Die maßlose Orgelwelt

Das habe ich weiter oben auch schon mal gefragt.

Geantwortet hat dann @Stefan379.

„Das Gesicht der Laeiszhalle wird sich verändern.“ So kategorisch, wie es Alexander Steinhilber als städtischer Orgelsachverständiger beim Blick auf die Pläne und die alten Fotos an seiner Bürowand formuliert, kann man das wohl sehen, wenn alles so läuft, wie man es sich in der Kulturbehörde mit der Orgel im Großen Saal vorstellt. Dann nämlich wird in der Sommerpause 2023 als krönender Abschluss der fünfjährigen Konzerthaus-Generalsanierung eine „Zurück in die Zukunft“-Aktion gestartet: Die bisherige Orgel verschwindet. Auf ihren Platz wird hinter die Orgelpfeifen-Reihen eine detailgetreue Rekonstruktion der Walcker-Orgel installiert, die seit der Eröffnung 1908 gespielt, aber um 1950 durch das vermeintlich zeitgemäßere Instrument der Hamburger Orgelbaufirma Beckerath ersetzt wurde.​

Ob Herr Steinhilber das Projekt initiiert hat, weiß ich natürlich nicht, aber an seiner Stelle hätte ich alles getan, um diesen Unfug zu verhindern.
Was ist an diesem Projekt so anders oder besonders kritikwürdig? Reiht sich doch ein in eine lange Liste von letztlich verzichtbaren Luxusprojekten mit oft tendenziösen Argumentationen, in viel zu kleinem Kreis entschieden. (Schön wäre irgendwie, wenn die maßgeblichen Vorantreiber auch nur minimalst an den Kosten beteiligt würden: 10% des Gehalts die nächsten 20 Jahre (da kommt dann evtl. schon die noch viel bessere Neue) reichten schon): zB wie war das gleich in Göteborg (Edit: falsch, Pitea war gemeint) mit der Woehl? Habe jetzt nicht nachgeschaut, da gab es doch die üblichen Superlativ-Worte zur Einweihung und nicht viel später hieß es, sie sei zu teuer und solle verkauft werden? Herr Ericsson ist ja offensichtlich schon weitergezogen.
 
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Was ist an diesem Projekt so anders oder besonders kritikwürdig?

Was daran kritikwürdig ist? Ich halte diese Orgel für ein überdurchschnittlich qualitätsvolles Instrument. (Ich kenne sie allerdings nur vom Hören, kann mir allerdings auch nicht vorstellen, daß sie handwerklich gegenüber anderen Orgeln desselben Erbauers gravierend abfällt).

Meine Meinung ist: Gute Orgeln soll man erhalten, bei mittelmäßigen Orgeln kann man versuchen, sie zu verbessern, bei schlechten Orgeln lohnt sich das Herumbasteln nicht.

Ich weiß nicht, ob Das für Dich verständlich ist, Qualität scheint in Deiner Gedankenwelt im Vergleich zu Geld keine Rolle zu spielen.

Daß man qualitativ minderwertige Instrumente irgendwann entsorgt, nun ja, das ist halt nun mal so.
 
Dass die (Orgel-)Qualität für mich keine Rolle spielte, stimmt natürlich nicht. Allerdings interessiert mich bei der Qualität zunächst mal die der Spieler, incl. auch besonders die tatsächlichen Rahmenbedingungen, Einsätze etc. Und da sehe ich deutlichen Nachholbedarf (nicht im Reden, sondern Handeln, ersteres ist ja schon professionalisiert, bringt aber nichts. Zustände teilweise zum Fremdschämen...), lange bevor irgendwelche Orgelträumereien (mit teilweise daherfantasierten Begründungen) zu erfüllen wären. Zur Orgelbauqualität kann man ja meist nichts wirklich was wissen, und (sorry) ich kann mir auch gut vorstellen, dass da so manches Gutachten eher "vom Ende her" gedacht ist.
Und zum kleinen Kreis: habe ich da in Hamburg, Dortmund, Ulm etc. vielleicht Symposien übersehen? Wenn diese andauernden Millionen als quasi unabwendbare Naturereignisse hingestellt werden, wird man doch eine/meine kritische Stimmen aushalten können, oder? Besser noch wären plausible Begründungen abseits von einem sich andauernd fast schon pervers wandelnden Geschmack.
 
War eigentlich dieses neue (bau-verschobene) Nürnberger Konzerthaus hier schon Thema? Erst war doch keine Orgel geplant, wenn ich mich richtig erinnere, dann fiel jemandem (am Schreibtisch, ausgebend das Geld vieler Unbekannter) ein, dass das ja vor allem optisch (Haupteinsatzzweck dieser Gerätschaften, nie war Staubfangen teurer) unbedingt dazugehört und die sattsam bekannten Namen der Orgelkommission konnten einmal mehr über 3 Mio bewegen, an Eule.
Ich stolperte nämlich gerade über diesen Artikel, man lässt die riesige Steinmeyer in der Meistersingerhalle wohl verlottern?
Kopfschüttel....
Da hat man dann vielleicht einen noch "besseren" Grund für die (angenommene) Nutzung maximal alle Jubeljahre, außer ignoranten Dirigenten. Und in einer solchen Situationen soll gleich die nächste neue Riesenorgel kommen?
 
PS Interessante Aussagen:
<Wenn die Konzertorgel einmal ihren guten Ruf verloren hat, will kein renommierter Solist mehr darauf spielen und Gefahr laufen, seinen Ruf zu ruinieren.

Genau das ist sie, die maßlose Orgelwelt...
 

Was ist daran "interessant"? Die Aussage ist in dieser Form schlicht falsch. Da sie nicht als Zitat gekennzeichnet ist, wird sie wahrscheinlich von dem Journalisten formuliert sein. Da Journalisten über alle möglichen Themen schreiben, zu denen sie nur ausnahmsweise fundiertes Fachwissen mitbringen, könnte man allein mit journalistischen Stilblüten aus der Orgelwelt Bände füllen.
 
Was ist daran "interessant"? Die Aussage ist in dieser Form schlicht falsch. Da sie nicht als Zitat gekennzeichnet ist, wird sie wahrscheinlich von dem Journalisten formuliert sein. Da Journalisten über alle möglichen Themen schreiben, zu denen sie nur ausnahmsweise fundiertes Fachwissen mitbringen, könnte man allein mit journalistischen Stilblüten aus der Orgelwelt Bände füllen.
Ich habe keine Anhaltspunkte, dass Herrn Buttmanns Aussagen sinnentstellend wiedergegeben wurden. Im Tenor verwundern sie ja auch nicht, im Gegenteil. So ist's doch landauf landab. Alleine, dass man offenbar keinen Orgelkustos dort hat, ist doch unmöglich.
 
Ich habe keine Anhaltspunkte, dass Herrn Buttmanns Aussagen sinnentstellend wiedergegeben wurden.

Ich habe keine Anhaltspunkte, daß das Herr Buttmann gesagt haben soll.

Schau Dir doch mal den Artikel genauer an. Mit ein klein wenig Fachkenntnis werden Dir noch mehr unsinnige Aussagen auffallen.

Daß renommierte Konzertorganisten ihren Ruf ruinieren, wenn sie auf renovierungsbedürftigen Orgeln spielen? Wenn Du Dich halbwegs in der Orgelwelt auskennst, weißt Du, daß so eine Aussage Blödsinn ist.
 
Na ja, man ist halt als Organist maßgeblich vom Instrument abhängig, auf dem man spielen muss. Das kann einem gefallen oder nicht, aber wenn es so gravierende Mängel aufweist, dass das Konzert kein Genuss mehr ist und auch nie die Chance hatte, einer zu werden, dann ist das tatsächlich ein Problem. Kein Geiger sagt: Eine Saite weniger? Kein Problem, das fummele ich schon irgendwie hin.
 

Na ja, man ist halt als Organist maßgeblich vom Instrument abhängig, auf dem man spielen muss. Das kann einem gefallen oder nicht, aber wenn es so gravierende Mängel aufweist, dass das Konzert kein Genuss mehr ist und auch nie die Chance hatte, einer zu werden, dann ist das tatsächlich ein Problem. Kein Geiger sagt: Eine Saite weniger? Kein Problem, das fummele ich schon irgendwie hin.

Auch kein Pianist würde sich in einem Konzertsaal an einen Flügel setzen, der voller Staub und Schimmel ist und aus dem das Holzwurmmehl bröselt.

In der genügsamen Orgelwelt kommt aber genau das vor.

Ich kenne international renommierte Konzertorganisten, die konzertieren auch mal an einer Orgel, an der seit Jahrzehnten kein Orgelbauer mehr vorbeigekommen ist. Und ich habe nie gehört, daß sich einer deswegen seinen Ruf ruiniert hat.
 
Da kann ich aus eigener Erfahrung sagen: Manchmal weiß man es einfach nicht und manchmal ist das Instrument an sich ganz gut, hat aber im Konzert dann auf einmal Macken. Überraschungen gibt es immer wieder.
Den Ruf ruiniert man sich eben nicht so leicht bei einem Konzert vor 20 Leuten. Bei einer vollbesetzten Philharmonie sieht das anders aus. Da kommt dann möglicherweise auch ein Kritiker. Im Nischenwesen der Orgelwelt fällt das dann nicht wirklich auf, wenn es mal nix war. Ich vermute auch, das Publikum ist oft ein anderes: Nicht die Omas aus der Gemeinde, sondern der anspruchsvolle Musikliebhaber kommt zum Klavierkonzert in einen Saal.
 
Den Ruf ruiniert man sich eben nicht so leicht bei einem Konzert vor 20 Leuten.
Bei den Konzertorganisten, an die ich dachte, kann ich mich nicht an Konzerte vor 20 Leuten erinnern, aber sehr wohl an Konzerte auf Instrumenten von bescheidener Qualität und/oder mangelhafter Intonation und Stimmung.

Und bei einer Konzertsaalorgel, die immer gleich verstimmt klingt, egal wer darauf konzertiert, leidet nicht der Ruf der Interpreten, sondern ...?
 
Gestern Abend die Festschrift aus Ulm gefunden, auf die hin mir gleich sehr Polemisches aus der Feder floss. - wieder gelöscht.
Soll sich jeder selbst eine Meinung bilden, inwieweit unbehebbare Intonations-/Stimmungs-/Erreichbarkeitsprobleme der "unreparablen" (O-Ton Dekan - arme Polen!) Orgel maßgeblich waren. Ein nicht genehmes Klangideal taucht nur unter ferner liefen als "mangelnde Präsenz" auf und wird sogar quasi abgestritten.
Apropos: hat nicht die Hauptorgel dort erst recht "mangelnde Präsenz"? Vielleicht kommt da ja auch noch was (=genaueste Walcker-Reko, was HH kann...) und man soll Gott ja nun nicht allzu billig loben. Für mich bleibt am Ende vor allem: wirklich sündhaft teuer (und scheusslich aussehend, aber Hauptsache, die wertvolle historische Betonempore ist gerettet und der Denkmalschutz muss sich nicht komplett zahnlos fühlen). Immerhin erfährt man, dass vorher schon quasi 1/4 des Registerbestandes ausgetauscht(!) worden war.
PS Hoffentlich verbrüht sich niemand an den bei solchen Gelegenheiten immer beschworenen "warmen Klängen".....
PS2 Typisch für unsere Zeit sind die wichtigen, aber leider schon toten Gewährsmänner mit nicht ganz unverbrauchten Zitaten: Mozart, Bach, der wichtige Orgelbauer hat den und den besucht und das und das gesagt....
 
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Zitat von Pedall:
Schau Dir doch mal den Artikel genauer an. Mit ein klein wenig Fachkenntnis werden Dir noch mehr unsinnige Aussagen auffallen.
Was denn? An Kleinigkeiten wie "heute Kunststoff, einst Leder" oder "einst Eule" würde ich mich nun nicht hochziehen. Der Inhalt der direkten Zitate ist sowieso schon erschreckend genug. Sowas ist für mich ein Fall für den Rechnungshof
Daß renommierte Konzertorganisten ihren Ruf ruinieren, wenn sie auf renovierungsbedürftigen Orgeln spielen? Wenn Du Dich halbwegs in der Orgelwelt auskennst, weißt Du, daß so eine Aussage Blödsinn ist.
Ich habe das eher so gelesen, dass manche dieser Spezies das befürchten/glauben. Wenn man so liest, wie sich einige am laufenden Band millionenschwere Teile bauen lassen, nur um dann weiterzuziehen, ist das schon vorstellbar.
Dass das Gros anders denkt und große Anpassungsfähigkeit hat, ist mir wohl bewusst (und m.E. zwingende Voraussetzung bei diesem Instrument). Dem Zuhörer dürfte es zum allergrößten Teil egal sein, der glaubt, was ihm medial vorher oder nachher vorgesetzt wird.
 
Apropos: hat nicht die Hauptorgel dort erst recht "mangelnde Präsenz"?

Ja, das ist bei der Hauptorgel ein echtes Problem.
Auch da wurden seit 1969 reihenweise Register ausgetauscht bzw. zugebaut.


Ich habe das eher so gelesen, dass manche dieser Spezies das befürchten/glauben.

O. K., willst es also jetzt gar nicht so gelesen haben, wie es dasteht. Auch gut.
 
Es steht da:
Immerhin hatten die Nürnberger Symphoniker einst beschlossen, dass wenigstens eines ihrer Abonnementkonzerte die Orgel einbeziehen soll. Literatur gibt es genug – aber es blieb bei einer guten Idee vergangener Tage. Wenn die Konzertorgel einmal ihren guten Ruf verloren hat, will kein renommierter Solist mehr darauf spielen und Gefahr laufen, seinen Ruf zu ruinieren.
Am wahrscheinlichsten ist für mich: Da hat sich ein gutgewilltes Orchester eben Abfuhren von "renommierten Solisten" eingefangen mit Begründung in dieser Richtung. Vielleicht auch, weil der Orgelzustand unklar war und sich das im Vorfeld nicht klären ließ. Und daraufhin, wohl noch vor Beginn, das ganze eingestellt. Im Übrigen glaube ich auch nicht, dass es dazu die paar immergleichen hochgepushten Namen braucht, die man diesbezüglich immer liest (nicht mal eine Handvoll). Diese oft nicht besonders anspruchsvollen Sachen wird ja wohl jeder Masterstudent hinkriegen oder täusche ich mich? Und auch in den vielen Orchestern gibt es Solisten, die Ihren Namen nicht dauernd in der Zeitung lesen können. Und solange das nicht ordentlich geklärt und organisiert ist, gehört m.E. überhaupt keinen neue Orgel mehr in deutsche Konzertsäle. Wie gesagt, maßlose Orgelwelt. Die hat erst mal Jahrzehnte aufzuholen und vorhandenes Material ordentlich einzusetzen.
 

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