Lernmethoden

Und dann muss ich noch anfügen: Viel Spass bei der Suche nach perfekten Handwerkern, perfekten KFZlern, perfekten Zahnärzten und nicht zuletzt nach der perfekten Frau. ;-)
 
Perfektion kann sowohl gutes als auch schlechtes sein.

Sorry, sagen nur die, denen es zu anstrengend ist, etwas zur Perfektion zu bringen. Ich sage ja, es gibt immer eine Ausrede, weshalb man aufhört, wenns unbequem wird. Letztlich heißt es dann: och, Perfektion ist blöd.

Mein Freund, das nennt sich Zweckoptimismus! Wir hatten das Thema jüngst. Ich habe keine Knete für nen neuen Daimler, also vertrete ich den Standpunkt, dass 25 Jahre alte schrottkisten viel schöner sind.

Lies das buch: Glückskinder, von Herrmann Scherrer. Dort lernst du sehr viel darüber, wie oft am Tag du dich rausredest.
 
@Marlene:
Eine jetzt sehr naheliegende Frage treibt mich nun um: Welches ist denn Dein Wunschstück? Ich nehme an, es ist nicht einer der üblichen Verdächtigen, so ein Konzertknaller, sondern etwas ganz Normales?

Es sind mehrere Wunschstücke. Wenn ich die Listen mit den Schwierigkeitsgraden einigermaßen auf einen Nenner bringe ist demnach das schwierigste Stück „Au Lac de Wallenstadt“. Nicht weniger schwierig ist wohl Bachs „Schafe können sicher weiden“. Vorher käme vermutlich die Consolation Nr. 3 und/oder eine Transkription von Mahlers Adagietto aus der 5. Sinfonie an die Reihe. Ich denke das sind „Knaller“. Ich spiele ja erst seit August 2011 Klavier. Also heißt es für mich: Abwarten. Es gibt auf meinem Weg zum ersten Wunschstück so viele schöne Stücke die ich bewältigen kann.
 
Na grüß sie mal ganz lieb von uns allen, Nils... ;) Sie ist sich hoffentlich dessen bewusst, dass sie ein richtiger Glückspilz ist, denn sicher strebst Du auch als Ehepartner Perfektion an!


Ich verstehe nicht, inwiefern Klavierüben von manchen als "langweilig" empfunden wird. Ich will absolut nicht ausschließen, dass es von unfreiwilligen Zuhörern als langweilig empfunden wird (oder alternativ höchst nervenaufreibend), wenn sie sich stundenlang den gleichen Takt oder Halbtakt oder Phrasenabschnitt anhören müssen. Für einen selbst ist es doch aber eigentlich höchst positiv erregend, wenns immer besser läuft und sich irgendwann der Durchbruch abzeichnet. :confused:
 
Na grüß sie mal ganz lieb von uns allen, Nils... ;) Sie ist sich hoffentlich dessen bewusst, dass sie ein richtiger Glückspilz ist, denn sicher strebst Du auch als Ehepartner Perfektion an!

Ja, tue ich. Und ich scheitere kläglich, täglich daran :-)

Ernsthaft: sicherlich ist das unmöglich. Als Mensch gibt es keine Perfektion. Dann wäre man eine Maschine. Der Mensch ohne Fehler, ohne Macken, Ecken und Kanten, existiert nicht. Zum Glück nicht!!
 
Perfektion zu erstreben um der Perfektion willen kann unglaublich anstrengend und auch kontraproduktiv sein. Perfektion als FOLGE der Liebe und Leidenschaft zu einer Sache, einem Hobby o.ä. kann sehr bereichernd und motivierend sein.

Weiter schließe ich mich pille, schmickus, Barratt u.a. an, die sagen, dass dein Üben zu überdenken ist, liebe fuechsin. Ehrlich gesagt war mir zumindest in meiner Erinnerung noch NIE beim Üben langweilig und ich bezweifle sehr, dass das zum Üben dazu gehören soll. Ich hatte schon öfter keine Lust oder war genervt, aber langweilig war mir noch nie. Übrigens war mir auch beim Unterrichten nur höchst selten langweilig. Ein Lehrer sollte immer bestrebt sein, dass ihm nie langweilig ist, Langeweile ist m.E. ein Alarmsignal!

Beim Üben ist das aus meiner Sicht genauso. Du solltest unbedingt mit deinem Klavierlehrer besprechen, wie du besser und ohne Langeweile üben kannst. Warum muss man etwas 30 Mal wiederholen, wenn es einen doch beim 5. Mal langweilt? Wenn man sich langweilt, hört man sich nicht mehr richtig zu, die Körperspannung erschlafft, der Klang wird schlechter - das ist kontraproduktiv. Natürlich ist die Wiederholung wichtig, um etwas zu lernen, aber wie oft man etwas spielt, kann individuell sehr unterschiedlich sein. Wenn man das Gleiche spielt, ermüdet das Ohr oft schon nach vier Mal Durchspielen und dann sollte man aufhören, diese Stelle zu spielen. Wenn man noch mehr an der Stelle üben will, sollte man danach lieber etwas anderes spielen/üben und dann diese Stelle nochmal ein paar Mal. Also immer wieder zwischendurch bzw. hin- und herswitchen. Oder eben die Stelle verändern - einzeln spielen, stimmenweise spielen, sich Gedanken über Dynamik, Phrasierung, Artikulation machen, transponieren, in verschiedenen Tempi, auch sehr langsam spielen - schon wird's interessant, weil man immer wieder eine andere Perspektive auf diese Stelle einnimmt. Wie wenn man einen kostbaren Edelstein mal von oben, unten, der Seite, von nah, von fern betrachtet und der jedes Mal anders aussieht.

Dann kann man, wenn man will, sein Üben sehr breit aufstellen:

- Blattspiel
- Gehörbildung
- Harmonielehre
- nach Gehör spielen (z.B. bekannte Lieder begleiten)
- Repertoirepflege
- Improvisation
- zwei Stücke unterschiedlicher Epochen vorspielreif hinkriegen und entsprechend üben
- Musik hören und die Noten (imslp) mitlesen
- mit jemandem zusammen spielen
.................................


Ehrlich gesagt, scheitert diese Auflistung fast immer an mangelnder Übezeit - es ist eben für die meisten ein Hobby. Aber die Liste macht deutlich, was möglich ist und je nach den eigenen, individuellen Zielen kann sich jeder raussuchen, was für ihn passend ist. Über die Jahre können die Schwerpunkte und Prioritäten ja immer neu gesetzt werden. Aber vielleicht wird deutlich - langweilig ist das alles nicht. Und was die Erarbeitung eines Stücks, das man wirklich können will, angeht, solltest du wie gesagt zusammen mit deinem Klavierlehrer einen ganzen Topf mit Übetipps, Übetricks und Herangehensweisen füllen, aus dem du dann auswählen kannst. Bei der Auswahl der Stücke sieht man auch in diesem Faden, wie individuell die Bedürfnisse sind - den einen motivieren nur Stücke, die er toll findet, andere sind da anders.

Wichtig für ein gelungenes Üben ist auch, dass man sofort (!) Erfolg hat! Schon beim zweiten Mal spielen sollte es eine Verbesserung geben. Klappt es auch beim dritten Mal nicht, ist die Herangehensweise falsch! Es motiviert unheimlich, wenn man merkt, man kann etwas besser als vorher, und das ist nie langweilig!

Das Üben richtet sich immer nach den eigenen Zielen, die sehr unterschiedlich sein können und wenn man richtig übt, empfindet man das Üben nicht als fürchterliche Anstrengung und Arbeit. Üben ohne Freude, ohne neue Erfahrungen, ohne sinnliches Erleben ist sinnlos, aber wach sollte man sein und bereit, sich auf diese Erfahrungen einzulassen. Üben bedeutet auch ein "sich selbst üben" und Reflexion und Eigenverantwortung gehören dazu. Insofern ist die Fragestellung dieses Fadens, liebe fuechsin, doch schon ein Anfang!

Liebe Grüße und viel Erfolg!

chiarina
 
Sorry, sagen nur die, denen es zu anstrengend ist, etwas zur Perfektion zu bringen. Ich sage ja, es gibt immer eine Ausrede, weshalb man aufhört, wenns unbequem wird. Letztlich heißt es dann: och, Perfektion ist blöd.

Mein Freund, das nennt sich Zweckoptimismus! Wir hatten das Thema jüngst. Ich habe keine Knete für nen neuen Daimler, also vertrete ich den Standpunkt, dass 25 Jahre alte schrottkisten viel schöner sind.

Lies das buch: Glückskinder, von Herrmann Scherrer. Dort lernst du sehr viel darüber, wie oft am Tag du dich rausredest.

Habe ich nicht geschrieben sowohl als auch?
Mit Perfektion muss man auch umgehen können, es geht nicht um eine Ausrede. Mit Bequemlichkeit hat es auch nichts zu tun, schließlich muss man ein Stück ja erstmal erlernen und die Schwierigkeit kann auch schon in den ersten fünf Takten auftauchen, dann ist Bequemlichkeit schon fehl am Platz.
Perfektion kann auch blind machen, wenn man in eine Sache so vernarrt ist, dass andere Sachen außer Acht gelassen werden.
Und wer sagt, wann man die Perfektion erreicht hat, die KL, du, ein Zuschauer, ein Profipianist, ...?
Jeder sieht Pefektionismus anders, es ist eine Utopie, denn keiner weiß, was perfekt ist.
Und ich würde niemals behaupten, dass es eine Ausrede ist, es ist eher ein Selbstschutzmechanismus,der sagt, dass man vieles andere im Leben verpassen kann, vielleicht auch Stücke zu denen man nie kommt, weil man immer noch an den alten Stücken pfeilt.
Manchmal ist weniger auch mehr, das soll natürlich nicht heißen, dass man wenig üben soll :)

@fuechsin: Vielleicht denkst du nur, dass es langweilig wird, in Wahrheit ist es aber nur Erschöpfung.
 
Das nennt sich Ehrgeiz! Abends ins Bett zu gehen und zu sagen: "Fett Alder!!! Ich hab's gepackt! Bin meinem Ziel ein Stück näher!"

Das kenne ich. Habe ich selbst viel zu lange exzessiv praktiziert: Als Jugendlicher beim Tennis musste jedes Turnier gewonnen werden, im Studium war Jahrgangsbester nicht genug, als Wissenschaftler musste es der meiste Output auf den renommiertesten Konferenzen sein, die meisten eingeladenen Vorträge, der erfolgreichste Manager in der Firma, 80-Stunden-Woche und mehr Nächte im Hotel als daheim inklusive.

Und dann habe ich mir eine 3-monatige Auszeit genommen (richtiger wäre: nehmen müssen) und mein Leben gewaltig umgekrempelt. Ehrgeizig bin ich nach wie vor, nur habe ich die Wochenarbeitszeit auf ein gesundes Maß reduziert und versuche das krankhafte Streben nach dem Höher-Schneller-Weiter aus meinem Privatleben rauszuhalten. Unzufriedener bin ich dadurch nicht geworden.
 
Das kenne ich. Habe ich selbst viel zu lange exzessiv praktiziert: Als Jugendlicher beim Tennis musste jedes Turnier gewonnen werden, im Studium war Jahrgangsbester nicht genug, als Wissenschaftler musste es der meiste Output auf den renommiertesten Konferenzen sein, die meisten eingeladenen Vorträge, der erfolgreichste Manager in der Firma, 80-Stunden-Woche und mehr Nächte im Hotel als daheim inklusive.

Und dann habe ich mir eine 3-monatige Auszeit genommen (richtiger wäre: nehmen müssen) und mein Leben gewaltig umgekrempelt. Ehrgeizig bin ich nach wie vor, nur habe ich die Wochenarbeitszeit auf ein gesundes Maß reduziert und versuche das krankhafte Streben nach dem Höher-Schneller-Weiter aus meinem Privatleben rauszuhalten. Unzufriedener bin ich dadurch nicht geworden.

Nun sind wir nicht mehr beim selben Thema. Was du beschrieben hast, nennt sich Gier nach Erfolg und Anerkennung. Und da gehe ich in jedem Wort mit dir.

Wovon ich sprach, war jedoch, leidenschaftlich an einer Sache zu arbeiten, bei der es nicht um Geld oder Anerkennung geht, sondern lediglich darum, den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden.

Man muss zwischen beruflichem Erfolgsdruck und privater Leidenschaft unterscheiden. Was das berufliche angeht, habe ich es lange so gemacht wie du. Und bin heute deiner Meinung. Allerdings ist die Gelassenheit meiner heutigen Auffassung ein Luxus, den ich mir vielleicht nicht leisten könnte, wenn ich seinerzeit nicht reichlich aufs Gas gedrückt hätte.
 
Wichtig für ein gelungenes Üben ist auch, dass man sofort (!) Erfolg hat! Schon beim zweiten Mal spielen sollte es eine Verbesserung geben. Klappt es auch beim dritten Mal nicht, ist die Herangehensweise falsch!

Liebe Chiarina,

da muß ich Dir doch noch am Jahresende widersprechen. Ich bezweifle, daß es sinnvoll ist, dem Schüler immerfort unmittelbare Lernerfolge zu vermitteln. Zum Lernen gehört auch, die Frustration auszuhalten, daß etwas NICHT auf Anhieb klappt, daß man mitunter dicke Bretter bohren muß, bis sich ein Resultat, eine Veränderung einstellt. Wichtig ist nicht ein wie auch immer definierter niedrigschwelliger Erfolg, sondern die Fähigkeit, sich nicht entmutigen zu lassen.

(NB: An dieser Pseudoerfolgshäppchen-Wohlfühl-Pädagogik kranken meines Erachtens die meisten der neueren Klavierschulen. Aber es paßt in unsere Zeit niederschwelliger Angebote ...)
 

da muß ich Dir doch noch am Jahresende widersprechen. Ich bezweifle, daß es sinnvoll ist, dem Schüler immerfort unmittelbare Lernerfolge zu vermitteln. Zum Lernen gehört auch, die Frustration auszuhalten, daß etwas NICHT auf Anhieb klappt, daß man mitunter dicke Bretter bohren muß, bis sich ein Resultat, eine Veränderung einstellt. Wichtig ist nicht ein wie auch immer definierter niedrigschwelliger Erfolg, sondern die Fähigkeit, sich nicht entmutigen zu lassen.

(NB: An dieser Pseudoerfolgshäppchen-Wohlfühl-Pädagogik kranken meines Erachtens die meisten der neueren Klavierschulen. Aber es paßt in unsere Zeit niederschwelliger Angebote ...)


Lieber Wolfgang,

herzlichen Dank für deinen Einwand, ich habe mich nicht klar genug ausgedrückt! Was ich meinte, war, dass bei Problemen z.B. technischer Natur, eine mögliche Lösung sofort eine Verbesserung/Erfolg zeigen muss, sonst stimmt die Lösung nicht. Ich stimme dir absolut zu, dass man als Lernender in mancher Hinsicht einen langen Atem braucht! Ich zum Beispiel weiß, wenn ich das und das nur lang genug mache, führt diese Vorgehensweise absolut zum Erfolg und ich weiß das, weil ich schon sehr oft diese Erfahrung gemacht habe. Diese Erfahrung fehlt Anfängern natürlich und so denken sie nach ein paar Tagen des Übens, "jetzt muss es aber langsam mal klappen, ich bin doch kein Idiot"! Ich selbst habe aber mit mir eine Engelsgeduld und halte mich nicht für den letzten Trottel, wenn's nicht nach ein paar Tagen im Tempo klappt. Diese Engelsgeduld, dieses völlige Fehlen von vor allem negativen Bewertungen meiner Person bei Dingen, die noch nicht so klappen, wie ich es mir vorstelle, diesen langen Atem wünsche ich mir auch bei anderen und ich denke, das meintest du, oder?

Trotz alledem: ich übe immer so, dass ich eine Verbesserung zu vorher höre und spüre und sei sie noch so klein. Und auch kleine Kinder lernen z.B., "wenn ich eine etwas problematische Stelle nur einmal spiele, klappt sie noch nicht so gut. Spiele ich sie mehrmals in angemessenem Tempo, klappt sie jedesmal besser und wird immer sicherer." Das motiviert sie dann, immer oder immer öfter so zu üben.

Liebe Grüße

chiarina
 
Ich bezweifle, daß es sinnvoll ist, dem Schüler immerfort unmittelbare Lernerfolge zu vermitteln. Zum Lernen gehört auch, die Frustration auszuhalten, daß etwas NICHT auf Anhieb klappt, daß man mitunter dicke Bretter bohren muß, bis sich ein Resultat, eine Veränderung einstellt. Wichtig ist nicht ein wie auch immer definierter niedrigschwelliger Erfolg, sondern die Fähigkeit, sich nicht entmutigen zu lassen.

Ich möchte doch noch ergänzen: im Unterricht haben meine Schüler oft schnelle Erfolge, aber der lange Atem, von dem ich sprach, besteht darin, die Schritte, die zum Erfolg notwendig sind und die wir gemeinsam erarbeitet haben, dann auch geduldig immer wieder zu Hause zu üben, damit das, was man musikalisch spielen möchte, jederzeit abrufbar ist. Man zeigt den Weg, aber gehen muss ihn der Schüler selbst und das erfordert manchmal viel Disziplin und eben Frustrationstoleranz. Manchmal braucht man auch Geduld darin, die richtige Lösung eines Problems zu finden.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
... der lange Atem, von dem ich sprach, besteht darin, die Schritte, die zum Erfolg notwendig sind und die wir gemeinsam erarbeitet haben, dann auch geduldig immer wieder zu Hause zu üben ... Man zeigt den Weg, aber gehen muss ihn der Schüler selbst ...

In der Tat: Das verlangt auch dem Lehrer sehr viel "Frustrationstoleranz" ab, zu wissen, daß der Schüler es können könnte, wenn er während der Woche die Disziplin aufbrächte, in der Weise zu arbeiten, wie man es im Unterricht besprochen und erfolgreich (!) durchexerziert hat.

Aber vielleicht haben ja unsere Schüler für's Neue Jahr gute Vorsätze gefaßt ... :floet:
 
Hi für alle,

die sich für Lernmethodik interessieren, ein paar Buchempfehlungen (ja, so etwas gibt es noch ;-) ) aus meinem reichhaltigen Bücherschrank:

In Englisch:


  • Practicing for Artistic Success: The Musician's Guide to Self-Empowerment von Burton Kaplan
Das meinerM beste praktische Übungsbuch, um sich am Musikinstrument systematisch zu verbessern.



  • The Musician's Way: A Guide to Practice, Performance, and Wellness von Gerald Klickstein von Oxford University Press, U.S.A.

Deutsch:


  • Renate Klöppel, Üben ja - aber wie? in Ungenutzte Potentiale: Wege zu konstruktivem Üben (Musikpädagogik) [Sondereinband] Gerhard Mantel (Herausgeber)

Gruß
 
Ich danke euch! Vorallem die letzten Posts waren sehr hilfreich. Ich habe jetzt meinen Übungsplan umgestellt und bemerke schon deutliche Fortschritte. Wenn ich unkonzentriert werde mache ich eine kleine Pause oder ein paar Sightreadings oder eine Tonleiter. So klappt das sehr gut.
 
Mein Klavierlehrer weiß, welche Stücke ich gerne spielen möchte. Es sind „sehr ambitionierte“ Werke, wie Friedrich es genannt hat. Ich warte mit Demut darauf (und das fällt mir nicht immer leicht), dass er mir irgendwann mein erstes Wunschstück aufs Notenpult stellen wird. Allein die Vorstellung, wie ich mich dann fühlen werde, lässt mich demütig auf diesen Moment warten.

Vorige Woche hatte ich vor ihn zu fragen wie weit ich noch von meinem ersten Wunschstück entfernt bin. Aber ich werde nicht fragen. Ich übe mich weiter in Demut und Geduld!
url]

Marlene, wie macht man das? Wie kann man so viel Geduld und ... Demut... haben wenn es um was geht das einem am Herz liegt? Du wartest bis er dir die ersten Wunschnoten aufs Notenpult stellt. Rolf nennt es Vernunft. Mich würde es kribbelig machen nicht zu wissen wie lang es noch dauert. Ist da nicht jedes Stück das nicht dein Wunschstück ist eine Enttäuschung? Mir käme jedesmal der Gedanke: Mist, bin noch immer nicht so weit!
 
Die Kunst ist, jedes Stück zu seinem (aktuellen) Wunschstück zu machen !

Gruß
Rubato
 
Die Kunst ist, jedes Stück zu seinem (aktuellen) Wunschstück zu machen !

Das sehe ich anders, denn meine Wunschstücke sind andere. Aber ich denke, dass ich verstehe was Du meinst. Weil ich bei jedem Stück hinzulerne versuche ich immer mein Bestes um sie schön zu spielen.


Marlene, wie macht man das? Wie kann man so viel Geduld und ... Demut... haben wenn es um was geht das einem am Herz liegt?

Nicht nur das Ziel sollte man im Auge haben sondern auch den Weg dorthin. Auch dieser kann sehr befriedigend sein. Man macht eine Reise ja nicht nur um anzukommen sondern möchte auch die vielen Eindrücke in sich aufnehmen, die man unterwegs vermittelt bekommt. Was nutzt es mit High Heels einen Gipfel erklimmen zu wollen? Man braucht sicheres Schuhwerk um oben anzukommen und auf dem Weg dorthin gibt es viel zu sehen und zu erleben. Wenn man nur den Blick nach oben richtet und die schönen Dinge am Wegesrand nicht wahrnimmt, dann ist man nicht auf dem richtigen Weg. Jemand hat mir einmal etwas sehr passendes gesagt:

Wenn es einem gelingt, seine pianistische Gegenwart als die derzeit beste aller musikalischen Welten anzunehmen, dann hat man viel erreicht.

Somit sollte jeder Anfänger seine aktuellen Stücke als vollwertige Musik ansehen, welche die pianistischen Fähigkeiten bis an die Grenzen fordert.

Meine High Heels war vor über zwei Jahren die pianistische „Knochenbrechermethode“ meines ersten KL, der mich – ich hatte vorher gerade mal einige Monate Keyboard gespielt- „Für Elise“ hat spielen lassen. Ich war damals blutige Anfängerin. So will ich meine Wunschstücke nicht spielen, sondern ich möchte mit allen dafür erforderlichen pianistischen und musikalischen Fähigkeiten diesen anspruchsvollen Stücken gewachsen sein.

Du wartest bis er dir die ersten Wunschnoten aufs Notenpult stellt. Rolf nennt es Vernunft. Mich würde es kribbelig machen nicht zu wissen wie lang es noch dauert. Ist da nicht jedes Stück das nicht dein Wunschstück ist eine Enttäuschung? Mir käme jedesmal der Gedanke: Mist, bin noch immer nicht so weit.

Ich bin noch nicht so weit denn ich spiele erst seit August 2011 Klavier. Aus „ich bin noch immer nicht so weit“ spricht Ungeduld und so denke ich schon lange nicht mehr. Somit bin ich nicht enttäuscht denn auf dem Weg zum Gipfel gibt es genug zu sehen. Es gibt auf meinem Weg unzählige schöne Stücke die ich spielen kann.

Eines der Stücke, die ich derzeit spiele, habe ich anfangs nicht richtig verstanden. Es ist von Tag zu Tag und von Woche zu Woche gewachsen, es hat mich in ein Wechselbad der Gefühle gestürzt und das Stück wächst noch immer. Inzwischen bekomme ich eine Gänsehaut wenn ich es spiele und das ist für mich das Zeichen, dass ich verstanden habe was der Komponist sich gedacht hat. Spielen konnte ich das Stück schon früher, aber ich habe ihm nicht den Klang entlocken können den ich ihm jetzt entlocke. Auch wenn es nicht eines meiner Wunschstück ist, so ich liebe es mehr als die meisten anderen die ich bisher gespielt habe. Es liegt wohl daran, dass dieses Stück meine Seele auf besondere Weise berührt. Nicht nur das Stück ist in den letzten Wochen gewachsen, sondern auch meine pianistischen Fähigkeiten. Warum ungeduldig werden wenn die Reise doch weitergeht?!

Was ich gerade über das schöne Stück geschrieben habe ist - so denke ich es mir gerade beim Schreiben - eigentlich das, was Rubato in seinem Beitrag gemeint hat, den ich eingangs zitiert habe.

Eigentlich mag ich keine Ungewissheit und eigentlich mag ich es auch nicht zu warten, z.B. an der Supermarktkasse oder auf die Straßenbahn. Aber es kann sehr (positiv) spannend sein zu warten. Und so bewusst zu erleben wie sich die pianistischen Fähigkeiten langsam entwickeln.

Allein der Gedanke daran wie ich mich fühlen werde, wenn mein Klavierlehrer das erste meiner Wunschstücke auf sein Notenpult stellen wird, lässt mich mit Geduld und Demut auf diesen Moment warten.

Ich hoffe, Lara, dass Du es jetzt vielleicht ein wenig verstehst.
 

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