250er Bösendorfer

Ich bin immer wieder erstaunt, dass renommierte Klavierhersteller Modelle jenseits ihrer bekannten Modellpalette herstellen oder hergestellt haben. Das kann doch betriebswirtschaftlich eigentlich keinen Sinn machen. Weiß jemand, wie viele Flügel von dieser Größe Bösendorfer hergestellt hat?

http://www.klavierhaus-schroeder.de/produkte/boesendorfer-fluegel-250/
1933 war der 250er eben ein Modell der damals bekannten Modellpalette.
Ob der immer noch hergestellte "Imperial" 290 betriebswirtschaftlich Sinn macht, wage ich zu bezweifeln.
Ist eben leider geil. :-D
 
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Ob der immer noch hergestellte "Imperial" 290 betriebswirtschaftlich Sinn macht, wage ich zu bezweifeln.

Sicher? Es gibt immer noch genügend Pianisten, die mit den neuen 280VC noch nicht wirklich glücklich sind, aber dennoch einen Bösendorfer spielen möchten. Und da muß dann halt der Imperial (nur echt mit der "Ledermechanik") her.
 
"Ledermechanik" - ich weiß, dass der Imperial begann hergestellt zu werden, als Bösendorfer teils auch noch Wiener Mechaniken einbaute. ...

Das endete aber kurz danach, das mit den Wiener Lederdingern ... wobei, Leder, das war ja nicht wirklich aus Überzeugung..., sondern Notwendigkeit, weil wegen der Längs-Schabe-Bewegung beim Saitenanschlag der Prell- bzw. Wiener Mechaniken Hämmerchen mit Filzbelag nicht lange leben würden ...

Sag bloß, die in der Spätphase "Wiener" zuerst um 1900-1910 hergestellten Impies haben (teils) noch Wiener... Und wenn, dann werden das wohl kaum mehr als noch einzwei Handvoll noch sein, hm? Weiße Elefanten...?... Letzte, seltenste Vertreter einer einst omnipräsenten Fertigungstechnik? Für sowas (Verlierertypen, letzte Mohikaner, still going strong) habe ich ja ein Faible.

Soweit ich das noch schwach in Erinnerung habe, endeten die "Wiener" beim Bösie um 1909 herum...?... Aber von Bechstein weiß man, dass die die gebundene Mechanik auf Sonderwunsch auch noch bis zum Ende WK II herstellten, ca. 35 Jahre nach Ende der Serienproduktion.

Was ja hier sonst fehlt, neben den Vertretern von Steinway und Bechstein, sind Leute, die man im Bösen Dorfe beruflich verortet... (Ich als Steini-Adept und - im Falle eines Brandes - casus unwahrscheinlichus - Bösendorfer-Kaufinteressent - bedaure das.)
 
"Ledermechanik" - ich weiß, dass der Imperial begann hergestellt zu werden, als Bösendorfer teils auch noch Wiener Mechaniken einbaute. ...

Er muss wissen, dass es Menschen gibt, die Expertenwissen jenseits dessen besitzen, was die Klavierwelt so als Expertenwissen kennt und akzeptiert. Dazu zählt dann eben genau jene Imperial-Mechanik.

Verbatim, zur Veranschaulichung: "Der Flügel (nur der alte Imperial, nicht die anderen Bösendorfer-Modelle!) hat eine Ledermechanik. Wenn die nicht gewartet wird, wird sie langsam."

Und der Herr Hecher hat ja keine Ahnung, weil der nur alte Instrumente kennt.

Das ist auch derjenige, der Herrn Horowitz ein speziell für das 1978 Rachmaninov 3 gebautes Podium andichtet. Der erzählt, dass Michelangeli in einem öffentlichen Konzert einen Steinway C spielt, dass Horowitz' Hammerköpfe in NY neu befilzt wurden oder das kein Mensch, auch kein Toningenieur, einen C von einem D in einer Aufnahme unterscheiden kann.

Nur damit er weiß, woher der blinde Hase aus dem Unterholz herausrennt und krachend im Kühlergrill enden wird. Dr. der Philosophie, wissenschon.

Den Blindtest C vs. D habe ich ihm natürlich sofort angeboten und nach den Rahmenbedingungen gefragt. Leider keine Antwort mehr.
 

Die Detailgrößen bei Serienherstellern sind ja auch fast immer pillepalle, void, minder interessant ... - es sei denn, ein bestimmtes Merkmal , wie die exakte Länge, erlaubte eine genaueste Identifikation eines Flügels, ob denn er die von einem Kaufinteressenten nachgefragten Eigenschaften habe.

Meist machen es die Klavierbauer relativ schlau..., so wie bei Steinway zum Beispiel, wo die Größe eines Konzertflügels von 247 cm über 260 cm über 270 auf die heutigen 274 cm kam. Das hat u.v.a. den Vorteil, dass man die Resonanzböden älterer Flügel oft mit denen neuerer ersetzen kann, wenn denn man die etwas zu großen Böden rundum einkürzt.

Die Größenangaben können auch zur Verwirrung führen ..., wenn in den Transienten der Zeit ein heute 188 cm langer Flügel ehedm mal nur 182 cm lang war - und dann prompt, auch von Fachleuten... - mit dem "nachgerückten" kleineren Modell werfäxelt wird, wie ich das mal bei einem Klavierbauern aus Niederbayern bemerkte, der einen uralten A-182 für einen etwas moderneren O-180 auspreiste, wobei das angegebene Baujahr (1896 oder 97) nicht stimmen konnte, weil der O erst 1900 rauskam...

Die Fa. Bösendorfer hat ja heute das Alleinstellungsmerkmal, dass man bei ihr mal gleich zwei Konzertflügel unterschiedlicher Größe beschaffen kann - den 290er Imperial, und den 275er, letzteren auch noch in zwei verschiedenen Versionen - mit 88 und mit 92 Tasten. Oder ist der 275er heute eine 280er? Oder war der 275er vorher ein 270er?

Keine Ahnung. Bösendorfer wird frühestens die über-über-nächste Baustelle, wenn denn ich für meine Zwecke mit Erard und Pleyel durch bin.

Und Bösendorfer ist die einzige Bude, die sowohl "gebaute" Gehäuse heute noch fertigt bei den größeren Flügeln, als auch Rims bei den kleineren macht.

Rennst du denn immer mit Maßband herum, wenn du Flügel guckst, Christian? ;-) Ich tu das nicht. Hat mir bitter geschadet, als ich in Brüssel einen (Halb-, Semi-, Voll-) Konzertflügel inhalierte, der mir vorkam wie der Parlor grand der Herren Henry sr. und Henry jr., aber erstaunlicherweise trotz frühem Baujahr der 1860er bereits mit den vollen 88 Tasten... , so, als sei er eine Experimentalversion gewesen, oder aber er war nicht 220 lang, sondern doch schon 250-260..., damalige Vollkonzerterlängen..., und ich habe es nur nicht gesehen, gemessen...

Wo doch die Parlors bis 1886, bis zur Einführung des heutigen C, nur 85 Tasten hatten...

Ein Faszinosum. Oder mein Irrtum...

= = = =

Mein Guckiluggi, wenn ich wo was interessantes sehe:

O Cembalo? O Flügel...?... (in der Vitrine in Leipzig stehen zwei rot chinesisch bemalte Instrumente von Christofori nebeneinander.... der eine lechts, der andere rinks...)
O Schallkasten? O kein Schallkasten? (mit Schallkasten sind die alten Dinger, primär aus dem 18. Jahrhundert, danach baute man offene Resos...)
O offenen Stimmstock? Abgedeckten?
O Wiener Mechanik O Stößelmechanik
O Kann man ran an das Innere? Repetitionen identifizieren? O leider nicht...
O Hämmerchen-Ausrüstung O mit Leder O ohne O Anzahl der Lagen...
O Duplex drinne? O sonstigen Pillepalle wie Blüthners mitschwingende Saiten? O nichts dergleichen
O Gebautes Gehäuse? O Rim aus verleimten Dickten?
O weniger als 82 Tasten O 82 O 85 O 88 O 92 O 97 O mehr als diese Tasten.... (ja, gibt es, 102 von Stuart, habe ich noch nie live gesehen, keine Lust, dafür nach Australien zu jetten....)

= = = =

Und hier wieder eine Literaturempfehlung, ist ja bald wieder Weihnachten...

Die Bildbände vom seligen Andreas Beurmann, "Das Buch vom Klavier" , und sein früheres über seine damalige Cembali-Sammlung. Wenn man die beiden Bücher mal durchgearbeitet hat, und alles, alles darin auch verstanden hat..., DANN kennt man sich aus bei Klavieren.
 

Grüß dich, TS,

Rim" ist zum Einen ein Oberbegriff der Amis für alle Arten Flügelgehäuse.

im engeren Sinn aber ist "Rim" die Bauweise, dass ohne einzelne dicke Planken (Basswand, Diskantwand, geschwungene Wand // die hat auch einen Fachbegriff) die Flügelkontur "in einem Stück" entsteht, und zwar aus Dickten, einer Art dickerer Furnierblätter, die im Paket zu ca. 15-20 Stück untereinander mit Leim bestrichen und dann sofort auf einer Flügelvorrichtung zum Leimtrocknen aufgespannt werden.

Man erkennt also ein "Rim"-Gehäuse daran, dass es keine scharfen Übergänge gibt, dass alles gerundet ist im Konturverlauf, und demzufolge Eckleisten fehlen.

Steinway baut Rims seit 1878, mit der Einführung der heutigen A- und B-Modelle kamen diese Sachen, Theo Steinweg hatte auch in den USA sich das Patent dafür gesichert, aber es ist abgekupfert aus dem Möbelbau. Seit 1880 baut Steinway alle Flügelgehäuse als Rim.

Ich habe einen D "knapp vor Rim", der also ein "gebautes" Gehäuse hat, an dem sich zwei Eckleisten befinden: wenn du am Flügel sitzt, hinten links eine Eckleiste am Ende der Basswand, und hinten rechts eine Eckleiste am Ende der Diskantwand. Zwischen den beiden Eckleisten die geschwungene Planke - alle drei einteilige Hölzer.

Die heutigen D-Konzertflügel "mit Rim" brauchen also Holzstreifen in der Breite des Gehäuses (um 45cm) in einer Länge von über acht !!! Metern, um "einmal ganz herum" zu kommen. Das dementsprechende Paket mit verleimten Streifen, deren 18 an der Zahl beim D-274, neun hohe Blätter außen und neun kleine innen für die Reso-Auflage, wird von vier oder fünf Mann bewegt..., dann auf die Vorrichtung gespannt, und das muss alles zackzack gehen, bevor der Leim abbindet...

Bösendorfer baut die großen Flügel heute noch "old style", mit Eckleisten, sogar mit einer weiteren Eckleiste "hinten rechts" am Ende der geschwungenen Wand, die aber nicht "zurückschwingt" zum linken Ende der Basswand, sondern verbaut am Flügelschwanz eine vierte einteilige Planke, die ebenso gerundet ist, aber mit dem Gegenschwung.

Ich habe euch mal eine kleine Skizze verbrechert, die das Ding mit den Eckleisten und "ohne" beleuchten könnte.RimVersussGebaut.jpg
 
Um es noch etwas genauer auszuführen: die Rim-Fertigung war bei Steinway erst von 1878 bis in die 1920er Jahre zweiteilig..., weil man den hohen äußeren Rim und den inneren schmalen Auflage-Rim separat fertigte.

Dieser Wechsel in den Zwanzigern hatte - nebenbei - recht dramatische Folgen, als die Techniker das probierten... Die auf die neue Tour probierten Rims rissen erst fast immer in der Verleimung auf. Dann fragten sie in New York in ihrer Verzweiflung einen alten Russen, den man als Genie des Holzmöbelbaus beguckte. Der sah sich das mit den Furnierstreifen an, stellte aber fest, dass die Steinway-Leute im Wechsel Ahorn mit einer anderen Holzart verbauten.

Er gab dann den Rat, es doch mal NUR mit Ahorn zu machen - und siehe da, so funktionierte es dann.
 
Oh, das wusste ich nicht. Bösendorfer ist eine der ganz wenigen Fabriken, die ich bisher noch nicht besichtigt habe. Ich dachte, mittlerweile machen das alle Hersteller mit durchgehenden Furnierstreifen.

Again what learned :-D
Dazu muss man gar nicht mal in die Fabrik. ;-) Es langt aus, neue Bösendorfer-Flügel mal diesbezüglich genauer zu inokulieren.
:005: Ich war allerdings in Wiener Neustadt, nach dem letzten Wien-Treffen mit dem Michi Klaviermacher. Sehr eindrucksvoll. Sehr zu empfehlen.
(Dafür war ich noch nicht in der Hamburger Fertigung. Shame on me...)
 

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