Mikrokosmos

M

Manha

Guest
schau Dir doch mal von Bela Bartok den Mikrokosmos (Heft 1 und 2) an
Nachdem ich diesen Rat von Rolf in einem anderen thread erhalten habe bin ich heute ab ins Musikgeschäft und habe mich mit Band eins eingedeckt.
Der erste Eindruck - es gefällt mir sehr gut.

Da ich vor allem auch erkennen und lernen möchte, welche Strukturen hinter Melodien stecken, schreibe ich hier mal meine ersten Erkenntnisse zu den ersten beiden Unisono-Stücken am Anfang, soweit ich es erkenne - und stelle eine große Bitte in die Runde, das sich jemand die Mühe macht zu überprüfen, ob es soweit korrekt ist.

Melodie 2a:
Steht in C-Dur, in den ersten zwei Takten sind die Dreiklänge des C-Dur Akkordes auf den schweren Zählzeiten. Fängt mit dem Grundton C auch an und endet im zweiten Takt auf der Quinte G.
Der Dritte Takt fängt mit dem Intervall einer Sekunde zum vorherigen Ruhe/Endton an, auf den schweren Zählzeiten liegen nun für eineinhalb Takte die Akkordtöne von D-Moll, der zweiten Stufe von C-Dur (Subdominantenparallele).
Im zweiten Teil des dritten Taktes kehrt Bartok wieder mit einem Sekundenintervall zu C-Dur zurück (Ton e gleich Terz von C-Dur), weiterer Sekundenschritt Anfang Takt vier wieder zu D-Moll um im vorletzten Takt wieder mit einer Sekunde zu C-Dur zurückzukehren.

Da der Verlauf bei 2b (in a-moll) spiegelbildlich ist, ziehe aus diesen beiden Stücken jetzt erstmal folgende Schlüsse daraus:

- ein Akkord sollte (am Ende einer "Sinneinheit") auf Tonika oder Quinte enden, und das zu Taktbeginn (schwere Zählzeit)

- es scheint geschickt zu sein Sekunden zu benutzen um zu einem benachbarten Stufenakkord zu gelangen (in diesen Stücken zur zweiten Stufe).

Ich würde mich sehr freuen wenn mir jemand folgende Fragen beantworten könnte:
Sind meine Erkenntnisse soweit richtig?
Werden die Sekunden benutzt weil sie aufgrund ihrer Reibung interessanter klingen?
Gibt es weitere Erkenntnisse die ich hätte ziehen müssen?

Viele Grüße,
Manha
 
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Hi Manha,

da hier bisher niemand geantwortet hat. ;-)

Deine Analyse ist für mich richtig.
Aber da es nur eine unisono Melodie ist, kann man es harmonisch auf viele Arten interpretieren.

Der Mikrokosmos ist ja ein Schule, daher ist mM der Zweck dieser ersten "Stücke" eigentlich "nur" die melodischen und motorischen Möglichkeiten des Quint-Raums zu erkunden. Eine harmonische Entwicklung steht mM hier nicht im Vordergrund und es geht als erstes nur um das grundlegende musikalische Element der Melodie (und ihrer Skalen).

Ich weiss, dass man auch schon in diese einfachen Stücke viel hereininterpretieren kann (deswegen auch der Name Mikrokosmos), mM ist das aber ein bischen künstlich.

Ein Buch zum Thema das ich besitze:

  • Jürgen Uhde: Bartók Mikrokosmos - Spielanweisungen und Erläuterungen: Die Einführung in das Werk und seine pädagogischen Absichten

Ist nur noch gebraucht zu bekommen.

Nochwas zum Mikrokosmos:
Aufgrund deines Posts hab' ich mal wieder ein paar Stücke gespielt. Ich finde den Zugang einfach schwierig, bin aber trotzdem ein Fan davon. ;-)

Z. B. Polyharmonie ist einfach gewöhnungsbedürftig. Aber die Intention des Mirkokosmos ist klar:
Die Ohren durchpusten und offen für den Klang werden und ihn in den Mittelpunkt des Spielens stellen.

Gruß
 
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Hallo Bachopin,

lieben Dank für deine Antwort :)

Gerade erst gesehen, da ich momentan bei Freunden bin und hier deswegen nur sehr wenig reinschaue.

Das die Harmonie der Stücke nicht im Vordergrund steht war mir einigermaßen bewußt, aber ich denke mir halt, wenn ich mit so einfachen Stücken anfange, zu verstehen, was da harmonisch vorgeht, dann wird es später mit schwierigeren Stücken auch klappen.
Deswegen freue ich mich darüber, das du mir meine Analyse bestätigst, ich habe noch wenig Erfahrung darin.
Deine Buchempfehlung klingt super, ich werde mal danach googeln wenn ich wieder zu Hause bin und auch endlich wieder üben kann.

Dann werde ich mir auch die nächsten Übungen von Bartok vornehmen :)

Viele Grüße und dir noch einen feinen restlichen Donnerstag,
Manha
 
Hi Manha,

danke für die liebe Antwort. ( ;-) )

Aber ich muss mM nochmal drauf hinweisen, nachdem ich auch nochmal drüber nachgedacht habe, es geht in diesen unisono Stücken mM wirklich nicht um harmonische Entwicklung. Es sind einfach nur Melodien, das erste Grundelement der Musik. Melodien existieren auch ohne Harmonien.

Hast du die Melodie 'mal mit deinen Harmonien (man kann auch andere drunter legen) gespielt? Vom Gefühl klingt es für mich irgendwie komisch. Die Harmonien sind nicht falsch, aber irgendwie unpassend. Für mich ist das eine Melodie, die keine Harmonien braucht.

Aber natürlich kannst du zur Übung Harmonien drunterlegen.
Nichts für ungut. ;-)

Gruß
 
Hast du die Melodie 'mal mit deinen Harmonien (man kann auch andere drunter legen) gespielt? Vom Gefühl klingt es für mich irgendwie komisch.

Lach ja, habe ich, das war nämlich der Grund für mein posting.
Ich habe die Melodie mit den oben genannten Harmonien unterlegt gespielt und es klang für mich auch komisch. Und da ich keine Übung bei sowas habe dachte ich, ich frage hier mal nach, ob die Harmonisierung stimmt oder da ein Fehler drin ist.
Ich habe es nach dem posting noch mit anderen Harmonien versucht, ohne Klavier weß ich jetzt nicht mehr welche. Klang aber auch nicht so viel besser.
Aber ich bin beruhigt das ich grundsätzlich schon einmal verstanden habe, wie man überhaupt harmonisiert.
Und als Übung finde ich es nicht schlecht, irgendwie muss sich ja was finden was da besser klingt denke ich jetzt mal so ganz naiv.

Viele Grüße,
Manha
 
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Moin Manha,

ich habe mir jetzt auch den Mikrokosmos mal vorgenommen.
Das ist eine Herausforderung.

Anfangs nur wenig Land in Sicht.
Vieles zerfließt unter meinen Händen und es ist schwer, die Stücke als Einheiten zu erkennen.
Oft ergibt sich ein hoher Grad an Selbstähnlichkeit und an ein "lernen" der Melodien ist schwer.
Aber es erzieht dazu, auf die Noten zu schauen.

Aber immer öfter sehe ich bunte Edelsteine im Wüstensand aufblitzen.
Und das macht Spaß auf Entdeckungsreise zu gegen.
Als Nullabgleich zum Schärfen des Gehörs ist Mikrokosmos sehr sehr schön.

Danach etwas Bach zu spielen, ist wie eine Farborgie:D

Gruß, NewOldie
 
Hallo NewOldie,

fein das du jetzt auch beim Microcosmos gelandet bist :)

Mit dem ersten Band komme ich relativ schnell voran, stecke jetzt irgendwo in der Mitte des Heftes.

Lach aber auf ein paar Farborgien nebenher kann ich auch nicht verzichten :D
Aber die Entdeckungsreise macht Spaß, da hast du Recht.
Berichte mal ab und an wie es bei dir mit Bartok weitergeht wenn du magst.

Wünsch dir nen feinen Abend,
Manha
 
Berichte mal ab und an wie es bei dir mit Bartok weitergeht wenn du magst.

Hallo Manha,

auf dem staubigen Acker beginnt es zu blühen:D

Höre Mikrokosmos seit 2 Wochen im Auto. Habe mich jetzt reingehört.

Spielen ohne Noten fällt mir extrem schwer.
Selbst einfache Stücke zerrieseln wie Sand, wie geträumt.

Meine Mini-Baustelle zur Zeit: Nr 34 Phrygisch. Habe einiges übersprungen.
Ich versuche immer das Harte auszumerzen. Ich denke, da müsste viel mit Pedal gehen.

Gut klingt Bartok auch mit einem angezerrten Fender Rhodes Klang. Wenn man es denn hart will.
Mikrokosmos ist wie eine beruhigende Meditation.
Schön.

Lieber Gruß, NewOldie
 
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Hallo NewOldie,

ah, du hast mich überholt ;)
ich kann momentan nicht spielen weil ich eine Schulterverletzung habe mit der ich den linken Arm nicht einsetzen kann.
Hm und nur rechts macht keinen Spaß.

Du machst mich neugierig auf das phrygische Stück, bin gespannt.
ich glaube ich hänge kurz davor, ein oder zwei Übungen noch.

Werde berichten :)

Liebe Grüße,
Manha
 
Hallo NewOldie,

ah, du hast mich überholt ;)
ich kann momentan nicht spielen weil ich eine Schulterverletzung habe mit der ich den linken Arm nicht einsetzen kann.
Hm und nur rechts macht keinen Spaß.

Du machst mich neugierig auf das phrygische Stück, bin gespannt.
ich glaube ich hänge kurz davor, ein oder zwei Übungen noch.

Werde berichten :)

Liebe Grüße,
Manha

Liebe Manha,

ich hab dich nicht überholt. Ich habe nur was weggelassen.

Im Alter wird man ja sentimental. Und da läuft bei "phrygisch" gleich ein konditionierter Metaller-Reflex ab.:oops:
Aber auch für dich als klassische Gitarristin geht bei "phrygisch" auch einiges in Richtung Flamenco?
Bartok war ein Wilder; neulich mal Konzert für 2 Klaviere und Schlagzeug gehört. Genial.

Alles Gute für die Vorderpfote!

Welpengrüße, NewOldie
 

eine gute wahl

Mit dem Mikrokosmos hat man wirklich den schlüssel zu einer hervorragenden technik gelegt. Im prinzip werden alle probleme der literatur behandelt. Ein üben des mikrokosmos ist m.E. mit einem lehrer anzuraten. Dies deshalb, weil die melodien eben keine fingerübungen sind. Oftmals werden Höheüunkte auf leichte takteile gelegt - das will eben ganz anders empfunden - gespielt sein.

Ich spiele auch heute noch nach 40 Jahren klavier immer wieder den mikrokosmos, wenn ich mir grundprinzipien der technik bewusst machen und einüben will - bzw. zur überprüfung, ob alles wirklich präzise sitzt
 
Mit dem Mikrokosmos hat man wirklich den schlüssel zu einer hervorragenden technik gelegt. Im prinzip werden alle probleme der literatur behandelt. Ein üben des mikrokosmos ist m.E. mit einem lehrer anzuraten. Dies deshalb, weil die melodien eben keine fingerübungen sind. Oftmals werden Höheüunkte auf leichte takteile gelegt - das will eben ganz anders empfunden - gespielt sein.

Ich spiele auch heute noch nach 40 Jahren klavier immer wieder den mikrokosmos, wenn ich mir grundprinzipien der technik bewusst machen und einüben will - bzw. zur überprüfung, ob alles wirklich präzise sitzt

ja, so empfinde ich den Mikrokosmos mittlerweile auch.

Das ist ein musikalisches Hochkonzentrat, eigentlich beinahe eine Abstraktion von Musik.
Farben in höchster Potenz, die eigentlich nur verdünnt zur Geltung kommen. Hier ist nichts ohne Bedeutung, auch wenn es banal erscheinen mag.
Ich empfinde einiges als so brutal rhythmisch und harmonisch falsch, dass es es nur den einen Schluss gibt, dass eine Absicht dahinter liegt, die ich noch nicht erkennen kann.

Ich hatte mir vorgenommen, dies ohne meinen Lehrer durchzuarbeiten, da er mich darauf hingewiesen hatte, dass ich eh schon zu viele Baustellen habe.:D

Aber Mikrokosmos hat es alle mal verdient, professionell angegangen zu werden.
Mit der unendlichen Weisheit aus einem Jahr Unterricht:p sage ich, wer ernsthaft Jazz spielen will, der sollte sich Mikrokosmos näher anschauen.


Lieber Gruß, NewOldie
 
Oftmals werden Höheüunkte auf leichte takteile gelegt - das will eben ganz anders empfunden - gespielt sein.
Das ist ein musikalisches Hochkonzentrat, eigentlich beinahe eine Abstraktion von Musik.

Sehe ich auch so und darum ist der Mikrokosmos so schön, weil schlicht. Als ich das erste Mal bewusst und auf jeden einzelnen Anschlag voll konzentriert Nr. 13 und darauf Nr. 17 gespielt habe, nach dem Notenbild 0815 Stückchen im 5-Ton-Raum, waren das für mich die schönste Melodie überhaupt. "Abstraktion" trifft es wirklich gut.
13 und 17 deshalb, weil sie in Kratzerts "Technik des Klavierspiels" aufgrund der Gegenbewegungen als bedeutende Grundlage für Lagenwechsel angeführt werden. Habe mir daraufhin den vollständigen MK besorgt. Die Zeitangaben unter jeder Nummer finde ich auch sehr hilfreich.
Dass man nicht zuviel harmonische Entwicklung hineininterpretieren soll, empfinde ich auch. Es ist schlicht das Genie Bartoks, dass so "schlichte" Lehrstücke - wie auch die Inventionen Bachs - neben ihrem didaktischen Wert auch noch soviel musikalischen Gehalt bieten.
 
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hallo sephilosophia,

ich gehe bei Bartok jetzt mit folgender Prämisse voran.

Bartok hat sich etwas dabei gedacht wenn eine Melodie mal banal erscheint.
Seine Botschaft an mich: "Die Melodie ist peripher, konzentriere dein Aufmerksamkeit auf etwas anders."
Das "andere" suche ich dann. Oft noch vergeblich.

Oder wenn mir etwas melodisch brutal falsch vorkommt, dann steht er neben mir, mit einem fein eingekerbten Lächeln und sagt: "Ja, natürlich du Blitzmerker, hier habe dich mit der Nase auf etwas stoßen wollen."

Das ist wie Ostereier suchen:p

Lieber Gruß, NewOldie
 
Hallo an alle Mikrokosmonauten, :razz:

Habe diese Woche die "Wellenbewegungen" aus dem 2. Band aufbekommen - und ich bin wieder einmal bass erstaunt, welche Wirkung Bartók mit den einfachsten Mitteln erzielen kann. Hat jemand von euch das Stück schon gespielt? Wenn nicht, ran an die Tasten - das Stück ist Wellness für die Seele. :):):)

LG, PP
 
Hallo an alle Mikrokosmonauten, :razz:

Habe diese Woche die "Wellenbewegungen" aus dem 2. Band aufbekommen - und ich bin wieder einmal bass erstaunt, welche Wirkung Bartók mit den einfachsten Mitteln erzielen kann.
LG, PP

Hi Piano Puppy,

typisch Bartok. Schönes rätselhaftes Stück, bei dem das Spielen auf den schwarzen Tasten Spaß macht.
Ich rätsel gerade über die Tonart/Modus.
Könnte man das als As-mixolydisch bezeichnen?

Genau diese "Ostereier" liebe ich! :p

Lieber Gruß, NewOldie
 
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Ich rätsel gerade über die Tonart/Modus.

Hi NewOldie,

Ich denke Bartók verwebt hier einfach zwei pentatonische Tonleitern und nutzt dabei den Umstand aus, dass sie beinahe identes Tonmaterial haben.

Violinschlüssel: as b des es (f)
Basschlüssel: des es ges as (b)

Interessant ist, daß Bartók im gesamten pentatonischen Teil den fünften Ton also f und b konsequent vermeidet, dann führt er plötzlich f ein, allerdings im Bassschlüssel und c im Violinschlüssel und zerstört damit die Pentatonik und wechselt so in die ersten 5 Töne der Durtonleiter - alles ganz heimlich, still und leise in einem p subito. :o :):)

Ob das so stimmt, was ich mir zusammengereimt habe, erfahre ich in der nächsten Klavierstunde - vielleicht sehe ich ja auch wieder weiße Krebse. :D

LG, PP
 
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Hi,

es ist auf alle Fälle polyharmonisch. ;-)

In jeder Hand gibt es also eine eigene Tonart/Skala.
As-Mixolydisch in RH finde ich nicht richtig, es fehlt die Betonung der b7 = Ges.

Bei B-Moll (RH) und Es-Moll Pentatonik (LH) fehlt, wie PP sagt, der 4. Ton.

Also wirklich schwierig, aber ab Takt 9 erscheint auf einmal C (RH) und F (LH), also könnte man es einfach als As-Dur (RH) über Des-Dur (LH) interpretieren.

Gruß
 

Jepp, allerdings finde ich schon, daß es pentatonisch ist. Wenn in Takt 9 plötzlich c und f auftauchen wirkt es fremd und nicht zur etablierten Tonart gehörig.

Damit ergibt sich dann

Auftakt: Pentatonik
8 Takte: Pentatonik
8 Takte: Dur
Zwischenauftakt: Pentatonik
8 Takte: Pentatonik
6 Takte: Dur
und dann enden beide Stimmen auf a :)

Bachopin, was sagt eigentlich der Uhde dazu? Oder hast du den schon vorher konsultiert?

LG, PP
 
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