Chopin, der Legato-Komponist

"Frédéric Chopin", es ist nett, wenn du uns den Unterschied zwischen Legato-, Phrasierungs- und Haltebogen erklären willst (hast noch den Artikulationsbogen vergessen), das wäre aber nicht nötig gewesen. Aber nun erkläre mir mal, was ein Bogen, der einen einzigen Ton mit sich selber verbindet, bedeuten soll? Das ist ein Kuriosum, das entweder eine Flüchtigkeit von Chopin darstellt oder vom Notensetzer, wahrscheinlich ersteres, verursacht durch die Manie der Romantiker, den Notentext möglichst ausnahmslos mit Bögen zu schmücken, weil er sonst gar zu nackt aussähe. (Der fragliche Bogen der Ballade findet sich in der Henle-Ausgabe von 1976, T. 50ff., dort aber nur über der rechten Hand, in vielen anderen Ausgaben fehlt er klugerweise.)
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Jörg Gedan
http://www.pian-e-forte.de
 
was manche "Verrücktheiten" der Notation angeht, so wollen die Komponisten da Hinweise darauf geben, wie eine Stelle verstanden bzw. empfunden werden soll (in diesem Sinne ist das zunächst irrational anmutende Zitat aus der As.Dur Ballade zu verstehen)
Ein berühmtes Exempel des real unmöglichen, aber empfindbaren findet sich in Liszts h-Moll Sonate am Ende: ein langer F-Dur Akkord, der crescendo und diminuendo machen soll...
die Stelle hat erst einen a-Moll Akkord, dann einen F-Dur Akkord, dann einen H-Dur Akkord -- und nur der F-Dur Akkord soll zu- und abnehmen
---eine empfindsame Angelegenheit sozusagen (und warum soll ein langer Ton oder ein Akkord keinen emotionalen Sinn enthalten dürfen? aber klar, ist eine Frage des jeweiligen Kontextes!)
Gruß, Rolf
 
"Frédéric Chopin", es ist nett, wenn du uns den Unterschied zwischen Legato-, Phrasierungs- und Haltebogen erklären willst (hast noch den Artikulationsbogen vergessen), das wäre aber nicht nötig gewesen. Aber nun erkläre mir mal, was ein Bogen, der einen einzigen Ton mit sich selber verbindet, bedeuten soll? Das ist ein Kuriosum, das entweder eine Flüchtigkeit von Chopin darstellt oder vom Notensetzer, wahrscheinlich ersteres, verursacht durch die Manie der Romantiker, den Notentext möglichst ausnahmslos mit Bögen zu schmücken, weil er sonst gar zu nackt aussähe. (Der fragliche Bogen der Ballade findet sich in der Henle-Ausgabe von 1976, T. 50ff., dort aber nur über der rechten Hand, in vielen anderen Ausgaben fehlt er klugerweise.)

Wie gesagt, die Haltebögen sind klar, die stehen mit Sicherheit in jeder Ausgabe.

Der Phrasierungsbogen, der wie Du sagst nur in der Henle Ausgabe steht, hat eine andere Funktion. Würde nur dieser Bogen stehen, und nicht die Haltebögen dürfte der Ton nicht liegen bleiben und müßte dreimal, wie er notiert ist, angeschlagen werden.

Nun zu Deiner Frage:

Der Phrasierungsbogen gibt Dir Auskunft:
1. wie Du musikalisch atmen sollst
2. soll eine eigene Phrase darstellen. Das könnte bei einen solchen langen Ton durchaus zutreffen. In diesem Falle könnte man diesen Ton z. B. mit Hilfe der Lautstärke von der vorigen und nachherigen Phrase trennen. Wie man es musikalisch macht, überlasse ich jeden alleine und es ist schön, daß es unterschiedliche Interpretationen gibt. Fakt ist aber: Den langen Ton sollte man als eigene Phrase empfinden (wenn es so in der Henle Ausgabe notiert ist)

Ein Sänger würde bei einem solchen langen Ton im übrigen auch Luft holen.


Phrasierungsbögen werden aber nicht immer bei jeder Ausgabe oder Komponisten angegeben. Hier ist der Künster gefragt, richtig zu phrasieren. Dynamik wird ja auch nicht immer angegeben.

Aber so wie man piano und forte in die Noten schreiben kann, kann man selbstverständlich auch Phrasierungsbögen schreiben.

Liebe Grüße, Mario
 
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Legato als Default-Spielweise ?

Also ich nehme aus der Diskussion über den Legato-Begriff für mich mit, dass der Begriff in verschiedener Bedeutung beim Klavierspiel auftaucht - zum einen als Kennzeichnung einer Artikulationsweise (auch beim Klavier!), so wie Staccato, Portato usw.
Und zum anderen als Versuch, eine sangliche Linie auf dem Klavier hinzubekommen, so dass die einzelnen Noten ineinander übergehen, in möglichst sanglicher Weise (mein Mißverständnis ist offensichtlich, dass ich das bisher unter dem Begriff "cantabile" aufgefasst habe, oder Phrasen durch Melodiebögen gekennzeichnet und nicht unter dem Begriff legato, daher meine Konfussion).

reduziert man freilich alles auf grundlegenden motorische Muster, so kann folgender Satz als beste Basis verstanden werden:
"legato ist eine Bewegung in die Tasten, staccato ist eine Bewegung weg von den Tasten" - Prof. Vitaly Margulis, Aphorismen zum Klavierspiel

Das erinnert mich an eine schöne Analogie, die mir meine Klavierlehrerin als Kind gesagt hatte: bei Legato sind die Tasten klebrig, so dass die Finger dran hängen bleiben. Bei Staccato sind die Tasten heiß wie eine Herdplatte.

Im übrigen bin ich der Meinung, dass man sowohl legato als auch non-legato oder sogar staccato, einen Melodiebogen spielen kann, also cantabile spielen kann. Eben durch die Stilmittel dynamischer Gestaltung und/oder Rubato. Von daher sehe ich sangliche Spielweise unabhängig von der Artikulationsweise beim Klavier.

Da Legato sozusagen die Default-Spielweise ist, hätte er manch endlosen Legato-Bogen nicht hinschreiben brauchen, es sei denn, er glaubte sein Leben lang, daß er malt und nicht komponiert.

Tja, es scheint eine Sitte (oder Unsitte?) zu sein, dass Legato heutzutage die Default-Spielweise ist, egal was man spielt.

Zu Zeiten des Barock und mglw. auch noch der Klassik war non-legato die Default-Spielweise (also auch noch bei Mozart- es gibt Zeitzeugenaussagen dazu bzgl. Mozarts Spielweise!). Und eine Tendenz ist zu erkennen, dass manche Leute auch heute wieder Bach eher non-legato als default spielen, wie er es offenbar auch tat, gewichtet nach Notenlängen und schweren Taktzeiten. Finde ich schön, weil dadurch der frische barocke Drive und Schwung besser zum Vorschein kommt, als durch ständiges Dauerlegato.

Mglw. war zu Chopin's Zeiten Legato auch noch nicht überall als Default-Spielweise etabliert, so lange lag die Klassikzeit schließlich noch nicht zurück bei ihm? Vielleicht eben deshalb die vielen Legato-Spielanweisungen, weil non-legato noch nicht so lange vor ihm Usus war?
Nur mal so als Frage oder Hypothese in den Raum...

Hier übrigens ein Link zu einer (wie ich finde interessanten) Abhandlung über die historische Entwicklung des Legatos, passt auch in den Kontext zur Entwicklung bis zu Chopin's Zeiten:

historische Entwicklung des Legatos
 
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