Debussys "Little Nigar": pädagagisch noch zu verantworten?

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koelnklavier

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Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Wenn ich mit Anfängern "Ist ein Mann in Brunn' gefallen" spiele, habe ich mich schon auch gefragt, ob das jetzt nicht völlig unpädagogisch ist. :D In vielen Liederbüchern heißt es jetzt "Ist ein Ball in Brunn' gefallen" o.ä.. Ich bleibe beim brutalen Text :p und habe noch nie eine entsetzte oder überhaupt Reaktionen von Schülern auf diesen Text gesehen. Grimm's Märchen ist ja auch nichts für sensible Naturen. :D

Ich finde die Änderungen völlig überzogen. Als würden die Begriffe "Neger" und "Negerkönig" etc. für diskrimierende Inhalte stehen. Ganz im Gegenteil: Pippi's Negerkönig ist der stärkste, reichste und beste! Ja, wenn jetzt mit dem Begriff diskriminierende Äußerungen verbunden wären. Aber auch Debussy's kleinen Neger kann man nur beneiden. :p

Liebe Grüße

chiarina
 
Dann werden wohl bald auch die Zigeuner-Schnitzel und gleichnamiger Baron resp. Operette auf dem Index zu finden sein...:confused::confused:

Grüße

Toni
 
Ganz ehrlich: Mir gefallen solche heutzutage meist in rassistischem Kontext verwendeten Bezeichnungen gar nicht. Auch wenn sie in der Literatur von damals allgemein noch nicht als anstössig empfunden wurden und auch nicht abwertend gemeint waren.

Wieweit man allerdings frühere Literatur heute anpassen oder gar verbieten sollte, ist schwierig zu beantworten. Die Menschheitsgeschichte lässt sich ja auch nicht im Nachhinein verändern oder gar beschönigen. :(

Auch ich habe meinen Kindern schon Bücher vorgelesen, wo ich über solche Worte stolperte. Entweder habe ich dann eine korrekte Bezeichnung gewählt, oder den Kindern ganz klar gesagt, dass das Wort heutzutage in der Umgangssprache als Schimpfwort verwendet wird und deshalb nicht mehr gebraucht werden sollte. Sie akzeptieren das auch ohne Problem. Ich finde es ebenfalls wichtig, dass sie von Anfang an anderen Kulturen ohne Vorurteil begegnen können.

Vermutlich wirkt es, denn unter den besten FreundInnen/KollegInnen finden sich Kinder, von denen jeweils ein Elternteil aus Kamerun, China, Japan, Tschechien oder Indien stammt...

Lg, Nessie
 
Wieweit man allerdings frühere Literatur heute anpassen oder gar verbieten sollte, ist schwierig zu beantworten. Die Menschheitsgeschichte lässt sich ja auch nicht im Nachhinein verändern oder gar beschönigen. :(
Doch, das ist ausnahmsweise mal leicht zu beantworten: garnicht. Das "Anpassen" historischer Zeugnisse ist ein sicheres Zeichen für totalitäre Bestrebungen und hat in einer freiheitlichen und offenen Gesellschaft nichts verloren.
 
Zitat Deutschlandradio Dagegen ist die Entnegerung einiger Kinderbücher fast harmlos. Sie ist ja vor allem eine kommerzielle Operation, mit der ein datiertes Stück Literatur in eine künstliche Zeitlosigkeit versetzt werden soll - als ob man nicht auch Kindern ein Geschichtsgefühl vermitteln könnte, das den einfachen Zusammenhang: 'Früher sagte man Neger, aber heute besser nicht' umfasst.

Geschichte hat schließlich auch etwas mit Treue zu sich selbst zu tun. Das verbale Verschwindenlassen von Geschichte ist nichts anderes als Fälschung und Lüge.

Abgesehen davon führt eine derartige Tabuisierung der Bezeichnung verschiedener Volks- und Gesellschaftsgruppen dazu Ressentiments auf beiden Seiten zu erhalten. Die sprachwissenschaftliche Hypothese der Euphemismus-Tretmühle besagt, dass sich die negative Bedeutung eines Wortes nicht verändert, wenn man es durch ein Schönwort ersetzt und nicht gleichzeitig auch eine Veränderung der realen Verhältnisse stattfindet. Z.B. wird die Bezeichnung "Menschen mit Migrationshintergrund" von den so betitelten Menschen mindestens genauso diskriminierend empfunden wie z.B. "Ausländer". Mindestens, weil der Wortbestandteil "-hintergrund" ja noch zusätzlich den Gedanken an etwas Diffuses, Verborgenes hervorruft.
Umgekehrt, können negativ konnotierte Wörter ihre beleidigende Wirkung verlieren, wenn sich die tatsächlichen Umstände ändern. Die Verbannungsversuche besimmter negativer Bezeichnungen legen den Verdacht nahe, dass man sich nur scheinbar von einer Geisteshaltung distanzieren will, die jedoch latent in den Köpfen einer Gesellschaft vorhanden ist.
Bei genauerer Betrachtung zeigt sich hier die Heuchelei im Gewand der guten Absicht:
Wenn sich schon die Umstände nicht verändern lassen, dann doch zumindest die Worte! Und...Wenn sich die Verhältnisse wirklich verbesserten, was kümmerten uns dann die Worte!
 
Ich glaube, dass man den Kindern mehr zumuten und zutrauen kann und sollte. Kinder handeln manchmal unerwartet in Situationen, die Erwachsene routiniert "problemfrei" meistern. Aber doch auch nur deshalb, weil sie über viele Jahre Erfahrungsschatz verfügen, den sich Kinder erst anlegen müssen. Unterbelichtet oder kurzsichtig sind sie deshalb lange nicht, auch wenn man das manchmal vielleicht bequemerweise gerne annehmen möchte...

Ich erinnere mich noch, wie sehr ich mich als Kind geärgert habe, wenn es hieß "dafür bist du noch zu klein", "das erklär ich dir, wenn du älter bist". Es ist klar, dass gewisse Bilder in ihrer Genauigkeit für Kinderköpfe nichts sind, mit sieben mochte ich auch noch keinen Blauschimmelkäse. Aber jeder Sachverhalt kann doch in kindgerechter Sprache verständlich erklärt werden.

Vermutlich nicht zu Unrecht sind Märchen und Fabeln derart brutal (ohne auf Einzelheiten oder zu große Gefühlsduselei einzugehen), lehrreich und beinhalten eine Moral, und nicht zu Unrecht sind sie für Kinder. Wann soll man denn anfangen, sie auf die Welt loszulassen - mit 13 vielleicht? :rolleyes:

Ich meine, dass sie es sehr gut verstehen, wenn man ihnen die Geschichte um den Neger erklärt. Sie verstehen ja auch schon im Kindergarten genauestens, was ein Schimpfwort ist und wie es sich anfühlt, wenn man beim Spielen ausgegrenzt wird. Was gibs da also nicht zu verstehen?
 
Vermutlich nicht zu Unrecht sind Märchen und Fabeln derart brutal (ohne auf Einzelheiten oder zu große Gefühlsduselei einzugehen), lehrreich und beinhalten eine Moral, und nicht zu Unrecht sind sie für Kinder. Wann soll man denn anfangen, sie auf die Welt loszulassen - mit 13 vielleicht? :rolleyes:

Ich meine, dass sie es sehr gut verstehen, wenn man ihnen die Geschichte um den Neger erklärt. Sie verstehen ja auch schon im Kindergarten genauestens, was ein Schimpfwort ist und wie es sich anfühlt, wenn man beim Spielen ausgegrenzt wird. Was gibs da also nicht zu verstehen?

Schon als Kind mochte ich die Grimm-Märchen nicht besonders, ich liebte vor allem die Andersen-Märchen ;) Und den Struwelpeter fand ich einfach nur schlimm.

Wenn man solche veralteten Wörter vorliest, soll man sie auch erklären! Denn sonst kann es passieren, dass das Kind ein diskriminierendes Wort unabsichtlich benutzt und damit andere verletzt.

An die Klavierlehrer: Würdet Ihr denn Debussys "le petit nègre" auch einem afrikanischen Kind in der Klavierstunde einfach so vorsetzen???

Ich möchte jedenfalls nicht solche Worte benutzen, falls ich dem Freund meines jüngeren Sohnes (der regelmässig bei uns ist) mal was vorlesen sollte. Und ich kann jeden Lehrer verstehen, dem das ebenso geht.

Lg, Nessie
 
Abgesehen davon führt eine derartige Tabuisierung der Bezeichnung verschiedener Volks- und Gesellschaftsgruppen dazu Ressentiments auf beiden Seiten zu erhalten. Die sprachwissenschaftliche Hypothese der Euphemismus-Tretmühle besagt, dass sich die negative Bedeutung eines Wortes nicht verändert, wenn man es durch ein Schönwort ersetzt und nicht gleichzeitig auch eine Veränderung der realen Verhältnisse stattfindet. Z.B. wird die Bezeichnung "Menschen mit Migrationshintergrund" von den so betitelten Menschen mindestens genauso diskriminierend empfunden wie z.B. "Ausländer". Mindestens, weil der Wortbestandteil "-hintergrund" ja noch zusätzlich den Gedanken an etwas Diffuses, Verborgenes hervorruft.
Umgekehrt, können negativ konnotierte Wörter ihre beleidigende Wirkung verlieren, wenn sich die tatsächlichen Umstände ändern. Die Verbannungsversuche besimmter negativer Bezeichnungen legen den Verdacht nahe, dass man sich nur scheinbar von einer Geisteshaltung distanzieren will, die jedoch latent in den Köpfen einer Gesellschaft vorhanden ist.
Bei genauerer Betrachtung zeigt sich hier die Heuchelei im Gewand der guten Absicht:
Wenn sich schon die Umstände nicht verändern lassen, dann doch zumindest die Worte! Und...Wenn sich die Verhältnisse wirklich verbesserten, was kümmerten uns dann die Worte!

@Opus:

Vieles was du sagst, stimmt in meinen Augen. Ich möchte jedoch eine Kleinigkeit anfügen. Die, wie du sagst, Beschönigung von Worten, hat auch einen anderen Grund.
Nehmen wir das Beispiel Ausländer/ Menschen mit Migrationshintergrund oder noch deutlicher Behinderter/Menschen mit Behinderung.

Durch die Umstellung von zb. Behinderter zu Mensch mit Behinderung passiert folgendes:

Wenn ich jemanden Behinderter nenne, dann ist die Behinderung in dem Fall das primäre Attribut dieses Menschen. In erster Linie ist er behindert. "Guck mal da ist ein Behinderter!" --> In dem Fall beziehe ich mich nur auf seine Behinderung und blende alle anderen Facetten des Menschen aus.

Wenn ich aber über einen "Menschen mit Behinderung" spreche, ist die Behinderung EIN Attribut von vielen. Es wird in erster Linie deutlich, das wir über einen Menschen sprechen. Und dann heben wir noch hervor, dass dieser Mensch eine Behinderung hat. Aber ebenso wissen wir, dass es noch viele andere Facetten haben.

Natürlich wird dadurch das Bild der betroffenen Menschen dadurch nicht automatisch gesellschaftlich aufgewertet. Aber so ganz als sinnlos abtun kann man manche Wortänderungen bzw. Wortentwicklungen nicht.

Grüße
 

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