Kammermusik und Empathie

  • Ersteller des Themas Samira Spiegel
  • Erstellungsdatum

Hm. Wenn ich das so lese, dann scheint so ein guter Klavierbegleiter/ -gestalter jedenfalls ein wahres Muster an Unauffälligkeit, Stabilität, Selbstzurücknahme, Improvisations- und Anpassungsfähigkeit und eigener Anspruchs- und Bedürfnislosigkeit zu sein, ob er im Grunde den Sänger nun führt oder umgekehrt. Er kann sich ganz auf jemand anderen einstellen, daher vielleicht auch der "ein Herz und eine Seele"-Eindruck. Vice versa muss das aber nicht so sein. Wenn man das so auf zwischenmenschliche Beziehungen übertragen würde: wahrscheinlich weniger Lebenspartner als Therapeut ... ? Das letztere ist ja auch eine professionelle Rolle, das erstere nicht - zumal es so auf Dauer auch gar nicht lebbar sein dürfte!
Liebe Daina,

mein Beitrag war natürlich eine Satire auf die Erlebnisse eines "Begleiters" mit wahrem Kern! :003: Wer nachlesen möchte, wie es früher war, kann im Anhang unten das Kapitel "der Mann am Klavier" aus Gerald Moores "Bin ich zu laut?" nachlesen - ich finde es herrlich und vielleicht wird dann einiges klar.

Ein Herz und eine Seele zu sein mit einem anderen Musiker beim gemeinsamen Musizieren heißt aber etwas ganz anderes: es bedeutet, eins zu sein, Musik in derselben Art und Weise zu empfinden. Es bedeutet, dass die eigenen Impulse und die des anderen wie von selbst zu einer Einheit verschmelzen ohne sich selbst aufzugeben. Es ist eine Vollkommenheit der Vorstellung, des Spielens und Empfindens und der Zusammenarbeit. Jeder gibt das Beste von sich in die gemeinsame Interpretation hinein und es fügt sich ineinander wie die Teile eines Puzzles. Das ist der Jackpot der Kammermusik und macht zutiefst glücklich.

Liebe Grüße

chiarina
 

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mein Beitrag war natürlich eine Satire auf die Erlebnisse eines "Begleiters" mit wahrem Kern! :003: Wer nachlesen möchte, wie es früher war, kann im Anhang unten das Kapitel "der Mann am Klavier" aus Gerald Moores "Bin ich zu laut?" nachlesen - ich finde es herrlich und vielleicht wird dann einiges klar.
... und ich hatte mich schon etwas gewundert :003:. Ja, in manchem sicher sehr trefflich, dieser Textauszug; danke fürs Einstellen. Dass man irgendwann genug davon hat, in äußerster Selbstzurücknahme höchstens als dienendes Anhängsel eines anderen wahrgenommen zu werden (wenn überhaupt), um den sich im Grunde doch alles dreht, kann ich sehr gut nachvollziehen; auch, dass manches Verhalten, dem man dabei begegnet, eine echte Zumutung ist. Man braucht sich aber nicht alles gefallen zu lassen! Insofern: ist doch schön, wenn einem dann doch endlich die gebührende Aufmerksamkeit, Würdigung und Wertschätzung zuteil wird.
Ein Herz und eine Seele zu sein mit einem anderen Musiker beim gemeinsamen Musizieren heißt aber etwas ganz anderes: es bedeutet, eins zu sein, Musik in derselben Art und Weise zu empfinden. Es bedeutet, dass die eigenen Impulse und die des anderen wie von selbst zu einer Einheit verschmelzen ohne sich selbst aufzugeben. Es ist eine Vollkommenheit der Vorstellung, des Spielens und Empfindens und der Zusammenarbeit. Jeder gibt das Beste von sich in die gemeinsame Interpretation hinein und es fügt sich ineinander wie die Teile eines Puzzles. Das ist der Jackpot der Kammermusik und macht zutiefst glücklich.
Das klingt sehr schön und glaube ich Dir aufs Wort - wunderbar, wenn das in der Musik für einen flüchtigen Moment gelingt, wie ein wahrgewordener Traum. Als Musiker lebt und webt man darin ja auch wirklich! Andererseits aber sind Kunst und das alltägliche Leben (von dem hier ja nicht die Rede ist) wiederum auch zweierlei, und diesen Unterschied kurzschlüssigerweise verwischen zu wollen, indem man quasi den Himmel auf Erden verwirklichen will, erscheint mir zweifelhaft und gefährlich. Zwar gibt es beispielsweise ja auch Partnervermittlungsinstitute mit Namen wie "Gleichklang", die genau mit solchen Vorstellungen um Kundschaft werben - solche Versprechen sind natürlich mit Vorsicht zu genießen. Und bei überschwänglichen Begriffen wie "Vollkommenheit" bin ich naturgemäß erst recht etwas vorsichtig und skeptisch - mir jedenfalls ist auf dieser Welt bisher noch nichts derartiges begegnet. Aber wer weiß.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wie wird man eigentlich ein empathische musikalischer Begleiter, Liedgestalter...?

Ich hatte leider bis jetzt fast nie die Gelegenheit, mit jemand zusammenzuspielen, obwohl ich mir das immer wieder von meinen Gitarren-/Klavierlehrern gewünscht habe mal mit anderen Schülern zusammenzuspielen.

Meine Kinder spielen ja auch Klavier und ich habe hin und wieder auch versucht, mit Ihnen vierhändig zu spielen. Wenn allerdings zwei Anfänger zusammenspielen, ist die Herausforderung auch besonders groß, so unsere Erfahrung damit.

Wie übt man das am besten? Absolute Voraussetzung ist vermutlich, dass beide ihren Part perfekt beherrschen? (daran haperte es vermutlich bei uns.. :015: ).

Und dann hat mir meine KL auch noch eine rhythmische Unzuverlässigkeit bescheinigt, :cry2:noch so ein Supergau des Zusammenspiels...

Muss ich mich also erst selbst weiter perfektionieren, bevor ich mich wieder ans Zusammenspiel wage? Oder muss man sich da zusammen durchkämpfen? Sollte einer wesentlich besser spielen als der andere? Kann man das mit sich selbst üben, indem man z.B. eigene Aufnahmen begleitet?

Derzeit übe ich zusammen mit einem Freund auf Empfehlung unserer gemeinsamen KL ein vierhändiges Stück von Satie, alles sehr einfach von der Notation. Was wir zwei einfach dabei lernen -beide blutige Anfänger- daß jeder auf den anderen hören muß, sonst klappt das nicht
Das finde ich toll! Übt ihr das mit KL oder allein? Wie geht ihr dabei vor?
 
In der Tat ist die Beherrschung des Notentextes eine unabdingbare Voraussetzung dafür, auf Partner zu hören und auf sich gegenseitig einzugehen.

Was Du mal machen kannst, wäre Folgendes:
Setz Dich mit einem Deiner Kinder an´s Klavier zum Vierhändigspielen.
Und dann improvisiert Ihr .
Themen könnten sein:

Nur auf schwarzen Tasten - klingt immer gut-, und versucht einen gemeinsamen Puls und Metrum zu finden (Stärkt die Empfindung für Rhythmus).

Ein Stück auf allen Tasten mit dem Thema: Aus dem Nichts kommen, in die volle Kraft gehen, wieder im Nichts verschwinden (wie ein auf- und abziehendes Gewitter).

Das klingt nicht harmonisch im Sinne der Harmonielehre, kann aber sehr spannend sein, wenn Ihr Euch zuhört, einzelne Motive Euch zuspielt, Euch gegenseitig wiederholt. (Spielt der eine: bababa-baaah, antwortet der andere auf anderen Tönen, aber das gleiche Motiv - frei nach Beethovens Fünfter)
Und dann versucht, gemeinsam einen Schluss zu finden, ohne Euch anzuschauen, nur Hören!
Wenn das klappt, dann bist Du scho auf dem Wege zu gutem Partnerspiel!

Der Vorteil bei dieser Art von Improvisation ist, dass richtige Töne keine Rolle spielen.
 
Ich hatte leider bis jetzt fast nie die Gelegenheit, mit jemand zusammenzuspielen, obwohl ich mir das immer wieder von meinen Gitarren-/Klavierlehrern gewünscht habe mal mit anderen Schülern zusammenzuspielen.

Wie übt man das am besten? Absolute Voraussetzung ist vermutlich, dass beide ihren Part perfekt beherrschen? Sollte einer wesentlich besser spielen als der andere? Kann man das mit sich selbst üben, indem man z.B. eigene Aufnahmen begleitet? Übt ihr das mit KL oder allein?
An anderer Stelle habe ich ja schon geschrieben, dass ich auf meine Anregung hin mit einer anderen Schülerin meiner KL ein Stück einübe, ggf. für das Vorspiel im Sommer. Wir haben letztes Jahr angefangen, die KL hat das Stück ausgesucht. Wir sind ungefähr gleich gut und beide Parts sind gleich „nicht allzu schwer“. Jede hat für sich geübt und es mit der KL angeschaut. Jetzt waren wir einmal zusammen bei ihr an 2 Klavieren und gestern das erste Mal ohne KL an einem Klavier. Es ist spannend und braucht nochmal ganz andere Fähigkeiten! Wir können unsere Teile, aber nicht perfekt, und zusammen passiert dann auch Unerwartetes. Der Plan ist, zu zweit weiter zu üben, aber dann auch wieder der KL zur Kontrolle und Verfeinerung vorzuspielen. Es macht einfach Spaß und wir haben ja genug Zeit! 😊 (Mein letztes vierhändiges Stück davor war 1996, ich erinnere mich null daran…)

Wir spielen das hier:
 
Zum eigentlichen Thema kann ich noch sagen, dass ich neulich Les Vents Français live gehört habe, und es war großartig! Sie strahlten eine große Spielfreude aus und waren jeder, auch solo, exzellent. (Das ist ein Bläserensemble (Emmanuel Pahud Flöte | Francois Leleux Oboe | Paul Meyer Klarinette | Gilbert Audin Fagott | Radovan Vlatković Horn) mit Éric Le Sage am Klavier.)

Hörbeispiel:
 
Und dann hat mir meine KL auch noch eine rhythmische Unzuverlässigkeit bescheinigt, :cry2:noch so ein Supergau des Zusammenspiels...
Für das Timing ist Zusammenspielen die allerbeste Übung (außer Metronom). Allerdings sollten die Mitspieler dann nicht auch sehr wackelig sein, sonst gibts Chaos.
Alternativ kannst du auch mit Aufnahmen mitspielen. Und es gibt bestimmt auch Playalongs, wo die Begleitung eingespielt ist und du die Klavierstimme dazuspielst.
Mir fiel es anfangs sehr schwer mit Aufnahmen mitzuspielen. Ich bin immer irgendwie aus dem Puls rausgerutscht und kam dann auch nicht wieder rein. Inzwischen ist das überhaupt kein Problem mehr.
 
Das Problem beim Vierhändispielen ist, daß man häufig zu „hochpreisig“ einsteigt. Dann ist der Streßfaktor größer als der Spaß am Zusammenspiel. Um Routine im Zusammenspiel zu bekommen, sich ruhig erst einmal die melodischen Stücke und vierhändigen Sonatinen von Diabelli vorknöpfen, Vanhal hat ebenfalls Reizvolles geschrieben. Und dann die vierhändigen Piècen, die Godowsky für seine Klavierschüler im Anfangsunterricht komponiert hat - klanglich einfaltsreich und „im Prinzip“ nicht schwer, aber da ist dann Zählen angesagt. (Obacht: die Originalversionen gibt‘s beim Carl Fischer Verlag; die Ausgabe von BMG ist dilettantisch bearbeitet.)
 
Die perfekte Empathie...




Und jetzt noch schnell bevor ich gesteinigt werde - ich bin mir sicher, dass Lang Lang das Genre gewechselt hat und das Video in die Kategorie Satire gehört. Warum auch nicht, er hat ja seit kleinster Kindheit mehr als genug seriöse Musik gemacht.
Nur leider erkennt das keiner der Kommentatoren bei Utube
 

@UpRightPiano , das für mich Interessante an dem Video ist, dass die Musik in dem Moment verloren geht, in dem man in lasziven Augenkontakt mit seinen Mitspielern geht. Dann nutzt man die Musik nur.
Lang Lang fällt das zum Glück schwer. Er möchte eigentlich seine Partnerin nicht anschauen, das war mit Sicherheit eine Regieanweisung.
Sobald man jemandem tief in die Augen schaut, wird es privat und das gehört nie, niemals auf die Bühne! Da kann auch jeder Schauspieler Lieder von singen.
 

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