Raus aus dem Korset

Aha. Sehr schön. Ich freu mich schon auf die 9. Bruckner mit dazwischenreden und weglaufen und Türen zuknallen und und und...
 
Es ist schon ein schwerwiegendes Problem, was Herr Martin Tröndle da anspricht,
dass man Konzerte besucht und dabei eine längere Zeitspanne damit verbringt, der Welt nicht zugänglich zu sein (zumindest medial a la Handy, Internet etc) und still dasitzend der Musik lauscht.

Ich denke es gibt eine Studie, die besagt, man könne nicht glücklich sein, wenn man nicht in 23,4 Minutenintervallen mit einem anderen Menschen Kontakt aufnimmt, um über die Farbe der Staubpartikel auf ihrem Schreibtisch zu diskutieren.

Aber die Dabatte um die Klamotten ist tatsächlich mühselig...

Schönen Gruß, Raskolnikow
 
Ganz ehrlich, hör dir doch eine Brucknersinfonie an. Stell dir jetzt vor, dass neben dir jemand sitzt, der zuerst sein Handy rausholt, eine SMS schreibt, dann spricht dieser mit seinem Freund. Plötzlich steht er auf und geht raus. Also ich hab auch Glücksmomente während einer Bruckner Symphonie ohne Unterhaltungen.
 
Aha. Sehr schön. Ich freu mich schon auf die 9. Bruckner mit dazwischenreden und weglaufen und Türen zuknallen und und und...

Ich finde es sehr traurig, daß in der heutigen Welt immer weniger Platz für Ruhe, Konzentration, Zuhören ist.

Nicht nur, daß der Sonntag als letzter Ruhepunkt zunehmend den Bach runtergeht ("Verkaufsoffener Sonntag" ist das Allerletzte!), nein, nun soll auch die letzte Bastion des Wirklich-Zuhörens, das Klassikkonzert, geschleift werden, nur damit die hyperaktiven Menschen des 21. Jahrhunderts auch dort ihrem zwanghaften Redenmüssen und ihrer Konzentrationsunfähigkeit frönen können...

Wahrscheinlich gibt's in 30 Jahren auch Beerdigungen, bei denen am Sarg Werbung angebracht ist und einer rumläuft und Sachen verkauft - weil's dann für die Hinterbliebenen billiger ist und "die Sache auflockert"...

Früher waren Klassikkonzerte ja auch eine z.T. sehr unruhige Sache, die heutige Praxis wurde erst in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts üblich; aber das ist noch lange kein Grund, diesen zivilisatorischen Fortschritt wieder aufzugeben. Man will ja auch nicht zurückkehren zum samstäglichen Wannenbad oder zum 14-Stunden-Arbeitstag...

Und Thema Klamotten: Diejenigen, die hier für größere Vielfalt plädieren, übersehen zweierlei: 1) Immergleiche Klamotten bewirken, daß man sich viel besser auf das zu Hörende konzentrieren kann, da der stets dominierenwollende Sehsinn kein Futter bekommt (deswegen bin ich übrigens auch lieber in Konzerten ohne gutaussehende Interpretinnen...), 2) Musik auf höchstem Niveau ist ein Ritual auf geradezu religiösem Niveau, eine entsprechende respektvolle und feierliche Uniformierung, wie sie auch Priester oder Mönche vornehmen, deshalb durchaus angemessen.

LG,
Hasenbein

LG,
Hasenbein
 
Na, da ist doch prima!
Wir sind der gänzlich gleichen Meinung, Anton. Ich hätte vielleicht die Ironie offenkundiger machen müssen, auch wenn es mich fast ein wenig bestürzt, wenn es so rüberkommt, dass ich tatsächlich so oft über mein staubiges Arbeitszimmer plaudern muss :D

Schönen Gruß, Raskolnikow
 
Gut, jetzt verstehe ich auch das mit dem Staub. :D
 
Stell dir jetzt vor, dass neben dir jemand sitzt, der zuerst sein Handy rausholt, eine SMS schreibt,
...das lässt sich locker steigern:
ich war vorgestern mit sla019 im Augsburger Tristan. Zu meiner linken sla019, der mit mir vorher noch aus dem Klavierauszug gespielt hatte - zu meiner rechten ein Ureinwohner, der auf seinem internetfähigen Handy Fußballergebnisse betrachtete, während das Licht abgedimmt wurde...
...oder Bayreuth: trotz Fotografierverbot blitzt es immer wieder, und auch Klingeltöne sing gelegentlich zu vernehmen...
 
...oder Bayreuth: trotz Fotografierverbot blitzt es immer wieder, und auch Klingeltöne sing gelegentlich zu vernehmen...

Ganz ehrlich: Wenn ich das als Dirigent mitbekommen würde, würde ich es wie Keith Jarrett machen. Ich würde abbrechen und eine Gardinenpredigt halten, bei der u.a. mit Konzertabbruch bei Wiederholung gedroht wird.

LG,
Hasenbein
 
Ich war vorgestern in Schwetzingen, wo eigentlich Volodos spielen sollte. Natürlich ist er krank geworden und so spielte Leonskaja im zweiten Teil die letzte Schubert-Sonate.

In den ersten Reihen saß ein Typ, der hat so laut geschnarcht, dass der Saal bebte. Er wurde offensichtlich immer wieder von seinen Nachbarn geweckt, ist aber kurz darauf wieder eingeschlafen, was deutlich zu hören war...........................................
 
Stell dir jetzt vor, dass neben dir jemand sitzt, der zuerst sein Handy rausholt,
eine SMS schreibt, dann spricht dieser mit seinem Freund.

Ohne Witz: um mich im Konzertsaal oder Opernhaus unwohl zu fühlen,
dafür reicht mir das ganz normale ältere Publikum. Der aus meiner Kindheit vertraute Satz,
ich bzw. meine Generation sei schlecht erzogen, ist durch genau die falsifiziert,
die uns (schlecht) erzogen haben.

Sie quasseln während eines Konzerts oder eines Opernaktes ganz ungeniert herum,
zur Not auch laut, wenn die dynamischen Exzesse der Musik sie dazu nötigen.
Ich habe einem solchen Zeitgenossen, als er zum Pausenende wieder seinen Platz einnahm,
mal gesagt, daß ich meine Eintrittskarte nicht dafür bezahlt hätte, um seine Stimme zu hören.
Daraufhin wurde dieser Mensch wütend - und erklärte mir was? Ich sei unerzogen.
 

Und was mich ehrlich aufregt, ist, dass viele Leute (fast nur ältere) sofort nach dem letzten Stück aufstehen und dem Künstler keinen Beifall, meinetwegen auch Buh-Rufe zollen. Damit sie nämlich schnell aus dem Parkhaus kommen und an der Garderobe nicht anstehen müssen.

Das nenne ich Respektlosigkeit sondergleichen!
 
...wobei Destenays Zukunftsvisionen auch neue Musikerwitze erzeugen:

Der Dirigent gibt den Bratschern ihren Einsatz per SMS...
 
Ich finde es traurig, dass man uns jungen Menschen nicht mehr zutraut, 90 min lang ruhig der klassischen Musik zu lauschen, erkenne aber natürlich auch die Problematik der aussterbenden Zuhörerschaft. Im Übrigen habe auch ich die Erfahrung gemacht, dass man eher die "Älteren" darauf aufmerksam machen muss, vielleicht dann doch eher dem Stück als ihren Sitznachbarn zuzuhören. Wenn man da nicht eingreift, kann sich das wirklich endlos hinziehen. Das sind dann wohl die selben Menschen, die in den Pausen kein einziges Wort über die Auffühung verlieren und sich stattdessen bloß auf ihren Sekt freuen.
 
Ich finde es traurig, dass man uns jungen Menschen nicht mehr zutraut, 90 min lang ruhig der klassischen Musik zu lauschen, erkenne aber natürlich auch die Problematik der aussterbenden Zuhörerschaft. Im Übrigen habe auch ich die Erfahrung gemacht, dass man eher die "Älteren" darauf aufmerksam machen muss, vielleicht dann doch eher dem Stück als ihren Sitznachbarn zuzuhören. Wenn man da nicht eingreift, kann sich das wirklich endlos hinziehen.

Das ist genau meine Erfahrung! Ständiges "flüstern" (auch Reihen weiter noch gut hörbar), im Programmheft rumblättern (statt zuzuhören) als würde man im Telefonbuch einen Namen suchen, oder eine ganze Konzerthälfte lang mit dem Schmuck rumklimpern, dass es sich anhört wie ein ad-libitum Glockenspiel -- alles schon oft genug erlebt, aber nie waren es junge Leute, die sich so danebenbenommen haben.

Ich glaube ja, dass der ständig wiederholte Ruf, klassische Konzerte "zeitgemäßer" zu gestalten, um für junge Leute interessant zu werden, von irgendwelchen älteren Leuten kommt, die sich selbst immer nur gelangweilt haben im Konzert und daher darauf schließen, dass es jungen Leuten ähnlich gehen muss.

Das ganze heißt ja nicht, dass man klassische Musik nicht an junge Leute herantragen soll, die keinen Zugang dazu hatten (z.B. à la Simon Rattle). Aber wenn man das so gestaltet, dass "Raus- und reingehen, stehen, liegen, essen, trinken, lachen oder sogar mitsingen" die Regel sind (wie im 3Sat-Text nahegelegt wird), dann kann man m.E. nur scheitern, denn man nimmt die jungen Zuhörer nicht mehr ernst, traut es ihnen gar nicht mehr zu, sich ganz und gar auf die Musik, auf das aufmerksame Zuhören einzulassen.
 
Irgendwie habe ich manchmal das Gefühl, ich könnte manche Konzertbesucher erschießen.... :D:D:D:D
 
2007 besuchte ich ein Konzert von Evgeny Kissin in der Münchener Philharmonie. Unter anderem spielte er die Stücke op.118 von Brahms. Hier freute ich mich besonders auf die Romanze op.118 No.5, da ich diese zu dieser Zeit übte. Als die ersten wunderschönen Takte erklangen, begann auch die 40. Sinfonie von Mozart aus dem Handy im Sakko meines Sitznachbarn (ein älterer Herr) in grässlichem Midi-Sound zu erklingen. Sogleich begann dieser hektisch sein Sakko zu durchwühlen, leider ohne Erfolg. In seiner Verzweiflung setzte er sich dann einfach auf sein Sakko drauf, was aber nur bedingt half. Nachdem das Handy verstummte hat er es dann vorgekramt, kurz draufgeschaut und sich bei den Zuhörern in der Nähe entschuldigt. Keine Minute später fing es dann wieder an zu bimmeln. Da sich das Abstellen schwieriger gestaltete als gedacht, wurde es so lange von ihm malträtiert, bis das Gehäuse auseinander viel und der Akku auf dem Boden landete. Die Romanze neigte sich dann schon dem Ende und ich hab nicht viel davon mitbekommen.

Ich hoffe nicht, dass sich klassische Konzerte in Richtung "Bierzelt-Atmosphäre" entwickeln! Unter normalen Umständen kann sich natürlich jeder nicht verhaltensgestörter junger Mensch 90min. konzentrieren.

Außer vielleicht, wenn ich an so manche Vorlesung meiner Studienzeit zurückdenke...:floet:
 
Ja, das mit den Mobiltelefonen ist ja wirklich das Letzte! Ich ärgere mich auch immer wieder über nette Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die nicht in der Lage sind, das Teil abzuschalten, bevor sie einen Konzertsaal (ein Theater, Kino, Vortragssaal, ...) betreten :mad:
 
Gomez, wo steht das geschrieben, dass dies meine Zukunftsvisionen sind ??? Ich kann mich aber noch gut an ein Konzert vor ueber dreissig Jahren an ein Konzert in London
in der Royal Albert Hall erinnern. Ein grossartiger Konzertsaal, man hatte mich darauf vorbereitet , dass das billige Fussvolk unten steht ( so wurde es genau ausgedrueckt ) :D ich ahnte erst spaeter was damit gemeint wurde, dieses Puplikum sprach waehrend des Konzertes unter einander, spritzten mit Cola herum assen Poulets Broetchen usw. in den Logen sass die gehobene Gesellschaft so alls haetten alle ein Psychopharmaka geschluckt, dort waere ich beinahe davongelaufen.
Erst spaeter hatte man mir mitgeteilt das die Sauferei und Fresserei dazugehoert. Es ist bis heute so geblieben, waere doch schoen wenn dies in allen Konzertsaellen so zugehen
wuerde, wird sicher bald so kommen :roll:

Cordialement

Destenay
 

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