Blattspiel

Animani

Animani

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30. März 2013
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Hallo ihr Lieben,

wie der Titel schon verrät geht es um das Blattspielen.

Seit etwa einem Jahr spiele ich jeden Tag 30-40 Minuten irgendetwas vom Blatt ....oder ich versuche es zumindest: einfache Schubertlieder, einfache Scarlattisonaten, Clementi-Sonatinen etc (was mir eben so unter die Finger gerät)

Ich schaue mir vorher die Noten an, analysiere die Tonart,Taktart, schaue nach Hamroniefolgen, Akkorden etc. .

(Ich schaffe es nur sehr selten sofort im Tempo zu spielen und naja.. flüssiges Spielen klingt auch anders..*seufz*)

Ich habe zwar gemerkt, dass es wesentlich besser geworden ist, ABER: ich spiele immer noch grottig vom Blatt. Ich würde gerne in Erfahrung bringen, wie lange ihr das Blattspielen trainieren musstet?

Zudem hat sich bei mir noch eine sehr seltsame Symbiose aus Auswendiglernen und Battspielen eingeschlichen. Ich habe Jahre lang immer sofort auswendig gelernt. Nun habe ich mir antrainiert, so wenig, wie nur möglich auf die Tasten zu gucken. Wenn ich heutzutage an neue Stücke rangehe, dass versuche ich stets am Notenblatt zu hängen.

(außer Sprünge etc.. das kann ich noch nicht..)

(Ich bewundere die Pianisten, die gar nicht mehr auf ihre Finger gucken müssen!!!)

Es hat sich bei mir eine seltsame Symbiose aus Auswendig- und Blattspiel entwickelt.

Ein Beispiel:

Ich habe im Trio von Piazzolla 'Invernio Porteno' gespielt. Ich schaute stets auf die Noten und erkannte die bereits erlernten 'Notenmuster' und Akkorde etc..
Hätte man mir diese Noten weggenommen, so hätte ich gar nicht weiterspielen können. ABER, was ich gemacht habe, war auch kein Blattspielen, weil meine Hände bereits wussten, was sie zu tun haben. Ich hatte mich dann letztens ertappt, dass ich mir auch gar nicht beide Systeme anschaue, sondern meistens nur die linke oder die rechte Hand und nach 'Schlüsselphrasen' etc Ausschau halte und anhand dessen mich für das weitere Spiel orientiere. Ich weiß ehrlich gesagt auch nicht, ob es immer so ist.. mir ist es halt an einer Stelle aufgefalen. Die linke Hand wusste was zu tun war und die rechte Hand brauchte die Noten.
Das ist ja total doof! Warum habe ich mir nur sowas Komisches angewöhnt??? Wie bekomme ich das denn wieder aus meinem Kopf???

Ich frage mich, ob das 'normal' ist oder, ob ich ersthaft etwas verkehrt mache?

(Wenn die vorlesungsfreie Zeit finito ist, habe ich auch wieder Klavierunetrricht und werde auch mal meine Klavierdozentin dazu befragen - ich hoffe nur, dass ich mich mit solch einer Frage nicht blamiere. Man möchte ja vor dem Dozenten auch nicht doof aussehen^^).


Mein Klavierdozentin möchte auch, dass ich bei den kommenden Eignungsprüfungen als Korrepetitorin der Gesangsbewerber zur Verfügung stehe, da ich somit gut das Blattspielen trainieren könnte. Ich habe da wirklich grooooooßen Bammel vor.
Ich weiß, dass man gut schummeln kann und viel weglassen kann... aber ich bin noch nicht soweit, dass ich im Tempo vom Blatt spielen kann... (flüssig klappt es bei mir auch nur selten - seit denn ich spiele es in einem sehr langsamen Schneckentempo)

Ich möchte unbedingt das Blattspielen erlernen. Ich finde Kammermusik einfach wundervoll und da ist es nun einmal von Vorteil, wer das Blattspiel beherrscht...

So, ich freue mich auf eure 'Erfahrungsberichte'.

Liebe Grüße,
Animani
 
Hi Animani ;)

ich weiß zwar nicht, ob ich geeignet bin, hier zu antworten, aus Deinem Text entnehme ich, dass Du Klavierunterricht hast, evtl. Klavier studierst ?! Ok, egal..: Was ich sagen WÜRDE, wäre folgendes: In einigen Threads wurde ja schon auf dieses "Erkennen von Mustern" hingewiesen. Ich setze das mal gleich mit den von Dir erwähnten "Notenmustern" und "Schlüsselphrasen":
Nun glaube ich, dass es auf zweierlei ankommt: Erstens, dass man sich schon LANGE GENUG mit Blattlesen und Klavierspielen betätigt, dass man folgendes versuchen könnte: Die einzelnen KOMPONISTEN noch mit ihren speziellen jeweiligen MUSTERN im Kopf in Verbindung zu bringen. Du erwähntest ja, dass Du Schubertlieder und Scarlattisonaten abspielen kannst.

Was Du sagst, kenne ich GENAU, bei der Sache, wo Du schreibst "Hätte man mir die Noten weggenommen, hätte ich gar nicht weiterspielen können, aber [...] die Hände wussten, was sie zu tun haben" : Kann ich VOLL nachvollziehen, mit Noten SOFORT, die Hände werden durch den ANBLICK der Noten "gesteuert", teils viele Takte im Voraus sind im "Fingergedächtnis BEIM ANBLICK der Noten". FEHLT der ANBLICK, geht wenig !! Ist es so ?

Du bist an einem wichtigen Punkt angelangt, meine ich, ABER hast ja auch die Möglichkeit, weiteren Rat einzuholen, durch KL und weitere Forums-Leute hier.. OK..komm ich mal zu

Zweitens: Vergiss NIEMALS den Tastsinn. Er sollte helfen, bezüglich Deiner Fragestellung "Ich bewundere Pianisten, die nicht auf ihre Finger schauen müssen", helfen. Der Tastsinn kann UNFASSBAR schnell sein, und er funktioniert auch, wenn die Augen "ausgeschaltet sind". Aber wenn Du noch NICHT lange das Vom-Blatt-Spiel ausübst, wird das mit dem Tastsinn mit der Zeit kommen ;) ganz sicher.

Zum Schluss nochmal zu den MUSTERN: Lange genug ausgeübt, gestattet Dir die Mustererkennung, auch VERGLEICHEND und SCHNELL auch kleine oder sehr kleine Einheiten / Melodien / Phrasen KOMPONISTENÜBERGREIFEND ohne, dass Noten vorliegen, im Kopf aufzurufen , und z.B. auch Ähnlichkeiten zu erfassen. Die Komponisten, auf die Du das anwenden kannst, sind natürlich vom erlernten "Komponisten-Pool" abhängig. SOO ok..mehr fällt mir erstmal nicht ein, mal sehn, was andere so sagen,

ganz viele Grüße von: -LMG- , Olli !
 
Ich frage mich, ob das 'normal' ist oder, ob ich ernsthaft etwas verkehrt mache?
Ich denke, das ist völlig normal.
Es zeigt, dass Du auf dem richtigen Weg bist, blind zu spielen und vom Blatt zu spielen. Dass man für Stücke, die man einstudiert, nur noch Stichpunkte braucht, das liegt doch in der Natur der Sache und ist keine komische Angewohnheit.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Dass man für Stücke, die man einstudiert, nur noch Stichpunkte braucht, das liegt doch in der Natur der Sache und ist keine komische Angewohnheit.

Hi Peter, hier ein winziger Einwand: Es muss auch für Stücke gelten, die NICHT "einstudiert" werden, sondern die man "vorgeknallt" bekommt. Und danach gar nicht mehr ansieht (außer, man will es). ;) ...

LG, Olli !
 
Ich frage mich, ob das 'normal' ist oder, ob ich ersthaft etwas verkehrt mache?
falls du gerne hören möchtest, dass du was verkehrt machst, dann muss ich dich enttäuschen: das ist völlig ´normal´

ein Tipp zum trainieren/verbessern der Fähigkeiten:
wenn du gerne Kirchenmusik oder Opern magst, dann hör dir deine Lieblingssachen oft genug an - dann hör sie mit Klavierauszug - und dann spiel den vom Blatt (das ist eine Möglichkeit, das nötige voraushören anzulegen)

und dann: natürlich schafft man eher einfach strukturierte Sachen leichter im Tempo als hochkompliziertes Zeug, d.h. Schuberts Ständchen oder Ave Maria wirst du problemlos hinkriegen, Schönbergs Pierrot Lunaire eher nicht - völlig normal. All das wächst mit der Praxis und mit der Erfahrung.

ach ja: Mut zur Lücke! bei den Opern- oder Kirchensachen lass ruhig Mittelstimmen aus, wo´s nicht gleich geht und spiel nur Oberstimme und Bass
 
ein Tipp zum trainieren/verbessern der Fähigkeiten:
wenn du gerne Kirchenmusik oder Opern magst, dann hör dir deine Lieblingssachen oft genug an - dann hör sie mit Klavierauszug - und dann spiel den vom Blatt (das ist eine Möglichkeit, das nötige voraushören anzulegen)

Meinst du, dass das bewirkt, dass man auch bei unbekannten Stücken schon vorher im Ohr hat, wie diese klingen? *verständnishalber nachfrag*
 
Bedenkt Rolfs Anmerkung "LIEBLINGSSACHEN" !! Sie müssen: Freundlich klingen, dem Blatt-Übenden ERSTMAL bekannt sein, (auf Unbekannte erstreckt sich das Vorab-Hören und Umsetzen dann später automatisch), sie müssen: SCHWIERIG genug sein, und deshalb...würd ich ganz fräch mal noch folgende zu den Opern-Auszügen hinzufügen:

Beeth.-Konzerte, Auszüge 1,2,3,5 und Viol.-Konzert, (Aber NICHT Nr 4, höchstens Mittelsatz), und die Lieblings-Mozart-Konz.-Auszüge, denn diese Klav.-Konz.-Auszüge haben den Vorteil, nicht ZU VIEL auslassen zu müssen - man könnte bei zunächst zu schwerem Klavierteil den ANDEREN (2.Klav. / Orch) spielen, und man wird NEUGIERIG und BISSIG, ich schwörs..

UND, da Animani SCARLATTI erwähnte, empfehle ich, UNBEDINGT die 3 Peters-Bände MINDESTENS ein Mal durchgespielt zu haben - EGAL WIE, und DAZU noch die aus der 9 oder 10-Bändigen Gesamt-Ausgabe holen, die BESONDERS schön sind, aber in den Peters-Bänden nicht enthalten sind oder IMSLP. DAS sollte doch eigtl. erstmal den POOL erweitern, oder ?

Der POOL muss GROß sein, damit man auf die Erfahrungen zurückgreifen kann.

LG, Olli !!
 
ja klar, denn empfehlenswert ist, vorm losspielen so n bissel die Noten zu überschauen ;):)

Aha, na wenn das funktioniert... kann ich mir irgendwie gar nicht vorstellen. Muss aber nix heissen, habs ja noch nie versucht.
Ich erarbeite mir auch immer nur Stücke, die ich schon vorher gehört hab, und würde aber beim Blattspielen von unbekannten Sachen komplett versagen. ^^
 
Danke für die schnellen Antworten. :)

Erst einmal bin ich beruhigt, dass es doch nicht so unnormal zu sein scheint, was die Notenmuster betrifft.

und dann: natürlich schafft man eher einfach strukturierte Sachen leichter im Tempo als hochkompliziertes Zeug, d.h. Schuberts Ständchen oder Ave Maria wirst du problemlos hinkriegen, Schönbergs Pierrot Lunaire eher nicht

Also..ich habe mir eben über die Seite 'Petrucci' Schuberts Ständchen ausgedruckt und versucht vom Blatt zu spielen...mit mäßigem Erfolg:
Ich habs ein Mü langsamer gespielt, als das Original und ich habe super super viel geschummelt. Im Laufe des Stücke übernimmt die linke hat die Aufgabe der rechten Hand (wird zusammengefasst in der linken Hand) und die rechte spielt eine Melodie etc (dann auch noch Triolen gegen Duolen)... ich konnte es nur spielen, indem ich diese Medodie dann ignoriert habe und nur die Begleitung weiter gespielt habe und an zwei Stellen hat es auch heftig geholpert, weil es mir zu viele Hilfslinien plötzlich in den Bässen waren .(bei 4 Hilfslinien , da muss ich auch mal kurz überlegen ... spielt man ja auch nicht jeden Tag^^)

.. aaah ich ärgere mich so, dass ich sowas nur mit extremer Schummelei hinbekomme und dann aber trotzdem noch Fehler einbaue. Klar, ich hätte einen Sänger damit irgendwie begleiten können (müsste es dafür zwei , drei mal druchspielen), ABER ich hätte es nur extrem ereinfacht dann begleitet hinbekommen. Für die 'richtige' Version, da bräuchte ich schon ein, zwei Stunden Übezeit....

Naja, ich hoffe, dass mit der Zeit mein Gehirn mehr Noten in kurzer Zeit erfassen kann.

Nein, ganz ehrlich: ich glaube manchmal, ich kann die Noten vielleicht nicht so schnell erfassen und umsetzen. Das muss man schließlich 'trainieren'.

Habt ihr das richtig trainieren müssen, oder kam es einfach mit der Zeit?

All das wächst mit der Praxis und mit der Erfahrung.

Und ihr seid der Meinung, dass man es also wirklich richtig lernen kann? Dies würde mich beruhigen. Es gibt doch eigentlich nichts Schöneres, als wenn jemand ruft: "Hey , komm mal her. Kannst du das mal schnell begleiten. Ich hätte es gerne in dem und dem Tempo!" und man sich die Noten greifen und losspielen kann.

*schnief*
 
aah..meine Grammatik und Rechtschreibung lässt zu solch später Stunde zu wünschen übrig :floet:
 

Und ihr seid der Meinung, dass man es also wirklich richtig lernen kann? Dies würde mich beruhigen. Es gibt doch eigentlich nichts Schöneres, als wenn jemand ruft: "Hey , komm mal her. Kannst du das mal schnell begleiten. Ich hätte es gerne in dem und dem Tempo!" und man sich die Noten greifen und losspielen kann.
schau mal, da hängt viel davon ab, auf welchem spieltechnischem Niveau man sich befindet - wer Oktaven und normale Akkordik sofort in den Noten sehen kann, wer über Duolen contra Triolen nicht nachdenken muss, der begleitet das Ständchen ohne üben (auch transponiert)

was deinen geäußerten Wunsch betrifft: bei richtig schwierig zu spielenden Sachen wird das überwiegend eine Utopie bleiben - c´est la vie.

und nein: trainieren muss man Notenlesen nicht - aber viel mit Noten hören, sich in Harmonielehre fit machen, auch transponieren können, das hilft.
 
Mensch mensch... naja, was mein Spielniveau betrifft: Mozartsonaten, Beethovensonaten, Burgmülleretüden, Bachpräludien und -fugen, Bachsuiten ... ich weiß nicht. Das sind ja auch alles für mich Werke an denen ich wirklich sehr lange sitze. Zuletzt habe ich Hochzeitstage au Troldhaugen gespielt. Ist ja eigentlich nicht sooo schwer, aber ich saß trotzdem 9 Monate an dem Ding, damit es ordentlich klingt und und die Betonungen sitzen etc.. (ich bin wohl ein langsamer Lerner^^)

Es gibt bei uns Leute an der Uni, die spielen nicht 'so schwere' Stücke und haben Probleme mit Läufen, Triolen gegen Duolen etc... aber die sind wahnsinnig gute Blattspieler.
Es kam mal ein Kommilitone an und meinte zu mir : "Begleite mich mal bitte schnell. Ich hab gleich Unterricht und vielleicht kannst du ja dann mit reinkommen und spielen. Ist ganz einfach."
Das war das Lied von Haydn 'Lob der Faulheit'. Ich habe es natürlich nicht vom Blatt auf Anhieb hinbekommen. Technisch ist es überhaupt nicht anspruchsvoll...aber vom Blatt? Naja..zum Vortragsabend konnte ich zwar meinen Kommilitonen begleiten, aber das war ja da dann kein Blattspiel mehr.
Jedenfalls meinte der besagte Kommilitone zu mir: "Ja, das sind mir die Richtigen: spielen die ganzen Presto-Sätze, aber kriegen nicht mal eine einfache Akkordbegleitung vom Blatt hin."

(Das war etwa vor einem Jahr und hat mir den Anlass gegeben, überhaupt mich mit dem Thema Blattspiel auseinanderzusetzen.)

Oioioioi...

Aber ich glaube du hast Recht:
trainieren muss man Notenlesen nicht - aber viel mit Noten hören, sich in Harmonielehre fit machen
Ich bin zwar soweit in der Notentheorie ganz fit, aber das bewusste anwenden auf Stücke - das ist bei mir noch nicht vollständig automatisiert. Vielleicht sollte ich das mehr in den Vordergrund stellen.
 
Es gibt bei uns Leute an der Uni, die spielen nicht 'so schwere' Stücke und haben Probleme mit Läufen, Triolen gegen Duolen etc... aber die sind wahnsinnig gute Blattspieler.
interessant -- und was machen diese prima-vista-cracks, wenn sie Läufe und polyrhythmisches vom Blatt spielen sollen? ;)

Mensch mensch... naja, was mein Spielniveau betrifft: Mozartsonaten, Beethovensonaten, Burgmülleretüden, Bachpräludien und -fugen, Bachsuiten ... ich weiß nicht. Das sind ja auch alles für mich Werke an denen ich wirklich sehr lange sitze. Zuletzt habe ich Hochzeitstage au Troldhaugen gespielt. Ist ja eigentlich nicht sooo schwer, aber ich saß trotzdem 9 Monate an dem Ding, damit es ordentlich klingt und und die Betonungen sitzen etc.. (ich bin wohl ein langsamer Lerner^^)
...ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass man mit diesem leichten (!) Griegstück ganze neun Monate schwanger gehen muss, wenn man schon Beethovensonaten wie op.28, op.53 oder gar op.57 spielen kann ;):) ...aber ok, es gibt 2-3 leichte, viele recht schwierige und eine Handvoll richtig ultraschwierige Beethovensonaten.
 
...ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass man mit diesem leichten (!) Griegstück ganze neun Monate schwanger gehen muss, wenn man schon Beethovensonaten wie op.28, op.53 oder gar op.57 spielen kann ;):)

Und in Anbetracht dieser Sonaten meine LETZTE Anmerkung hier in diesem Thread:

Hat Arrau (oder andere) diese "unspielbaren Dinger" zuerst VOM BLATT versucht, oder hat er sie sich hingedacht ?

Olli.
 
..ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass man mit diesem leichten (!) Griegstück ganze neun Monate schwanger gehen muss, wenn man schon Beethovensonaten wie op.28, op.53 oder gar op.57 spielen kann

Ich weiß nicht, ob hier der Ironie-Zaunpfahl winkt oder der Ernst.
Man kann sich wirklich sehr lange an einem Stück aufhalten. Klar, ich hatte den Grieg nach 3 Monaten bei einem Klassenvorspiel präsentieren müssen. Demzufolge saß der Text etc... aber 'gut' klingt anders. Die Oberstimme saß nicht, schwer-leicht-Betonungen waren nicht ausgereift, die Läufe in der linken Hand waren nicht präzise, Endungen waren manchmal abgerissen, der lyrische Teil war zu 'gerade'... und und und..man konnte sooo viel rummeckern. Es war einfach nur runter gespielt! Text ist ja nicht alles. Dann wird das Stück ein paar Monate bei Seite gelegt, damit es sich setzen lassen kann, dann wieder aufgegriffen und die ganzen Details werden erarbeitet. Summa summarum: So gehen einige Monate weg. Ein Werk kostet Zeit, der Text ist nicht alles und man beschäftigt sich ja auch mit mehreren Stücken parallel.

Aber eigentlich wollte ich gar nicht auf die Erarbeitungsphase eingehen. Es geht mir hier einzig und allein ums Blattspiel und wie eure Erfahrungen dazu sind. Ich möchte auf jeden Fall das Blattspiel weiter verfolgen, wie schon bereits erläutert.

Mich würde interessieren,ob ihr richtig das Battspiel geübt habt, oder ob es sich mit trainiert hat, indem man schon die Erarbeitungsphase seiner Solowerke anders gestaltet hat. Ob es etwas mit Gewohnheit zu tun hat oder oder oder.

Ist es zum Beispiel günstiger
a) ein Stück vom Blatt gaaaanz langsam und dafür fehlerfrei durchzuspielen
oder
b) ein Stück gleich im Tempo durchzuspielen und dabei aber dann viel viel schummeln?

Blattspiel hat ja viel mit Blindspiel zu tun. Ich merke da bei mir immer noch Unsicherheiten. Ich fokussiere mich zwar auf die Noten, aber ich schaue trotzdem noch zu viel auf die Tasten. Wie kann ich das zum Beispiel üben, um das zu vermeiden?

Liebe Grüße,
Animani
 
Ist es zum Beispiel günstiger
a) ein Stück vom Blatt gaaaanz langsam und dafür fehlerfrei durchzuspielen
oder
b) ein Stück gleich im Tempo durchzuspielen und dabei aber dann viel viel schummeln?

Blattspiel hat ja viel mit Blindspiel zu tun. Ich merke da bei mir immer noch Unsicherheiten. Ich fokussiere mich zwar auf die Noten, aber ich schaue trotzdem noch zu viel auf die Tasten. Wie kann ich das zum Beispiel üben, um das zu vermeiden?
Zum Beispiel bietet sich an, das Berufsbild eines Korrepetitors unter die Lupe zu nehmen - der tut nämlich genau dieses jeden Tag.

Deine Frage kann man nur mit entweder a) oder b) beantworten, wenn Vorbereitungszeit für die zu spielenden Parts vorhanden ist. Im Zweifelsfall ist immer zu wenig Zeit, so dass in der Regel die Tendenz zu b) geht. Diese Situation wirst Du mit hoher Wahrscheinlichkeit bei den von Dir zu begleitenden Gesangsprüfungen vorfinden. Ich spreche aus Erfahrung, nachdem ich soeben in einer Ostermesse ohne Probe den Generalbaß in einer Mozart-Messe und weitere Sätze mit Chor als Einspringer an einer mir unbekannten Orgel komplett vom Blatt spielen musste - wenn man solche Situationen oft genug gemeistert hat, kommt das erforderliche dicke Fell ganz von selbst.

Bei den Gesangsprüfungen darf man folgendes voraussetzen: Die Prüfungskandidaten sind gehalten, sich selbst um eine Begleitung zu bemühen - viele Hochschulen teilen das den Prüflingen sogar ausdrücklich schriftlich mit. Wer also den ohne explizite Vorbereitungsmöglichkeit spielenden Begleitern vom Haus zu schwierige Aufgaben zumutet und Notenmaterial nicht spielfertig eingerichtet vorlegt, trägt selbst die Verantwortung für die dann erschwerten Prüfungsbedingungen und kann bei ungünstigem Prüfungsverlauf nicht eine negative Entscheidung der Kommission mit der Begründung anfechten, die nicht ausreichende Prüfungsleistung sei durch die schlechte Klavierbegleitung verursacht worden. Trotzdem wird sich die Person, die den Klavierpart übernimmt, in der Regel um das bestmögliche Ergebnis bemühen: Synchronizität mit dem Partner hat unbedingte Priorität, lieber den Klavierpart ausdünnen. Lieber weniger Töne spielen, die richtig sind, als die angespannten Nerven der Prüfungskandidaten mit vielen falschen Tönen übermäßig strapazieren. Lieber (arpeggierte) Akkorde als überschnelle Akkordbrechungen, lieber Läufe auf die stützenden Achtel reduzieren als die vorgeschriebenen Sechzehntel-Triolen nicht im Tempo abspielen zu können. Denn eines ist beim Primavista-Begleiten strikt verboten: Eigenmächtige Verlangsamung des Tempos, um den im Vorspielstress befindlichen Partner aus dem Tritt zu bringen. Gute Begleiter unterstützen ihre Spielpartner, zumindest sollte die Begleitung nicht störend in Erscheinung treten, notfalls die Vierstimmigkeit auf das zweistimmige Gerüst konzentrieren und zusätzliche Töne (Mittel- oder Nebenstimmen) harmonisch korrekt zufügen.

Dass es für gute Korrepetitoren durchaus Bedarf gibt, zeigt die Existenz vollwertiger Studiengänge mit dem Schwerpunkt Korrepetition an verschiedenen Hochschulen, besonders in den Neuen Bundesländern. Der Weg zum Erfolg beruht natürlich auf gegebenen Begabungskomponenten (Überblicken komplexer Notentexte, schnelle Auffassungsgabe, kombinatorisches Denkvermögen, gute Memorierfähigkeit, da sich viele Strukturen und Muster in der Literatur wiederholen) in Verbindung mit langjähriger Spielpraxis und erlernbaren analytischen Fertigkeiten und theoretischen Kenntnissen. Studienwerke für Korrepetition gibt es am Markt ebenso wie z.B. Generalbaßschulen.

@Animani: Meine Vorredner haben vielfach recht. Die von Dir beschriebenen Unsicherheitsfaktoren sind absolut im Bereich der Normalität und machen sich bei zunehmender Spielpraxis und Erfahrung immer weniger störend bemerkbar. Freilich sind viele schwierige Werke der Sololiteratur nicht für die Wiedergabe unter Primavista-Bedingungen auf dem Podium bestimmt. Entweder nimmt man sich die hierzu notwendige Einstudierungszeit bis zur Podiumsreife oder man lässt die Finger von derartigen Brocken. Auch gute Blattspieler kommen nicht umhin, gründlich und detailorientiert am Stück zu arbeiten. Ich erinnere mich, dass im vergangenen Jahr in diesem Forum ein gigantischer Wei-Tsin-Fu-Faden angewachsen ist. Da war von geschickter Vernetzung der Gehirnfunktionen die Rede, um schwierige Literatur mit ungewöhnlich wenig Vorbereitungszeit in die Finger zu bekommen. Oft genug zeigten schließlich ausfindig gemachte Vorspielresultate und sonstige Erfahrungswerte, dass dabei eine Menge Details auf der Strecke blieben, die eine Darbietung aber erst podiumstauglich gemacht hätten.

Mögliches Fazit: Gutes Blattspiel ermöglicht einen schnelleren Einstieg in ein neues Werk als schlechte Primavista-Fertigkeiten - nicht weniger, aber auch nicht mehr. Es gibt Situationen, in denen solche besonderen Begabungen vorteilhaft sind - siehe oben. Aber selbst genialste Überfliegernaturen und Blitzlerner können sich nicht auf die Dauer vor dem Üben drücken - eine so übermenschlich gut vernetzte Vernetzung der Gehirnfunktionen gibt es ganz offensichtlich nicht. Es gibt also keinen Grund, sich übermäßig über limitierte Leistungsstandards beim Blattspiel zu ärgern; über Möglichkeiten zur Optimierung entsprechender Fertigkeiten habe ich hier bei verschiedenen Anlässen ja geschrieben. Vollendetes und Perfektes wird beim ersten Hinschauen und Losspielen weder geboten noch erwartet - auf den Brettern, die die Welt bedeuten, sieht das natürlich anders aus. Da zählt nach angestaubtem Kanzlerwort nur, was hinten rauskommt...,

meint mit LG Rheinkultur
 
Ich weiß nicht, ob hier der Ironie-Zaunpfahl winkt oder der Ernst.
beides!

Es geht mir hier einzig und allein ums Blattspiel und wie eure Erfahrungen dazu sind. Ich möchte auf jeden Fall das Blattspiel weiter verfolgen, wie schon bereits erläutert.
auch wenn du es nicht glauben magst (mach halt deine Erfahrungen damit) : je höher dein spieltechnisches Niveau ist, je mehr du Musik mit Noten hörst, umso geschickter und selbstsicherer wird dein Blattspiel. Hohes technisches Niveau ist notwendige Voraussetzung, um sich so schnell wie möglich zurechtzufinden (und nicht über Harmlosigkeiten wie diatonische Läufe, Verzierungen, Arpeggien etc. zu stoplern), warum viel Erfahrung mit Notenlesen beim hören (Strukturen sofort erfassen) nützt muss nicht wiederholt werden.

Lies dir nochmal Rheinkulturs ausführlichen Beitrag durch.
 

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