Klassik und freies Klavierspielen - Geht das überhaupt?

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Reaktionen: trm
Die Achtaktphrasen sind nicht schwer / und wers oft fleißig strebsam tut /
Der meint alsbald: Ich bin schon wer./
Drum auf mit frischem frohem Mut/
Ist gleich, ob schlecht, ist gleich, ob gut.

Wie mache ich nun weiter, auf dass es ein Epos wird?
 
Zuletzt bearbeitet:
@Jsp
Am Sextakkord sich abwärts ranken /
Erspart die Mühe von Gedanken /
Was eine Melodei könnt' sein - /
Ja, so ist's komponieren fein! /
Hei, das ist leicht und gar nicht schwer, /
Flutscht raus, als ob es Durchfall wär' --- /
Doch sag' das keinem, sag' es nie,
Sonst macht man buhu mimimi!
:-D :-D ;-)
 
Wie mache ich nun weiter, auf das es ein Epos wird?
Wahlweise antwortet Clavio:

1. "lass es sein" oder 2. "ohne Unterricht garnicht".

Fakt ist: Wer es nicht versucht, der hat schon verloren.

Ich wollte nur darauf hinweisen, dass ein hoher Anspruch an das Ausgangsmaterial (Melodie, Motive, Harmonie, Rhythmik) eigentlich nur behindert. Niemand erwartet von einem Kompositionsanfänger ein orchestrales Feuerwerk (und wer das erwartet, der hat wirklich keine Ahnung von Komposition).

"Gut" wird man nur durch Erfahrung ... und das bedeutet "machen". Da wird nicht sofort etwas herauskommen, was einen selbst oder andere von den Socken haut, aber mit der Zeit wird man eine eigene musikalische Sprache entwickeln und diese auch elaborieren können.

Wer nur dem Erfolg hinterherhechelt, der ist bei einem Kompositionslehrer gut aufgehoben, der einem nach Möglichkeit beibringt, so zu komponieren, wie "man" das die letzten 250 Jahre über eben getan hat. Das bringt dann eventuell Klicks und Geld ... und wenn einem das reicht, dann ist das auch OK.
Man sollte dann aber nicht glauben, dass man zu Lebzeiten etwas großartiges auf die Beine stellt, denn "große Komponisten" sind vor allem eines ... lange tot.
 
Zuletzt bearbeitet:
Allerdings verstand auch der sein Metier. Ohne dir jetzt nahetreten zu wollen - deine Melodie enthält einige handwerkliche Mängel, die einem Herrn Dittersdorf so sicher nicht unterlaufen wären.
@mick : Wärst Du so freundlich, diese „Mängel“ kurz (oder gerne auch ausführlich) zu skizzieren, damit wir Unbedarften etwas lernen können?
 
@Jsp
Am Sextakkord sich abwärts ranken /
Erspart die Mühe von Gedanken /
Was eine Melodei könnt' sein - /
Ja, so ist's komponieren fein! /
Hei, das ist leicht und gar nicht schwer, /
Flutscht raus, als ob es Durchfall wär' --- /
Doch sag' das keinem, sag' es nie,
Sonst macht man buhu mimimi!
:-D :-D ;-)


Und sagst dus doch statt niemals nie,
Sagst es einem und nicht keinem,
Folgt die geballte Miserie,
die bedingt hat dieses Reimen.

Aletheia! Gnade! Halte ein!
Vergebens- an ihrer Seite Hasenbein.
Denn wo Gott und Hase sich vereinen,
bleibt manchem leider nur noch Weinen.
Da geht der Zweck am Ziel vorbei,
Stattdessen blüht die Suderei.
Ein Mimimi im ewigen Kreis
Freud und Leid, wie jeder weis.
 
@mick : Wärst Du so freundlich, diese „Mängel“ kurz (oder gerne auch ausführlich) zu skizzieren, damit wir Unbedarften etwas lernen können?
Ich vermute, @mick meint z.B., dass in der Mitte der Periode ein Halbschluss auf der Dominante fehlt. Ich habe das Thema noch einmal überarbeitet und dabei die Struktur u.a. im Hinblick auf die mögliche Harmonisierung verändert. Der Übergang in der Mitte der Periode ist geschmeidiger als vorher, und der vorletzte Takt ist jetzt auch runder, weil der zuvor aufgebaute Ambitus nun nicht überschritten wird. Jetzt dürfte es eigentlich nichts mehr zu kritisieren geben, oder?Thema.png
 
Zuletzt bearbeitet:
Takt 3 ud 4 wäre mir bereits ein zu langer Tonleiterausschnitt, außerdem sind die 4 Viertel in Takt 3 und 7 rhythmisch recht langweilig, in Takt 3 die 4 Viertel in Kombination mit der gleichförmigen Aufwärtsbewegung dann doppelt langweilig. Wenn in Takt 3 statt a - h ein Terzsprung nach unten a - f wäre, wäre auch schon bei Einstimmigkeit eine I -IV - V -- I Kadenz zu erahnen.
 
Zuletzt bearbeitet:

@Piano2278 gut aufpassen und hinsehen.
Hier findet gerade am Beispiel von Demians einfacher Melodie ein bisschen Komposition zum zusehen statt.

Interessant ist vor allem seine Reaktion auf die unspezifische Kritik seitens Rolf.
Ich habe das Thema noch einmal überarbeitet und dabei die Struktur u.a. im Hinblick auf die mögliche Harmonisierung verändert.
Das bedeutet, dass der Fokus nicht mehr alleine auf der Melodie und ihrer Stimmführung lag, sondern diese auch im Hinblick auf mögliche Harmonisierungen weiterentwickelt wurde. Und ja, zumindest im Kopf (in meinem Kopf) klingt sie durch die Änderungen jetzt auch etwas schlüssiger ... man kann sich nun fast einen Menschen vorstellen, der diese Melodie unter der Dusche vor sich hin summt.

Interessant finde ich gerade an dem Beispiel, welches Demian hier eingebracht hat, dass nun auch andere ihren Senf dazu abgeben und dabei sogar konkrete Vorschläge gemacht werden (zu lange Tonleitersegmente, zu einheitliche Rhythmisierung ... vielleicht kommt noch mehr).
Die Tonleiter in Takt 3 könnte man vielleicht entschärfen, indem man die letzten zwei Töne einfach vertauscht. Statt "ahcd" also "ahdc" ... dann ist die Tonleiter durchbrochen und gleichzeitig wird die Melodie etwas sanfter zum "h" geführt.
Aber ich weiß natürlich auch nicht, was Demian vor hatte, als er das schrieb. Vielleicht musste das für seine Ohren in dem Moment ganz genau so.

@Jsp
Der "fehlende Halbschluss auf die Dominante" (in der Phrase schöner Mitte) hat mich aber auch leicht ins Schleudern gebracht.
Nein ... höchstens mal in Polemik, aber das kannst du anscheinend schon.
 
Ich wollte nur darauf hinweisen, dass ein hoher Anspruch an das Ausgangsmaterial (Melodie, Motive, Harmonie, Rhythmik) eigentlich nur behindert.
Völlig richtig!!!

Blättert man paar Seiten zurück, findet man den Ratschlag, mit bekannten Akkordfolgen (Pachelbl, Septakkordkette etc) einzusteigen ins improvisieren*) (!), diese in (Klang)Bewegung zu versetzen. "Melodien" vorab zu erfinden ist a) für das anfangen ungünstig und b) zu anspruchsvoll.
_____
*) darum ging es hier
 
Völlig richtig!!!

Blättert man paar Seiten zurück, findet man den Ratschlag, mit bekannten Akkordfolgen (Pachelbl, Septakkordkette etc) einzusteigen ins improvisieren*) (!), diese in (Klang)Bewegung zu versetzen. "Melodien" vorab zu erfinden ist a) für das anfangen ungünstig und b) zu anspruchsvoll.
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*) darum ging es hier
Oder anders formuliert:
Es ist eine sehr schwierige Aufgabe, ein Thema im Stil der Klassik, gleich ob sechs- oder achttaktig oder gar asymmetrisch zu erfinden, das tragfähig und in sich stimmig und rund ist. Die Einfachheit der Beispiele von Mozart oder Haydn ist trügerisch.
Ratsam ist der Weg über barocke Schemata und vor allem über das Partimento-Spiel, das bis ins 19. Jahrhundert der Weg zu Improvisation und Komposition war.
 
Zuletzt bearbeitet:
Interessant, wie dieser Thread wiederspiegelt, wie wir uns den Zugang zum spontanen Tun stets verbauen:
So etwas Ähnliches habe ich auch gerade gedacht, als ich die ganzen Ergüsse hier gelesen habe.
;-)
Mein Gedanke war: Was hat das Ganze hier noch mit Improvisation zu tun?

Wir fangen an zu analysieren, versuchen, bevor wir überhaupt angefangen haben, das Ziel zu definieren und die Ansprüche, die damit verbunden sind.
Ich habe den Eindruck, manche Menschen, die schon sehr lange klassische Musik machen, sind einfach zu verkrampft für spontane Ideen. Oder vielleicht hat es gar nichts mit klassischer Musik zu tun, sondern einfach nur mit den Menschen, mit ihrer Persönlichkeit.

Ich kann das sehr gut verstehen. Ich analysiere auch immer alles, habe viel zu hohe Ansprüche. Und genau das verbaut mir jetzt auch erst einmal den Zugang zur Improvisation. Deshalb ist alles, was in diese Richtung geht (Analyse, Ansprüche, Ziele, wie Du richtig sagst) genau der falsche Weg, wie mir scheint. Ich muss davon wegkommen.

Der Ansatz mit "Alle meine Entchen" war da ganz richtig, lieber @Deschain. Und wie man gehört hat, ist das schon eine große Herausforderung für mich. Was zeigt, wie "verkopft" ich bin. Ich kann tatsächlich bisher nur nach Noten einigermaßen Anhörbares spielen. Und viele, die ihr ganzes Leben lang nichts anderes getan haben, selbst Profimusiker, können auch nichts anderes. Trotz all ihrer Kenntnisse in sowohl musikalischer Praxis als auch Musiktheorie. Das reicht anscheinend nicht aus. Improvisieren braucht eine andere Herangehensweise. Wie ich an meinem eigenen Versuch schmerzhaft gemerkt habe.

Ich gebe @Demian 100% recht. Eine Melodie ist schnell gefunden, sie liegt uns im genetischen Blut. Jeder kann Melodien.
Ja, Melodien allein sind kein Problem. Einzelne Töne aneinanderreihen, schnell mal etwas singen oder summen, das geht. Bei mir fängt das Problem an, wenn ich dann mit der linken Hand noch Akkorde dazuspielen soll. Selbst einfachste Akkorde. Nur mit der rechten Hand hätte ich auch eine ganz annehmbare Melodie hingekriegt. Sobald die linke Hand dazukommt aber nicht mehr.

Für die Improvisation ist es wichtig, dass man sich dieser archaischen Fähigkeit bedient und keine Bewertung vornimmt.
Das ist ganz klar der Knackpunkt. Ich glaube, ich bewerte immer, bei jedem einzelnen Ton. Ich bin noch lange nicht entspannt genug für eine freie Improvisation. Deshalb hänge ich vermutlich auch so an den Noten. Das gibt mir die Möglichkeit, trotzdem etwas zu spielen, auch wenn mir selbst nichts einfällt, was einer Improvisation ähnelt, die man anhören kann.

Sonst spielt man besser ausschliesslich den guten Ludwig van und Freunde.
Ich mag Beethoven nicht.
:-)
Aber es stimmt. Ich spiele gern nach Noten, aber ich denke, wenn man wirklich Musik machen will, sollte die Musik auch in einem selbst drin sein, nicht nur von außen kommen. Nicht nur etwas nachspielen, was andere geschrieben haben, sondern selbst etwas erfinden - auf sehr viel einfacherem Niveau als "van" und Co. -, das muss doch möglich sein.

Komponieren ist kein Hexenwerk, sondern in erster Linie Handwerk. Das kann man lernen. Bei den einen kommt dann noch der Funke des Genialen hinzu, bei den anderen nicht. Aber Improvisation hat meines Erachtens weniger mit Handwerk zu tun als mit dem, was in uns drin ist. Mit der Freiheit, die wir uns gestatten. Oder eben auch nicht. Jedes kleine Kind kann sofort auf den schwarzen Tasten improvisieren, ohne dass es Klavierspielen kann. Weil es sich nicht selbst beschränkt. Was ich aber tue.

Das wäre also das Ziel, die Aufgabe: freier im Kopf zu werden, damit ich mich nicht immer selbst sabotiere.
:-)
Die Technik des Klavierspielens, die ich bereits habe, ist zwar nicht sehr virtuos, aber sie würde für eine kleine Improvisation völlig ausreichen. Wenn ich mich nur im Kopf befreien könnte. Wenn ich aufhören könnte zu analysieren und zu viel von mir zu erwarten.
 
Ratsam ist der Weg über barocke Schemata und vor allem über das Partimento-Spiel, das bis ins 19. Jahrhundert der Weg zu Improvisation und Komposition war.
Nein. Viele Wege führen nach Rom. :-) Das wäre einer davon, durchaus. Wenn man weiß, was Barock ist oder Partimento und sich damit beschäftigen will. Aber wenn man das erst einmal lernen muss, um improvisieren zu können, dann ist irgendetwas falsch. Ein schwarzes Kind, das sich in einer Gospelkirche im amerikanischen Süden ans Klavier oder an die Orgel setzt und einfach drauflosspielt, sogar virtuos, ohne je etwas von Barock gehört zu haben, könnte dann also nicht improvisieren? Das wäre eine absurde Schlussfolgerung.

Für mich wäre das auch kein Weg. Wenn ich das Wenige von Bach, das ich spielen kann, spiele, spüre ich aber etwas darin. Den Funken, wie ich oben schon sagte. Bach war genial. Ein genialer Komponist, der die Musik in sich hatte. Ein Mensch, dem die Musik im Blut lag. Und das ist ein gutes Vorbild. Nicht konkrete Noten oder Muster, sondern dieses Gefühl, das Bach mir beim Spielen vermittelt. Da passiert etwas mit meinen Fingern. Sie bekommen mehr Freiheit. Das ist der Weg, den ich gehen muss. Diese Freiheit, die ich da spüre, in meinen Kopf zu übertragen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Aber Improvisation hat meines Erachtens weniger mit Handwerk zu tun als mit dem, was in uns drin ist.
Ja und nein. Welche Art der Improvisation meinst du? Man kann komplett frei improvisieren. Da kann dann alles Mögliche herauskommen.
Aber wenn zB ein Jazzmusiker ein Solo improvisiert, dann baut er dieses Solo üblicherweise aus vielen kleinen Bausteinen (Licks, Arpeggien, ...) zusammen, die er jahrelang geübt hat.
Die Auswahl der Bausteine geschieht zwar in dem Moment und ist ein kreativer Akt, aber es ist auch viel Handwerk dabei.
 

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