Exkurs ins Abenteuer
Danke, Michael!
Auch ein Mutmacher braucht Mut-gemacht-Kriegen... ;)
In der Tat, die
Stimmhöhe ist ein wichtiges Thema, womöglich ein ganz eigenständiges. Zunächst mal meine ich:
Wer als Fahrschüler/in sich zur ersten Fahrstunde ins Auto setzt, wird von seinem/r Fahrlehrer/in kaum auf die Autobahn geschickt werden.
Demgemäß sollte eine stimm-neugierige Person ihren Erstversuch auch nicht gerade mit einer Tonhöhenveränderung starten.
Falls eine Tonhöhenveränderung nötig ist - und das ist zugegebenermaßen oft der Fall! - bitte Erstversuch verschieben, Fachmenschen rufen.
Was die seit Jahrzehnten kursierende spektakuläre "Mord-durch-Saite-Geschichte" betrifft... nun ja, da neige ich deutlich eher zu einer andersherum gerichteten Empfehlung.
Lasst euch nicht ins Bockshorn jagen.
Etwas frech gesagt: Lieber Mutmachen als Blutlachen. :)
Die verschiedenen Arten, in denen
Saiten reißen können, sind
meistens ungefährlich.
1) Weitaus meistens reißen Saiten direkt am Ringansatz beim Wirbel. Beim Klavier landen sie dann, nach Steilflug hinter der schützenden Mechanik, postwendend auf dem Pedalboden, Verletzungsgefahr nahe Null.
2) Reißt eine Flügelsaite am Wirbelansatz, dann schießt sie durch die Agraffe oder den Kapodaster. Da sie davor in der Regel aufwärts abgelenkt ist, kriegt die Saite beim Durchschießen einen deutlichen Abwärtsdrall zum Resonanzboden hin. Und bevor sie dennoch als Geschoss nach hinten rausfliegen will, muss sie erstmal die Reibung an den Stegstiften austricksen. In der Regel hat sie dazu keine Lust. Deshalb bleiben die meisten Flügelsaiten, vor allem die im Bass, nach dem Reißen am liebsten auf dem Resonanzboden liegen. In sehr vielen Fällen bleiben sie, trotz des kräftigen Rucks, sogar noch brav an ihrem Anhängestift.
3) Eine Flügelsaite, die am Anhängestift reißt, ist schon etwas kritischer. Aber auch die kriegt, wegen der Aufwärtsführung vor Agraffe / Kapodaster, einen Drall nach unten und muss überhaupt erstmal durch die Stegstifte durch. In der Regel passiert dabei nichts wirklich Gefährliches.
4) Bedenklicher ist der seltenere Fall, dass eine Saite direkt an Agraffe / Kapodaster reißt. Dann fehlt der Abwärtsdrall. Die Saite fliegt schon eher. Aber erst, wenn sie durch die Stegstifte durchkommt und dann auch noch die Höhe der Zarge überwindet. Recht selten, das.
5) Und natürlich gibt es auch die richtig gefährlichen Fälle Man stelle sich eine straff gespannte
flügel-Basssaite vor, die nicht durch eine Agraffe oder einen Kapodaster geht, sondern über eine Silie mit Umlenkstift oder vorgelagertem Druckstab läuft, wie oft beim Klavier, und dann an ihrem Vorderende nicht aufwärts sondern abwärts abgelenkt wird. Wenn die dann hinten reißt, womöglich auch noch (was äußerst selten ist) am vorderen Stegstift, dann kann das wirklich lebensgefährlich werden.
(Korrekterweise muss man, in Ergänzung zu 5, sagen, dass bei vielen alten Wiener Flügeln auch die Fälle 2 und 3 etwas gefährlicher sind, weil dort oftmals die Saiten vorn mittels Silie und Druckstab umgelenkt wurden. Aber auch dort gibt es mildernde Umstände: Die Saite, die mit dem etwaigen Aufwärtsdrall nach oben wegfliegen will, muss erstmal irgendwie durch den dicken Dämpfer-Balken der Wiener Mechanik durch. Gar nicht so einfach.)
Also stimme ich zu:
Vorsicht ist auf jeden Fall geboten!
Die
unvermeidliche Gefahr beim Saiten-Reißen ist allerdings viel subtiler. Es ist der
Schreck, den man dabei kriegt und die damit verbundene Adrenalin-Ausschüttung. Eine Chance dagegen hat man kaum. Klingt zwar nicht sonderlich dramatisch - aber wenn im Verlauf einer Piano-Bearbeitung gleich eine ganze Reihe Saiten reißt, dann darf man sich am Abend desselben Tages nicht wundern, wenn man vollkommen fix und fertig ist.
Auch
weitere Gefahren sollen nicht unerwähnt bleiben.
- An
herumliegenden Saiten oder irgendwo-hingeflogenen Saitenresten kann man sich böse verletzen.
- Zu
fest sitzende Wirbel können verbiegen oder sogar abbrechen, oder zu verreißenden Fehlbewegungen Anlass geben, mit denen schlimmstenfalls das Werkzeug oder der Stimmstock beschädigt werden.
- Beim Klavier kann ein ungünstig aufgesetzter oder sonstwie
schlecht sitzender Stimmhammer herabfallen und womöglich Klavierhämmer oder andere Mechanikteile beschädigen.
Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Wenn mir weiteres Wichtiges einfällt, trage ich es hier nach.
Gruß
Martin
PianoCandle
... KRACKS!! ... und wieder Klang