Die Tonart und ihre Auswirkung auf das Stück

Da fällt mir auf, daß die meisten Charakterisierungen eher alt sind - vor 1800.
Oben haben wir schon die Stimmung des Instrumentes genannt - wie wurde damals gestimmt, und wirkten sich dadurch andere Tonarten womöglich deutlicher aus als heute mit eher gleichschwebender Stimmung?
Was das ganze schwerer macht ist, dass ja im Barock nicht mal eine Einheitliche Stimmung herrschte, also wo man hinfuhr, irgendwo wurde ne andere Frequenz für das A benutzt, ich weiß nicht genau wann das vereinheitlicht wurde
 
Leider kann ich das nicht beurteilen, ich habe davon leider nur eine sehr kurze Hörprobe gefunden. Es erstaunt mich, dass man bei YouTube zwar einige Werke von de Vries findet, aber nicht dieses. Es ist auf einer CD dieser Kollektion zu finden. Aber ansonsten bin ich leider nicht fündig geworden.

Hast Du einen Tipp für mich wie/wo ich das Stück hören kann?
Ich habe es auf der 25 CD Box des Schönberg Ensembles unter Reinbert de Leeuw (Copyright von 2006, Aufnahmedatum 1999). Den Klavierpart spielte der renommierte und mittlerweile ziemlich bekannte Komponist Thomas Adès. Die Box war beim Label Etcetera verlegt unter dem Titel ''A century of music in perspective''. Die bislang unübertroffene Collection dieser Art in meiner Sammlung (ist aber kein Schwerpunkt bei mir). Man wird sie wahrscheinlich im Label-Katalog nicht mehr finden, vielleicht antiquarisch noch. Ansonsten vielleicht mal das Ensemble anmailen (wenn es noch besteht, in Corona-Zeiten haben ja viele Ensembles aufgegeben).
Im übrigen ist die sich unter YouTube entwickelnde Musik/Hör-Kultur selektiv, sehr viele Stücke findet man dort nicht.
Aah - ich sehe den Link - du hattest sie schon entdeckt.
 
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Was das ganze schwerer macht ist, dass ja im Barock nicht mal eine Einheitliche Stimmung herrschte, also wo man hinfuhr, irgendwo wurde ne andere Frequenz für das A benutzt, ich weiß nicht genau wann das vereinheitlicht wurde
@Eroico en detail zu Tonhöhen in der Barockzeit dürfte schwierig zu ermitteln sein - fest steht, dass in der Frühklassik die Instrumente nicht auf den heutigen Kammerton gestimmt waren, sodass ein auf heutige Hörgewohnheit "geeichtes" Hören unter Umständen der historischen Tonhöhenlage nicht entspricht (salopp gesagt konnte damals das adagio der Pathetique tiefer klingen als heute gewohnt)

Mindestens ebenso relevant für "Charakterzuweisungen" zu den Tonarten ist der jeweilige Tonumfang, jedenfalls bei Klavieren. Wie schon erwähnt änderte sich der Tonumfang stark von Mozart zu Chopin, was den Gebrauch der Tonarten auf dem Klavier veränderte (was gestattete wann tiefe Bässe usw.)

Die "Königin der Instrumente" - die Kirchenorgel - hatte sich da der Tonumfang wie bei den Klavieren ebenfalls von Barock bis in die Romantik auffallend erweitert? (diese Frage ist interessant, sofern die Kirchenorgel da kaum Veränderungen aufweist, ihr Tonumfang aber quasi als Referenz des jeweils möglichen betrachtet werden kann)
 
@Eroico en detail zu Tonhöhen in der Barockzeit dürfte schwierig zu ermitteln sein
Blasinstrumente (auch Orgeln) geben ganz gute Hinweise.
Die "Königin der Instrumente" - die Kirchenorgel - hatte sich da der Tonumfang wie bei den Klavieren ebenfalls von Barock bis in die Romantik auffallend erweitert? (diese Frage ist interessant, sofern die Kirchenorgel da kaum Veränderungen aufweist, ihr Tonumfang aber quasi als Referenz des jeweils möglichen betrachtet werden kann)
Das liegt daran, dass es unterschiedliche Fußtonlagen gibt, sodass die Orgel von allen Instrumenten dennoch den größten Tonumfang hat. Große Änderungen gab es in der Tat nicht, oft reichte der Manualumfang von C - c''', wobei in der tiefen Oktave Halbtöne fehlen konnten (z. B. Ausführung als Kurze Oktave oder Gebrochene Oktave). Heutzutage reicht er meist von C - g''' oder auch c''''. Bezüglich des Pedalumfangs gab es eine größere Variabilität, aber vereinzelt reichte er im Barock sogar von C - f', wie heute üblich.
 
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Oder hier, aber den Preis finde ich für gebrauchte CDs ziemlich verwegen.
Kurios, ich habe weniger als 10 % davon bezahlt, vor ca. 12 Jahren. Damals schloss der CD-Laden. Der Verkäufer hat es mir günstiger gegeben. CD's als Geldanlage - taugt in der Regel nur zum Geldverbrennen. Nach Auskunft eines Fachmanns wird der Sammlerwert und damit der Verkaufswert allerdings in naher Zukunft wieder steigen, so wie bei Vinyl schon passiert. Bei solchen Editionen ist das möglicherweise schon eingetreten.
 
Für die CDs, die nicht im Streaming-Angebot auftauchen sicher im Steigen. Ansonsten haben CDs nicht den Sex-Appeal von Schallplatten.

Zu den Tonarten, Joszef Gat, an dem ich immer noch lese, schreibt:
"Mit Hilfe der Zwischenknochenmuskeln können brillante Klangwirkungen und weich verklingende Passagen mit der gleichen Leichtigkeit gespielt werden. [...] Das ist die Erklärung dafür, daß zum Beispiel Chopin kaum in D-dur schrieb (gebeugte Haltung) [der Finger] ... " S.125 (Bei Interesse kann ich die komplette Textstelle als Foto einstellen.)
Das Buch ist wirklich sehr interessant, auch wenn das in der Absolutheit wieder mal nicht stimmt.
 
@Eroico

Die "Königin der Instrumente" - die Kirchenorgel - hatte sich da der Tonumfang wie bei den Klavieren ebenfalls von Barock bis in die Romantik auffallend erweitert? (diese Frage ist interessant, sofern die Kirchenorgel da kaum Veränderungen aufweist, ihr Tonumfang aber quasi als Referenz des jeweils möglichen betrachtet werden kann)

Der Tonumfang von Orgeln hat sich sehr wohl mit massiv verändert, nicht nur bezüglich kurze Oktave und nicht nur im Pedal. Es gab schon in der Renaissance (es gab schon vor Bach Kunstmusik) Manuale, die tiefer gingen als bis zum C:


Die Pedale fingen auch nicht immer beim C an. Und das hat nicht nur zeitliche, sondern sehr stark örtliche Komponenten.

Cembali haben auch sehr unterschiedliche Tonumfänge. Und noch heute ist bei Orgeln der Tonumfang nicht so ganz genormt. 4 1/2 und 5 Oktaven (C-g''' und C-c'''' sind gängig, es gibt aber auch noch weitere Umfänge. Auch gehen nicht alle Orgeln im Pedal von C bis f', auch wenn AUsnahmen da eher selten sind.

Da fällt mir auf, daß die meisten Charakterisierungen eher alt sind - vor 1800.
Oben haben wir schon die Stimmung des Instrumentes genannt - wie wurde damals gestimmt, und wirkten sich dadurch andere Tonarten womöglich deutlicher aus als heute mit eher gleichschwebender Stimmung?

Der Einfluss der Temperatur ist je nach Temperatur enorm, viel größer, als alles, was hier sonst diskutiert wir. Dazu muss berücksichtigt werden, dass es nicht nur mitteltönig und gleichstufig temperiert gibt, sondern diverse Temperaturen.
GANZ WICHTIG: In der Barockzeit ist wohltemperiert nicht das unbedingt das gleiche, wie die gleichstufige Stimmung heute. Mit der modernen Stimmung klingen alle Tonarten (Tonumfänge und Resonanzen beim Tasteninstrument ausgenommen) gleich. Bei wohltemperierten Stimmungen soll in allen Tonarten musizieren möglich sein ohne üble Wolfsquinte, ich würde aber sogar vermuten, dass Bachs Wohltemperiertes Clavier vor 300 Jahren in einer historischen Temperatur und nicht gleichstufig temperiert erklungen ist (wobei diese Temperatur sicher näher an der gleichstufigen war als andere zu der Zeit gängige Temperaturen wie die SIlbermann-Sorge-Temperatur).

Aus dieser Vielzahl an Temperaturen ergibt sich aber, dass die gleiche Tonart z.B. vor 300 Jahren an einer Silbermann-Orgel mit Silbermann-Sorge-Temperatur anders klingt, als 100km weiter westlich an einem Werk von Trost oder an einem Instrument von Holy in Norddeutschland.

Cembali oder andere historische Tastenisntrumente mit Saiten dürften mindestens genau so divers in Sachen Temperatur gewesen sein.

Da war aber dann nicht nur der Charakter anders, sondern es gab auch die Problematik, dass manches in manchen Temperaturen wirklich nicht sinnvoll machbar ist, seien Wolfsquinten etc., zu geringer Tonumfang oder kurze Oktaven und Konsorten der Grund dafür.
 
Der Tonumfang von Orgeln hat sich sehr wohl mit massiv verändert, nicht nur bezüglich kurze Oktave und nicht nur im Pedal. Es gab schon in der Renaissance (es gab schon vor Bach Kunstmusik) Manuale, die tiefer gingen als bis zum C:


Die Pedale fingen auch nicht immer beim C an. Und das hat nicht nur zeitliche, sondern sehr stark örtliche Komponenten.
Das betrifft, wie du erwähnst, die Renaissance, nicht aber die Zeit von Barock bis Romantik.
F-Orgeln wurden im Barock nicht mehr gebaut.
 
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Das betrifft, wie du erwähnst, die Renaissance, nicht aber die Zeit von Barock bis Romantik.

Im Barock gab es Pedale von C bis d', C bis c', selten auch bis f', mit kurzer Oktave, mit "mittellanger Oktave":
mit ganz anderem Tonumfang im Pedal:
mit kurzer Oktave im Manual oder eben nicht, mit Cis oder ohne bei "normal langer Oktave, es gab auch Manuale, die bis d'' gingen - und das alles im deutschen Raum. Ich bin nicht gut darüber informiert, was die in Frankreich oder gar Spanien, Italien, Osteuropa oder Großbritannien da so gebaut haben.

Die größte Konstante dürfte dennoch das C als tiefster Ton im Pedal sein.
 
Im Barock gab es Pedale von C bis d', C bis c', selten auch bis f', mit kurzer Oktave, mit "mittellanger Oktave":
mit ganz anderem Tonumfang im Pedal:
mit kurzer Oktave im Manual oder eben nicht, mit Cis oder ohne bei "normal langer Oktave, es gab auch Manuale, die bis d'' gingen - und das alles im deutschen Raum. Ich bin nicht gut darüber informiert, was die in Frankreich oder gar Spanien, Italien, Osteuropa oder Großbritannien da so gebaut haben.

Die größte Konstante dürfte dennoch das C als tiefster Ton im Pedal sein.
Die Vergrößerungen der Manualumfänge der Orgeln haben sich aber im Vergleich zu den Hammerklavieren in Grenzen gehalten.
Die größere Variabilität bei den Pedalklaviaturen im Speziellen habe ich erwähnt.
 

Interessant in Bezug auf den Kammerton, also die Stimmtonhöhe, könnte dieser Artikel aus der "EuroPiano" sein zusammen mit einer Tabelle mit Stimmtonhöhen bis ins 19. Jahrhundert von Alexander J. Ellis, der hunderte von Vergleichswerten aus Messungen an alten und neuen Stimmgabeln, an Orgeln und Blasinstrumenten und aus anderen Quellen gewann:

So, habe die Dateien sowohl als PDF als auch als Bild (leider Querformat) gepostet und hoffe, dass sie einsehbar sind.

Happy Hour! :002:
 

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Hier die Gegenüberstellung der Stücke aus Bilder einer Ausstellung von Mussorgsky mit ihren Tonarten und ihren Attributen von Charpentier (Cc) und Berlioz (B). Nach meiner Wahrnehmung kommt es am besten hin, wenn man die Angaben von (nach www.koelnklavier.de) Charpentier und Berlioz poolt.
Dass Mussorgski bei der Wahl der Tonart bzw. der Anordnung der Stücke wohl auch etwas anderes im Sinn hatte (Russisches Musikarchiv: ...Zentraltonart Es-Dur. Ausgehend von der Dominanttonart B-Dur über die Molltonika es-Moll führt diese auskomponierte Kadenz schließlich zurück zur Zentraltonart Es-Dur im Finale) sei hier mal außen vor.
Ich hoffe, ich habe mich bei den Tonarten nicht vertippt.

Promenade B-Dur Ch: Großartig, freudig, B: erhaben, ohne Glanz
Gnomus es-moll Ch: Abschreckend, ängstigend, B: sehr ermattet und sehr traurig
Promenade As-Dur Cr: Glänzende Majestät, B: süß, verhangen und sehr edel
Das alte Schloss gis-moll B: wenig klangvoll, traurig, vornehm
Promenade Fis-Dur Ch: keine Angabe, B: strahlend, schneidend
Tuillerien H-Dur Ch: herb, klagend, B: erhaben, volltönend, strahlend
Bydlo gis-moll s.o.
Promenade d-moll Ch: ernst und feierlich, B: düster, klangvoll und ein wenig gewöhnlich
Ballett der Küchlein F-Dur Ch: Wütend und temperamentvoll, B: keine Angabe
Goldenberg und Schmuyle b-moll Ch: unklar und schrecklich, B: düster, gedämpft, heiser, aber erhaben
Promenade B-Dur Ch: großartig, freudig, B: erhaben, aber ohne Glanz
Limoges Es-Dur s.u.
Catacombae h-moll Ch: einsam und traurig, B: sehr vollklingend, wild, herb, finster, brutal
Con mortuis in lengua mortua (Promenadenvariation) h-moll s.o.
Hütte auf Hühnerfüssen C-Dur Ch: freudig, kriegerisch, B: schwermütig, gedämpft, glanzlos
Bahatyr-Tor in Kiew Es-Dur Ch: grausam und roh, B: majestätisch, durchaus vollklingend, süß, schwermütig

Es gibt erstaunliche Übereinstimmungen, aber auch Abweichungen. Jeder bilde sich selbst seine Meinung.
 
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Bei Charpentier handelt es sich allerdings um Marc-Antoine (Règles de composition, 1692). Ob es zielführend ist, ausgerechnet diesen Franzosen als Beleg für Mussorgskys „Bilder“ anzuführen, scheint mir sehr zweifelhaft.

Das Bemühen, den Tonarten „Charaktereigenschaften“ zuzusprechen, ist ein Phänomen der musikalischen „Figurenlehre“ und der musikalischen Rhetorik des 17. und 18. Jahrhunderts. Es entstand aus dem Bemühen, den platonischen Ethos-Gedanken der Musik wiederzubeleben.

Daß z.B. die Tonart Es-Dur auch noch im 19. Jahrhundert mit einem strahlenden, „heroischen“ Charakter assoziiert wird, hängt sicherlich mit instrumentenspezifischen Gegebenheiten (Trompeten) zusammen.

Und nicht zuletzt sollte man bedenken, daß auch Komponisten von Hörgewohnheiten geprägt werden: Wenn Requiem-Vertonungen (wegen welcher Konvention auch immer) in der Regel in d-moll oder g-moll stehen, muß es für den Komponisten schon trifftige Gründe geben, aus dieser Konvention auszubrechen.
 
Einzelne Tonarten haben die Komponisten (koelnklavier.de) offenbar ausgelassen. Cramer hat sich nur für Dur-Tonarten geäußert. Warum einzelne Tonarten fehlen, ergibt sich nicht aus der Quelle.
Es-Dur hatte Sonderrolle: Feldtonart, militärische Bedeutung.
Promenade vor den Tuillerien (nicht explizit mit Promenade überschrieben) ist nicht Fis sondern in H. Kein Generalvorzeichen. Tonartzuweisung gemäß Quelle (Russisches Musikarchiv).
 
Es-Dur war Feldtonart, es erden aber auch andere Tonarten in diesem Zusammenhang eingesetzt, z.B. Das liegt sicherlich auch daran, dass diese Stücke in den Urfassungen wohl kaum für das Feld geeignet waren.
Tschaikowsky - Ouverture 1812 in Es-Dur
Schubert D733 Militärmarsch D-Dur, G-Dur, Es-Dur
Beethoven: Yorkscher Marsch in F-Dur, Grenadiemarsch in B-Dur
Elgar: Pomp & C-Marsch Nr. 1 D-Dur
Schumann: (Kriegslied D-Dur), Soldatenmarsch G-Dur

Trauermarsch Verwendung von Dur, im moll Umfeld
Beethoven Op. 26 Sonate Nr. 12 As-Dur mit Trauermarsch in as-moll-Variation (anl. Beethovens Beerdigung orchestriert)
Beethoven Eroica Satz II c-moll und C-Dur. Berlioz vergibt für C-Dur auch das Attribut ''schwermütig''.
Das Beispiel schlechthin:
Händel: Trauermarsch in Saul, C-Dur (wegen dramatischem Kontext Dur-Wahl sinnvoll)
 
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Gibt es einen Trauermarsch durchgängig in Dur?
In seiner Oper "Orpheus und Euridice" benutzt Gluck für die Trauerarie "Ach, ich habe sie verloren" ("Che farò senza Euridice") reinstes C-Dur. Und es klingt traurig.

Sorry, falls das etwas zu uncharmant formuliert ist, aber ich halte den größten Teil dieser Versuche einer Tonartencharakteristik für reinen Feuilletonismus: viel zu subjektiv, wie bei der Synästhesie. Ist A-Dur jetzt grün (Skrjabin) oder blau (Messiaen)?

Vom Generalbaßzeitalter bis hin zur Klassik mochte eine Tonartencharakteristik begrenzten Sinn haben, den man aber nicht auf eine Zeit übertragen kann, die nur noch die gleichstufig temperierte Stimmung kennt. Dazu kommt: Innerhalb von hundertfünfzig Jahren wurde der Kammerton um über 30 Hz erhöht (!). Und nu?

Bestimmte Zuschreibungen kommen aus der Aufführungspraxis: Es-Dur heroisch? Kein Wunder, bei einer B-Trompete als Militärinstrument. Barocke und klassische Ombra-Szenen in f-Moll oder mit noch mehr B's? Kein Wunder, weil die Posaune in alter Zeit ein B- oder Es-Instrument war und Streichertremoli in Tonarten mit b-Häufung und in mitteltöniger Stimmung wie von selber gruselig klangen. Solche Zuschreibungen wirken nach, als Traditionsbestandteil, auch wenn sie keine Relevanz mehr haben.

Bei der Klaviermusik seit Beethoven habe ich den Eindruck (der genauso subjektiv ist), daß für die Tonartauswahl weniger die Akustik als vielmehr die Optik der Tastatur ausschlaggebend ist, das Verhältnis schwarzer und weißer Tasten zueinander, ob sie den Fingern gut liegen, womit etwas Haptisches dazukommt: So erschließt sich die "Petruschka"-Bitonalität (C-Dur und Fis-Dur-Dreiklänge) sofort durch Blick auf die Tastatur: schwarz gegen weiß. Und darum ist es-Moll rein optisch der fernste Punkt gegenüber C-Dur.
 

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