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@MarleneBei Wikipedia steht, dass „Neue Musik“ die Musik ab etwa 1910 ist. Dort steht aber auch, dass der Artikel einer Überarbeitung bedarf.
Wenn also z.B. Skrjabins Werke „Neue Musik“ ist, macht mir das deutlich, dass ich mit meinem obigen Zitat allzu vorschnell geurteilt habe.
Weil ich wegen der o.g. Anmerkung dem Wikipedia-Artikel nicht vertraue (und im Internet über den Suchbegriff „Neue Musik“ kaum etwas informatives gefunden habe), wäre ich Euch dankbar, wenn Ihr mir Tipps geben könntet, wo ich mehr darüber lesen kann.
da lieferst du einen schönen Anlaß, nachzuschauen, wie es um das Adjektiv "atonal" bestellt ist.
Landläufig ist die Gleichsetzung "atonal = scheußlich, disharmonisch" - das ist Schwachsinn, und zwar aus Unkenntnis resultierender Schwachsinn der billig polemischen Sorte.
Erste Ansätze zur "Atonalität" finden sich schon in der ersten Hälfte des 19. Jhs., z.B.:
- in Beethovens Sonate op.106 (Finale) und Diabellivariationen
- in Chopins b-Moll Sonate (Finale)
in der zweiten Hälfte des 19.Jhs..
- gehäuft bei Liszt (u.v.a "Bagatelle sans Tonalite", die Spätwerke
- die von eindeutigen tonalen Zentren ab- oder wegschweifende Leittonchromatik (Wagner)
Streng genommen sind das noch keine rein "atonalen" Sachen, aber die Grenze weg von der Tonalität, weg von der Funktionsharmonik ist eindeutig überschritten.
Skrjabin ist ein quasi Sonderfall: die erwähnten harmonischen Experimente (Beethoven, Chopin, Liszt, Wagner) verwendete er, anfangs noch a la Chopin und Wagner, später entwickelte er daraus seine eigene, nicht mehr eindeutig tonale "Klangzentren-Harmonik" - sehr eingängig zu hören ist das in seinem effektvoll-virtuosen Poeme Vers la Flamme und in seiner 10. Sonate. Seine berühmte 5. Sonate könnte man als auf der Grenze zwischen noch hyperchromatisch a la Wagner und schon atonal klangzentrisch a la Skrjabin bezeichnen (sie hat noch Fis-Dur als Orientierung)
...ist Skrjabin "atonal"? Seine Spätwerke sind frei atonal, auf seine eigene Weise.
Jetzt müsste man anfangen, über Bartok, Strawinski, Schoenberg und Berg sowie Webern und die Folgen zu reden, aber auch über Debussy, Ravel, Janacek und Prokovev - und über die eigenwilligen Sonderwege von Ives und Villa-Lobos --- ich hoffe sehr, dass @Gomez de Riquet sich hierzu äußert (!) und zu den weiteren Folgen (Messiaen)