Chopin Prelude op 28 Nr. 4

Gernot

Gernot

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Liebe Leute

Manha und ich möchten uns mit dem e-moll Prelude befassen und uns dazu austauschen. Vielleicht hat ja die eine oder der andere von Euch Lust mitzumachen. :klavier:Würde uns freuen. Ebenso sind natürlich hilfreiche Hinweise und Kommentare willkommen :-)

Ich habe mal das Forum nach einschlägigen Beiträgen durchsucht, um einen Eindruck zu gewinnen, was bei diesem Stück auf uns zukommt.

Es gibt natürlich diverse Einspielungen auf Clavio z.T. mit Kommentaren dazu:

benny07
Hans Borjes
Pitt

Zum Teil sind die verlinkten Dateien nicht mehr abrufbar, im Feedback zu den verschiedenen Einspielungen tauchen aber einige Aspekte auf, die ich in die Arbeit an dem Stück mitnehmen möchte:

  • Dynamische Differenzierung
  • Pedalisierung
  • Tempo und Agogik

Dynamische Differenzierung
Abgesehen vom f-Ausbruch in Takt 17 spielt sich die Dynamik im Bereich p und pp ab. Die Akkorde in der linken Hand dürfen die Meoldielinie nie übertönen. Die Melodielinie muss von Anfang an präsent sein.
Es gibt einige cresc. und decr. sowie einzelne Akzentzeichen, die man anscheinend leicht übersieht.

Pedalisierung
Darauf achten, dass die Harmoniewechsel nicht verwaschen. Da muss man wohl recht häufig Pedalwechsel machen.

Tempo und Agogik
Auch wenn's für's Einstudieren nicht anders geht, ist zu bedenken, dass es umso schwieriger wird, in Phrasen zu spielen (bzw. diese hörbar zu machen), je langsamer man spielt. Der Gesamtcharakter ist aber mit largo auf jeden Fall breit, langsam.

Das Stück strebt auf einen Höhepunkt in Takt 17 zu. Auf dem Weg dorthin gibt es "mehrere klanglich reizvolle Stellen, in denen sich die Stimmung intensiviert" (Hans Borjes)

Dazu, wie man mit diesen Stellen umgehen kann, findet man interessante Anregungen.

Zitat von Haydnspaß:
Es gibt einen Rhythmus, der natürlich auch bei den extremsten Temposchwankungen erkennbar bleiben muß. Es gibt Partien, wo die Spannung zunimmt und Partien, wo sich die Spannung wieder abbaut. Leider gibt es dafür keine allgemeingültige Regel, sondern man muß in jedem Einzelfall entscheiden welcher Ton zu früh oder zu spät gespielt wird, wo das Tempo anzieht und wo es ritardiert, wo ein Akzent, ein crescendo, ein subito-piano und die ganzen anderen Tricks für die gewünschte Wirkung erforderlich ist. (Link)

Zitat von ubik:
Die linke Hand würde ich nach einer Wellenform spielen. Was ich damit meine: Jedes Viererpaar bekommt auf den ersten Schlag einen Impuls und wird schwächer. Es verhält sich genauso wie in der Physik. Ein Ball fällt runter, prallt gegen den Boden, hüpft hoch und wird immer schwächer bis er auf dem Boden bleibt. Er wird wieder hochgehoben und wieder fallengelassen usw... Oder halt das Bild mit den Wellen am Strand. Jede Welle prallt gegen die Bucht und das Wasser fließt wieder zurück ins Meer und die nächste Welle schlägt ein. (Zitiert von klaviermacher der Original-Beitrag wurde gelöscht Link)

Zitat von Haydnspaß:
Das ganze Prelude ist ja nicht nur gespickt mit melodischen Seufzern sondern auch mit harmonischen Überraschungen - fast in jedem Takt. Jetzt ist natürlich die Frage: wie stellt man eine harmonische Überraschung dar?

Wenn man jeden "überraschenden" Akkord verzögert, dann wird es nicht sehr überraschend klingen. Man muß also jede Akkordfortschreitung bewußt unterschiedlich spielen. Mal schneller werden, mal langsamer werden, mal mit Akzent, mal mit negativem Akzent (subito piano). Und zwar so, daß es nicht vorhersehbar ist. Dein Beispiel mit dem hüpfenden Ball, der ja immer in derselben mathematisch berechenbaren Weise hüpft, suggeriert da das glatte Gegenteil. (Link)

Zitat von KoelnKlavier:
Sind es wirklich "Überraschungen" oder hat Chopin in der linken Hand nicht eher eine allmählich changierende "Klangfläche" komponier.? Zwar gibt es einen eruptiven Höhepunkt, eine dramatische Zuspitzung. Aber zu Beginn und am Schluß ist der melodische Ambitus doch sehr minimalistisch. Spannung und Eindringlichkeit entsteht hier nicht durch Aktion, durch machen Wollen, sondern gerade dadurch, daß nur sehr wenig passiert. Und das ist eine große gestalterische Herausforderung: Der Interpret muß sich zurücknehmen, darf dabei aber nicht unbeteiligt wirken. (Link)

Interessant fand ich auch einen Link auf einen Vortrag von Benjamin Zander. Bei ca 6:50 beginnt die Passage über op. 28/4. Auch hier geht es um Verzögerungen durch Unerwartetes und um lange Phrasen, um den langen "Weg nach Hause" zum Schlussakkord: (Benjamin Zander: Classical music with shining eyes - YouTube).

Rythmus
Ein weiterer Punkt, der in den Feedbacks zu Einspielungen nicht auftauchte, von dem ich aber sicher bin, dass er mir Probleme machen wird, sind die beiden Stellen, an denen Chopin Achteltriolen einstreut.

Harmonische Analyse
Im Faden "Frédéric Chopin - Préludes op. 28" gibt es eine Analyse zu diesem Prelude. Diese beginnt hier. Da fehlen mir leider die nötigen Kenntnisse in der Harmonlielehre. Klingt sehr interessant, aber ich kann damit halt nix anfangen. :oops:

Freue mich auf einen lehrreichen Austausch.:p
Liebe Grüße
Gernot
 
Ich habe einen Kommentar geschrieben, ihn aber gelöscht - sorry.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Wow Gernot, da hast du schon eine Menge Infos zusammengetragen :)

Als Ergänzung noch von mir:

In diesem Faden "wie trillern" wird näher auf die stretto-Stelle eingegangen, Fips7 hat es da tollerweise ausnotiert und

auf dieser website gibt es eine kleine Analyse des Stückes.

Thema Einspielungen:
Es gibt hier im Forum zum Thema sich Einspielungen vorher anhören oder nicht gespaltene Meinungen, ich gehöre zu denen, die das sogar sehr intensiv vorher machen.
Deswegen setze ich mal folgende links:

- Martha Argerich

- Cortot (ab Minute 4:00)

- Kissin (ab Minute 4:10)

- Pollini (ab 3:34)


Was mich betrifft, so habe ich eine riesige Ehrfurcht, wenn nicht sogar Angst (ja ja, ein gewisser Faden lässt grüßen...) vor Chopin und diesem Stück, auch wenn hier im Forum immer wieder geschrieben wird, es wäre einfach... sehe ich ganz und gar nicht so...

Mal schauen wie es wird.

Viele Grüße an Alle,
Manha
 
Lieber Gernot, liebe Manha,

dieses Stück ist herrlich, um genau hinhören zu lernen! Ich schließe mich da dem Zitat von Kölnklavier an. Die allmählich chromatisch abwärts geführten Akkorde (ein Ton bleibt zwischen zwei wechselnden Akkorden mindestens gleich) führen zu dieser "changierenden Klangfläche", die ihrerseits die langen Melodietöne der rechten Hand färbt.

Man sollte also meiner Meinung nach beim einzelnen Üben der linken Hand unbedingt jeden Akkord nur einmal spielen (also die Repetitionen weglassen) und hören, wie sich durch die chromatische Veränderung einzelner Töne ganz andere Farben ergeben, die mal konsonanter, mal dissonanter klingen, die sich in Spannung-Entspannung zueinander verhalten. Dabei auch mal die Augen zu schließen, kann hilfreich sein, sobald man einen Überblick hat.

Diese Akkorde färben die Melodie, was bedeutet, dass jedes z.B. jedes "h1" am Anfang anders klingt. Um zu hören, wie denn, kann man ganz ohne Rhythmus mit viel, viel Zeit die Melodietöne mit den entsprechenden Akkorden (Repetitionen ebenfalls weglassen) spielen und einfach nur hören (und später nach diesem Hörerlebnis die Phrasen gestalten). Immer wieder - es ist, als tauche man in ein Klangbad ein. Man muss dies erleben, das ist viel wichtiger als eine harmonische Analyse. Und dann braucht man auch keine Angst mehr zu haben, sondern seinen Ohren vertrauen und fühlen, was in diesem wunderbaren Stück alles steckt.

Liebe Grüße

chiarina
 
@ Marlene: Gelöscht? :confused:

@ Chiarina: Danke für den Übetipp und die schöne Beschreibung :-)

Liebe Grüße
Gernot
 
Liebe Manha

Danke für die Ergänzungen. :-)

Thema Einspielungen:
Es gibt hier im Forum zum Thema sich Einspielungen vorher anhören oder nicht gespaltene Meinungen, ich gehöre zu denen, die das sogar sehr intensiv vorher machen.

Ich denke auch, dass man beim Zuhören einiges lernen kann. Abgesehen davon: Bei Stücken wie diesem gibt es wohl nur sehr wenige, die da gar keine Hörerfahrungen mitbringen.

Ich habe übrigens die CD mit der Preludes-Einspielung von Argerich. Steckt schon länger (quasi permanent) im CD-Spieler in der Küche. Habe sie im Sommer gekauft und höre sie einfach total gerne.

Was mich betrifft, so habe ich eine riesige Ehrfurcht, wenn nicht sogar Angst (ja ja, ein gewisser Faden lässt grüßen...) vor Chopin und diesem Stück, auch wenn hier im Forum immer wieder geschrieben wird, es wäre einfach... sehe ich ganz und gar nicht so...

Mal schauen wie es wird.

Genau, lass uns an den Aufgaben wachsen ;-)

Liebe Grüße
Gernot
 
@ chiarina

Liebe chiarina,

ganz herzlichen dank(!!!) für deinen Leitfaden, jetzt weiß ich, wie ich an das Stück am Besten rangehe, da war ich noch sehr im Unklaren da es stark von meinen bisherigen Stücken abweicht.

@ Gernot

die Argerich Einspielung gefällt mir auch sehr gut, aber mein Favourit ist Cortot - das hat mich echt weggeblasen.
Er schafft es innerhalb weniger Momente eine große Bandbreite an Gefühlen zu produzieren, vor allem die Takte 16 bis 18 finde ich einfach überwältigend gespielt.


@ all die das Stück schon mal gespielt haben

schon die erste dumme Frage - der Auftakt.
Spielt ihr die zwei B's beide mit der rechten Hand oder das erste B mit der linken?
Ich frage deswegen, weil ich hier eine Notenausgabe mit Fingersätzen gefunden habe, da wird die rechte Hand angegeben.
Aber eigentlich würde sich doch die Linke genauso anbieten, wenn man sorgfältig bindet?


Viele Grüße an Alle,
Manha
 
Glaube nicht, dass es einen Grund gibt, die Linke im Auftakt zu verwenden.

RUdl

PS: der stumme Wechsel ist vielleicht notwendig, wenn man den Daumen nicht so beherrscht, weil er zum Knallen neigt, aber da seh ich auch keinen Grund.
 
Hallo Stephan,

klar, Wechsel ist besser.

Könntest du noch den Unterschied zwischen 4/4 und alla breve erklären. Zu meiner Entschuldigung kann ich sagen, dass ich seit langer Pause wieder dazugehöre.

Rudl
 

Lieber Stephan

Gar nicht ok. aber ist der Takt: in Deinem Notenbeispiel ist ein 4/4 notiert.
Das ist etwas andres als Chopins alla breve.

Danke für den Hinweis. Mir ist da noch etwas aufgefallen, was in meiner Ausgabe (Paderewski) nicht enthalten ist: In Takt 21-22 sind Viertel mit Hälsen nach oben notiert, die die Achtel "überlagern". Ist das als Hinweis gedacht, dass diese Linie hervorzuheben ist?

Liebe Grüße
Gernot
 
Gar nicht ok. aber ist der Takt: in Deinem Notenbeispiel ist ein 4/4 notiert.
Das ist etwas andres als Chopins alla breve.

Herzlichen Dank für den Hinweis, Stephan!

Ich hatte mich beim anhören des Stückes schon gefragt, warum die "drei" der Akkorde beim 4/4 nicht so betont ist wie ich das von meinen bisherigen Stücken kannte - jetzt macht es endlich Sinn!

@ Gernot
huch - das mit den Vierteln war mir noch gar nicht aufgefallen - soweit zum thema aufmerksam mitlesen... waia
 
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Ich habe mich vorerst einmal nur mit den Akkorden in der linken Hand befasst. Die Notenwerte habe ich dabei ignoriert und folgendes gemacht: Habe die einzelnen Akkorde angeschlagen, entspannt, mich auf den nächsten Akkord geschaut, den noch liegenden Akkord nochmals angeschlagen, um von da zum nächsten zu springen. Dabei habe ich versucht, die Töne, eine neue Klangfarbe bewirken, etwas hervorzuheben. Ist nicht immer gelungen, wie man hier nachhören kann, wenn man will.

op28Nr4

Liebe Grüße
Gernot
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Hai Gernot



Selbst wenn dem so wäre, wäre damit noch nicht klar, wie die Hervorhebung
getan werden soll/kann.

Allerdings findet sich in keiner Quelle diese Notierung, wie Du hier

nachsehen kannst.

gruß

stephan

So nett hat lange keiner mehr geschrieben, das ich Mist verlinkt habe :D
Ich werde mir schleunigst eine andere Notenausgabe besorgen.

@ Gernot - wow, schon eine erste Einspielung, ich bin überrascht.
Ich höre sie mir morgen in Ruhe an.
Schön, das dir Cortot auch gefällt, ich habe mich in diese Version verliebt :kuss:
 

Ich hatte etwas geschrieben von dem ich danach dachte, dass es doch keine so gute Idee war. Nur so viel: Als ich das Thema gestern Morgen gesehen und mir das Stück angehört habe musste ich es ausprobieren. Es ist Balsam für mein Seele (eigentlich paradox bei diesem traurigen Stück in dem der ganze Weltschmerz zu liegen scheint).

Aber eigentlich hätte ich einen Teil von dem gelöschten Kommentar stehen lassen können. Der lautete etwa so: Hier zeigt sich wieder, wie hilfreich das Forum für Anfänger ist. Man lernt neue Stücke kennen und die Art, wie man sich ihnen nähert. Besonders gut gefällt mir die sehr anschauliche Beschreibung von ubik und Chiarina.

Bei dem oben verlinkten Notenblatt wird innerhalb eines Taktes bei gleichen Akkorden der Fingersatz gewechselt. Warum behält man den Fingersatz nicht bei?
 
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Könntest du noch den Unterschied zwischen 4/4 und alla breve erklären. Zu meiner Entschuldigung kann ich sagen, dass ich seit langer Pause wieder dazugehöre. Rudl
Wenn nicht vier Viertelnoten sondern nur zwei halbe Noten als Einheiten in einem Takt gezählt werden soll, wird durch das Zeichen des 4/4 Taktes ein senkrechter Strich gezogen. Diese Taktart des 2/2 Taktes bezeichnet man als alla breve. Der Schwerpunkt liegt auf der der 1. Zählzeit, während im 4/4 Takt auf dem ersten Viertel der Hauptschwerpunkt und auf dem dritten Viertel ein Nebenschwerpunkt liegt. Darin ist der Unterschied zum 4/4 Takt -
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:

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