Anfängerfragen, traut Euch!

  • Ersteller des Themas violetta
  • Erstellungsdatum

Ich stolpere gerade über ein Phänomen, dessen Existenz mir (der zwar lebenslang Musik gehört hat, aber praktisch erst seit kurzem selbst Klavier spielen zu lernen begann) bislang gar nicht bewusst war.

Ist es "normal", dass man als Verleger bei einem "Stück mit Variationen", die Anzahl und sogar die Reihenfolge der verwendeten Variationen frei selbst festlegt?

Gestolpert bin ich über dieses Phänomen bei Friedrich Kuhlaus Op 42/1 "Variationen über das Thema eines Österreichischen Volksliedes". In Band 2 der Europäischen Klavierschule von Emonts wird das Stück mit 2 Variationen gezeigt. In Band 1 einer Sammlung von Schüngeler (dem Lehrer von Emonts) fand ich das Stück mit 4 Variationen, drei davon "neu" - es musste also eigentlich mindestens 5 geben. In der Könemann-Ausgabe "Erste Konzertstücke Band 2" finden sich 6 Variationen, wobei da auch wieder eine aus dem Emonts-Heft fehlt - und die Reihenfolge der 4 Variationen, die sich auch bei Schüngeler finden, ist anders. In der Petrucci Library fand ich dann das Original von 1822 - mit 9 Variationen, und wieder mit einer anderen Reihenfolge als in den drei genannten Heften.

Bei Youtube finde ich diverse Aufnahmen, aber nur eine mit allen 9 Variationen. Das hält sich an die Reihenfolge von 1822, zeigt dabei aber Noten, die in einer Variation den falschen Schlüssel zeigen (gespielt wird der richtige) und bei Emonts gibt es zu allem Überfluss übrigens auch noch zwei kleine Stellen, an denen die Noten wirklich anders sind. Von den eingezeichneten Spielanweisungen (Akzente, Staccato, Cres/Dim,..) gar nicht zu reden.

Mir geht's aber erstmal nur um das Thema "Weglassen" und "Reihenfolge" - irgendwie meine ich, es ist schändlich, so ein Stück zu kürzen (ohne das zu kennzeichnen - die beiden Variationen, die ich nur im Original fand, sind mit Abstand auch die schwierigsten, vielleicht fehlen sie deshalb in allen Heften) oder die Reihenfolge darin zu ändern. Wobei ich das bei Variationen ja noch einigermaßen verstehen kann - aber der Klang, der Fluß des Stückes ändert sich doch deutlich, je nachdem, in welcher Reihenfolge man die Variationen spielt.

Die Frage also: Ist das wirklich normal oder egal?
 
Ist es "normal", dass man als Verleger bei einem "Stück mit Variationen", die Anzahl und sogar die Reihenfolge der verwendeten Variationen frei selbst festlegt?
Mein Wissen über Variationen kommt mir gerade etwas begrenzt vor, doch aus welchem Grund sollte man denn gemeinfreie Werke nicht mit beliebigen Variationen spielen oder veröffentlichen dürfen, zumal es sich nur um das Thema eines Volksliedes handelt?
 
Es gibt zwei mögliche Erklärungen:
Erstens die Situation der Überlieferung ist unklar (Bach Chromatische Fantasie ist etwa in 3 teilweise sehr abweichenden Fassungen überliefert)!
Zweitens der Herausgeber verfolgt pädagogische oder redaktionelle Ziele, die Abweichungen sinnvoll erscheinen lassen!

Im ersten Fall sollte in der Ausgabe etwas zur gewählten Fassung stehen in zweiten Fall muss etwas dastehen!
 
Bei Youtube finde ich diverse Aufnahmen, aber nur eine mit allen 9 Variationen. Das hält sich an die Reihenfolge von 1822, zeigt dabei aber Noten, die in einer Variation den falschen Schlüssel zeigen (gespielt wird der richtige) und bei Emonts gibt es zu allem Überfluss übrigens auch noch zwei kleine Stellen, an denen die Noten wirklich anders sind. Von den eingezeichneten Spielanweisungen (Akzente, Staccato, Cres/Dim,..) gar nicht zu reden.
Ich nehme an, Du meinst dieses Video?
Mich stört mehr, dass ich den Text in der ersten Zeile nicht richtig lesen kann.


View: https://www.youtube.com/watch?v=qXDxJvgOC3g
 
Vielen Dank für die zahlreichen Antworten!

Ich nehme an, Du meinst dieses Video?
Mich stört mehr, dass ich den Text in der ersten Zeile nicht richtig lesen kann.

richtig, dieses Video meinte ich. In Variation 2 muss es m.E. unten ein Bassschlüssel sein, kein Violinschlüssel. Der Text in der ersten Zeile lautet "Fid'l gungas gai-gai! Die Käz is main Wai, da Hanns is main Diärn, muäss's Kind'l ainwiäg'n".
 
In Variation 2 muss es m.E. unten ein Bassschlüssel sein, kein Violinschlüssel.
Spiel das so hoch mit zwei Violinschlüssel, also ein-, zwei- und Anfang dreigestrichene Octave, danach hört sich irgendwie an, auch wenn mein Gehör nicht das Beste ist. Doch falls ich falsch liegen sollte, wird sich schon einer verbessernd äußern.

Edit: Bin verrutscht, ging von der 1. Variation aus, bei der 2. sieht es eher nach einem Bassschlüssel aus, da liegst Du wohl richtig.

Ohne Variationen ist es auf Seite 23 in "Oesterreichische Volkslieder, mit ihren Singeweisen" von 1819 enthalten, wie ich gerade fand. Einsehbar oder zum Herunterladen als PDF unter:

https://archive.org/details/oesterreichisch00volkgoog

Ist jedenfalls schon interessant, was sich aus so einer einfachen Melodie alles zaubern lässt.
 

Anhänge

  • Die_Kaez-is-main-Wai.jpg
    Die_Kaez-is-main-Wai.jpg
    24,2 KB · Aufrufe: 7
Zuletzt bearbeitet:
Ich hätte ein Frage zum Menuet G-Dur BWV Anh. II 114 aus dem Notenbüchlein der Anna Magdalena Bach. Und zwar verstehe ich die Notation der linken Hand im Bild nicht. Scheinbar ist dort was optional, da alle Noten ja nicht in den 3/4 Takt passen. Aber was genau kann ich dort spielen? Leider ist mein Lehrer die nächsten 2 Wochen im Urlaub und solange kann ich einfach nicht warten :-D
 

Anhänge

  • IMG_0719.JPG
    IMG_0719.JPG
    288 KB · Aufrufe: 42
erste Note (h) wird auf 1 gespielt und bis inkl. 2 gehalten, bei 2 kommt die zweite Note (d) ins Spiel, diese wird gehalten bis 3.
Zu guter Letzt wird auf 3 das h erneut angeschlagen.
Somit passt alles in den Takt.
Wozu das Pausenzeichen dort steht, kann ich nicht sagen.
 

Wozu das Pausenzeichen dort steht, kann ich nicht sagen.
Das Viertel-Pausenzeichen und eine halbe Note sind eine Stimme, die halbe Note und die Viertelnote die andere Stimme. In meiner Notationssoftware kann man bis zu acht Stimmen eingeben, oben vier unten vier. Da werden dann die Pausenzeichen passend dazu notiert. Das wirkt teilweise ziemlich verwirrend.

Wenn Du eine halbe Note spielst/singst, und einen Vierteltakt später kommt noch eine halbe Note, dann sind das zwei Stimmen. Mit den Fingern kein Problem, mit der Stimme schon. Da braucht man live mehrere Sänger. :-D
 
Zuletzt bearbeitet:
Das Pausenzeichen verdeutlicht die Zweistimmigkeit der linken Hand. Ohne das Pausenzeichen wäre die obere Stimme im Bass unvollständig notiert.

Hier erkennt man die beiden Stimmen auch gut an den Notenhälsen. Sie zeigen für die eine Stimme nach oben und für die andere nach unten.

CW
 
Zuletzt bearbeitet:
wird denn unterschiedlich gespielt, je nachdem, ob die Zweistimmigkeit per Pausenzeichen verdeutlicht wird oder nicht?
 

Zurück
Top Bottom