Lieber Manfred,
Da sich in diesem Forum niemand zu meiner Übungseinspielung äußert
Ich hatte deine Einspielung leider noch nicht gesehen, sorry, hab's eben erst gelesen und gehört. Erst einmal finde ich es ganz wunderbar, dass es hier noch jemanden gibt, der vom Ligeti-Fieber gepackt ist!
Herzlichen Glückwunsch erstmal, dass du erfolgreich durch bist mit dem Text lernen, das ist ja immer schon die erste Hürde bei solchen Sachen... Zu deiner momentanen Übeversion möchte ich dir eigentlich erstmal nur zwei oder drei Kleinigkeiten sagen, die wie ich glaube, wesentlich sind und dein Spiel noch mehr in Richtung dessen zu bringen, was Ligeti damit wollte:
Zum Einen - das weißt du sicher auch - aber zur Sicherheit nochmal (und es weiß auch sicher nicht jeder hier): Ligeti war neben viiiiielem anderen auch vom Jazz beeinflusst, was man an einigen Stellen in seiner Musik wiederfindet. Ob es die auskomponierten "Saxophon-Solo-Improvisationen" in den Fanfaren sind oder wie hier gleich eine ganze Jazz-Etüde - das muss noch viel mehr raus (bei mir in den Fanfaren übrigens auch!). Er schreibt schon drüber "avec l'élégance du swing". Du schreibst zwar von "konsistentem Swinging" in den ersten 2 Dritteln, aber ich sehe es als noch viel zu wenig umgesetzt in deiner Interpretation. Auf mich macht es noch den Eindruck von "gerade" und "sauber ausgezählt", aber das darf es auf keinen Fall sein. Es muss sehr frei sein, fast schon improvisiert wirken, wie eines dieser melancholischen Jazz-Lieder.
Es gibt eine sehr schöne Stelle in einem Film über Ligetis Klavierkonzert, wo er mit Aimard an einer Stelle im 5. Satz des Klavierkonzerts arbeitet und da geht es auch um sowas Ähnliches: Ligeti sagt Aimard, dass er das gerade sehr langweilig gespielt habe, da er es ganz genau im Rhythmus gespielt habe ("wie Soldaten", sagt er). Dann sagt er zu Aimard (!!): "Und daraus wollte ich jetzt Musik machen. Für richtige Kunst braucht man etwas Freiheit und Unregelmäßigkeit". :p
Dann schlägt er ihm vor: "Versuch das mal ein bisschen betrunken zu spielen - mit einer halben Flasche Wein!"
Diese Freiheit und Unregelmäßigkeit fehlt deiner Interpretation noch. Jetzt, wo du alle Noten und Griffe schon gut in den Fingern hast, trau dich, dich komplett von diesem fein säuberlich ausnotierten Rhythmus zu lösen und lass es vollständig los. Ich weiß, dass das leichter gesagt ist als getan, ich erinnere mich noch an meine Fanfaren... Stell dir aber vielleicht wirklich mal vor, die Melodie wäre von einer halb angetrunkenen Jazz-Sängerin mit rauchiger Stimme mehr dahingehaucht als gesungen und dann spiel mal so (gerne kannst du auch eine Übeversion davon posten, wie du dazu nach einer halben Flasche Wein singst, Ligeti fänd das glaub lustig :D)
Außerdem heißt die Etüde ja "In der Schwebe" - und das ist es bei dir momentan noch nicht genug. Es ist noch zu klar, noch zu bodenständig, um zu schweben. Auch solche Einwürfe wie in T12-14 (die ganz oben im Diskant) können noch viel mystischer sein, von irgendwoher, "da lontano" (von ganz weit weg), so als ob da auf einmal zwischen all dem, was wir nun seit 11 Takten kennen, irgendwoher aus dem Nichts, aber ganz weit weg eine Flöte dazu spielt oder ein Vogel singt - und das auf eine Weise, die wiederum völlig frei von all dem anderen ist, was da sonst noch gespielt wird.
Zum letzten Drittel:
Ich möchte die Melodie noch viel mehr herausarbeiten.
Ja, unbedingt!!! Übertreib das beim Üben ruhig mal, spiel mal z.B. nur die rechte Hand und spiel alle Noten, die keine Akzente haben, extreeeeeemst leise, und nur die Akzentnoten verfolgst du mit deinem Ohr. Die "Wuselnoten" dürfen die Melodie so gar nicht stören. Hör dir mal Désordre an, da wuseln die Noten zwischen den Akzentnoten auch nur so mit (ok, Désordre ist nochmal eine andere Sache als hier, aber im Grunde die gleiche Idee mit Akzentnoten und "Wuselnoten"). Das ist eine ganz andere Klangschicht als die der Melodie. Auch hier würde ich die Melodie (sowohl rechts als auch links) einfach mal mitsingen, damit dir ins Ohr geht, wie es klingen soll. Wenn du die Klangvorstellung davon richtig im Ohr hast, dann machen es die Finger auch viel eher. Und mal mit dem Ohr nur noch das verfolgen, was du auch hören möchtest - die Melodie.
Du könntest sogar mal beim Üben reduzieren und z.B. nur die Akzentnoten r + l wirklich anschlagen und den Rest nur stumm spielen. Das ist übel am Anfang, aber eine feine Sache :cool:
Das klingt jetzt nach sehr viel, waren aber eigentlich nur 2 Punkte, die es sehr wesentlich verbessern werden. Es lohnt sich!
Ein Hoch auf Ligeti und den Spaß den man beim Erarbeiten und Spielen dieser wunderbaren Stücke hat! Ich bin gespannt, lieber Manfred, auf deine nachfolgenden Übeversionen und die Endversion!
Herzliche Grüße,
Partita