Bunte Blätter op. 99, stummer Fingerwechsel

[Herr Toteninsel]

Liebes Forum,

zu dem 6. Stück aus Schumanns Bunten Blättern op. 99 "Ziemlich langsam, sehr gesangvoll" eine Verständnisfrage:

Ab T. 4 (mit Auftakt) soll eine punktierte Halbe gespielt werden. In meiner Peters-Ausgabe steht 1 4 über der Note, sodass ich einen stummen Fingerwechsel vollziehe, um dann die Terz auf dem 3. Schlag greifen zu können, ohne die Note loszulassen.
Ist das richtig so? In einigen Aufnahmen auf Youtube konnte ich nicht klar erkennen, ob das wirklich so praktiziert wird. Gerade durch den vorgeschriebenen Pedaleinsatz frage ich mich, wie notwendig diese Akrobatik ist. (Was nicht heißt, dass ich nach einem leichteren Weg suche, dieses Detail zu umgehen)
Über Tipps, wie ich diesen Wechsel besser üben könnte oder wie ihr diese Stelle spielt, freue ich mich sehr.

Herzliche Grüße
Herr Toteninsel

 

[rolf]

Ab T. 4 (mit Auftakt) soll eine punktierte Halbe gespielt werden. In meiner Peters-Ausgabe steht 1 4 über der Note, sodass ich einen stummen Fingerwechsel vollziehe, um dann die Terz auf dem 3. Schlag greifen zu können, ohne die Note loszulassen.

Böcklins Gemälde meint diese Stelle in der linken Hand.
...ob speziell hier akrobatische Fingerwechsel vorliegen, ist eine interessante Frage: bei Schumann kommt es oft vor, dass Bässe als Vorschläge notiert werden - da muss man immer entscheiden, ob die Vorschlagnote harmonisch relevant ist und weiterklingen soll, oder ob sie nur verziert (und nicht harmonisch und klanglich stützt) und deshalb "weggefiltert" werden kann. Ist letzteres der Fall, dann kann ggf mit stummem Fingerwechsel gehalten werden (weil sinnvolle Pedalwechsel unnötige Töne wegfiltern)
schau in den 3. Takt: wenn dort das Vorschlag-G nicht weiter klingt, hat die Dominante keine Terz... also überleg dir bei jedem Takt, ob der Vorschlag klanglich relevant (Bass) oder nur kurz schmückend ist
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In der Klavierliteratur kommen stumme Fingerwechsel auf langen Tönen gar nicht mal selten vor, das kann man in Bachs Fugen oft genug einsetzen, aber auch in klass.-romant. Literatur ist das nicht sonderlich selten, sondern eine der gebräuchlichen Spieltechniken. Schön sehen kann man das z.B. hier:

(Wagner/Liszt Einzug der Gäste auf die Wartburg) das lange Melodie-g2 muss akzentuiert sein durchklingen, das geht nur mit dem notierten stummen Fingerwechsel (offensichtlich liegen die Begleitakkorde der r.H. erst über und dann unter der langen Melodienote)

Über Tipps, wie ich diesen Wechsel besser üben könnte oder wie ihr diese Stelle spielt, freue ich mich sehr.

In Brahms 51 Übungen gibt es zwei (Nr.43a & 43b) die sich genau mit solcher "stummer Akrobatik" befassen:

man muss nicht partout die schwierigen Brahmsvarianten üben, sondern nach diesen Mustern kann man sich bequemere/einfachere selber basteln: das Prinzip ist ja einfach.

 

[Herr Toteninsel]

Lieber Rolf,

herzlichen Dank für die ausführlichen Erläuterungen. Zum musikalischen Verständnis des Stückes hatte ich zunächst die Melodie mit dem Akkord begleitet, der sich aus dem verwendeten Begleitmuster ergibt, wobei meistens der Vorschlag notwendig war.
Es heißt jetzt üben.

Für den Verweis auf die Brahms-Übungen bin ich sehr dankbar, das werde ich mir gleich anschauen. Wenn ich die Variante bei Brahms langsam hinkriege, dürfte die Stelle bei Schumann problemlos sein.

Beste Grüße und nochmal Danke,

Herr Toteninsel oder auch gerne "Böcklins Gemälde" ;)

 

[Herr Toteninsel]

Eine Nachfrage ist beim Üben noch aufgekommen: (auch wenn sie nichts mit dem Fingerwechsel zu tun hat)

Spiele ich die kurzen Vorschläge im Bass in diesem Stück auf der Zählzeit oder vor der Zählzeit? Mir erscheint es klanglich an vielen Stellen stimmiger, die Note vor der Zählzeit zu spielen. Ist es bekannt, wie Schumann sich diese Stelle dachte? (Solche Vorschläge kommen ja auch in anderen Albumblättern recht häufig vor.)

 

[Herr Toteninsel]

Nachtrag: Wenn es mir an vielen Stellen sinnvoll vorkommt, heißt das natürlich trotzdem, dass ich nach einer einheitlichen Variante suche.

 

[rolf]

die kurzen Vorschläge im Bass in diesem Stück auf der Zählzeit oder vor der Zählzeit?

vor der Zählzeit