Die Tonart und ihre Auswirkung auf das Stück

samea

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Ich denke gerade darüber nach, welche Auswirkung die Tonart auf ein Stück hat. Oder anders gesagt, wie verändert sich die Wirkung eines Stückes auf den Hörer wenn ich es transponiere? Lösen bestimmte Tonarten bestimmte Gefühle leichter aus als andere? Wenn ja, welches Gefühl steht für welche Tonart. Wovon machen und machten Komponisten bei einem reinen Klavierstück die Wahl der Tonart abhängig? Kennt jemand zu diesem Thema lesenswerte Literatur?
 
Hallo samea,
Mit genau dem Thema habe ich mich auch bereits beschäftigt. Beethoven soll z.B. c-moll als "die schwarze Tonart" betitelt haben und es gibt auch von anderen Komponisten verschiedene Charakterzuweisungen zu Tonarten. Ich weiß auf jeden Fall, dass es solche Schriften von Berlioz und von Charpentier gibt.

Falls du davon noch nichts gehört hast hier ein Stichwort was dir bei der Recherche helfen sollte: Tonartensymbolik.
Hab hier auch noch ne Seite auf der ich mich mal umgesehen habe, da ist eine Auflistung davon wie viele verschiedene Komponisten und Musiker die Tonarten Kategorisieren: http://www.koelnklavier.de/quellen/tonarten/dur.html

Darüber hinausgehende Unterscheidungen zwischen bestimmten Dur- oder Molltonarten waren durch die Epochen jedoch eher subjektiv und änderten sich immer wieder, aber es finden sich auch gewisse Übereinstimmungen. Andererseits haben renommierte Komponisten und Musiktheoretiker über die Jahrhunderte immer wieder bestritten, dass unterschiedliche Charaktere der Tonarten überhaupt existieren. Unabhängig von dieser kontrovers diskutierten Frage kann jedoch nicht übersehen werden, dass von vielen Komponisten „bestimmte Tonarten als Teil der inhaltlich semantischen Gestaltung und der angestrebten Stimmung bzw. des Affekts bewusst eingesetzt“ worden sind.

Meine Zuordnungen sind auch sicherlich sehr sehr stark davon geprägt welche Stücke ich mit den jeweiligen Tonarten bisher kennen gelernt habe. Ich finde Tonartensymboliken sind eher so Vorurteile die in den Köpfen von Musikern und Komponisten existieren bzw existiert haben die dann auch als eine Art Vortragsbezeichnung fungiert haben aber für die Hörer macht es keinen Unterschied ob es jetzt d-moll oder Ceses-moll ist, zumindest solange nicht jemand mit absolutem Gehör dabei ist.

Ich hoffe das konnte dir etwas helfen :)
 
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Beethoven hat h-moll als „schwarze Tonart“ (offenbar bezogen auf eine Stelle von op. 106) bezeichnet. C-moll spielt bei ihm aber natürlich auch eine große Rolle, wohl eine größere als h-moll.

Interessant ist auch diese Seite: https://www.swr.de/-/id=10671688/property=download/nid=659552/16cifi2/swr2-musikstunde-20130108.pdf
Oh, naja, als wir im Orchester Beethovens fünfte geprobt haben meinte unser Dirigent das glaube ich, aber interessant dass das doch h-moll und nicht c-moll war :002:

Ich hab auch so ein paar persönliche Eindrücke von Tonarten, natürlich kann man das nicht so allgemein fassen weil es halt darauf ankommt wie man die Tonarten benutzt aber das ist so das Bild was ich von den Tonarten in etwa habe:
C-Dur: Hell und Strahlend (Letzter Satz aus Beethovens fünfter Symphonie)
c-Moll: Schwarz, Düster auf eine Verzweifelte und tragische Art (Pathetique, erster Satz)
D-Dur: Gelb, Besonders fröhlich (z.B. Präludium und Fuge aus dem WTK I)
d-Moll: eher leidend, klagend, melancholisch (Anfang von Kalkbrenners erstem Konzert, Mozart d-moll Fantasie)
E-Dur: Grün, Auch sehr fröhlich wie D-Dur und ich bringe die Tonart auch stark mit Natur in Verbindung (Bachs E-Dur Violinkonzert)
e-Moll: rot (Ich hab manchmal nur Farben als Assoziationen, sowas in der Richtung hatte Skrjabin z.B. auch)
F-Dur: blau, Leicht und einfach, ein wenig ernster als C-Dur (Prelude aus der Suite Bergamasque)
f-Moll: sehr dunkeles rot, sehr traurig aber nicht auf eine Weise wie c-moll, nächtlich
G-Dur: Auch eher hell und klar wie C-Dur (Mozarts G-Dur Violinkonzert, Beethovens 25. Sonate)
g-Moll: Etwas düster und rot, irgendwie so ein "kleines c-Moll"
As-Dur: Blau, Ruhig und innig, Wasser (Pathetique 2. Satz, Liszt au bord dune source)
Cis-Dur: ich kanns schlecht beschreiben, weiß, glitzernd, erhaben
cis-Moll: rot/orange, finster auf eine stürmische weise (Chopin op. 10/4) oder demütig und klagend (Chopins cis-moll Nocturne) aber nicht so klagend wie d-moll sondern etwas erleichterter.
Es-Dur: Hat irgendwie etwas "stumpfes" aber auch majestätisches (Beethovens Kaiserkonzert)
Fis-Dur: ähnlich wie Cis-Dur
Man merkt dass sich da viele Beschreibungen wiederholen und sich das manchmal nur in Kleinigkeiten unterscheidet aber auch Kleinigkeiten sind von Bedeutung :001:
 
Zuletzt bearbeitet:
Gerade im Orchester klingen die Tonarten schon recht unterschiedlich; das hängt vor allem mit den mitschwingenden leeren Saiten der Streicher zusammen. Bei A-Dur schwingt ständig etwas mit, bei As-Dur fast nichts. Das ändert den Charakter der Tonarten erheblich.
 
Ich kann nur beitragen, dass die Tonalität bei mir beim Komponieren absolut eine Rolle spielt. Wenn man mal ein Stück in verschiedenen Tonarten spielt, merkt man, dass es in der Originaltonart am Besten klingt.
Ich finde es auch schon lange etwas anmaßend von Musikern, allen voran den Sängern, sich die Musik auf die Kehle zu schmieden, statt nur das zu singen, was ihre Kehle kann.
Mit einem Bariton die Schöne Müllerin zu spielen, ist schon Ohrenvergewaltigung...., auch wenn er schön singt. Das Klavier klingt einfach nicht....Armer Schubert...
 
Mit einem Bariton die Schöne Müllerin zu spielen, ist schon Ohrenvergewaltigung...
Frühester Beleg einer Aufführung mehrerer Lieder des Zyklus ist ein Programmzettel in der Universitätsbibliothek Breslau: Der Bariton Johann Theodor Mosewius führte am 16. Dezember 1825 den Inhalt des ersten Heftes (Nr. 1–4) im Rahmen einer musikalischen Abend-Unterhaltung in der Breslauer großen Provinzial-Ressource auf.

das mit den Liedern ist insgesamt bzgl. der Tonartenrelevanz interessant: haben nicht einige Komponisten selber transponierte Fassungen für verschiedene Stimmlagen hergestellt bzw. gebilligt?
 
Beim Klavier kommt es darauf an, wie es gestimmt ist - bei mathematisch gleichen Halbtonschritten wäre eine Transposition egal, aber niemand stimmt das Klavier so. C-D ist ein anderes Intervall als D-E, und schon klingt die Transposition etwas anders.
Andere Instrumente haben ihre Eigenheiten. Mick nannte die mitschwingenden Saiten der Streicher. Aber ggf. wird auf anderen Saiten der Ton gegriffen, und so ausgeglichene Ähnlichkeit wie Klaviersaiten im Profi-Flügel haben zumimndest gewöhnliche Gitarren- oder Streichersaiten nicht.
Und für wieder andere Instrumente mögen mnache Tonarten eine Plage sein.
 

Beim Klavier kommt es darauf an, wie es gestimmt ist - bei mathematisch gleichen Halbtonschritten wäre eine Transposition egal, aber niemand stimmt das Klavier so.
Man strebt so eine gleichschwebende Stimmung schon an. Was aber am Klavier die Charakteristik tatsächlich etwas verändert, ist die lagenabhängige Inharmonizität. Transponiert man ein Werk nach unten, werden die Inharmonizitäten störender. Ganz besonders dann, wenn im tiefen Register Akkorde in enger Lage vorkommen. Das führt dazu, dass sich Sopran- oder Tenorlieder oft nur schlecht in tiefere Alt- oder Bassslagen transponieren lassen.
 
Aber ändert sich auch auf dem Klavier mit gleichstufiger Stimmung der Charakter eines Stückes durch die Tonart?
Ja! Abgesehen von Unterschieden in der Stimmung ändern sich die Griffbilder, die Handpositionen usw. und das verändert den Klang, die Leichtigkeit, ....
Man greife einfach mal c-es-as-c (As-Dur)
Und dann cis-e-a-cis (A-Dur) mit der Rechten. Fühlen wir einen Unterschied!?
 
Oder anders gesagt, wie verändert sich die Wirkung eines Stückes auf den Hörer wenn ich es transponiere?
Man kann das ausprobieren, wenn man solche Wahrnehmungen bei sich feststellt. Die Quelle Koelnklavier.de nennt beispielsweise die besonderen Eigenschaften von es-moll. Das höre ich so: es-moll hat Dramatik, Tragik und eine besondere Schwere im Klang. Es-moll forte-Akkorde wirken einfach brachial. Cis - moll klingt auch tragisch, aber nicht nicht dermaßen dramatisch. Man nehme Mussorgsky's Bydlo. Das ist in cis-moll. Wenn man das nach es-moll transponiert, kommt da eine dramatische Komponente herein, die äußerst unpassend ist, weil es sich um etwas eher Statisches - ein Bild - handelt. Der stampfende Rhythmus, also die Bass-Akkorde, klingen noch gnadenloser. Stücke, die diesen Zusammenhang unterstützen, bevorzuge ich, z.B. Rachmaninoff es-moll-Etude oder Scriabins es-moll Prélude. Es gibt aber viele Stücke, die das nicht tun, z.B. das es-moll Prelude op.23 von Rachmaninoff. Das ist eher filigran und nicht ausgesprochen dramatisch. Dafür ist es aber sehr schwer zu spielen und vermutlich in anderen Tonarten nicht realisierbar. Ich denke, das ist für die meisten Stücke hohen Schwierigkeitsgrades das Auswahlkriterium. Ein hohes Tempo gleicht die fehlende Dramatik aus. Die Einteilungen von Charpentier würde ich so im Großen und Ganzen unterschreiben. Es gibt auch Tonarten, die eher unattraktiv klingen, wie F-dur. Allerdings sind derartige Wahrnehmungen für die meisten Menschen bedeutungslos. Sie sind irgendwie nutzlos. Was macht man, wenn die Tonart als unpassend klingend wahrgenommen wird? Man kann dann über das Tempo und die Dynamik etwas ausgleichen, das Grundproblem aber bleibt. Da muss man dann über den Dingen stehen oder es lassen.
Weitere Erkenntnisse gewinnt man, wenn man sich die Zyklen mit 24 Préludes (ohne Fugen) in allen Dur- und moll-Tonarten anhört. Erfunden hat das Hummel. Es gibt Sammlungen von Busoni, Alkan, Stanford, Kalkbrenner, Blumenfeld und vielen anderen. Die von Chopin und Rachmaninoff fallen heraus, da sie sich durch besondere Kohäsion auszeichnen, will sagen, einzeln gespielte Stücke wirken anders als im Zusammenhang des ganzen Zyklus vorgetragen. Das ist auch so eine bemerkenswerte Angelegenheit, über die bestimmt auch mal eine Doktorarbeit verfasst worden ist. Interessant ist die Sammlung von Barmotin: Es sind nur 20 Preludes, F-Dur und B-Dur werden konsequent ausgeschlossen über das ganze Opus. Da sage ich danke. Bei den Komponisten findet man beides, entweder die Tonarten werden meist entsprechend der intuitiven Wahrnehmung gesetzt, oder es gibt keinen Zusammenhang. Bei Kammermusik und Klavierkonzerten gibt es Tonarten, die kaum vorkommen: z.B. es-moll (Kaun) und fis-moll (Scriabin und Reinecke). Das hängt dann aber mit den Möglichkeiten der anderen Instrumente zusammen.
 
Es gibt auch Tonarten, die eher unattraktiv klingen, wie F-dur.
...umso erstaunlicher, dass einige Komponisten in dieser (angeblich) "unattraktiv" klingenden Tonart enorm attraktive Musik geschrieben haben: Beethoven (Sonate op.10 Nr.2, Sonate op.54, Sonate op.106 der Scherzosatz) Chopin (Ballade Nr.2 op.38, Etüde op.25 Nr.3) Mussorgski (Kükenballett) Gershwin (gleich ein ganzes Klavierkonzert)
 
Eine vermutlich „unattraktive“, weil auffallend seltene Tonart ist auch e-moll. Es gibt nur eine Beethoven-Sonate in dieser Tonart. Merkwürdig. Aber immerhin macht e-moll aus naheliegenden Gründen einen großen Prozentsatz der gitarrenlastigen Rock- und Popmusik aus.
 
Was mich furchtbar stört, obwohl m. W. durch Schubert selbst überliefert:
Der fahl-depressive 'Leiermann ' statt im leeren a-Moll im eher luxuriösen h-Moll. Gruselig, hört UND FÜHLT sich ganz falsch an. Ich bin kein Absoluthörer!
 
Natürlich gis-moll. Tippfehler, war schon spät. Gis-moll funktioniert hier auch besser als cis-moll. Cis-moll wäre auch zu hoch. Man kann sich das alles am besten herleiten, wenn man das selbst ausprobiert. Z. B. Rachmaninoffs Moment musical in e-moll. Wenn man das einen Halbton tiefer spielt, ist die Wirkung völlig verändert, ganz offensichtlich. Ich will nicht behaupten, dass das nicht funktioniert. Aber es ist etwas ganz verschiedenes. Da auch auch die Hörgewohnheit eines Stückes da eine Rolle spielt, laufen hier alle möglichen Einflüsse parallel ab, die man nicht sauber trennen kann. Daher wird man für jedes Beispiel auch ein Gegenbeispiel finden können. Wenn man zwischen zwei Tonarten innerhalb eines Stückes wechselt, fällt der Wechsel deutlicher aus, wenn man am vorher eine eher unattraktive hatte.
...umso erstaunlicher, dass einige Komponisten in dieser (angeblich) "unattraktiv" klingenden Tonart enorm attraktive Musik geschrieben haben: Beethoven (Sonate op.10 Nr.2, Sonate op.54, Sonate op.106 der Scherzosatz) Chopin (Ballade Nr.2 op.38, Etüde op.25 Nr.3) Mussorgski (Kükenballett) Gershwin (gleich ein ganzes Klavierkonzert)
Das spricht nicht unbedingt gegen meine Aussage, sondern eher für die Genialität der Komponisten. Die Chopin-Balladen habe ich alle gespielt. Ich fand die anderen drei Balladen auch attraktiver. Die Chopin Etude Nr. 25/3 ist eine der wenigen, die ich ausgelassen habe (ich verausgabe mich z.Z. noch an 10/2). Ein besseres Beispiel wäre Chopins Prelude in F-Dur. Das funktioniert in seiner schwebenden Leichtigkeit gut in der Tonart.

Nimmt man andere Instrumentalkonzerte, so ist eher die Spielbarkeit auf dem jeweiligen Instrument entscheidend. Z.B. die von mir sehr geschätzten Bach-Violinkonzerte. Die Tonarten liegen allesamt auf den jeweiligen Saiten (a, e, d) und sind damit auch für Spieler wie mich gut machbar. Jeweils einen Halbton höher wäre es erheblich aufwendiger. Sucht man nach einer Sinfonie in es-moll, wird man da nicht all zu viel finden.

Dazu kommt: Neben der Grundtonart werden ja auch andere Tonarten verwendet. Bei Gershwin spielt die Grundtonart keine so große Rolle. Das Stück wechselt häufig die Tonarten, in F-Dur ist nur der geringste Teil. Neben vielerlei anderer Vorzüge ist dieser häufige Tonartwechsel ein besonderer Reiz, wie ich finde- Stichwort Kontrast. Chromatik scheint die Tonartenwirkungen zu verwässern.
 

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