Immer wieder unglaublich, was für ein absoluter Normalfall schlechter Klavierunterricht ist!
Erst letzte Woche habe ich einen Workshop mit einer Reihe von pianospielenden Schülern gegeben, die nahezu alle "Klassik"-Klavierunterricht hatten und bei mir in Jazzpiano reinschnuppern sollten, und nach ihrem Unterricht befragt, berichteten fast alle übereinstimmend, daß ihr Unterricht eigentlich nur darin bestehe, irgendwie ein Stück nach dem anderen zu spielen; keine Hintergrundinformationen, keine Theorie, keine Analyse, keine Gehörbildung, kein Blattspiel, und schon gar nicht Kreativität. (Interessanterweise wurde das von einigen verteidigt mit Worten wie "naja, aber es ist halt eine solide Grundausbildung...")
Und jetzt wieder live und in Farbe das Outing einer schlechten Wald-und-Wiesen-KL.
Aber ich will mal nicht so sein und nicht nur draufhauen, daher gebe ich einen kollegialen und konstruktiven Tipp. Vielleicht ist Schnabelchen ja einfach noch jung und hatte, wie so viele, keinen vernünftigen Methodikunterricht sowie selber nicht so dollen Unterricht in ihrer Jugend. Ich hoffe zudem, daß Schnabelchen wenigstens studiert hat und nicht irgendeine Amateurin ist, die ihr Taschengeld mit Unterrichten aufbessert.
Schnabelchen, Du DARFST einfach nicht "nach Schule" unterrichten! Das ist GANZ schlecht!
Natürlich ist es absolut OK, wenn die Schülerin sich die Klavierschule kauft und Ihr auch viele Stücke daraus macht, aber der Anfang des Unterrichts muß so sein, daß nach Gehör ohne Noten verschiedenste Liedchen gespielt werden, und zwar in allen möglichen Tonarten, auch schon gleich mit schwarzen Tasten, und auf gar keinen Fall begrenzt auf irgendwelche Fünftonräume!
Es ist eine der schlechtesten Sachen, die passieren können, daß ein Schüler in "Tastenlagen" denkt und da womöglich, so wie Deine Schülerin, kaum wieder rauskommt! Voll versemmelt!
Das Denken / Wahrnehmen muß sein: "Ich will jetzt diesen Ton da als nächstes spielen, und dazu nehme ich vielleicht am besten folgenden Finger." Gute, unverkorkste Schüler nehmen im Eifer des Gefechts auch mal ziemlich beknackte Fingersätze, einfach weil sie "falsch ankommen", aber dennoch einen bestimmten Ton, der als nächstes gespielt werden muss, irgendwie hinkriegen wollen.
Daher solltest Du, wenn nun schon das Kind in den Brunnen gefallen ist, wenigstens jetzt anfangen, mit dem Kind lauter "beknackte" Fingersätze zu spielen (am besten auch Sachen ohne Noten, und um Himmels Willen nicht "die nächste Nummer in der Klavierschule"!). Z.B. mal ein Stück nur mit dem 3. Finger spielen. Oder nur mit den Fingern 1 und 2. Und Stücke, die es schon kann, in anderen Tonarten spielen etc.
Ich wünsche Dir, daß dieses Erlebnis und auch die Reaktionen hier im Forum Dir Anlaß sind, Dich in Richtung einer brauchbaren Klavierlehrerin weiterzuentwickeln!
Edit: Ah, ich sehe gerade, die Schülerin hat 3 Jahre Unterricht bei Dir? Sie quält sich nach derart langer Zeit mit derart grundlegenden Dingen? Und gleichzeitig behauptest Du, Ihr seid "gut vorangekommen"? Schäm Dich! Wie kann man für so etwas Geld nehmen und dann auch noch denken, es sei OK? 3 Jahre! 3 Jahre! Ich krieg mich nicht mehr ein!!!
LG,
Hasenbein