Zufriedenheit: Kreativitätssteigernd oder -hemmend?

dauerhaft richtig unzufrieden zu sein, das ist mir viel zu anstrengend.

Das stimmt. Doch es gibt manchmal Umstände im Leben, mit denen man nie gerechnet hat, mit denen man nie zufrieden sein wird. Man kann sie aber nicht ändern. Da kommt es darauf an, wie man es gleichwohl schafft, ein gewisses Maß an Zufriedenheit zu erreichen, damit der Alltag funktioniert. Das kann sehr herausfordernd sein.....
 
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Ok, vielleicht sollte ich ergänzen: Man wird in seinen Ansprüchen bescheiden, wenn man merkt, dass die eigenen Ziele nicht erreicht werden. Das steht dann ja auch echter Zufriedenheit entgegen.
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Das empfinde ich anders. Seitdem ich meine Ziele der Realität anpasse bin ich zufriedener.
Das heißt ja nicht unbedingt, dass ich keine hohen Ansprüche an mich selbst habe.
Beruflich gebe ich mein bestes und habe sehr hohe Ansprüche an meine Arbeit. Das heißt, dass ich mich fortbilde, an meiner Kommunikation feile und überhaupt sorgfältig arbeite. Das heißt aber nicht, dass ich alles können muss und meine, dass ich alles selbst machen muss. Das heißt, ich bescheide mich mit dem, was ich gut kann in meinem Gebiet. Kompetenz ist aber auch jemand an einen anderen Kollegen zu überweisen, der auf seinem Gebiet besser ist als ich.

Zum Thema Bescheidenheit finde ich Prof. Peter Feuchtwangers Kommentar gut:

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Hier noch zwei Abschnitte über das Loslassen:

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Ich glaube, dass letzteres der springende Punkt war. Seitdem ich losgelassen habe eine gute Klavierspielerin zu werden, unrealistische Ziele zu haben, finde ich mein Glück am Klavier. Auch das bedeutet ja nicht, dass ich keinen hohen Anspruch an mich habe. Bei den leichten Stücken gebe ich alles, um klangschön und musikalisch zu spielen.
Ich will ja auch nicht auftreten oder vorspielen, sondern mache das nur für mich selbst.

Die Auszüge oben sind aus diesem Buch:

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Hingabe ist in meinen Augen ein wichtiger Punkt. Wenn ich etwas hingebungsvoll tue, mir realistische Ziele setze, finde ich Zufriedenheit.
 
Das stimmt. Doch es gibt manchmal Umstände im Leben, mit denen man nie gerechnet hat, mit denen man nie zufrieden sein wird. Man kann sie aber nicht ändern. Da kommt es darauf an, wie man es gleichwohl schafft, ein gewisses Maß an Zufriedenheit zu erreichen, damit der Alltag funktioniert. Das kann sehr herausfordernd sein.....

Ich weiß, Frosch, ich hab auch schon die volle Breitseite des Lebens abgekriegt, was zum Beispiel Krankheit und Tod angeht.
Dieses hat mich eher unglücklich gemacht, als unzufrieden.

Ich hab mir angewöhnt zu gucken, was ich ändern kann und was nicht.
Unzufrieden hat mich des öfteren der Mangel an Kompetenz anderer gemacht, da hab ich gekämpft.

Dinge, die ich nicht ändern kann nehme ich hin. Hadern ist in meinen Augen Zeitverschwendung.
 
Liebes Klein wild Vögelein,

hier wurde schon das Problem der Definition von Zufriedenheit angesprochen. Aber auch andere Begriffe sind schwer zu definieren, z.B. Fortschritt. Was ist ein Fortschritt? Für wen gilt dieser Fortschritt?

Wenn ich mehr Klavier übe, weil ich unzufrieden bin mit meinem Klavierspiel war und deshalb nun besser spiele, bin ich in diesem Punkt zufriedener. Wenn dadurch weniger Zeit bleibt für andere Hobbies und Menschen, die mir wichtig sind, ist das ein Rückschritt. Das Plus auf der Haben-Seite zieht ein Minus auf der Soll-Seite nach sich.

Fortschritt ist also auch immer mit Kosten und der Frage verbunden, welche Auswirkungen mein Tun auf meine generelle Zufriedenheit und die meiner Mitmenschen hat.

Meine Meinung nach geht es immer um Bedürfnisse. Wir Menschen haben davon mehrere/viele, sie sind unterschiedlich groß und ändern sich ständig.

Auch die Menschen, mit denen wir zu tun haben, haben Bedürfnisse. Wenn ein Individuum mit sich und seiner Umwelt so im Einklang lebt, dass die wichtigsten Bedürfnisse befriedigt werden, ist der Zustand der Balance erreicht, den man vielleicht als Zufriedenheit bezeichnen könnte.

Wie das Leben ist dieser Zustand aber immer nur einen Augenblick lang vorhanden. Schon im nächsten Augenblick könnte sich ein weiteres Bedürfnis einstellen und schon ist der erreichte Zustand der Zufriedenheit dahin. :) Es befindet sich also alles im Fluss, der Mensch strebt nach der Balance seiner Bedürfnisse und muss dafür ständig etwas tun.

Aus den Bedürfnissen können weitreichende persönliche und längerfristige Ziele resultieren, deren Realisierung einem so wichtig ist, dass man andere Bedürfnisse komplett hintenan stellt.

Sehr beruflich erfolgreiche Menschen arbeiten über Jahre 14-18 Stunden pro Tag und nehmen in Kauf, die Familie nicht zu sehen und keine anderen Hobbies zu haben. Die Erfüllung des dem beruflichen Erfolg zugrunde liegenden Bedürfnisses ist diesen Menschen so enorm wichtig, dass sie ohne die Erfüllung dessen niemals den oben erwähnten Zustand der Balance oder Zufriedenheit erreichen würden.

Ich habe mich schon oft gefragt, was das wohl für Bedürfnisse sind. Der tiefe Wunsch nach Anerkennung, nach "etwas zu sein", nach Ruhm und Macht? Der Wunsch, etwas zu bewirken (Selbstwirksamkeit), der Wunsch "gesehen zu werden"? Es gibt sicherlich viele mögliche dahinter stehende Bedürfnisse, aber ich frage mich z.B. immer, warum ein Trump diese Bedürfnisse hat, die bei seinen Auftritten zutage treten. Sicher spielen bei der Entstehung bestimmter Bedürfnisse auch Kindheitserfahrungen etc. mit hinein.

Ich persönlich versuche, wertende Vokabeln wie zufrieden, fortschrittlich etc. für mein Leben zu vermeiden. Ich versuche lieber, wahrzunehmen, was gerade ist, und das anzunehmen, was gerade ist. Ähnlich wie in dieser Geschichte:

"Ein großer Zen-Meister erhielt Besuch von ein paar Menschen, die auf der Suche nach dem Geheimnis der Zufriedenheit waren. »Großer Meister, was ist das Geheimnis der Zufriedenheit? Was ist dein Rezept, glücklich und zufrieden zu sein?«, fragten die Suchenden. Der Meister gab zur Antwort: »Wenn ich liege, dann liege ich. Wenn ich aufstehe, dann stehe ich auf. Wenn ich stehe, dann stehe ich. Wenn ich gehe, dann gehe ich. Wenn ich hungrig bin, dann esse ich. Wenn ich durstig bin, dann trinke ich. Wenn ich müde bin, dann schlafe ich, und wenn ich die Dinge verrichten muss, dann gehe ich zur Toilette. « Die Besucher waren etwas verwirrt und schauten sich gegenseitig ungläubig an. Dies konnte doch nicht das wahre Geheimnis der Zufriedenheit sein, und so erkundigte sich einer: »Großer Meister, treibe keine Scherze mit uns. Wie du weißt, liegen, stehen, gehen, essen und trinken auch wir, und trotzdem sind wir nicht zufrieden und glücklich.« Der Meister erkannte, dass die Menschen ihn nicht verstanden, und fügte deshalb hinzu: »Du hast recht, ihr liegt, steht, geht, esst und trinkt. Nur wenn ihr liegt, dann denkt ihr bereits ans Aufstehen, wenn ihr aufsteht, dann denkt ihr bereits ans Gehen, wenn ihr geht, denkt ihr bereits ans Essen, wenn ihr esst, dann denkt ihr bereits ans Trinken … Euer Körper und euer Geist sind nie zum selben Zeitpunkt am gleichen Ort. Eure Gedanken sind entweder in der Vergangenheit oder aber in der Zukunft. Das Leben findet jedoch nur in der Gegenwart statt, und nur in der Gegenwart habt ihr die Möglichkeit, Zufriedenheit und Glück zu erfahren."

Gerade an der Wahrnehmung hapert es aus meiner Sicht oft bei den Menschen. Dankbar zu sein für das Schöne, was jedem von uns begegnet, glücklich zu sein über die Natur, in der wir leben, aufmerksam zu sein uns, unserer Familie, unseren Freunden gegenüber, uns mit allem annehmen, was wir haben, fühlen, denken, zu erkennen, was wir ändern können und was nicht, schafft den Boden für ein glückliches Leben, das für alle auch ein Fortschritt ist! :)

Liebe Grüße

chiarina
 
welche Antworten ihr auf die Eingangsfrage habt.
So im Allgemeinen kann ich da im Rückblick unterscheiden, in welchen Bereichen Zufriedenheit gut war. Bei handwerklichen Tätigkeiten nahm ich mir immer noch einmal die Zeit für eine abschließende Betrachtung. Ob es sich dabei um ein Tageswerk oder eins von Wochen oder Monate handelte, war unerheblich, doch wenn ich es bei dieser abschließenden Betrachtung für gut befand, war ich so rundherum zufrieden mit mir und mit dem, was ich gefertigt hatte.

Anders beim Fotografieren, da war ich nie zufrieden, wenn es sich um zur Veröffentlichung bestimmten Bildern handelte. Für die Teilnahme an Kreisfotoschauen hatte es dann gereicht, doch im größeren Maßstab nicht. Bei einem DDR-weiten Wettbewerb sah ich keinen Stich, da war nur die Abschlussveranstaltung in Dresden ein Erlebnis. Später wurde es dann weniger, weil andere Sorgen. Doch in diesem Bereich gab es bis dahin keine Zufriedenheit.

Und bei Musik bin ich noch meilenweit von Zufriedenheit entfernt.
 
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Gerade an der Wahrnehmung hapert es aus meiner Sicht oft bei den Menschen. Dankbar zu sein für das Schöne, was jedem von uns begegnet, glücklich zu sein über die Natur, in der wir leben, aufmerksam zu sein uns, unserer Familie, unseren Freunden gegenüber, uns mit allem annehmen, was wir haben, fühlen, denken, zu erkennen, was wir ändern können und was nicht, schafft den Boden für ein glückliches Leben, das für alle auch ein Fortschritt ist! :)

Liebe Grüße

chiarina

Ja, liebe Chiarina, das sehe ich auch so, hatte aber gute Lehrmeister, das Leben selbst und wunderbare Menschen.

Das Gefühl zufrieden zu sein, betrachte ich nicht als positiv wertend, auch wenn es Behaglichkeit verschafft und ich betrachte meinen Gefühlszustand nicht als Maßstab.

Mir geht es auch eher darum, was Menschen antreibt. Ich hab versucht meine Frage zu erklären anhand des Beispiels der erfolgreichen Rockpianistin.
Als weiteres Beispiel nehme ich Martha Argerich.

In der hochinteressanten Doku "Bloody daughter“

Hier ist zu sehen, dass sie unter Qualen die Bühne betritt, wo sie doch eine begnadete Pianistin ist.

Mir geht es auch nicht darum, ob es das wert ist, sondern eher um die Frage, ob sie ihre Erstklassigkeit gerade durch die Unzufriedenheit erworben hat und wie das zu erklären ist.
 

Bei diesem Thema, man möge es mir nachsehen, fiel mir Voltaires "Candide"ein. und da musste ich schmunzeln. Da war von der "Besten der möglichen Welten" die Rede, wenn es um das relativieren von Unglück ging.
Das ist natürlich eine Satire. aber oft führt das steckengebliebene Lachen zu tieferen Einsichten.
 
Bei diesem Thema, man möge es mir nachsehen, fiel mir Voltaires "Candide"ein. und da musste ich schmunzeln. Da war von der "Besten der möglichen Welten" die Rede, wenn es um das relativieren von Unglück ging.
Das ist natürlich eine Satire. aber oft führt das steckengebliebene Lachen zu tieferen Einsichten.

Ich habe Candide nicht gelesen.

Relativieren und Verdrängung sind meines Erachtens zwei der wichtigsten Überlebensstrategien, die uns Menschen zur Verfügung stehen.
 

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