Gibt es das für Euch überhaupt - gute Musik, zwar auf dem Klavier zu spielen, aber nicht klavierspezifisch gedacht?
Klar, denn ob etwas klavierspezifisch gedacht ist, sollte ja nicht der Gradmesser sein, anhand dessen zwischen gut und schlecht unterschieden wird! Würde mich wundern, wenn das jemand anders sieht. Mir fällt gerade ein Extrembeispiel ein (Horowitz über Beethoven-Liszt-Sinfonien, die ja eigentlich völlig unpianistischer Klavierauszug sind):
These are the greatest works for the piano, tremendous works. But they are 'sound' works,'' he explains, meaning works that draw on the piano's vast coloristic possibilities. ''For me, the piano is the orchestra. I don't like the sound of piano as a piano. I like to imitate the orchestra - the oboe, the clarinet, the violin, and, of course, the singing voice. Every note of those symphonies is in these Liszt works.
Wie geht Ihr mit Musik um, die auf dem Klavier holperig daherkommt -
oder "undankbar" zu spielen ist, weil mit ihrer Hilfe nicht die
exhibitionistischen Bedürfnisse ausgelebt werden können?
Musterbeispiele: Reger, Hindemith, Fauré, Miaskowsky.
Was meinst Du mit "umgehen"? Ob man sie spielt oder nicht? Das hängt sicher vom Anlass ab - manche Stücke werden ohne Frage seltener gespielt, weil sie als "heikel" darzustellen gelten. Oder manuell? Oft wird etwas, was vom einen als "undankbar" empfunden wird von anderen als sehr pianistisch empfunden, und es ist einfach eine Frage, ob die Schwierigkeiten richtig verstanden sind.
Beispiel: Stück für zweimanualiges Cembalo
http://www.youtube.com/watch?v=STm83fDhyxg#t=0m35s
Auf dem Klavier bedeutet das, dass die Hände ständig ineinander greifen, Stimmen kreuzen sich auf demselben Ton, usw. alles an sich sehr unpianistisch, aber wenn es so durchdrungen ist wie bei Sokolov, was will man dann noch so urteilen?
http://www.youtube.com/watch?v=-k7omyaduKg
Oder extreme Polyphonie, wie z.B. das 8-stimmige Fugato in Quasi Faust aus Alkans Sonate? An sich ist das Klavier, und vor allem ein einzelner Pianist, ja nicht das geeignete Medium, um so etwas klar darzustellen. Aber die Transzendenz dieses Momentes, das an-die-Grenzen-Stossen, kann durch ein Ensemble nicht so vermittelt werden, selbst wenn es die Polyphonie vielleicht klarer darstellen kann.
Übrigens fallen mir bei Reger als erstes Bach- und Telemannvariationen ein. Ich würde mal sagen, wenn Leute das "unpianistisch" nennen, meinen sie eigentlich einfach "sauschwer" :p Wenn man gute Interpretationen hört (z.B. Hamelin), sollte kein Zweifel kommen, dass das sehr effetkvoll dargeboten werden kann.
Oder mit Musik, die sich absichtsvoll jeglicher Virtuosität verweigert?
Musterbeispiele: Satie, Hauer, Cage, Feldman, Pärt.
Es gibt ja nicht nur um Fingerakrobatik, wenn es gilt, ein Werk darzustellen. Auch solche Musik kann schliesslich gut oder weniger überzeugend gespielt werden.
PS.
exhibitionistischen Bedürfnisse
Da hat sich in eine scheinbar neutrale Frage doch ein recht (ab)wertendes Adjektiv eingeschlichen ;)
PPS.
Danke für die Erwähnung des Namens - ich kannte noch gar nichts von ihm und habe auf Youtube gleich ein sehr interessantes Stück gefunden:
http://www.youtube.com/watch?v=TFsHJze5IBw