Kritische Betrachtung verschiedener Editionen

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23. Okt. 2019
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Mit diesem Faden möchte ich die Diskussion über verschiedene Editionen eröffnen.

Ich bin auf eine Edition von Rafael Joseffy gestoßen. Ist das seriös?
 
Kannst Du mal genauere Angaben machen? So pauschal läßt sich das nämlich nicht betrachten …
 
Verläßlich im Sinne einer „Urtext“-Ausgabe, möchte ich bezweifeln. Die Chopin-Ausgaben sind erschienen zu Beginn des 20. Jh. Interessant allenfalls evtl. wg. Fingersätzen und interpretatorischen Ansätzen. Muß man im Einzelfall schauen. Vieles findet sich bei IMSLP.
 
Kannst Du mal genauere Angaben machen? So pauschal läßt sich das nämlich nicht betrachten …
Oh, ich dachte wirklich, dass es da allgemeine Urteile gibt. So gelten ja die Wiener Urtext Edition und Henle zu den besten verlässlichsten Editionen überhaupt, während z.B. Peters mit Vorsicht zu nutzen ist. Wenn es wirklich von Stück zu Stück unterschiedlich ist, kann ich das natürlich auch selbst vergleichen.
 
So gelten ja die Wiener Urtext Edition und Henle zu den besten verlässlichsten Editionen überhaupt, während z.B. Peters mit Vorsicht zu nutzen ist.
Bei ALLEN „Urtext“-Ausgaben ist es zunächst einmal entscheidend, welche Quelle man als maßgeblich zugrunde legt: Autograph (Manuskript), (korrigierte/unkorrigierte) Erstausgaben, Unterrichtsexemplare des Komponisten etc. Da es früher keine „Dokumentation-Normen“ gab (ISO 9000), ist nicht immer sicher, welche Änderungen evtl. auf Wunsch des Komponisten erfolgt ist.

Aber auch in sorgfältig edierten Ausgaben finden sich gelegentlich Fehler - manche so ärgerlich und störend, daß man sie dem Verlag um die Ohren schlagen möchte. Zugegeben: wer selber einmal Noten gesetzt hat, weiß, was für ein mühseliges Geschäft das ist, bis alles korrekt und in einem annehmbaren Layout erstellt ist. Und kaum kommt das erste Exemplar aus dem Drucker, springt einem schon der Fehlteufel entgegen.
 
während z.B. Peters mit Vorsicht zu nutzen ist.
Bärenreiter, Henle, Universal Edition und Wiener Urtext sind vergleichsweise „junge“ Verlage - sie haben die „Gnade der späten Geburt“. Die Vorlagen der Peters-Ausgaben stammen z.T. noch aus dem 19. Jh. Aber auch hier bemüht man sich bei Neuausgaben um „Urtext“. Immerhin galt der Notensatz von Peters lange Zeit als „state of art“ (wenn man mal von der unsäglichen Arrau-Ausgabe der Beethoven-Sonaten absieht).
 
Ich wüsste nicht, dass die neueren Urtextausgaben von Peters unzuverlässig wären. Die älteren Ausgaben (Martienssen) waren noch nicht mit heutigen Standards erarbeitet und wurden viel zu lange für teures Geld verkauft.
Henle wird in den letzten Jahren bei Chopin etwas originalitätssüchtig. Ich bin nicht immer überzeugt.
Bei Brahms, der bereits die Erstausgaben gründlich gelesen hatte, gibt es meines Wissens kaum Editionsprobleme. Wenn das Notenbild gefällt, benutzen.
Joseffy ist in jedem Fall eine Herausgeber Edition, da kann man Fingersätze oder Fussnoten nachlesen, als Grundlage für die Erarbeitung aber eher nicht.
 

Dann freuen wir uns mal, wenn die Lagerbestände von Peters im Modernen Antiquariat verramscht werden. Im Ernst: ich finde es bedrückend, wenn ein solch renommierter Musikalien-Verlag den Bach runtergeht. Wo soll das enden?
 
Die Quelle könnte ich nennen (es ist der Geschöftsführer eines großen Musikverlags), möchte ich an dieser Stelle aber nicht. In der Musikverlags-Branche ist die prekäre Situation des Verlags aber allgemein bekannt.
Wenn man solche Infos großzügig weiter streut, kann man natürlich das Pleitegehen noch beschleunigen oder etwaige Sanierungsmöglichkeiten torpedieren...
 
OK, wenn's alle maßgeblichen Lieferanten, Finanziers und sich taktisch verhaltenden Kunden auch schon wissen und trotzdem bei der Stange bleiben, kann natürlich keine weitere Verschlimmerung der Lage daraus entstehen.
 

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