Motivation/Ehrgeiz trainierbar?

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bechode

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Hallo!
Und zwar habe ich festgestellt, dass ich ein allgemeines Problem habe, was die Motivation/Ehrgeiz beim Einüben eines neuen Stückes betrifft. Dazu hab ich jetzt mal schnell was mit „Paint“ gemalt so wie ich denke, dass es bei mir ist.^^
*************.JPG

Ich suche mir meine Stücke, die ich spielen will grundsätzlich selbst aus. Dadurch ist die Motivation dieses neue Stück zu lernen sehr groß, weil es mir ja auch gefällt. Hier sind auch meine Fortschritte sehr schnell sehr groß. In diesem Anfangsstadium habe ich auch oft diesen Flow, der gerade in einem anderen Threat diskutiert wird. Hier macht mir Klavierspielen am meisten Spaß, weil einfach alles stimmt.
Mit der Zeit, wenn ich merke, dass die Fortschritte immer kleiner werden und eben nicht mehr viel passiert. Dann fällt meine Motivation an dem Stück überhaupt noch etwas zu machen praktisch in den Keller. In der Skizze habe ich das jetzt mal den Punkt P genannt. Ab diesem Punkt bedeutet Klavierspielen für mich kein Spaß sondern Arbeit. Bei vielen Stücken komme ich dann kaum noch über den Punkt P hinaus und komme also selten bis gar nicht zur Perfektion, was natürlich nicht sein sollte. Das hat eben zur Folge, dass ich viele unfertige Stücke habe...
Diese Skizze trifft natürlich nicht auf jedes Stück zu. Eigentlich nur bei klassischen relativ anspruchsvollen und längeren Stücken, die mir vllt auch nicht zu 100% gefallen. Oder auch ganz einfach, wenn das Stück einfach noch zu schwer für mich ist.

Jetzt frage ich mich inwiefern man was dagegen tun kann. Mir fehlt einfach etwas der Druck um mich richtig dran zusetzen. Ich habe nicht vor beruflich irgendwas mit Klavier zu machen und mein Lehrer setzt mir jetzt auch nicht die Pistole an den Kopf wenn’s nicht perfekt ist. Ich spiele auch nur für mich^^ muss also nicht an irgendeinem Vorspiel teilnehmen oder an sowas ähnlichem. Demnach passiert einfach nichts, wenn’s nicht perfekt ist, aber genau dieser Druck fehlt mir um mir doch die Arbeit zur Perfektion zu machen.

Kennt ihr vielleicht auch dieses Problem? Wie motiviert ihr euch? Oder woher habt ihr den Ehrgeiz es trotzdem perfekt zu spielen? Kann man sich vllt sogar künstlich motivieren oder das irgendwie antrainieren? :rolleyes:

Natürlich könnte ich auch grundsätzlich einfache Stückchen spielen, die ich alle annähernd perfekt spielen könnte, aber auf der anderen Seite will ich, auch wenn es nur ein Hobby ist, ein möglichst hohes Niveau erreichen.

Lg bechode
 
Es ist im Grunde ein ganz normaler Verlauf, wenn du am Anfang, so lange ein Stück noch frisch ist, sehr deutliche Fortschritte beim Üben erfährst. Je länger du das Stück übst, umso langsamer geht es auch voran. Aber gerade die Phase, in der es nur langsam vorangeht, ist die, in der man wirklich Fortschritte macht (also nicht nur eben ein zusätzliches Stück sondern eine neue Qualität des Spiels). Wenn du echt besser werden willst, solltest du in diese Endphase besonders viel Energie einbringen.

Dann gibt es allerdings auch Phasen, wo man ganz klar merkt, daß man nicht weiterkommt, egal wie sehr man sich anstrengt. Und in solchen Fällen finde ich, es ist besser, das Stück mal für eine Weile beiseite zu legen, statt fruchtlos immer wieder daran herumzunagen. Man kann oft an einem anderen Stück bestimmte Probleme der Spielart (ich benutze jetzt den Begriff Technik nicht mehr :) ) genauso gut lernen und verbessert dadurch indirekt auch die Stücke, die sich gerade auf "Urlaub" befinden.

Wenn man sich beim Üben langweilt oder wenn einen das Stück annervt, dann ist das ein Warnzeichen, das man ernst nehmen sollte.

Gruß
Haydnspaß
 
Jupp, stimme Haydnspaß da voll und ganz zu :).

Was Du auch machen kannst, ist Dir eine Regel zu setzen, die Dir dann in dieser Phase ein bisschen weiterhilft.
Z.Bsp. Das Du das Stück jeden Tag 1x komplett spielst (ohne groß daran zu arbeiten, nur spielen) und dann machst Du Deine anderen Stücke.
Das hilft vorallem bei anspruchsvollen Stücken die schweren Passagen im Kopf zu behalten und da man sich immer noch täglich mit dem Stück auseinander setzt, ohne es gleich als Arbeit anzusehen, schreitet man trotzdem voran.

Manchmal sind viele kleine Happen verdaulicher als wenige große.

Gruß
Pflaume
 
ich mach es auch so dass ich meine schwereren stücke (nach meinem stand) mind. 1x am tag durchspiele. so hab ich in nem halben jahr beobachten können, wie zB die mondscheinsonate wirklich immer feiner wird. bei anderen sachen isses ähnlich. und et wird nicht langweilig. dauert halt nur, aber ich (und du) haben ja zeit
 
wegen der Motivation:
Mich motiviert immer, wenn jemand zuhört. Das heißt in regelmäßigen Abständen bekommen meine Freunde ein "Konzert" im Wohnzimmer. Für mich persönlich ist es egal, ob im Publikum ein Klassik-banause oder ein Maestro sitzt, mein Ehrgeiz will die Perfektion :) Also bin ich dann auch motivierter, die Stücke zu perfektionieren und auszubauen.
Probiers mal aus, deine Freunde freuen sich sicherlich über das Konzert und du hast einen Anreiz zum üben.
lieber gruß
 
Hallo bechode,

ich schreibe mal dazu was mir einfällt. Inwieweit das zu dir selbst passt, kannst nur du sagen.

Im Hintergrund macht der Geist oft eine Kosten/Aufwand zu Nutzen Kalkulation. Wenn dir also der Aufwand für den letzten Feinschliff zuviel ist, sinkt die Motivationskurve trastisch. Ist so in der Art, "Für was das ganze, wegen dem bisserl mehr". Deswegen kranken viele Projekte im Berufsleben gerade auf der Zielgerade.

Der Italiener Pareto hat dazu mal was geschrieben was auch darauf vereinfacht anwendbar ist. (80/20 Verteilung)


Ein Lösungsansatz wäre:
Sehe es nicht als Aufwand an, sondern als Freude vor diesem Stück zu sitzen. Das wäre die edelste Variante, denn dann stört es dich nicht, extra Energie reinzustecken.

Das funktioniert aber nur, wenn du den Punkt: Ich muss "x" Stücke in Qualität "y" in Zeit "z" erreichen, über Bord wirfst. Das dürfte die schwerste Übung sein. Den mittlweile steckt auch in jedem Hobby ein gehöriges Stück selbst gemachter Leistungsdruck. Solange du nämlich ein internes Leistungsbeurteilungsverfahren laufen hast, wird dein Unterbewusstsein sofort eine Nutzen analyse machen und zum Ergebnis kommen, das bei vergleichbarem Aufwand es einfacher wird, ein neues Stück zu üben als an dem alten noch den letzten Punkt auszufeilen.

Wenn du es als Freude ansiehst, das Stück zur Vollendung zu bringen, kannst du es auch ohne Probleme immer wieder üben, es ist ja keine vergeudete Zeit.



Falls du spontan denkst, ist nicht so: Zeige mir mal ein Forum über egal welches Hobby wo einer nach 6 Monaten nicht auch stolz sagt "gugg mal wie weit ich bin" oder "ist mein Fortschritt ausreichend?",...

Kaum einer wird hier schreiben, "Leute hurra ich übe seit einem Jahr mit wachsender Freude immer noch meine Tonleiter" und bin Perfektionist in "alle meine Entchen" geworden. Da muss schon eine "für Elise" nach einigen Wochen ,... herhalten. Dadurch wird es natürlich schwer eben das letzte Stückchen aus "alle mein Entchen" rauszuholen, wenn ein anderer schon "für Elise" trainiert.

Die beste Motivation ist die Motivation aus einer eigenen Freude heraus etwas zu tun. Externe Motivation hat immer den Nachteil das du abhängig von Lob/Anerkennung anderer bist.



Das ist sicherlich etwas überzogen und ironisch ausgepolstert, zeigt aber glaube ich gut, wie ein internes Motivationssystem funktionieren kann.


Ich wünsche dir viel Freude beim üben und beim dir selbst zuhören.

Mit hat mal ein weißer Mann gesagt, nur wer sich selbst ein perfekter Gastgeber ist, hat gelernt wirklich zufireden zu sein. Spiel als wärst du dein begeisterster Zuhörer und ich habe absichtlich gesagt begeistert und nicht kritisch. ;)



Viele Grüße

Tastenfuchs.






http://de.wikipedia.org/wiki/Pareto-Prinzip
 
Es ist im Grunde ein ganz normaler Verlauf, wenn du am Anfang, so lange ein Stück noch frisch ist, sehr deutliche Fortschritte beim Üben erfährst. Je länger du das Stück übst, umso langsamer geht es auch voran. Aber gerade die Phase, in der es nur langsam vorangeht, ist die, in der man wirklich Fortschritte macht (also nicht nur eben ein zusätzliches Stück sondern eine neue Qualität des Spiels). Wenn du echt besser werden willst, solltest du in diese Endphase besonders viel Energie einbringen.

Das ist ähnlich wie beim Bodybuilding. Am Anfang geht alles sehr schnell und je länger man trainiert, desto langsamer wachsen die Muskeln, das ist allerdings ein Trugschluss. Es kommt einem lediglich so vor, dass die Muskeln nicht mehr wachsen, da die Verhältnisse sich geändert haben. Für einen Spargeltarzan ist ein wenig Muskelmasse aufbauen natürlich schon ein gwaltiger Fortschritt. Wenn er in diesem Zustand dann nochmal dieselbe Masse aufbaut, erscheint sie ihm geringer, als beim ersten Mal. Ist imho so ein psychologisches Ding.
 
Im Hintergrund macht der Geist oft eine Kosten/Aufwand zu Nutzen Kalkulation. Wenn dir also der Aufwand für den letzten Feinschliff zuviel ist, sinkt die Motivationskurve trastisch. Ist so in der Art, "Für was das ganze, wegen dem bisserl mehr".
Das kann ich bei mir sehr gut nachvollziehen. Anstatt wirklich in den Feinschliff zu gehen, wo ich dann sehe, dass fast nichts mehr passiert, will ich lieber neue/größere Fortschritte machen und fang deswegen zum Beispiel ein neues Stück an. Es sind aber auch manchmal nur einzelne Stellen in einem Stück. Der Rest klappt ganz gut, aber dann sind da vllt 1-2 Seiten, die mir nicht besonders gefallen. Wenn ich es dann doch spiele denke ich meistens beim ersten Takt schon "oh nein nicht das schon wieder" und spiele lieber was anderes was mir mehr Spaß macht.
Ich spiele auch oft ein Stück oder Teile davon durchaus einfach einmal am Tag um es etwas warm zu halten, aber um sich einfach nochmal dran zu setzen hab ich dann fast keine Lust. Wenn mir aber richtig gefällt, dann hält der Flow den ich dabei oft habe auch oft an und schaff es sogar annähernd zur Perfektion.
Das ganze betrifft eben hauptsächlich einzelne Teile von gewissen Stücken, die mir dann nicht sooo gut gefallen und diese dann auch perfekt zu spielen fällt mir dann schwer.

Ich muss "x" Stücke in Qualität "y" in Zeit "z" erreichen, über Bord wirfst.
Ich glaube aber gerade das würde mir vllt helfen, wenn ich Stücke bis zu einer gewissen Zeit können müsste.:)
Ich denke ich bin nämlich eher ein Mensch, der erst unter Druck richtig warmläuft. Ohne diesen Druck denke ich eben wirklich "wieso perfektionieren und sich die ganze Arbeit machen, wenns eh keiner hört"

Freunden was vorspielen ist im Prinzip keine schlechte Idee, aber naja die sind nicht besonders Klassik/Klavier-interessiert:rolleyes:

Zitat von Haydenspaß:
Wenn du echt besser werden willst, solltest du in diese Endphase besonders viel Energie einbringen
Ja ich denke da führt wohl kein Weg dran vorbei...leider...
Ich glaube ein weiterer Grund warum mir etwas die Motivation fehlt ist vllt auch, dass ich immer nur einzelne Stücke einübe und diese dadurch immer zu schnell zu langweilig werden. Das sollte ich meinem Lehrer mal vorschlagen mehrere Stücke zu üben...

lg bechode
 
Ich denke mal, dir fehlt einfach ein Ziel. Man übt ein Stück ja nicht nur einfach ein bischen, bis einem was besseres einfällt sondern man will damit ja etwas erreichen. Im Unterricht ist es wohl lange Zeit so, daß man einfach "irgendwas" spielt, um weitere Erfahrungen zu sammeln, neue Musikrichtungen kennenzulernen (ahem, eher andere, die meisten sind ja schon alt) und so weiter. Daß man auf diese Weise irgendwann keine Lust mehr hat, an einem Stück zu üben ist ja völlig normal, wozu soll man auch?

Motivation ergibt sich daraus, daß man sich etwas davon verspricht, weiter zu machen. Das kann zum Beispiel sein, sich auf ein Konzert vorzubereiten, eine Prüfung zu bestehen oder einfach endlich mal ein Stück so gut zu lernen, daß man es sicher, gefühlvoll und fehlerfrei spielen kann. Wenn man solche Ziele nicht hat, ist es wie ein Buffet: Man nimmt sich ein bischen und geht dann weiter...

Und zum Fortschritt beim Üben eines fortgeschrittenen Stückes: Man muß sich mal fragen, was man da eigentlich übt (schon wieder ein Ziel - aha!). Was soll schon groß dabei herauskommen, wenn man es einfach immer wieder durchspielt? Man muß sich anhören, was man zur Zeit zustande bringt und dann entscheiden, woran man arbeiten will. Auf diese Weise werden Stücke übrigens irgendwann auch fertig :D
 
Hallo,

eigentlich gilt diese Kurve für sehr viele Dinge im Leben, nicht nur das
Musizieren. Zumindest mir persönlich geht es so, sei es im Beruf oder
auch bei Hobbies - zuerst eine sehr begeisterte Phase, man stürzt sich
auf das Neue, will alles Mögliche lernen und ist motiviert bis in die Haarspitzen.
Nach einiger Zeit (ein paar Jahren oder so) schleicht sich dann aber eine Art Gewohnheit ein und man erkennt erst langsam, ob etwas wirklich für einen geeignet ist. Das kann recht ernüchternd sein :( - man hat viel Energie und Zeit investiert und muss erkennen, dass es doch nichts ist. Ich persönlich spiele z.B. drei Instrumente, aber mit keines so dass ich zufrieden bin - naja, hat sich vor Kurzem geändert, bleib jetzt beim Klavier. :-) Im Beruf ist es ähnlich - also ich verstehe die, die drei mal das Studium/Ausbildung wechseln recht gut.
 
Sehe das mit der Zielfestlegung genauso wie Guendola.

In Ergänzung zu den genannten Zielen könnte es auch sein, dass man als Ziel eine Aufnahme machen möchte, mit der man zufrieden ist. Das ist zumindest bei mir ein sehr hohes Ziel, was ich selten erreiche, sprich, bin selten zufrieden damit :rolleyes:

Auch ist es bei mir so, dass ich im Grunde endlos lange an einem Stück üben könnte, es finden sich immer mehr Dinge zum verbessern. Es ist so, dass ich irgendwann mal einen Schlussstrich ziehe, und das Stück aufnehme - und/oder vorspiele.

Musik ist doch wie das Meer - endlos ...
Von daher, bei mir werden Stücke nie richtig fertig, leider.
 

Sättigungskurve, Motivation asymptotisch gegen Null

Hallo bechode,

in Deinen Kurven finde ich mich bei vielen Stücken wieder.

Ansonsten sehe ich das genauso wie Guendola und Mindenblues: ich brauche wie wohl die meisten Männer ein Ziel. Ich muss immer was vorhaben mit dem Stück. Bei mir ist es in den letzten Jahren für jedes Stück, aber auch für jedes die Aufführung im Konzert. Früher hatte ich mal Kassetten produziert - kann auch ein ganz schön anspruchsvolles Ziel sein.

Nur vor mich hin zu spielen könnte ich nicht, ich weiß dann nicht, wann ich mit einem Stück wirklich fertig bin.

Es gibt aber auch die Sättigung, der Zustand, dass alles schon gesagt ist und das daran weiter Üben nur noch lästig ist. Besonders, wenn sich das Konzert nach hinten verschiebt und ich das Programm nochmal warm halten muss. In solchen Phasen hilft manchmal, sich seine Stücke von jemanden anders anhören, CD, youtube ... . Bei bekannten Stücken ist das nicht schwer.

Es gibt bei mir aber auch den Fall, dass ich ein Stück ausgesucht habe, für das ich nicht die Liebe auf den ersten Blick hatte und sich die Faszination erst gegen Ende eingestellt hat. - Grundsätzlich gilt bei mir: ich übe aus schierer Gewohnheit, so halte ich auch Stücke durch, die mir am Anfang ein bißchen unzugänglich erscheinen.

Viel Erfolg

Walter
 

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