Klassik und freies Klavierspielen - Geht das überhaupt?

Komponieren ist kein Hexenwerk, sondern in erster Linie Handwerk. Das kann man lernen. Bei den einen kommt dann noch der Funke des Genialen hinzu, bei den anderen nicht. Aber Improvisation hat meines Erachtens weniger mit Handwerk zu tun als mit dem, was in uns drin ist.
Die beiden Aspekte deines letzten Satzes lassen sich verbinden: Improvisation hat etwas mit Handwerk zu tun, mit dem, was in uns drin ist. Wenn ich improvisiere, rufe ich zu 90% bausteinartige Muster ab, die ich kenne und gespeichert habe. Nur ca. 10% sind wirklich neu. Wenn es anders wäre, hätten meine Improvisationen keine Struktur, keine Form.
 
Nein. Viele Wege führen nach Rom. :-) Das wäre einer davon, durchaus. Wenn man weiß, was Barock ist oder Partimento und sich damit beschäftigen will.
Viele Wege ja, aber sicher nicht alle. So manche führen in unfruchtbares Land, einige sogar in die Wüste, wo einem eine Fata Morgana eine blühende Landschaft vorspiegelt, die aber unerreichbar fern ist.
Die Beschäftigung mit dem Partimentospiel war übrigens bis Ende des 19. Jahrhunderts im Kompositionsunterricht üblich, besonders in Frankreich.

Aber wenn man das erst einmal lernen muss, um improvisieren zu können, dann ist irgendetwas falsch.
Lernen um etwas zu können? Wie konnte ich nur bis zum heutigen Tage solchem Aberglauben anhängen.

Ein schwarzes Kind, das sich in einer Gospelkirche im amerikanischen Süden ans Klavier oder an die Orgel setzt und einfach drauflosspielt, sogar virtuos, ohne je etwas von Barock gehört zu haben, könnte dann also nicht improvisieren? Das wäre eine absurde Schlussfolgerung.
Das musikalisch begabte Kind wird zunächst einmal versuchen, die Musik nachzumachen, die es kennt. Wenn es Glück hat, ist das gute Musik, die eine nachvollziehbare Syntax hat, und damit gewissen Regeln folgt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Partimento oder Generalbass allgemein bedeuten lediglich Übung der Dinge, die man auch beim Improvisieren nutzt.
Tatsächlich kann man das auch mit Blattspiel schaffen ... aber Partimento bemüht halt den eigenen Verstand, weil man das Niedergeschriebene immer erst "auskomponieren" muss, während einem ein Komponist diese Arbeit bereits abgenommen hat.
Partimento erfordert mehr Hirn, als Blattspiel (an letzterem ist das Hirn im Idealfall kaum beteiligt).

Dadurch wird ein Fundus angelegt, welcher durch die Übung leichter abrufbar ist (bis zu dem Punkt, wo man das einfach abruft ... quasi präkognitiv ... also ohne darüber nachzudenken).
Eben genau das, was auch hier geschildert wird, wenn jemand darüber schreibt, wie er improvisiert. 90% sind abrufbare Muster, 10% sind kreativ frei (natürlich lässt sich die Parität hier auch verschieben).
Bei mir ist das ganz ähnlich (vielleicht erlaube ich mir aber öfter ein paar mehr Freiheiten), denn letztlich bemühe ich auch nur "Muster" ... es sind nur nicht unbedingt welche, die in der klassischen Musik vor 1850 üblich sind.


@Piano2278
Wenn Melodie allein kein Problem ist, und nur die linke Hand beim beidhändigen Spiel Probleme macht, dann solltest du klein anfangen.
Bordun-Begleitung erfordert von der Linken Hand zunächst nur, den Rhythmus (Puls) beizubehalten.

Dabei suchst du dir einfach den Grundton zu deiner Melodie (bei "alle meine Entchen" also ein C), und den schlägst du in Ganzen, Halben oder Vierteln mit der linken Hand an, während die rechte die Melodie spielt.
Fühlst du dich darin sicher, nimmst du einen zweiten Ton dazu ... die erste Entscheidung ... ja welchen nehme ich denn?
Vielleicht erstmal die Quinte (zum bereits vorhandenen Grundton).
Vielleicht fallen dir dann Reibungen auf ... wenn du die ausbügelst, ist das schon nicht mehr wirklich Bordunbegleitung (wird aber noch nicht hohen Ansprüchen genügen).

Natürlich wirkt das etwas eintönig ... aber darum gehts garnicht.
Das ist eine Übung, bei der du nach und nach immer weniger Konzentration auf die rechte Hand und ihr Melodiespiel verwenden musst. Ziel ist, dass die Melodie einfach läuft und genau diese Kapazitäten dann für das zur Verfügung stehen, was die Linke als nächstes tut.

Natürlich klingt das nicht nach "klassische Musik" ... aber du sagst ja selbst, dass die Linke zum Problem wird, wenn die rechte gleichzeitig Melodie spielt. Also gibst du der linken ganz gezielt eine supereinfache Aufgabe ... sie muss nur einen Ton oder einen einfachen Griff geichmäßig anschlagen.
Wenn du die rechte Hand "links liegen lassen kannst", dann kann auch die Linke sich mit verschiedenen Tönen, Griffen und Akkorden beschäftigen.

Egal wie man's macht, der Weg ist definitiv nicht kurz.
Man wird jahre lang auf ihm unterwegs sein, bis man sein Ziel mal zu sehen bekommt (und dann kann es noch immer nur die von einem user hier erwähnte Fatamorgana sein).

Das Ziel ist "ans Klavier setzen und aus sich selbst heraus Musik machen, die gewissen Hörgewohnheiten entspricht".
 
Dadurch wird ein Fundus angelegt, welcher durch die Übung leichter abrufbar ist
Also sind das einfach nur "Licks"? Die man dann aneinanderreiht? "Partimento" klingt einfach viel hochtrabender. Als ob es etwas ganz anderes wäre als Licks. ;-)

Bordun-Begleitung ...

Natürlich wirkt das etwas eintönig ... aber darum gehts garnicht.
Nein, wirklich nicht. Am Anfang muss es in gewisser Weise eintönig sein, wenn man noch nicht viel kann. Worauf soll man schließlich zurückgreifen?

Das ist eine Übung, bei der du nach und nach immer weniger Konzentration auf die rechte Hand und ihr Melodiespiel verwenden musst. Ziel ist, dass die Melodie einfach läuft und genau diese Kapazitäten dann für das zur Verfügung stehen, was die Linke als nächstes tut.
Genau. :-) Das wäre mein Ziel.

Egal wie man's macht, der Weg ist definitiv nicht kurz.
Man wird jahre lang auf ihm unterwegs sein, bis man sein Ziel mal zu sehen bekommt
Das ist wohl so mit dem Klavier. Dafür ist es eben auch superschön, wenn man es dann spielen kann. Das wollte ich schon mein ganzes Leben lang lernen und hatte nie Gelegenheit dazu.
 
[an] Blattspiel ...ist das Hirn im Idealfall kaum beteiligt).
Das also ist der Grund, weshalb ich beim Blattspiel doch immer mal wieder an Grenzen stoße. Endlich weiß ich nun, was ich beim Blattspiel seit früher Jugend falsch mache: Das Hirn stört!
Ich dachte auch immer, das Blattspiel von schweren unübersichtlichen Stücken sei eine Mischung aus Blattspiel und mehr oder weniger geschickter Improvisation verbunden mit der von meinem Gehirn getroffenen Entscheidung: was lasse ich weg. Aber wahrscheinlich täusche ich mich da auch.
Kann oder muss man sogar diese Erkenntnis mit dem unbeteiligten Gehirn auch auf andere Lebensbereiche übertragen?
 
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Nein. Partimento meint, dass du einen Basslauf hast, den du begleiten sollst.
Dabei kann dieser Basslauf mit einer Generalbassbezifferung versehen sein ... das ist aber bei Partimento wohl nicht zwingend erforderlich, denn das Ziel ist dabei wohl, auch ohne Bezifferung eine sinnvolle Begleitung für den gegebenen Lauf zu finden.
"Generalbassbezifferung" meint, dass du nur einen einzelnen Ton notierst (z.B. ein C), dieser Ton aber stellvertretend für einen ganzen Akkord steht.
Dazu werden unter den Noten (unter dem Notensystem) Zahlen notiert.

Ich bleibe jetzt mal bei C-Dur.
Steht unter dem C nichts, dann ist das der Dreiklang C-E-G ... also C-Dur.
Steht da 4/6 dann ist das C-F-A also F-Dur.
Steht da nur eine 6, dann wird C-E-A, also a-Moll erwartet.
Es geht auch komplizierter, aber dazu findest du im Netz genug Erklärungen unter dem Suchbegriff "Generalbass" oder "Basso Continuo".
Aber Achtung ... die Fülle könnte etwas erschlagend wirken, daher belasse ich es auch bei den drei Beispielen oben.
 
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Nein. Partiomento meint, dass du einen Basslauf hast, den du begleiten sollst.
Dabei kann dieser Basslauf mit einer Generalbassbezifferung versehen sein ... das ist aber bei Partimento wohl nicht zwingend erforderlich, denn das Ziel ist dabei wohl, auch ohne Bezifferung eine sinnvolle Begleitung für den gegebenen Lauf zu finden.
Falsch.
Ziel des Partimentospiels ist es keineswegs einen "Basslauf" zu begleiten.
Ziel ist vielmehr über einen gegebenen Bass ein tragfähiges Musikstück zu improvisieren oder komponieren, durchaus auch in imitatorischer Setzweise.
Das weiß sogar Wikipedia:
"Mit Hilfe eines Partimentos werden typische Modelle der Stimmführung, Harmonik, Form und Motivik eingeübt. Satztechnische Modelle in Partimenti sind vor allem die Oktavregel (scala), Kadenzen (cadenze) und Sequenzen (movimenti). Eine strikte Trennung von Kontrapunkt und Harmonielehre gibt es in der Partimento-Tradition nicht. In den Traktaten werden zunächst Regeln präsentiert, darauf folgen Übungen mit steigendem Schwierigkeitsgrad, von bezifferten Bässen über unbezifferte Bässe bis hin zu Fugen".
 
Partimento meint, dass du einen Basslauf hast, den du begleiten sollst.
Das ist grundfalsch. Du hast nicht eine Bassstimme, die du begleiten sollst - die Bassstimme ist quasi die Begleitung und du sollst einen vollständigen Satz - je nach Aufgabenstellung - einen monodischen, zwei- bis fünfstimmig kontrapunktischen oder auch figurativ harmonischen Satz dazu improvisieren. Auch gibt es in den einschlägigen Partimento-Schulen Melodie-Anfänge, die man weiterführen soll oder auch Melodiegerüste, die man mit beliebig komplizierten Diminutionen füllen kann. Offensichtlich hast du das aber nie gemacht - sonst wüsstest du es ja. ;-)
 

Du hast nicht eine Bassstimme, die du begleiten sollst - die Bassstimme ist quasi die Begleitung und du sollst einen vollständigen Satz - je nach Aufgabenstellung - einen monodischen, zwei- bis fünfstimmig kontrapunktischen oder auch figurativ harmonischen Satz dazu improvisieren. Auch gibt es in den einschlägigen Partimento-Schulen Melodie-Anfänge, die man weiterführen soll oder auch Melodiegerüste, die man mit beliebig komplizierten Diminutionen füllen kann.
Aha. Dann weiß ich, dass ich das niemals machen will und auch niemals brauchen werde. :-) Das ist wirklich zu hoch gegriffen für meine Verhältnisse (und ganz sicher für meine Fähigkeiten). Interessant klingt es trotzdem, aber definitiv ist das für bessere Musiker gedacht als mich.
 
Aha. Dann weiß ich, dass ich das niemals machen will und auch niemals brauchen werde. :-) Das ist wirklich zu hoch gegriffen für meine Verhältnisse (und ganz sicher für meine Fähigkeiten). Interessant klingt es trotzdem, aber definitiv ist das für bessere Musiker gedacht als mich.
Diese Methode ist gerade für Anfänger besonders geeignet und kann auf jedem Niveau praktiziert werden, natürlich mit einem Lehrer, der sich damit entsprechend befasst.
 
Diese Methode ist gerade für Anfänger besonders geeignet
Nachdem sie sich mindestens solide Grundfertigkeiten im Generalbassspiel angeeignet haben. Das ist eine conditio sine qua non.

Allerdings halte ich das Erlernen des Generalbassspiels auch in anderer Hinsicht für hilfreich - zum Beispiel als Grundlage zum Erwerb der Klangvorstellung aus einem Notentext oder für das Verbessern des Prima Vista-Spiels.

Leider ist das alles mit viel Arbeit verbunden. Das hat zur Folge, dass einem weniger Zeit bleibt, seine „Gefühle zum Ausdruck zu bringen“. Aber die Dankbarkeit der davon nun unbehelligt bleibenden Mitwelt sollte doch Ansporn genug sein!
 
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Das ist wirklich zu hoch gegriffen für meine Verhältnisse (und ganz sicher für meine Fähigkeiten). Interessant klingt es trotzdem, aber definitiv ist das für bessere Musiker gedacht als mich.
Ich glaube, dass man die Grundlagen des Generalbassspiels durchaus auch lernen kann wenn man kein genialer Instrumentalist ist. Und wenn Du zB viel Barockmusik hörst, dann wird Dir über das Hören allein viel von der Gestaltungspraxis bekannt sein, sodass Dir dann die klangliche Umsetzung nicht mehr völlig abwegig erscheint.
Bei ernsthaftem Interesse würde ich mal bei einer Kirchengemeinde vor Ort nachfragen ob es dort einen Kirchenmusiker gibt, der Orgelunterricht und verbunden damit auch Unterricht in Generalbass erteilt.
 
Ist das nicht sogar Bestandteil der Ausbildung für den Kirchenmusik-C-Schein, der ja größtenteils kostenfrei ist? Vielleicht können dazu @St. Francois de Paola oder @Axel etwas sagen.
 
Ist das nicht sogar Bestandteil der Ausbildung für den Kirchenmusik-C-Schein, der ja größtenteils kostenfrei ist?

Bei den Katholiken definitiv, da wird das auch praktisch und theoretisch geprüft, ob es bei den Evangelischen unterrichtet wird, weiß ich leider nicht, es bedeutet aber nicht, dass der Musiker es nicht beherrscht und unterrichten könnte.

Die Kirchenmusikprüfungen hatte ich jetzt nicht erwähnt, mit den weiteren Anforderungen was Gesang, Liturgiekenntnisse und Chor- und Ensembleleitung angeht, ist das für den/die TE doch etwas überdimensioniert.

Aber vielleicht besteht ja die Möglichkeit, sich in einem Teilbereich wie dem Tonsatzunterricht "dranzuhängen".
 

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