Frage zu Stufenbezeichnungen

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Tastimo

Guest
Ich weiß, es ist als studierter Musiker vielleicht etwas peinlich, diese Frage zu stellen, trotzdem habe ich bisher noch keine überzeugende Klärung gefunden.

Wenn ich mich mit anderen Musikern über Stufenbezeichnungen verständigen möchte, wende ich ja von vornherein die leitereigenen Funktionsbezeichnungen an, also z.B. in Dur I - IV.

Wie ist das nun in Moll? Grundsätzlich ist mir das natürlich klar. Aber da es vier Molltonleitern (nat., mel., harm., dor.) gibt, müsste man ja im natürlichen Moll von bVII. Stufe sprechen, obwohl die Lehrbücher diese Stufe die VII. (ohne b) nennen.

Und dementsprechend wäre es ja auch sinnvoll die III. Stufe in Moll als bIII zu bezeichnen, vor allem wenn man Modal Interchange macht und zwischen Dur- und Mollstufen springt.

Was meint ihr zu diesem Problem?
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Ergibt sich das nicht aus dem Zusammenhang?
(ich bin Funktionstheoretiker)
 
Ergibt sich das nicht aus dem Zusammenhang?
(ich bin Funktionstheoretiker)
Ja, eben, ich auch. Das macht das Umdenken in Stufen bei meiner Frage etwas komplex.

Eine Funktionsbezeichnung beinhaltet bereits die feste Zuordnung zu einer Stufe und schließt Mehrdeutigkeiten aus. Die Stufentheorie ist zwar auf den ersten Blick praktikabler, aber erscheint mir im Hinblick auf meine Frage auch unklarer.
 
In den USA verwendet man groß und Kleinbuchstaben. Also I IV V I bzw. i iv V i.
 
Ich habe die Diskussionsseite des Wikipedia-Artikels zur Stufentheorie gelesen und dort wird sinnvollerweise erläutert, dass eine Vermengung mit der Funktionstheorie zu vermeiden ist, weil z.B. die VI. Stufe in Moll eine ganz andere Funktion ist als in Dur. Das ist natürlich eine Binsenweisheit.
Daher nun meine Frage:
Warum ist es in der Funktionstheorie nicht üblich, von vornherein in Moll z.B. bVI. Stufe zu schreiben statt VI. Stufe? Das erspart doch auch die Angabe des jeweiligen Tongeschlechts und ermöglicht Eindeutigkeit im Gewirr der gegenseitigen Durchdringung von Dur und Moll und der anderen (v.a. Moll-)Tonleitern.
Zudem könnte man dann auch die Stufentheorie und die Funktionstheorie eins zu eins aufeinander beziehen. Eine solche Gegenüberstellung in umfassender Form habe ich aber bisher nirgends gefunden, obwohl dies ja bis auf die Formulierung der #IV. Stufe möglich wäre.
 
Ich finde es trotzdem erstaunlich, dass sich (bei uns) die eindeutige Schreibweise bVI = tG (eindeutiger Bezug zu Moll) bzw. VI = Tp (für Dur) nicht durchgesetzt hat, obwohl es eigentlich logisch und naheliegend ist.

Was genau willst du eigentlich bezwecken? Die Stufentheorie ist nicht dazu gedacht, die Generalbassschreibweise oder die Akkordymbole der Jazz-Harmonielehre zu ersetzen.
 
Was genau willst du eigentlich bezwecken? Die Stufentheorie ist nicht dazu gedacht, die Generalbassschreibweise oder die Akkordymbole der Jazz-Harmonielehre zu ersetzen.
Nein, aber eine mögliche Verbindung zweier Denksysteme schaffen, die immer als getrennt betrachtet werden, obwohl sie die selben Phänomene beschreiben bzw. erklären.
Hinzu kommt die Verständigung: Wenn ich mit Musikern über I-VI-IV-V spreche ("Sechzehnfünfundvierzig" nennen das auch manche), muss ich immer dazu sagen, ob es in Dur oder Moll gemeint ist. Das mag bei diesem simplen Beispiel noch unkompliziert sein, aber wenn man in Moll auf diese Weise sprechen will, oder eben Modal Interchange benutzt, wird es schwierig.
Daher meine Idee (die in die Richtung von Stilblütes Einwurf geht): Warum nicht Stufenbezeichnungen nutzen, die bereits die strukturellen Besonderheiten des jeweiligen Tongeschlechts beinhalten? Was ich damit bezwecke, ist sozusagen die Differenziertheit der Funktionsbezeichnungen kombiniert mit der Einfachheit der Stufenbezeichnungen, sodass eine Begrenzung von vornherein auf ein bestimmtes Tongeschlecht nicht mehr nötig ist.

Die Alternative, direkt in Akkordsymbolen zu kommunizieren, ist mir natürlich auch klar. Hier fehlt mir aber der Abstraktionsgrad.
 
Ich bin bisher stillschweigend davon ausgegangen (und hab's auch so unterrichtet), dass die Stufen in Moll ohne Sonderbezeichnung der harmonischen Molltonleiter folgen.
Also: IV Moll, V Dur, VI Dur, VII verkürzt
a-Moll d E F E7

Ausnahme bildet die dritte Stufe, die mit der erniedrigten 7. Stufe (Dur-Paralelle) gebildet wird.

In der Hochschule hatten wir ein seltsames Gemisch von Stufen- und Funktionstheorie.
Inzwischen scheint mir (ab Klassik) die funktionale Auffassung aussagekräftiger, da die harmonischen Verläufe und Strebetendenzen meist besser abgebildet werden und leichter zu kommunizieren sind. Ich denke da besonders auch an Schüler.
 
Wir auch. Es wurde nicht einmal als zwei verschiedene Systeme behandelt, sondern gehörte zusammen, eine Symbiose sozusagen.
Ja, das ist ja gerade mein Ziel, es zu verbinden. Aber universell, nicht nur auf Dur oder Moll bezogen. Das geht auch. Die Grundlage ist dann die chromatische Tonleiter. Es muss nur noch der Grundton festgelegt werden.

Z.B. ist As-Dur in C-Dur ein leiterfremder Akkord (bzw. im Sinne des Modal Interchange aus Moll entliehen). Die Stufenfolge wäre dann in C-Dur „I - bVI“. In c-moll wäre es „Im - bVI“.

Mediantische Verbindungen lassen sich so auch gut darstellen:
Z.B. die Akkordfolge C - A wäre dann I - VI (C - Am entspricht ja I - Vlm)
Eigentlich logisch und simpel, aber merkwürdigerweise nicht bis in die letzte Konsequenz üblich.
 

Die Funktionstheorie ist allerdings ein Analysewerkzeug aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Als Akkordschreibweise war sie nie gedacht, schon gar nicht für Akkorde, die über den damals üblichen Vorrat hinausgehen. Der Vorteil der Stufentheorie ist eben ihre Einfachheit - man kann floskelhafte Akkordfolgen in jedem Dur- und Moll-Kontext erkennen und beispielsweise die Oktavregel, die Funktionsweise von Sequenzen und Kadenzformeln sehr anschaulich vergleichen.

Erweitert man nun diese einfache Theorie und öffnet sie für alle möglichen Sonderfälle, verliert sie die Vorteile, die sie gegenüber der Funktionstheorie hat. Ich halte das nicht für besonders sinnvoll.
 
@mick
Die Sonderfälle (Dur, reines Moll, dorisch usw.) muss man ja so, wie es momentan zumindest in Deutschland ist, immer dazu nennen. Wenn man die chromatische Skala als Grundlage nähme, würde doch genau das wegfallen.
 
Die Sonderfälle (Dur, reines Moll, dorisch usw.) muss man ja so, wie es momentan zumindest in Deutschland ist, immer dazu nennen.

Es kommt drauf an, was man erreichen will. Um ein Sequenzmodell zu erklären, ist in erster Linie der Abstand der Stufen wichtig. Das kann man dann in jeden Dur- bzw. Moll-Kontext übertragen - es ändert sich nur der Startpunkt einer Sequenz. Ob ein Akkord innerhalb der Sequenz nun eine große oder eine kleine Terz enthält, ist für die Funktionsweise der Folge erstmal zweitrangig. Im Gegensatz zur Funktionstheorie erklärt die Stufentheorie ja nicht das Spannungsverhältnis der verbundenen Akkorde.

Was du dir vorstellst (falls ich dich richtig verstanden habe), ist eine Theorie, mit der man alles erklären bzw. beschreiben kann. Ich frage mich nur, welchen Nutzen die hätte? Eine Theorie dient in aller Regel dazu, Zusammenhänge zu abstrahieren und vergleichbar zu machen, genau das wäre aber mit einer "Universaltheorie" kaum noch möglich.
 
@mick
Ok, das leuchtet ein.
Was ich suche, ist aber keine Universal-Theorie, sondern eine Universal-Verständigung, die es aber wohl nicht geben kann, wahrscheinlich weil die ursprünglichen Zielansätze zu unterschiedlich sind.
Trotzdem schade.
 

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