Gibt es spezielle Lernprobleme bei Spätanfängern???

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Debbie digitalis

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Hallo miteinander,

ich habe hier zwar lange nicht mehr geschrieben - aber meine Leidenschaft für das Klavierspielen(lernen) ist dennoch nach wie vor unvermindert!!!

Als Anfänger möchte ich mich jetzt auch nicht mehr bezeichnen, denn ich bin bereits seit einigen Jahren begeistert dabei, das Klavierspielen zu erlernen und für mich und auch für andere in einem kleinen privaten Kreis zu praktizieren! Dennoch:der Lernprozess ist für mich beim Klavierspielen noch längst nicht abgeschlossen!


Denn:
1)Beim Erlernen des Klavierspielens verhalte ich mich meiner Ansicht nach als Spätanfänger völlig anders als ein Kind/Jugendlicher!!!

Zunächst: von Anfang an hatte ich eine klare Perspektive, was ich lernen möchte, ein begrenztes Zeitbugdet dafür, einen straffen und fordernden Arbeitsalltag!....

2)Beim Erlernen des Klavierspielens funktioniert bei mir wohl einiges anders als bei Kindern/Jugendlichen!!!

Offenbar ist - zumindest bei mir - ab einem gewissen Alter die Bereitschaft, gelesenes Notenmaterial spontan gleichzeitig haptisch und intellektuell/musikalisch umzusetzen vermindert! Damit meine ich nicht das gleichzeitige Lesen von Schriftsprache und deren simultane Umsetzung in gesprochene Sprache, sondern das Notenlesen und dessen gleichzeitige Umsetzung in Klaviermusik.

Das "blinde Vertrauen" auf die Finger ist einfach nicht mehr spontan da. Ich "spinxe" offenbar öfter auf die Tastatur als nötig, neige dazu, Notenmaterial auswendig zu spielen (auswendig lernen fiel mir noch nie schwer!!) ...und damit fehlt mir möglicherweise ein ganz wichtiges Element und Bindeglied, das beim Klavierspielen wohl doch dazu gehört:

einfach beim Spielen die Noten entspannt mitlesen und umsetzen, dem "Griffgedächtnis" und der Griffsicherheit der eigenen Finger zu vertrauen und dem eigenen Spiel beim Spielen zuhören???

Hat hier irgendjemand (der auch als Erwachsener das Klavierspielen "in Angriff genommen" hat ) ähnliche Erfahrungen gemacht???

oder gibt es hierzu hilfreiche tipps von den hier vertretenen Klavierpädagogen???

LG

Debbie digitalis
 
hallo debbie,
ich darf mich wohl als spätanfänger bezeichnen, der und das erschwert das ganze noch ein wenig, völlig ohne musikalische vorbildung in das wasser gesprungen ist! natürlich kämpfe ich im moment nach ca. 2 1/2 jahren noch immer mit vielen nebenkriegsschauplätzen. aber es geht dennoch stetig voran. ich habe hier vor kurzem gelesen dass es nicht festgeschrieben ist vom blatt spielen zu können, bzw. zu müssen. ich denke das wird mit der zeit kommen! ich habe für mich im moment entschieden dass diese könnerstufe noch ein wenig warten muss und kann. es gibt, zumindest für mich, im moment wichtigere ziele. ich möchte damit sagen dass du doch für dich entscheiden musst ist es dir wichtig oder nicht und wenn ja dann habe ich aus deinen bisherigen beiträgen das gefühl dass du genug rüstzeug mit an bord hast um dieses ziel zu bewältigen.
liebe grüße
klavierandi
 
Hallo Debbie,

nein, Du bist nicht alleine.

Was Du beschreibst, ist mir vertraut, die Problemstellung ist analog.

Diskutieren kann man über die Bewertung des Ganzen.

So, wie ich mich irgendwann mit der Benutzung einer Lesebrille
und zunehmendem Haarverlust abfinden musste, müssen wir uns
auch mit einer anderen Hirnfunktion als vor 40 Jahren abfinden.

Das Erlernen des Klavierspiels funktioniert nicht -bei Dir-
einiges anders als bei Kindern, sondern vermutlich bei allen
Erwachsenen.

Ich sehe aber nicht nur Defizite.

Wir können zur Kompensation nutzen:
- stabilere Grundmotivation
- bessere Fähigkeit zur intrinsischen Motivation
- bewußte Definition realistischer Ziele
- höhere Frustationstoleranz / mehr Geduld
- Abstraktionsvermögen
- systematischeres Vorgehen + Planung
- differenzierte Selbstkritik / Selbstanalyse (Fehlersuche)
- vorhandene Lernerfahrung
- mehr Bezug zur gespielten Musik
- mehr Einfluß auf die Musikauswahl
- Einfluß auf das Instrument und seine Auswahl

Und:
Is ja nich so, daß wir gaaanix mehr lernen.
Es geht nur anders und langsamer. Sei's drum.

Vor allem:
Der Return ist für uns höher, wir freuen uns mehr über die Erfolge !

Gruß
thmek
 
Ich hab mit 34 angefangen (bin derzeit 36, derzeit ohne Digi, wegen Arbeit) und meine Lern-Erfolge sind total bescheiden. Kein Rhythmusgefühl, keine saubere Intonation, bei kleinen Schwierigkeiten schon Denkpausen. Trotzdem vermisse ich schon mein Digi und will endlich wieder weitermachen.
 
Tja, das ist wie beim Autofahren. Wer lange gefahren ist, setzt sich auch in ein fremdes Auto und hat ein ganz vertrautes Gefühl, es fühlt sich fast wie ein Teil seiner selbst an. Ich vermute, langerfahrenen Klavierspielern geht es genauso am Klavier. Ob man das als Spätanfänger noch erreichen kann, bezweifle ich mittlerweile ...

Gruß
Rubato
 
Hallo ihr Lieben!

vielen Dank für eure Antworten - leider habe ich heute nicht die Zeit, individuell zu antworten!

Daher jetzt eine Antwort an alle:

Es geht nicht um das hohe Ziel, irgendwann einmal alles mögliche vom Blatt spielen zu können! Ich verstehe z.B. klavierandys Antwort dennoch und habe es, als ich mit dem Klavierspielen anfing genauso gemacht: erst mal vorankommen - und wenn das durch Auswendiglernen schneller geht - umso besser!

Allerdings ist diese Strategie im Rückblick recht kurzlebig! Bei überschaubarer Literatur funktioniert das recht gut, doch sobald komplexere Literatur auf den Plan tritt, gibt es damit Probleme! Wenn du z.B. ein Werk vor dir hast, das fünf oder mehr eng mit Noten bedruckte Seiten umfasst, dann wird diese Methode möglicherweise fragwürdig!

Diese Erfahrung habe ich zu genüge gemacht! Es sieht zunächst einfach aus: du verinnerlichst das Stück im Bezug auf die Gestaltung der Melodie und die Harmonien in der Begleitung (funktioniert auch noch bei überschaubaren polyphonen Stücken); du erkennnst diverse Muster, Abschnitte, Übergänge, Strukturen etc. Doch dann kommt irgendwann das "Gemeine":D:D

Z.B. in einer unauffälligen, scheinbar stereotypen Begleitung wechselt in Takt 138 der Basston (was in die Harmonie passt und daher nicht auffällt) - du spielst aber das Ganze wie in Takt 8 und merkst deinen Fehler gar nicht! Das ist nur ein kleines und primitives Beispiel! Übergänge in neue Teile sind häufig auch sehr ähnlich und dennoch in Einzelheiten verschieden...etc. etc.

Daher glaube ich, dass es sinnvoll ist, von Anfang an beim Spielen visuellen Kontakt zum Notentext zu halten und den eigenen Ohren und der Zielfindung der eigenen Finger zu vertrauen!:D:

Was ich damit sagen will!...

Ich kann nur empfehlen, sich nicht auf das naheliegende und leichte Auswendiglernen zu verlassen, sondern von Anfang an die Finger lernen zu lassen, ihren Platz blind und nach Maßgabe des Notenlesens zu finden.

Verlässt man sich als Anfänger "blind" auf das visuelle Tastengedächtnis, dann schaltet man nicht nur die "Notenleseleistung", die ja auch durch das Abspielen der Noten trainiert und perfektioniert wird, sondern möglicherweise auch das Gehör (das beim Abspielen der Noten ja auch noch mal nachprüft, ob die erzeugten Töne stimmen und so klingen, wie sie klingen sollen) aus.

LG

Debbie digitalis

PS: Das Gehirn (bzw. das Denken) eines Erwachsenen ist offenbar sehr träge (grins!) , und sucht sich zunächst den einfachsten Weg - der aber nicht immer der richtige sein muss!:D (doppelgrins)
 
Daher glaube ich, dass es sinnvoll ist, von Anfang an beim Spielen visuellen Kontakt zum Notentext zu halten und den eigenen Ohren und der Zielfindung der eigenen Finger zu vertrauen!:D:

Was ich damit sagen will!...

Ich kann nur empfehlen, sich nicht auf das naheliegende und leichte Auswendiglernen zu verlassen, sondern von Anfang an die Finger lernen zu lassen, ihren Platz blind und nach Maßgabe des Notenlesens zu finden.

Ein dickes fettes, aufgeplufftetes LIKE ;) ...wie ein BIBER, der sich grad für den Winter vollgefuttert hat ;)

LG, Olli !
 
Also ich glaube immer noch nicht, dass Kinder schneller lernen als Erwachsene. Anders ja, nachhaltiger vielleicht, aber schneller?

Ich hatte als Kind 2 Jahre lang Blockflöten- und danach 1 Jahr Akkordeonunterricht. An beiden Instrumenten habe ich nach dieser Zeit nicht annähernd das Niveau erreicht, das ich als Erwachsene beim Klavierspielen erreichte.

Als mein Bruder anfing Blockflöte zu spielen (er ist älter und hat früher Unterricht bekommen als ich), hat meine Mutter "mitgelernt", um mit ihm gemeinsam üben zu können - sie spielte immer besser als mein Bruder, obwohl sie nur einen Bruchteil der Zeit investierte, die er am Instrument verbrachte.

Im Rahmen meiner Ausbildung kam ich im Laufe des letzten Jahres mit einigen Studenten zusammen, die Klavier bereits als Kind lernten und trotzdem weniger gut spielen als ich. Man darf sich halt als Normalsterblicher nicht mit kleinen Genies vergleichen, die man so auf Youtube sieht. Erwachsene können am Instrument innerhalb kurzer Zeit sehr viel erreichen. Wie zum Beispiel VPP, oder dieser Typ, über den ich vor kurzem im Internet gestolpert bin - der hat mit 17 angefangen Klavier zu spielen und hat 3 Jahre später ein Stipendium für die Musikhochschule in Wien (Konzertfach!) bekommen, was als Amerikaner sicher nicht leicht ist.

Dasselbe gilt auch für Sprachen, ein Erwachsener, der sich intensiv mit einer Fremdsprache auseinandersetzt, kann innerhalb von ein bis zwei Jahren C2 Niveau erreichen - wie lange braucht ein Kind, bis es die Sprache soweit beherrscht?

Ein Kind lernt schneller als das andere, ein Erwachsener schneller als der andere. Was man selbst erreicht hätte, wenn man bereits als Kind begonnen hätte, ist ein müßiges "Was wäre wenn" - Spiel - vielleicht hätten wir bereits nach ein oder zwei Jahren das Handtuch geworfen und nie wieder das Instrument angesehen. Eines halte ich jedoch für ziemlich sicher, wer als Erwachsener nicht Erstaunliches erreicht, wäre auch als Kind kein "Wunderkind" geworden.

LG, PP
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Ein Kind lernt schneller als das andere, ein Erwachsener schneller als der andere.

Und Kinder lernen wohl tatsächlich auch ganz "anders" als Erwachsene...

Was man selbst erreicht hätte, wenn man bereits als Kind begonnen hätte, ist ein müßiges "Was wäre wenn" - Spiel

DAS stimmt...! Hauptsache, man macht das, wozu man Lust hat (im Hobby), und woran man Spaß hat.
 

Wir können hier ja mal einen kleinen Wettbewerb ausschreiben: Die total erfolgreichen Spätanfänger, die jetzt z.B. 10 Jahre spielen, können ja mal ein Vorspiel oder eine Einspielung machen. Dann müsste sich ja zeigen, wie weit der eine oder andere gekommen ist. Allerdings hatten wir ja mal die Umfrage, wie lange Spätanfänger überhaupt dabei bleiben, ich glaube, 10 Jahre hatts damals überhaupt nur ein einziger erreicht ...

Besser ist es daher wohl, sich nicht zu sehr zu verkopfen und sich selbst vorschreiben zu wollen, wie (auswendig, vom Blatt, etc)man nun spielen muss, damit es "richtig" ist. Oder man hat halt genug Zeit und Frustpotential, und dann ist man genau der ideale Kandidt für das o.g. Vorspiel.

Gruß
Rubato
 
Hallo Debbie,

ich gebe Dir vollkommen recht, daß vom Blatt spielen zu können,
ohne mehr als kurze Kontrollblicke nach unten zu brauchen,
hilfreich, sinnvoll und erstrebenswert ist.

( nein, es kommt keine Einschränkung :-) )

Einerseits denke ich inzwischen dank Lotusblume, daß wir aus
einer Art Neidhaltung(?) heraus vielleicht dazu tendieren,
das Lerntempo der Kinder im Vergleich etwas zu überschätzen.

Andererseits sollten wir in unserem Tal des Trübsals eines nicht vergessen:
Egal, worum es geht: Es kostet !!

-> Hardware: Ein schöner Bösendorfer ist VIEL teurer als ein Chinaklavier.

-> Software: So wie Rolf oder Mademoiselle Trick spielen zu können,
ist ebenso VIEL teurer als unser Dilettieren.

Wiedereinaussteiger hat im Ragtime-Faden bemerkt, daß Stephanie Trick
täglich 8 Stunden übt.
Wären wir Amateure ( falls möglich ) bereit, DAS zu bezahlen ??

Wenn meine Klavierlehrerin mir mal eben ein paar Akkordfolgen zeigt,
macht sie das, ohne dabei zu nachzudenken
(oder besser: Sie muß dabei nicht nachdenken!).
Das sind alles gespeicherte Muster, die einfach so abgerufen werden.

Sie hat in Ihrer Lernzeit mit Sicherheit mehrere Mannmonate
(ich glaube, bei Frauen müßte man das irgenwie anders bezeichen)
investiert, um alle denkbaren Akkorde in allen denkbaren Umkehrungen
durch alle denkbaren Übergänge zu pauken.
Und jetzt liegt das im Werkzeugkasten und wartet auf den Einsatz.

Mit dem Blattspiel ist das vermutlich ähnlich.

Gruß
thmek
 
Tatta Fuu!!!
Mir fehlen nicht mehr viel zu den 10 Jahren.
Soll das hier ein Thread wieder mal wider dem Auswendiglernen werden?

Ich brauche beim Vorspiel keine Noten (nehme sie nicht mal mit), bin ich jetzt irgendwie abartig? Lesen kann ich sie trotzdem. Ob das alles dann "richtig" ist, wer weiß? Das wird mein (letztes) Vorspiel nächste Woche zeigen...

Klavirus (auf den "drück-mir-die-daumen-thread" hinweisend)
 
Falsch, voll falsch !

Blattspielen ist schön, Auswendigspielen ist auch schön.

Ich versuche gerade, mir das Auswendigspielen überhaupt erst beizubringen
(WIRKLICH auswendig, nicht nur laufenlassen).
Weil ich genau weiß, daß ich mit meiner Leseschwäche niemals
irgendwem irgendwas in vertretbarer Qualität vorspielen können werde.

=> Auswendig !

is ok, ich drück ja schon...

Gruß
thmek
 
Also ich glaube immer noch nicht, dass Kinder schneller lernen als Erwachsene. Anders ja, nachhaltiger vielleicht, aber schneller?

Hallo PianoPuppy,

vielen Dank für deine ausführliche Antwort! Mit dem oben Zitierten hast du sicher recht! M.E. lernen Kinder unbeschwerter, voraussetzungsloser und auch nachhaltiger. Allerdings bin ich kein professioneller Pädagoge und kann in dieser Hinsicht eben nur spekulieren.

Die Situation eines Erwachsenen, der sich entscheidet, das Klavierspielen zu erlernen ist jedoch anders als beim Kind. Im Erwachsenenalter steht man in vielfältigen Verpflichtungen, die Freizeit ist knapp und man muss sich gut (meist auch in Abstimmung mit anderen Menschen) überlegen, wie man diese knappe Ressource verwendet.

Natürlich, bei intensiver, ernsthaft gewollter und im Alltag auch realisierter Auseinandersetzung mit einem Ziel ist der Erwachsene dem Kind im Hinblick auf Zielstrebigkeit und Ausdauer überlegen! Andererseits kann diese Zielstrebigkeit dem Erwachsenen auch zum Problem werden, nämlich dann, wenn er sich nicht mehr, warum auch immer, in dem Maße diesem Ziel widmen kann so wie er es wünscht.

Natürlich gibt es schon seit Ewigkeiten Sprüche wie "wo ein Wille ist, ist auch ein Weg" oder "wer will findet Zeit, wer nicht will findet Gründe" - aber ich glaube solches ist im Grunde Schwarz-Weiß-Malerei!

Ich will jetzt wirklich nicht beklagen, dass erwachsene Klavierschüler gegenüber Kindern besonders benachteiligt sind - sondern nur zur Diskussion stellen, dass die Situation des Erwachsenenlernens offenbar anders ist als im Kindesalter!

Und das hat nicht nur mit den situativen Bedingungen zu tun, sondern vermutlich auch mit entwicklungspsychologischen. Das Erlernen einer Fremdsprache ist ein gutes Beispiel. Natürlich kann man mit Ausdauer und Fleiß als Erwachsener ( zuhause in Deutschland ) eine Fremdsprache recht gut erlernen. Es ist aber kein Vergleich damit, wie gut man sie hätte erlernen können, wenn man sie bereits im Kindesalter (unter 10 Jahren) erlernt und evtl. mal einen längeren Zeitraum im Ausland praktiziert bzw. ständig mit einem Elternteil gesprochen hätte.

Daher würde ich die Vorteile des Lernens im Erwachsenenalter nicht überbewerten! Wir haben ganz klar auch Nachteile - z.B. habe ich vor einigen Jahren festgestellt, als ich eine asiatische schriftsprache erlernen wollte, wie schwer es ist, sich als Erwachsener noch ein neues Schriftsystem anzueignen!

LG

Debbie digitalis
 
Ich will jetzt wirklich nicht beklagen, dass erwachsene Klavierschüler gegenüber Kindern besonders benachteiligt sind - sondern nur zur Diskussion stellen, dass die Situation des Erwachsenenlernens offenbar anders ist als im Kindesalter!
na selbstverständlich ist das sehr verschieden, schließlich ist der kognitive Entwicklungsstand auch sehr unterschiedlich.
Aber das macht nichts: Kinder dürfen nicht autofahren lernen, Erwachsene dürfen das und kriegen das auch zumeist hin!

allgemein gesagt ist der intellektuelle Zugang bei Erwachsenen salopp gesagt reifer, das aber kann leicht zu Ungeduld führen (a la "buhu, ichkapier das, aber ich kriegs nicht so hin, wie ich will" usw.) und viele Erwachsene tun sich schwer damit, eine Prise Fantasie und Schauspielerei einzusetzen (z.B. diese Stimme ist die arrogante Hauptrolle, die andere Stimme ist nur die Kammerzofe etc.) und es fällt ihnen dabei dann schwer, natürliche Bewegungsmuster (gehen, laufen, rennen, schleichen, hüpfen usw.) auf bzw. in die Hände und den Klang zu übertragen.
 
Ich vermute solche Probleme hat man bei jeder Tätigkeit, die mit anspruchsvollen Bewegungsvorgängen einher geht. Wer hat den mit 40 noch Fahrradfahren, schnelles Kraulschwimmen, Tennis, Golf, Skifahren, natürlich mit gewissen Ansprüchen gelernt? Auch die Fähigkeit sich sehr schnell zu bewegen nimmt ab, obwohl Profipianisten auch in hohem Alter noch schnelle Hand und Fingerbewegungen schaffen.
Ich selber habe mit 40 Skilanglauf gelernt, aber nie wirklich gut und sicher in schwierigen, engen, steilen Gelände oder abseits der Loipen im Tiefschnee. Meine norwegischen Freunde können das auch noch mit fast 70. Aber sie waren keine guten Lehrer, sie können nicht verstehen, wo die Schwierigkeiten sind. Sie machen es vor und glauben, ich kann das dann nachmachen.

Gruß
Manfred
 
Hallo Debbie,

Die Situation eines Erwachsenen, der sich entscheidet, das Klavierspielen zu erlernen ist jedoch anders als beim Kind. Im Erwachsenenalter steht man in vielfältigen Verpflichtungen, die Freizeit ist knapp und man muss sich gut (meist auch in Abstimmung mit anderen Menschen) überlegen, wie man diese knappe Ressource verwendet.

Das erlebe ich auch bei Kindern immer öfter - Schule, danach Hort bis 16 Uhr (teilweise sogar länger), oft muss dann am Abend noch die Hausübung erledigt werden, weil sie in der Nachmittagsbetreuung nicht gemacht wurde. Außerschulische Aktivitäten müssen, wenn sie überhaupt noch stattfinden, irgendwie in die Abendstunden gequetscht oder auf das Wochenende verschoben werden. Tja, der Lebensstil der Eltern wirkt sich auch auf die Kinder aus, ob man will oder nicht.


Natürlich gibt es schon seit Ewigkeiten Sprüche wie "wo ein Wille ist, ist auch ein Weg" oder "wer will findet Zeit, wer nicht will findet Gründe" - aber ich glaube solches ist im Grunde Schwarz-Weiß-Malerei!

Nun, oft liegt es aber wirklich an der Prioritätensetzung - da braucht man sich nur mal die TV-Einschaltquoten anschauen. Damit will ich natürlich nicht sagen, dass du zu den TV-Junkies gehörst ;-), aber wir reden ja hier über Erwachsene im Allgemeinen, nicht wahr?

Ich will jetzt wirklich nicht beklagen, dass erwachsene Klavierschüler gegenüber Kindern besonders benachteiligt sind - sondern nur zur Diskussion stellen, dass die Situation des Erwachsenenlernens offenbar anders ist als im Kindesalter!

Ist sie ganz bestimmt, ich wollte nur meine Skepsis anmelden, ob der weit verbreiteten Ansicht, dass Kinder schneller lernen. Schneller lernen, bedeutet für mich, höhere Leistung bei gleichem Zeitaufwand und das gemessen an Durchschnittspersonen - wir können nicht Leistungen von "Wunderwuzzis" mit "Normalos" vergleichen.

Und das hat nicht nur mit den situativen Bedingungen zu tun, sondern vermutlich auch mit entwicklungspsychologischen. Das Erlernen einer Fremdsprache ist ein gutes Beispiel. Natürlich kann man mit Ausdauer und Fleiß als Erwachsener ( zuhause in Deutschland ) eine Fremdsprache recht gut erlernen. Es ist aber kein Vergleich damit, wie gut man sie hätte erlernen können, wenn man sie bereits im Kindesalter (unter 10 Jahren) erlernt und evtl. mal einen längeren Zeitraum im Ausland praktiziert bzw. ständig mit einem Elternteil gesprochen hätte.

Was bedeutet besser? Akzentfrei? Tadellose Grammatik?

Erwachsene lernen Fremdsprachen viel leichter und schneller als Kinder, dazu muss man sich nur mal anschauen, was im Fremdsprachenunterricht in Volksschulen herauskommt. Der einzige Vorteil, den sie haben, ist, dass sie eine zweite, dritte oder sogar vierte Sprache akzentfrei erwerben können, wenn die Voraussetzungen passen. Ich kenne aber leider auch Fälle, wo das Kind mit mehreren Sprachen aufwächst, und in keiner davon muttersprachliche Kompetenz erworben hat - das ist fatal, denn diese Kinder werden nie eine Sprache ordentlich sprechen können, während andere, die auf eine Muttersprache aufbauen können, auch in Fremdsprachen annähernd das Niveau von Muttersprachlern erwerben können. Das erfordert natürlich dementsprechenden Einsatz.

Daher würde ich die Vorteile des Lernens im Erwachsenenalter nicht überbewerten! Wir haben ganz klar auch Nachteile - z.B. habe ich vor einigen Jahren festgestellt, als ich eine asiatische schriftsprache erlernen wollte, wie schwer es ist, sich als Erwachsener noch ein neues Schriftsystem anzueignen!

Ich würde sagen, jeder Lern- und Lebensabschnitt hat seine Vorteile - meist ist es sogar so angelegt, dass Lern- und Lebensabschnitt optimal aufeinander abgestimmt sind. ;-) Kinder sind exzellente Beobachter, was ihnen natürlich bei der Feststellung von optischen Unterschieden sehr zugute kommt. Aber in einem sind sich Kinder und Erwachsene sehr ähnlich, beide lernen am besten und schnellsten, was sie am meisten interessiert. Wenn ein Kind am Instrument kein Interesse hat, wird beim Unterricht auch nicht besonders viel rauskommen.

LG, PP
 
Ich vermute solche Probleme hat man bei jeder Tätigkeit, die mit anspruchsvollen Bewegungsvorgängen einher geht. Wer hat den mit 40 noch Fahrradfahren, schnelles Kraulschwimmen, Tennis, Golf, Skifahren, natürlich mit gewissen Ansprüchen gelernt?

Mit Profiansprüchen, wird man wahrscheinlich als Erwachsener so ziemlich in jedem dieser Bereiche scheitern. Andererseits habe ich als Kind das Eislaufen nie geschnallt, habe aber mit 20 im Handumdrehen Inlineskaten gelernt. Wann man was gut lernt, ist wahrscheinlich auch individuell verschieden. Ich habe mich als Kind immer etwas ungeschickt erlebt, das kann aber auch damit zusammenhängen, dass ich einen Bruder hatte, der 1 1/2 Jahre älter ist und mir natürlich lange in allem voraus war, und dass ich mit Altersdispens eingeschult wurde, womit ich dann auch in meiner Klasse wieder das jüngste Kind war.

LG, PP
 

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