Man nimmt keine 2 Jahre alten Beiträge auseinander. Alles verjährt........
Hallo, Christoph!
Dadurch, daß jemand Deinen unglücklichen Beitrag aus der Versenkung geholt hat,
bin ich auf ihn aufmerksam geworden, und weil Du Dich von ihm nicht distanzierst,
gibt es auch keine Verjährungsfrist.
Bach war zu Lebzeiten längst nicht so anerkannt, wie wir uns das -
aufgrund der hohen Wertschätzung in unserer Zeit - gerne vorstellen.
Er galt als Vertreter einer manirierten verzopften "norddeutschen Verstandesmusik".
Das ästhetische Ideal seiner Zeit war eher jemand wie G.Ph.Telemann.
Und seit die Satztechnik sich vom Generalbaß hinwegentwickelt hatte,
war Bach im musikalischen Bewußtsein nicht mehr präsent,
und daß Haydn, Mozart, Beethoven sich später auf so produktive Weise
mit ihm beschäftigt haben, war der Umtriebigkeit eines einzelnen Menschen zu verdanken:
des holländischen Barons Gottfried van Swieten, Präfekt der Kaiserlichen Hofbibliothek zu Wien,
dillettierender Komponist, Mäzen, Logenbruder, eine der skurrilsten
und interessantesten Figuren im josephinischen Wien.
Er besaß Manuskripte und Manuskriptabschriften Bachs, er hat diese Musik geliebt
und die von ihm Geförderten, Haydn, Mozart und Beethoven, erfolgreich
für die Musik Bachs zu interessieren vermocht. Mendelssohns Großtat,
die durch die Neuaufführung der "Matthäuspassion" eingeleitete Bach-Renaissance,
sollte also nicht künstlich - aus Ranküne - geschmälert werden.
Natürlich hat Mendelssohn in seinem kurzen Leben
sehr viel geschaffen - also auch vieles zu vernachlässigende.
Entbehrlich ist ein Großteil der Lieder (sowohl mit Worten als auch ohne Worte),
entbehrlich die Gelegenheitskompositionen - aber bei wem wären sie das nicht?
Hör Dir aber seine
Streichquartette an - da ist nicht nur nichts seicht,
sondern durch die Bank alles auf höchstem kompositorischen Niveau.
Brahms und Dvorak haben mit ihrer Kammermusik genau daran angeknüpft.
Und das
Streichoktett mit den ungeheureren Dimensionen seiner Themengruppen
allein in den Expositionen der Ecksätze - das nimmt Bruckner vorweg,
der sich in seiner ersten Symphonie wiederum gerne an Mendelssohn erinnert.
Wagner hat von Mendelssohn so viel gelernt, daß er sich schon allein deshalb
despektierlich über ihn äußern mußte (genauso wie über Meyerbeer).
Als die Nationalsozialisten Strauss, Pfitzner et al. beauftragten,
zum "Sommernachtstraum" eine neue Schauspielmusik zu schreiben, haben sich
die Genannten geweigert - Mendelssohns Musik war für sie unübertrefflich.
Gerade Strauss ist ohne Mendelssohn undenkbar - so ist z.B. der Beginn des "Don Juan"
eindeutig dem Anfang des ersten Satzes der "Italienischen Symphonie" nachgebildet.
Beschäftige Dich doch 'mal ernsthaft mit der
zweiten und
dritten Symphonie Mendelssohns,
mit seinen
Konzertouvertüren, die für die Entwicklung der Programmusik so wichtig geworden sind -
wirst Du Dein böses Urteil dann vielleicht revidieren?
Ich wünsche es Dir von Herzen - eben weil es so gute Musik ist.
Gruß, Gomez