Erfahrungsaustausch Spätberufene

aber wir waren so konzentriert bei der Arbeit, dass die Zeit einfach nur so flog.
Da geben sich die Überziehungen wohl alle nichts ... ich sehe es allerdings auch nicht ein, den Unterricht abzubrechen, nur weil der kleine Diktator (Uhr) meint, die Zeit sei rum.
Wenn ich mit etwas angefangen habe, dann fühle ich mich verpflichtet, den Schüler wenigstens in die Lage zu versetzen, damit auch sinnvoll üben zu können.
Wenn das halt man länger dauert, dann ist das eben so.
Zum Glück arbeite ich nicht am Fließband und kann mir das zeitlich leisten. Da ich Hausbesuche mache, muss ich eh Zeiten für die Fahrten einplanen ... das mache ich dann eben etwas großzügiger.
 
Gestern im Unterricht mal wieder ein typisches Phänomen.

Mein Klavierlehrer hatte noch kurz etwas mit der Mutter und dem Schüler vor mir zu klären und wollte sich noch schnell was zu trinken holen. Ich spiele mich derweil kurz ein. Die Tür zum Unterrichtsraum steht offen damit der Raum auch noch einmal kurz durchlüftet. Auf dem großen Flur sind anfänglich mein KL mit oben besagten Personen und auch noch andere Schüler.

Die Leute waren mir aber völlig schnuppe, daran hab ich mich zum Stundenbeginn gewöhnt. Ich fange dann an mein aktuelles Stück zu spielen, alles lief bestens...., bis ich plötzlich meinen KL aus dem Augenwinkel bemerke. Er stand da inzwischen schon eine Weile und hatte mir bis dahin unbemerkt über die Schulter guckte. Solange ich ihn nicht bemerkt hatte war die Welt noch in Ordnung und dann:" Oh xy steht da :017:!"
Rumms...ab dem Moment spiele ich nur noch Murks.
Das ist doch irgendwie nicht normal, offene Tür und die Leute auf dem Flur stören mich nicht, meine Familie zu Hause im gleichen Raum stört mich nicht mehr, aber sobald ich weiss, dass mein KL mir auf die Finger guckt ist es vorbei.

Wenn er mir aber während des Unterrichtes beim Üben einer Phrase o.ä. auf die Finger guckt, mich dann sogar noch verbessert, stört es mich doch auch nicht. Warum nur, sobald ich ihm was vorspielen soll?:016:
 
Ja, das ist typisch.
Es ist nicht der Lehrer, es bist Du selbst. In dem Moment, da Du ihn wahrnimmst, setzt Deine eigene Kritik ein, Du hinterfragst, was Du gerade tust, Du bist also: abgelenkt.
Du bist nicht mehr im Spiel, wie es sonst der Fall ist, sondern Du fängst an, Dich zu regulieren, Du hörst anders als vorher, mit den Ohren eines Anderen.
Und wenn ich Dir jetzt den Tipp gebe: Hör auf zu denken!, dann sagst Du zu Recht: Ja, toll! Wie soll ich das denn machen?
Eine gute Möglichkeit ist, beim Üben sich vorzustellen, dass Dein KL zuhört, Du wirst Dinge wahrnehmen, die Du sonst nicht hörst und spürst. Dann ist weiterhin gut, gezielt Aufnahmen zu machen. Mit der Zeit wird es besser werden.
 
Ja, das ist typisch.
Es ist nicht der Lehrer, es bist Du selbst. In dem Moment, da Du ihn wahrnimmst, setzt Deine eigene Kritik ein, Du hinterfragst, was Du gerade tust, Du bist also: abgelenkt.
Du bist nicht mehr im Spiel, wie es sonst der Fall ist, sondern Du fängst an, Dich zu regulieren, Du hörst anders als vorher, mit den Ohren eines Anderen.
Und wenn ich Dir jetzt den Tipp gebe: Hör auf zu denken!, dann sagst Du zu Recht: Ja, toll! Wie soll ich das denn machen?
Eine gute Möglichkeit ist, beim Üben sich vorzustellen, dass Dein KL zuhört, Du wirst Dinge wahrnehmen, die Du sonst nicht hörst und spürst. Dann ist weiterhin gut, gezielt Aufnahmen zu machen. Mit der Zeit wird es besser werden.

Das es eine rein mentale Geschichte ist, davon bin ich auch überzeugt. Wir hatten gestern im Unterricht auch darüber gesprochen und ich meinte zu ihm, dass ich ja weiss, wenn er zugegen ist, dass er anders zuhört, auf meine Finger schaut und analysiert was ich mache, im Gegensatz zu meiner als Familie. Das deckt sich ja mit deiner Einschätzung. Ich habe allerdings noch nicht darüber nachgedacht, dass dann mein eigener Kritiker ebenfalls anfängt zu analysieren.

Den Tip mir vorzustellen, er wäre z.B. auch zu Hause anwesend werde ich auf jeden Fall versuchen umzusetzen, das ist ein interessanter Ansatzpunkt.:idee:

Aufnahmen mache ich zu Hause immer wieder zwischendurch auch für den Unterricht, damit mein KL auch mal zwischendurch hört, dass ich es deutlich besser kann, als das, was ich im Unterricht abliefere und diese Aufnahmen habe ich dann inzwischen auch relativ zügig fertig.
 
@Cheval blanc , herrlich . Ihr seid klasse. :lol:
 
Bei mir ist derzeit angesagt: Mit Einstiegspunkten starten, Übergänge üben ..... mit Einstiegspunkten starten, Übergänge üben ...... mit Einstiegspunkten starten, Übergänge üben ...... mit Einstiegspunkten starten, Übergänge üben ......

...und dann, in der KL-Stunde :puh:
 
Bei mir ist derzeit angesagt: Mit Einstiegspunkten starten, Übergänge üben ..... mit Einstiegspunkten starten, Übergänge üben ...... mit Einstiegspunkten starten, Übergänge üben ...... mit Einstiegspunkten starten, Übergänge üben ......

...und dann, in der KL-Stunde :puh:
...mußt Du auch üben, mit dem Anfang starten.... daran denken...der letzte Ton muß stimmen, wenn Du keinen Fehler bis zum letzten Takt gemacht hast..... dann dort bewußt falsch spielen....dann gelingt auch der letzte Ton. ;-)
 
Aufnahmen mache ich zu Hause immer wieder zwischendurch auch für den Unterricht, damit mein KL auch mal zwischendurch hört, dass ich es deutlich besser kann, als das, was ich im Unterricht abliefere und diese Aufnahmen habe ich dann inzwischen auch relativ zügig fertig.
Deine Schilderungen decken sich so sehr mit meinem Erlebnis, dass ich fast glaube, dass du mir die Geschichte gestohlen hast ;-D

Ich lerne jetzt seit ein paar Monaten, habe jede Woche einmal Unterricht, und bei jeder Praesentation meiner Hausaufgaben spiele ich auch nur Murks. Irgendwann hab ich dann mal Videos vom Ueben zuhause an meine KL geschickt. Sie meint, dass meine Finger viel lockerer als im Unterricht sind. Ich dachte immer, das Klavier im Unterricht sei anders, aber jetzt weiss ich, dass es an mir liegt.

Und ich erlebe es exakt so wie du, dass ich bei Anwesenheit meiner KL anfange, mich selbst zu beobachten und zu kontrollieren, statt einfach nur wie zuhause auch das Stueck runterzuspielen. Meine Finger sind auch relativ nervoes in dem Moment, sie zittern weniger als dass sie wie versteinert sind, als wuerde ich in einem dickfluessigen Brei wuehlen. Und die ueberfluessige Selbstkontrolle geht sogar soweit, dass sie waehrend des Spielens rueckwirkend beurteilt, ob ich die inzwischen verspielten Noten auch wirklich schoen gespielt hab. Mein Hirn ist dann irgendwie gefangen in der Vergangenheit, statt sich auf die noch zu spielenden Takte zu konzentrieren, und dann wiederhole ich Takte versehentlich oder verpasse wichtige Details.

Ich sehe oft kleine Kinder, die es absolut lieben, sich zu praesentieren. Kein Spur von Nervositaet. Ich koennte mir im Moment nicht vorstellen, eine Pruefung abzulegen. Das waere ein Disaster.

Man guckt halt zum KL auf, man moechte ihn nicht enttaeuschen, vielleicht weil man befuerchtet, dass er einen dann nicht mehr so ernst nehmen koennte, man hat sich selbst vielleicht auch ein hohes Ziel gesetzt, mit dem man sich selbst zuviel Druck macht. Ich will natuerlich meine Hausaufgaben jedesmal bis zur Perfektion einstudieren, aber das ist unmoeglich.

Ausserdem fehlt mir so ein bisschen der Vergleich mit anderen Schuelern, also ich weiss gar nicht, wie ich mich einschaetzen soll. Bin ich ein schlechter oder guter Schueler im Vergleich zum Durchschnitt? Meine KL sagt dazu ueberhaupt nichts. Ist auch eigentlich ueberhaupt nicht wichtig, aber es koennte ein bisschen zum Selbstvertrauen beitragen.

Mir wurde dann auch von zwei KLs empfohlen, oefter Videos zu machen, weil das wirkt, als haette man Publikum. Ich glaube, dadurch ist es bereits um 1% besser geworden :-D
 

Das mit dem Video kann ich bestätigen. Im Unterricht spielt man ja meist schlechter als zuhause, aber wenn eine Kamera läuft, ist es noch schlimmer… :cry2: Ich habe z. B. die Clementi-Sonatine 36/2 relativ souverän in den Fingern und wollte sie neulich mal aufnehmen – keine Chance, dass dabei irgendwas Gescheites bei rauskommt. Im Endeffekt zeigt das Video gar nicht meinen aktuellen Stand, weil so viel Murks passiert ist, dass man es eigentlich gar niemandem zeigen mag…:blöd: Muss wohl einfach so lange vor der Kamera spielen, bis es mich nicht mehr stört.:coolguy:
 
Liebe Leute,
Dahinter steckt ein völlig anderes Phänomen! Doch darüber müsste ich einen langen Artikel schreiben - und wozu sollte ich meine Geheimnisse kostenlos preisgeben?
In meinem Unterricht spielen alle auf ihrem echten Niveau. Ohne dafür mehr zu tun. Es ist eine Frage des Wissens und der Zielrichtung.
Aber: ich habe darüber erst sehr wenig gelesen und Studien darüber gibt es leider keine. Ich kann die Studie dazu auch nicht bezahlen, würde aber eine Garantie abgeben, dass das Wissen um bestimmte Dinge die Performance stark verbessert.
 
Das mit dem Video kann ich bestätigen. Im Unterricht spielt man ja meist schlechter als zuhause, aber wenn eine Kamera läuft, ist es noch schlimmer… :cry2: Ich habe z. B. die Clementi-Sonatine 36/2 relativ souverän in den Fingern und wollte sie neulich mal aufnehmen – keine Chance, dass dabei irgendwas Gescheites bei rauskommt. Im Endeffekt zeigt das Video gar nicht meinen aktuellen Stand, weil so viel Murks passiert ist, dass man es eigentlich gar niemandem zeigen mag…:blöd: Muss wohl einfach so lange vor der Kamera spielen, bis es mich nicht mehr stört.:coolguy:

Wie nimmst du auf? Springst du bei jedem Fehler auf und startest neu?

Ich lasse die Kamera inzwischen laufen und mache nur ein Break, wenn ich 3-4 mal nur totalen Murks gespielt habe. Oft benötige ich dann nur noch 1-2 Breaks, bis ich eine brauchbare Aufnahme für meinen KL hinbekomme. D.h. nicht, dass da nicht noch ein kleiner Verspieler drin sein kann, die Aufnahmen sind ja nicht zum Veröffentlichen, sondern nur um den derzeitigen Stand zu dokumentieren.
Irgendeinen blöden Fehler hau ich eh immer irgendwo rein, das gehört halt zu mir. ;-)

Sollte ich jemals das perfekte Spiel abliefern höre ich sofort auf.... :lol:

..was aber (zum Glück) nie passieren wird.
 
Wie nimmst du auf? Springst du bei jedem Fehler auf und startest neu?

[…]
Ich wollte pro Satz nur einen Take haben und hab deshalb bei Fehlern, die ich nicht verantworten will, abgebrochen… Nach einer Stunde hatte ich drei Videos, die ich vertreten kann. :heilig:

Was die Fehler erzeugt hat, ist natürlich die Aufregung durch meine eigene Erwartungshaltung, was Brauchbares zu produzieren. In Zukunft sollte ich einfach laufen lassen, und wenn was Gutes dabei ist, kann ich das immer noch rausschneiden und teilen.
 
Zum Stichwort Wissen:
Meine KL hat mir gesagt, dass man langsam und bewusst ueben soll, also sich bewusst machen, welcher Finger auf welche Taste gehoert, so dass man bei Nervositaet oder auf anderen Klavieren souveraen spielen kann.

Ein anderer Tipp war, dass man beim Ueben so wenig Fehler machen soll, wie moeglich. Denn auch Fehler praegen sich ein, wenn man sie oft genug wiederholt. Die Menge des korrekten Spielens muss die Menge der Fehler weit uebersteigen. Ich hab am Anfang immer zu schnell geuebt mit der Absicht, kleine Fehler spaeter auszubuegeln. Jetzt uebe ich so langsam, dass ich (fast) keinen Fehler mehr mache. Das braucht extrem viel Geduld, denn dann dauert halt eine Ganze mal ein paar Sekunden geschweige denn was ein ganzes Stueck dauert :-D

Ich hab auch schon erlebt, dass ich ein Uebungsstueck nur schnell spielen konnte, weil ich es immer schnell geuebt hab. Bei langsamerem Tempo hab ich dann noch mehr Fehler gemacht.
 
Ich wollte pro Satz nur einen Take haben und hab deshalb bei Fehlern, die ich nicht verantworten will, abgebrochen
Ich glaube, das ist die bessere Vorgehensweise, denn dann hat man quasi nur einen Versuch. Das kommt einer Pruefung oder dem Praesentieren im Unterricht gleich. Wenn man das Video einfach weiterlaufen laesst, dann ist das ja kein Unterschied zu ohne Video.
 
Meine KL hat mir eingeprägt, Fehler beim (Vor-)spielen zu ignorieren, einfach weiter spielen und wenn das nicht direkt bei den nächsten Noten geht, beim nächsten Einstiegspunkt -den ich mir im Stück festgelegt habe- nahtlos weiter spielen. Garnicht so einfach, ich steh meist da wie der Ochs vorm Berg, wenn ich Fehler mache, flieg raus und fange eine Phrase oder einen Abschnitt vorher wieder an. Und das sollte man tunlichst NICHT machen. :-D
Die Fehler merken und im Nachgang die heiklen Stellen gesondert üben und vertiefen.
.... Oft benötige ich dann nur noch 1-2 Breaks, bis ich eine brauchbare Aufnahme für meinen KL hinbekomme.
Eine Aufnahme aus vielen (gelungenen) Einzelabschnitten zusammen zu basteln finde ich jetzt nicht so toll, zumindest nicht für das fehlerfreie Üben. Oder habe ich das falsch verstanden?
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich wollte pro Satz nur einen Take haben und hab deshalb bei Fehlern, die ich nicht verantworten will, abgebrochen… Nach einer Stunde hatte ich drei Videos, die ich vertreten kann. :heilig:

Was die Fehler erzeugt hat, ist natürlich die Aufregung durch meine eigene Erwartungshaltung, was Brauchbares zu produzieren. In Zukunft sollte ich einfach laufen lassen, und wenn was Gutes dabei ist, kann ich das immer noch rausschneiden und teilen.

Ich schneide bei den brauchbaren Aufnahmen den Rest später einfach raus. Für mich erhöht sich die Wahrscheinlichkeit etwas brauchbares zu bekommen beim einfach Laufenlassen deutlich. Bei jedem Aufspringen und neu Starten der Aufnahme stieg bei mir das Frustpotential und die Konzentration sank zunehmend.
 

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