Fehlerfrei üben/spielen/vorspielen

ChristianN

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Seit Dezember 2022 versuche ich mich an den Bildern von Mussorgsky und habe nun die ersten 21 Seiten (= 17 Minuten Spielzeit) auf einem Stand, dass ich sie „im Prinzip“ auswendig durchspielen kann. Im Prinzip heißt: auf meinem Instrument, ohne Zuhörer, ungestört, eingespielt, etc. also unter Optimalbedingungen. Über den musikalischen Stand möchte ich hier nicht diskutieren, dafür gibt’s bereits einen anderen Faden. Mit geht es hier um folgendes Problem:

Übe ich die Einzelbilder isoliert, kann ich sie (zumindest die schon länger geübten) fehlerfrei spielen. Spiele ich aber die 17 Minuten hintereinander weg, passieren fast in jeder Nummer 1-2 Fehler und zwar oft an Stellen wo es vorher keine Probleme gab. Natürlich gibt es die immer gleichen Angststellen, die ich kenne, aber die kann ich üben. Mir geht's um die sporadischen Fehler beim Durchlauf.

Wie übe ich diese Fehler „weg“ ?

"Repetitio est mater studiorum" führt hier wohl nicht weiter. In zwei Stunden Übezeit könnte ich das gerade 7x hintereinander durchspielen. Das erscheint mir jedoch sehr ineffizient und vor allem kann ich dabei aufgetretene Fehler nicht sofort korrigieren, weil ich ja weiterspielen will/muss. Und dann habe ich in den 2 Stunden ja (gefühlt) noch nix geübt ...

Mir ist weiterhin aufgefallen, dass es sich um verschiedene Typen von Fehlern handelt:
  • "Totaler Filmriss": ich weiß plötzlich aus Panik nicht mehr weiter und komme auch gar nicht mehr rein (eher selten und nur beim Auswendigspielen)
  • "Stockung": Mein Gehirn liefert den Text eine Bruchteilsekunde zu spät ab und der Fluss holpert hörbar
  • "Vergreifer": Akkord oder Sprung nicht korrekt erwischt und dann ist die Motorik so gestört, dass es zu Folgefehlern kommt.
  • "Unkonzentriertheit": Ich entspanne mich beim Spielen (weil es gerade so gut läuft) und verliere den Faden sobald das rationale Denken wieder einsetzt.
  • Oft eine Mischung/Kettenreaktion aus den obigen Problemen
Die unterschiedlichen Arten des Gedächtnisses sind mir bekannt und auch, dass man das Motorische Gedächtnis backupen muss mit Harmoniekenntnis, Startstellen, optisch gemerktem Notentext, manchmal Schlüsselgriffen, etc.. Trotz der Beschäftigung mit diesen Formen des Auswendiglernens sind 21 Seiten für mich viel Notentext und ganz ohne motorisches Gedächtnis geht es halt nicht.

Vlt. muss man sogar noch weiter differenzieren und das Problem getrennt betrachten nach "Durchspielen mit Noten" und "Durchspielen ohne Noten" ? Mit Noten fallen einige der Probleme nämlich weg. Trotzdem treten auch mit Noten diese sporadischen Fehler auf.

Daher meine Frage: Wie übt man effizient längere Stücke fehlerfrei durchzuspielen ?
 
Wenn du Fehler schreibst, meinst du ausschließlich falsche Noten, oder? Es gibt ja noch andere Arten von Fehlern und eine versemmelte Phrasierung stört mich mehr als eine falsche Taste zwischendurch; vor allem, wenn sie unbetont ist.
Ein falscher Ton passiert auch den Toppianisten immer wieder mal. Wichtiger ist die Fähigkeit, darüber hinwegzuspielen und die Folgefehler zu minimieren. Für beides würde ich sagen "mehr Konzentration" - aber ich bin auch sehr an den Tipps der Profis interessiert.
 
Wenn du Fehler schreibst, meinst du ausschließlich falsche Noten, oder?
Jein. Falsche Noten auf jeden Fall, aber schon auch Fehler wie eine kurze "Stockung" bei der nicht zwangsläufig falsche Noten auftreten oder das "falsche Abbiegen" an gleichen Stellen wo es später anders weitergeht, etc.. Eben alles was einen Vortrag hörbar verunmöglicht im Sinne von "gewollt, aber (noch) nicht gekonnt". Letzteres ist sicher für den Amateur die Kür, ganz ohne falsche Töne/Vergreifer wär aber auch schon mal ein Fortschritt.
 
Wie übt man effizient längere Stücke fehlerfrei durchzuspielen
Der erste Schritt ist es - und vielleicht auch der einzig allgemeingültige - das "Fehler-Erschrecken-Hände-weg-vom-Klavier-Syndrom" zu überwinden.
Wenn ich mir vornehme, einen bestimmten Abschnitt (egal, ob 1 Takt oder ein ganzes Stück) zu spielen, dann spiele ich diesen Abschnitt, egal was alles danebengeht bis zum vorgeplanten Ende durch. Danach korrigiere ich oder übe Details. Aber diese Anfängergewohnheit: Fehler-Hände-weg muss überwunden werden.
On der Folge wird man lernen, Abschnitte, Aufgaben und Tempi so zu wählen, dass man immer öfter Erfolge zu vermelden hat.
 
Eine weitere gute Strategie ist es beim Üben Selbstgespräche zu führen: Achtung, hier fis! Mehr Gewicht auf die Rechte! Leicht zögern! ....
 
das "Fehler-Erschrecken-Hände-weg-vom-Klavier-Syndrom" zu überwinden
Das ist tatsächlich bei mir nicht das Problem. Über Fehler kann ich problemlos (im Takt bleibend) drüberspielen. Das kommt wahrscheinlich vom Ensemble(blatt)spiel mit der Oboe, wo man ganz schnell lernt, wenn man schon falsche Töne spielt, wenigstens weiterzuzählen und im Text zu bleiben, damit man kurze Zeit später noch eine Chance hat wieder einzusetzen.

Mir ging es mehr um die a-priori-Vermeindung von Fehlern mittels geeigneter Übestrategien und zwar auf langen Strecken. In Abschnitten fällt mir das viel leichter, aber bei 15 Minuten Vortrag oder mehr eben nicht.

Diesen Hände-weg-Reflex habe ich (vlt. sogar leider) irgendwie nicht, was den KL regelmäßig zur Weißglut bringt, weil er darin (also dem Drüberwegspielen) beim Üben für mich ein Problem sieht. Das mache ich nämlich (natürlich) auch beim Üben zu oft so und das ist sicher schlecht.
 
Bei mir selbst meine Beobachtung (für mich schon immer komisch & seltsam:) Beim Vorspielen (vor KL und Publikum) höre ich mir anders genau zu als beim Üben. Ich mache Fehler (aller Art: falsche Töne, falsche Artikulation, falsche Phrasierung) an trivialen Stellen. Das einzige, was halbwegs bleibt, ist die spontane Gestaltung (ich hechele also nicht bewusstlos durchs Stück und wache erst danach auf).

Meine Meinung: Wenn es nicht fehlerfrei im gewünschten Sinn geht, dann ist das Stück strenggenommen noch zu schwer. Zum Verständnis: Ich kann alles bis mindestens Henne 8 spielen und komme mittlerweile sogar durch die Fuge aus op. 106 durch, aber bei einem strikten Maßstab geht eben gerade so nur das notorisch bekannte C-Dur-Präludium von Bach - in allen Lebenslagen...Außer im Tonstudio - da habe ich auch das berühmte Rotlichtsyndrom.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich mache Fehler (aller Art: falsche Töne, falsche Artukulation, falsche Phrasierung) an trivialen Stellen.
Das ist bei mir genauso...

Das einzige, was halbwegs bleibt, ist die spontane Gestaltung (ich hechele also nicht bewusstlos durchs Stück und wache erst danach auf).
... und das ist bei mir genau umgekehrt. Wenn ich für mich bin nehme ich mir Zeit und höre zu. Beim KL dann "Augen zu und durch" mit anschließendem Frust, weil keine 50% vom Geübten abgeliefert wurden ;-(

Wenn es nicht fehlerfrei im gewünschten Sinn geht, dann ist das Stück strenggenommen noch zu schwer.
Daran wird es sicher auch liegen, aber diese Musik ist halt so wunderbar und viel gelernt habe ich daran auch.
 
Bei mir selbst meine Beobachtung (für mich schon immer komisch & seltsam:) Beim Vorspielen (vor KL und Publikum) höre ich mir anders genau zu als beim Üben. Ich mache Fehler (aller Art: falsche Töne, falsche Artikulation, falsche Phrasierung) an trivialen Stellen. Das einzige, was halbwegs bleibt, ist die spontane Gestaltung (ich hechele also nicht bewusstlos durchs Stück und wache erst danach auf).

Meine Meinung: Wenn es nicht fehlerfrei im gewünschten Sinn geht, dann ist das Stück strenggenommen noch zu schwer. Zum Verständnis: Ich kann alles bis mindestens Henne 8 spielen und komme mittlerweile sogar durch die Fuge aus op. 106 durch, aber bei einem strikten Maßstab geht eben gerade so nur das notorisch bekannte C-Dur-Präludium von Bach - in allen Lebenslagen...Außer im Tonstudio - da habe ich auch das berühmte Rotlichtsyndrom.
Wie die Fuge klingt, würde mich jetzt mal interessieren. Mach doch mal eine Aufnahme.
 
Weitere sachdienliche Hinweise zum Thema ?
 
Da unter Stress die 'natürlichen Metronome' (Herz, Atmung, Bewegungen generell) bei den meisten von uns schneller laufen, muss man lernen im Konzert oder in anderen stressigen Situationen (und da reicht gelegentlich schon "Durchspielen" als Vorgabe) bewusst nur etwa 80 bis 90 Prozent des Tempos, welches sich anbietet zu wählen!
 

Ich glaube das verschwindet nur mit unglaublich viel Routine. Und wenn man die nicht hat, also wirklich wirklich viel spielt, ist es kaum erzielbar. Ich merke dass ich viel sauber“er“ spiele wenn ich viel (!) SPIELE. Also nicht nur das Stück streckenweise übe, sondern es spielen, spielen, spielen, spielen, spielen. Sich der Konzentrationsbelastung immer und immer wieder aussetzen. Meistens scheut man das aber, weils anstrengend ist. Natürlich spiel ich nicht ständig durch wenn ich das übe, aber ab einem gewissen Punkt kommt man ums „spielen lernen“ nicht drum herum finde ich. Und das ist etwas ganz anderes als das Stück erlernen, einüben.

Wenn ich das Stück soweit in den Fingern habe, dass ich mich nur auf das musikalische konzentrieren kann und nicht mehr ans ausführen denken muss, werd ich frei und dann auch sicherer. Sicher werd ich dann wenn ich ab diesem Punkt viel Zeit mit dem ganzen Stück verbringe. Und dann muss ich sofort auswendig spielen. Muss ich am Blatt bleiben, schaffe ich das nie.

Und es bleibt nur sicher wenn man am Ball bleibt. Sonst ist es wie eine Handvoll Sand, es rieselt immer irgendwo raus. Festhalten kann man den nicht.

Edit: ich versuche es natürlich auch, aber ich glaube über ein gewisses Maß an „Sauberkeit“ kommt man als Amateur nicht hinaus.
 
Also nicht nur das Stück streckenweise übe, sondern es spielen, spielen, spielen, spielen, spielen.
Also doch "Repetitio" auch beim Durchspielen ? Das knallt aber bei längeren Stücken ganz schön rein ins Übe-Zeit-Budget ... Wenn ich vlt irgendwann mal die zweite Hälfte der Bilder spielen kann, beträgt die Spielzeit über 30 Minuten. Das kann ich doch nicht mit x-fachem vollständigem "Wiederholen" üben. Da wird man ja nie fertig. Eine Einzelstelle kann ich 50-100x wiederholen, aber das Gesamtwerk ?

Punkt 2 gefällt mir am Besten, genau mein Ding ;-)
 
Also doch "Repetitio" auch beim Durchspielen ?
Ich für mich mach das. Wenn die Stücke sitzen. Dann übe ich gezielt auch das Durchspielen. Weil ich nicht glaube dass die Aufmerksamkeitsspanne von allein vom Himmel fällt und das Konzentration halten in einer Durchspielsituation von allein kommt. Aber ich würd das weniger allein zuhause machen, sondern viel besser jemandem vorspielen. Damit schlägt man 2 Fliegen mit einer Klappe.

Aber ich bin fern ab von fehlerfrei spielen zu können. Es passiert immer irgendwas, mir ist nur wichtig, dass ich damit umgehen lern. Das finde ich ist eine viel wichtigere Fähigkeit.
 
Michelangeli hat das auch umgetrieben. Wenn er sich beim Warmspielen vor dem Konzert mal kurz vertan hatte, wurde das Konzert abgesagt. Zur Not auch 5 Minuten vor Beginn.
 
Wenn die Stücke sitzen. Dann übe ich gezielt auch das Durchspielen. Weil ich nicht glaube dass die Aufmerksamkeitsspanne von allein vom Himmel fällt und das Konzentration halten in einer Durchspielsituation von allein kommt. […] Es passiert immer irgendwas, mir ist nur wichtig, dass ich damit umgehen lern. Das finde ich ist eine viel wichtigere Fähigkeit.
Letzteres ist für musikalische Amateure wahrscheinlich die größte Schwierigkeit, die Kreuze am Wegesrand und die Leichen im Schnee beim Spielen gar nicht weiter zu beachten. Einer meiner Lehrer pflegte zu sagen: „Falsche Töne interessieren mich nicht. Arbeiten muß man an Strukturen, die man nicht oder falsch verstanden hat.“ Das nimmt auch im Unterricht schon mal eine Menge Streß aus der Vorspielsituation.
 
Einer meiner Lehrer pflegte zu sagen: „Falsche Töne interessieren mich nicht. Arbeiten muß man an Strukturen, die man nicht oder falsch verstanden hat.“ Das nimmt auch im Unterricht schon mal eine Menge Streß aus der Vorspielsituation.

"Musik" entsteht ja nicht automatisch, nur wenn ein Stück lediglich ohne Fehler wiedergegeben wird.
Ein falscher Ton wiegt bei weitem nicht so viel wie durchgehend fehlende Musikalität. Wenn die "Musik" aber auch noch fehlerfrei ist, ist das natürlich außergewöhnlich und überragend.
 

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