder nicht?
 
Naja also ich kann Musik besser hören, wenn ich Noten vor Augen habe. Ich kann mich dann besser auf die nächsten Abschnitte vorbereiten und dann die Feinheiten der Ausgestaltung genießen. Lese ich beim Konzert keine Noten (mache ich natürlich auch ab und an), habe ich einfach zuviel damit zu tun, die Grundstruktur des Gespielten zu erfassen. Mit Noten kann ich es wirklich genießen. Aber natürlich mache ich das nur bei wirklich gut besuchten Konzerten wo ich weit hinten sitze, aus Fairness dem Künstler gegenüber. Das hat für mich auch nichts mit Kontrolle zu tun, eher damit mich selber zu entspannen. Das kann ich nunmal wirklich am besten, wenn ich Noten vor mir liegen habe.
 
Naja also ich kann Musik besser hören, wenn ich Noten vor Augen habe. Ich kann mich dann besser auf die nächsten Abschnitte vorbereiten und dann die Feinheiten der Ausgestaltung genießen. .... Das hat für mich auch nichts mit Kontrolle zu tun, eher damit mich selber zu entspannen. Das kann ich nunmal wirklich am besten, wenn ich Noten vor mir liegen habe.

Hm, kannst Du nicht dasitzen und einfach genießen? Die Augen zumachen und zuhören, die Musik auf Dich wirken lassen? Es geht dabei jetzt nicht um das Verständnis der Musik, sondern darum, was sie an Emotionen "auslöst". Wenn man mitliest, analysiert und sich vorbereitet, vermeidet man ja eigentlich die emotionale Ebene... Oder sehe ich das falsch?

(Habe gerade gesehen, Du hattest Geburtstag. Alles Gute nachträglich! :blume:)

LG Antje
 
Hm, kannst Du nicht dasitzen und einfach genießen? Die Augen zumachen und zuhören, die Musik auf Dich wirken lassen? Es geht dabei jetzt nicht um das Verständnis der Musik, sondern darum, was sie an Emotionen "auslöst". Wenn man mitliest, analysiert und sich vorbereitet, vermeidet man ja eigentlich die emotionale Ebene... Oder sehe ich das falsch?

(Habe gerade gesehen, Du hattest Geburtstag. Alles Gute nachträglich! :blume:)

LG Antje

Jain, vorbereiten bedeutet bei mir nur, dass ich mir die passenden Noten heraussuche. Auf keinen Fall höre ich schon einmal rein oder mach ähnliches.
Augen zu machen und entspannt Musik hören kann ich leider nicht, da ich die ganze Zeit beim Hören die Musik in Noten umwandle oder in Gedanken ablaufen lassen. Gleichzeitig analysiere ich das Gespielte dann auf alle möglichen Dinge. Deswegen ist es für mich besser zu entspannen, wenn ich Noten vor mir habe. Da brauche ich all das nicht machen und kann mich völlig den Feinheiten des Gespielten hingeben. Quasi, wenn das Rahmengerüst vor mir steht muss ich es nicht mehr aufbauen. Mitgelesene Musik schafft es bei mir wesentlich mehr Emotionen auszulösen als nur gehörte. Wahrscheinlich habe ich beim Mitlesen eben den Kopf freier.

Das einzige mal, wo es mir gelingt ohne Noten vor mir wirklich einfach nur emotional in der Musik zu sein, ist wenn ich selber Improvisiere.

(Danke für die Glückwünsche.)
 
@Orgeltante - hochinteressant und durchaus nachvollziehbar! Bist Du ansonsten auch eher ein "Kopfmensch"?
Bei mir ist es so, dass ich ein Stück kennen muss, wenn ich die Partitur mitlesen will. Wenn ich bei einem unbekannten Stück höre und mitlese, ist mir das zu viel...
Wenn ich zB. am PC sitze, kann ich mich nicht nebenbei unterhalten. Ent- oder -weder...
Ich bin bei meinem Mann berühmt für meinen - seine Worte - Single Core.
Hmpf.
:-)
 
Augen zu machen und entspannt Musik hören kann ich leider nicht, da ich die ganze Zeit beim Hören die Musik in Noten umwandle oder in Gedanken ablaufen lassen. Gleichzeitig analysiere ich das Gespielte dann auf alle möglichen Dinge.
Das ist ja wirklich interessant. Bedauerst Du diesen Zustand manchmal?
Ich versuche mich gerade da hineinzuversetzen:
Ich genieße z.B. den Anblick sehr komplexer Dächer (z.B. in Wien), kann da stundenlang hingucken und bin aber dabei auch immer am "Analysieren" (wie wurde was umgesetzt, welches System wurde verwendet, Statik, Material...). Ohne Kenntnisse darüber könnte ich das gar nicht genießen (einen schönen Baum gucke ich einfach nur kurz an und denke "schön"). Aber ich brauche halt keine "Noten" dazu.
 
Ja und wieder Nein. Ich bin ein sehr emotionaler Mensch und lebe sehr intuitiv, also eher kein richtiger Kopfmensch. Bei mir im Kopf laufen halt permanent irgendwelche Dinge ab, das einzudämmen fällt mir manchmal sehr schwer. Wie bereits an anderer Stelle erwähnt habe ich, sobald der Kopf Leerlauf hat eine Tonspur im Kopf. Leerlauf heißt, ich übe eine oder mehrere normale Tätigkeiten aus (Schreiben, Lesen, Telefonieren etc.). Richtigen Leerlauf wie ihn manch einer kennt, habe ich sehr selten. Außerhalb der Musik eigentlich nie. Nur am Strand zu liegen z.B. für mich der Horror.
Partiturlesen fällt mir absolut nicht schwer, wende ich ja auch über Jahre hinweg schon an, wenn ich bei uns im Verein das Zusammenspiel leite. Ich habe auch beim Notenlesen schon direkt ein Klangbild des Ganzen vor Augen.

@Peter manchmal? Ich denke mittlerweile habe ich gelernt damit umzugehen. Aber ja, manchmal beneide ich meinen Mann der sich einfach irgendwohin pflanzen kann und Musik hören. Ich für meinen Teil kann z.B. absolut kein normales Radio hören ohne mich hinterher über Harmoniefolgen oder ähnliches zu ärgern, wundern oder auch mal freuen. Leider zerreißt das manchmal die Musik ein wenig, aber wie gesagt, gib mir Noten und es geht. Ich setze mich halt derzeit an eins meiner Instrumente und spiele einfach was drauflos (im Normalfall das, was mir durch den Kopf geistert) um mich so zu entspannen wie manch einer beim Radio hören. Mein Mann meint oft scherzhaft, dass ich ein Dauergeräuschmacher bin. Ist natürlich nicht ganz so aber ja, ich spiele oft irgendein Instrument einfach zum Entspannen.
 

Zurück
Top Bottom