Zu hohe Erwartungen an den Klavierunterricht?

Orchid

Orchid

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Hallo.
Ich wende mich mit einer Frage Euch, die mich bestimmt schon an die zwei Jahre umtreibt. Nämlich: Wieviel kann ich vom Klavierunterricht erwarten bzw. bin ich vielleicht viel zu anspruchsvoll?

Ich bin seit vier Jahren Lernende des „Typs“: "Mit akustischem Klavier und MIT Klavierlehrer (Dipl.Klavierpädagoge)". Jedenfalls NOCH. Ich habe das Wichtigste über mich im Vorstellungsfaden bereits geschrieben. Manches wiederhole ich hier, denn nicht jeder liest ja den Vorstellungsthread.

Also mein Klavierunterricht bestand von Anfang an ausschließlich aus dem Erlernen neuer Stücke, die ich oft selbst vorgeschlagen habe, weil sie mir gut gefielen. Sie waren sicher von Anfang an zu schwer, aber weil sie mir so gut gefielen habe ich so intensiv geübt, bis sie liefen, da kann ich ehrgeizig sein (schön klangen sie deshalb noch lange nicht). Mein KL hat lange Zeit geglaubt, ich würde schon länger spielen, auch wenn ich ihm oft versichert habe, dass ich ahnungslose Anfängerin bin.
Für ein Stück brauche ich zwei bis vier Wochen. Danach oder währenddessen gibt mir der KL Tipps, wie ich besser üben kann (z.B. kleine Gruppen mit verändertem Rhythmus üben), oder wie man etwas spielen soll (z.B. hier decrescendo, da so, als ob man´s singen würde, hier Atempause etc.). Wenn er alles Wichtige zu einem Stück gesagt hat, soll ich es für mich alleine weiter festigen, dann kommt das nächste Stück.
Sämtliche Theorie habe ich mir selbst angelesen. Manchmal (selten) fragt er mich nach einem Akkord, den ich nach kurzem Überlegen meist benennen kann. Alle paar Monate versucht mein KL, mir das Improvisieren nahezubringen, woran ich sehr interessiert bin, was aber bislang absolut erfolglos blieb. Denn erstens bin ich vor JEDEM Zuhörer unglaublich gehemmt. Alleine zu Hause klappt es etwas besser. Gerade Improvisieren hat für mich etwas im übertragenen Sinn „exhibitionistisches“, denn da muss ich ganz viel Gefühl preisgeben:girl:. Zweitens fällt mir Improvisieren ohne theoretische Grundlagen enorm schwer, weil nach dem Prinzip „trial and error“ einfach eine Menge Müll herauskommt, was mich noch mehr hemmt. Und drittens besitze ich in etwa so viel Kreativität wie ein Stück Holz:blöd:. Fleiß und Sorgfalt liegen mir da näher.

Ich glaubte, es würde helfen, tiefer in die Theorie einzusteigen, und siehe da, seit ich mich darüber informiert habe, dass es Kadenzen und Funktionstheorie gibt, bekomme ich zumindest eine Ahnung, wo sie Sache hinlaufen kann. Ich glaube, es würde helfen, Stücke harmonisch zu analysieren, um nachvollziehen zu können, wie Musik funktioniert. Oder bekannte Lieder nachzuspielen. Aber alleine kann ich das nicht. Ich habe meinem KL erklärt, dass mein Ziel ist, mich „auf dem Klavier zu Hause zu fühlen“ und ihn gefragt, was ich dafür tun kann, z.B. Akkordumkehrungen und -erweiterungen, Kadenzen oder Tonarten lernen, Technikübungen oder was auch immer. Ich würde tun, was sinnvoll ist. Er meinte, Akkorde seinen zwar schon sinnvoll (Warum hat er sie mir dann aber nie erklärt?), aber der Rest würde mich nicht weiterbringen. Mittlerweile habe ich mir sehr viel selbst angelesen, Harmonielehre und auch Übestrategien. Nur kann ich mir daraus irgendwie kein regelmäßiges Übekonzept basteln:denken:. Denn ich übe ja immer fleißig am neuen Stück und vernachlässige dann regelmäßig die fünf-Minuten-Blattspielübung täglich, die Analyse leichter Stücke, die Akkord-und Tonartenübungen etc. die ich mir vorgenommen hatte. Eben weil das alles nichts mit meinem Klavierunterricht zu tun hat, bleibe ich nicht konsequent dabei.
Ich glaube, dass ich auf diese Weise nicht Klavierspielen lernen werde. Denn ich kann zwar inzwischen für meine Verhältnisse auch schwierige Stücke erlernen, aber SPIELEN kann ich nach nun vier Jahren wirklich beinahe NICHTS: Die alten Stücke vergesse ich schneller, als ich das Wort „Klavierspielen“ aussprechen kann. Die neuen Stücke kann ich noch nicht. Auswendig ging noch nie irgendetwas und improvisiert schon gar nicht:-(. Dazu kommt eine enorme Vorspielangst, auch vor dem KL und sogar vor meiner Familie.

Ich habe meinem KL das alles erklärt. Er meint, ich hätte zu hohe Ansprüche an mich. Ich könne schon gut Klavierspielen, sei talentiert und enorm fleißig. Er sagte mal, ich hätte Musik studieren können, wenn ich früher angefangen hätte (da hat er aber übertrieben, auch wenn es mir sicher Spaß gemacht hätte:-)).

Jedenfalls frage ich mich nach den allermeisten Unterrichtsstunden, was ich dort überhaupt gelernt habe. Haltungsfragen oder Anschlagtechniken waren nie Thema, Pedalspiel lernen kaum, und ich bin ganz sicher kein Naturtalent. Ich weiß, wie kritisch hier die meisten die Herren Schuchardt, Haefliger oder Kauker auf Youtube sehen, aber diese Leute haben mir so manches Aha-Erlebnis beschert über Dinge, die ich im Unterricht nie gelernt habe.

Ich habe schon vor längerer Zeit darüber nachgedacht, ob es vielleicht nicht der richtige KL ist, aber wenn ich mir den (anderen) KL meiner Kinder oder die KL von zwei weiteren Bekannten anschaue, dann ist der Unterricht dort auch nicht besser.

Jetzt also zu meiner Frage:
Sollte ich auf Klavierunterricht verzichten? Denn wenn ich mir, abgesehen von spielerischen Feinheiten, sowieso alles selbst aneignen muss, kann ich ja gleich als Autodidakt weitermachen. Und spätestens wenn mich der KL wieder fragt, was wir denn heute machen wollen, er sei gar nicht vorbereitet, dann ärgere ich mich wieder über die entbehrliche Unterrichtsstunde.

ODER (große Hoffnung!) habe ich nur viel zu hohe Ansprüche an Klavierunterricht und sollte nur Geduld üben, weil das Musikverständnis mit der Zeit von alleine kommt? Wobei "Zeit" hier kritisch zu sehen wäre, denn ich möchte schon zumindest einfache Stücke spielen können, bevor ich erste Anzeichen von Alters-Demenz zeige;-).

ODER (Alternativhoffnung!) glaubt Ihr, es gibt auf diesem Planeten einen KL, der mir das beibringen kann, was ich lernen möchte? Oder der mir zumindest zeigt, wie ich es selbst am besten lernen kann. Dann würde ich nach diesem Menschen suchen.

Mit ratsuchenden Grüßen....

P.S. Zukünftige Beiträge meinerseits beabsichtige ich viel kürzer zu formulieren. Danke für Eure Geduld.
 
Gerade Improvisieren hat für mich etwas im übertragenen Sinn „exhibitionistisches“, denn da muss ich ganz viel Gefühl preisgeben:girl:.

Das ist völlig normal und nicht nur bei Dir so. Die exhibitionistisch veranlagten Typen sind eher selten, und bei denen kommt mitunter sehr wenig Gefühl heraus.

Zweitens fällt mir Improvisieren ohne theoretische Grundlagen enorm schwer, weil nach dem Prinzip „trial and error“ einfach eine Menge Müll herauskommt, was mich noch mehr hemmt.

Ohne "trial and error" geht es beim Improvisieren nicht. Und je mehr theoretische Grundlagen Du in Deinem Kopf anhäufst, desto gehemmter wirst Du werden, weil Du das von Dir Gespielte mit der Theorie vergleichen wirst und dann erst recht als "Müll" abqualifizieren wirst.

Und drittens besitze ich in etwa so viel Kreativität wie ein Stück Holz:blöd:.

Das ist ein Irrtum. Wahrscheinlich steckt in Deinem "Müll" ziemlich viel Kreatives drin, das Du aber gar nicht wahrnimmst, weil es mit Deinen Hörgewohnheiten und der Theorie kollidiert.

Ich hatte einen sehr guten Lehrer, dem ich die ersten Anleitungen zur Improvisation (und viel, viel mehr) verdanke. Bei dem habe ich ganz am Anfang gelernt: Wenn du beim Improvisieren einen "Fehler" machst, dann mach denselben "Fehler" gleich nochmal, mit Absicht, und es wird sich anhören, als ob du beide Male absichtlich so gespielt hättest.

Selbstverständlich ist es nützlich, Kadenzen und Sequenzen auswendig zu lernen, Tonleitern zu harmonisieren, aber wer noch so ausgiebig auswendig gelernte Sequenzen spielt, hat immer noch keinen Ton improvisiert.


Jedenfalls frage ich mich nach den allermeisten Unterrichtsstunden, was ich dort überhaupt gelernt habe. Haltungsfragen oder Anschlagtechniken waren nie Thema, Pedalspiel lernen kaum
Das hört sich nicht gut an.

Er meint, ich hätte zu hohe Ansprüche an mich.
Das hört sich auch nicht gut an, aber er könnte trotzdem in gewisser Weise recht haben. Zumindest wenn es sich aufs Improvisieren bezieht. Gerade da kann übertriebener Perfektionismus nur schaden.
 
Hallo Orchid,

ich muss dich enttäuschen, du bist -zumindest aus meiner Sicht- zwar anspruchsvoll, aber nicht zu anspruchsvoll! Auf der anderen Seite kann ich dir versichern, dass Du weiterhin auf einen passenden Unterricht hoffen darfst, den es gibt sie tatsächlich, die guten Kl, auch wenn man eventuell länger suchen muss.

Mir erging es ähnlich wie dir, ich hatte mir vor meinen ersten Klavierstunden das Notenlesen und ein paar Stücke selbst beigebracht, wodurch mir der Kl nicht glaubte, dass ich eigentlich blutige Anfängerin war. Genaue Erklärungen zu den Basistechniken und zum Pedalspiel blieben aus, bei Fragen zur Gestaltung der Stücke meinte er, ich könne das doch wunderbar alleine, da gäbe es nichts zu verbessern. Im Grunde genommen hatte dieser Diplom-Klavierpädagoge nur falsche Töne und aus dem Ruder gelaufene Rhythmen korrigiert, die ausgewählten Stücke waren auch viel zu schwer für eine Anfängerin. Die nächste Kl war deutlich besser, bei ihr habe ich sehr viel über Gestaltungsprinzipien abhängig von Epoche und Komponist gelernt, interessante Möglichkeiten der Erarbeitung von Fingersätzen und deren Einsatz erfahren und ein paar fortgeschrittene Bewegungsmuster kennengelernt. Leider hat sie mich aber nicht konsequent genug korrigiert, meine Schludereien zugelassen, wodurch ich mir zwar immer vorgenommen hatte, an diesen neuen Bewegung intensiver zu arbeiten, es aber weitestgehend beim guten Willen geblieben ist. Bei dieser Kl wäre ich aber geblieben, wenn sie sich nicht beruflich verändert hätte.
Während der Suche nach einem neuen Kl bin ich vor wenigen Monaten an eine Studentin der Schulmusik mit Hauptfach Klavier geraten und hatte mich bereits auf einen Abstieg der Unterrichtsqualität eingestellt. Aber weit gefehlt!
Nach strenger russischer Klavierausbildung kennt sie nicht nur zahlreiche Techniken und Bewegungsmuster und kann jeweils plausibel erklären, warum an Stelle x dieses oder jenes sinnvoll ist, sie erteilt auch wertvolle Hilfestellungen zur Erarbeitung von Problemstellen. Beim Spielen steht zudem immer der Klang im Mittelpunkt. Einen schönen Ton könne dabei nur eine möglichst entspannte Spielweise erzeugen. Und hier bin ich endlich in dem Unterricht angekommen, der mir bisher am meisten weiterhilft. Sie zeigt mir sehr detailliert auch die von den bisherigen Kl venachlässigten Basistechniken Legato, Staccato, Leggiero, Portato. Endlich erfahre ich ganz genau, wie wann und warum das Armgewicht eingesetzt wird, woran es liegt, dass sich meine rechte Hand gern verspannt oder warum ich mir an Stelle y immer die Finger verknote und wie ich das ändern kann. Aktuell beschäftigt sie sich zudem mit der Alexandertechnik und lässt ihr frisches Wissen in den Unterricht einfließen.

Die letzten beiden Kl wurden mir übrigens über Claviomitglieder vermittelt. Wenn Du uns verrätst, in welcher Gegend du wohnst, hat vielleicht jemand einen Tipp für dich.
 
Top Antwort. Improvisieren heißt ja, ich höre etwas im Kopf und und mit dem Instrument gebe ich es wider. Das Problem ist nur, daß das, was ich im Kopf höre häufig viel zu umfangreich ist und wenn man es auf dem Klavier spielt ist man desillusioniert. Daher habe ich an anderer Stelle hier gesagt, spiele nur drei Töne und wiederhole diese. Wiederhole die drei Töne, aber dann mal mit einer anderen Lautstärke.


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@Orchid , das klingt gar nicht gut.
Von dem Geschriebenen her würde ich sagen: Dein KL ist Mist.
Die Frage ob es da Sinn macht, gleich autodidaktisch zu lernen, kann ich nachvollziehen.
Ich selbst habe autodidatisch "gelernt" (eigentlich immer nur geklimpert und gespielt im Wortsinn) und empfehle wegen meiner schlechten Erfahrung immer einen KL, aber wenn dann so was dabei raus kommt...
Auch dass ein Kauker Aha-Erlebnisse hervorruft spricht gegen den KL. Das sind absolute Grundlagen die in jeden Instrumentalunterricht gehören.

Ein guter KL kann Dir dagegen in einer Stunde mehr vermitteln als Du in Jahren selber lernst. Auch das habe ich nach 35 Jahren Klimperei erfahren, als ich meine ersten Klavierstunden genommen habe. Z. B. Thema Improvisation: Da habe ich in 2 Stunden so viel gelernt dass ich Jahre brauche um das Gelernte zu üben und umzusetzen.

Also mein Tipp wäre: Suche Dir einen guten KL. Das scheint wirklich schwierig zu sein (Berichte wie Deinen liest man hier immer wieder) aber es lohnt sich auf jeden Fall und bleibe aber weiter am Ball, auch selbst zu lernen. Dass Du ernsthaft Musik zu verstehen versuchst und Dir die Theorie reinpaukst, spricht dafür, dass Du Fortschritte machen wirst. Aber sei auch geduldig, fange ALLES Neue am Anfang an und nimm Dir nicht zu schwere Dinge vor. Manches liest sich so, als willst Du zu viel auf einmal. Bei einer Stunde am Tag ist man immer noch sehr begrenzt und wie Du selbst schreibst, geht die Zeit ja schon zum Einstudieren neuer Stücke drauf.
 
Jedenfalls frage ich mich nach den allermeisten Unterrichtsstunden, was ich dort überhaupt gelernt habe.
Und spätestens wenn mich der KL wieder fragt, was wir denn heute machen wollen, er sei gar nicht vorbereitet, dann ärgere ich mich wieder über die entbehrliche Unterrichtsstunde.

Letzteres ist so eine Art Leistungsverweigerung. Vor diesem Hintergrund darf Ersteres nicht überraschen.

Entweder habt Ihr überhaupt keinen Draht zueinander oder der Lehrer und sein Unterricht sind indiskutabel. :-)

Sollte ich auf Klavierunterricht verzichten?

Auf keinen Fall!

Gerade wenn Du ehrgeizig und fleißig bist solltest Du unbedingt mit guter professioneller Unterstützung arbeiten, sonst dauert ja alles unnötig länger als es ohnehin schon dauert. ;-)
 
Tja, mal wieder ein Strich mehr auf der sehr langen Strichliste "Kack-KL".

Unvorbereiteter KL, der den Schüler fragt, was wir machen wollen. Auuu weiiia! Das geht GAR NICHT!

Und dann so ein hirnrissiger Blödsinn, Du habest "zu hohe Ansprüche"!

Ich mein, wir KL kennen natürlich solche Schüler, die hehre Ziele haben (wie z.B. der Clavio-Klassiker "flüssig prima vista spielen können...), deren Übemenge und Übe-Zweckmäßigkeit jedoch gar nicht dazu passt. Solchen muss man natürlich mal mit entsprechenden Bemerkungen den Kopf geraderücken. Aber das ist ja nun bei Dir nicht der Fall - Du bist ja fleißig dabei, bildest Dich selber weiter etc., also eine vorbildliche Schülerin, die einen guten KL anspornt, noch besser zu unterrichten!

Vergiss den Typen.

Derartige Lehrer (von denen es SEHR viele gibt) wollen einfach ohne viel Stress ihre Unterrichtsstunden nach Schema F durchziehen und fühlen sich bei besonders interessierten / talentierten Schülern mit besonderem Förderungsbedarf in ihrer Ruhe gestört bzw. überfordert.

Ein guter KL freut sich über so einen Schüler, macht mit ihm lauter Sonder-Sachen, gibt ihm extra anspruchvolle Hausaufgaben mit etc.
 
Wie bekomme ich denn hier die Anrede hin, die die meisten hier verwenden, wenn sie auf jemanden Antworten möchten? Einfach @Username eintippen? Oder den Usernamen kopieren und einfügen?

Und wenn ich jemanden zitieren möchte einfach markieren und "zitieren" ? Das sieht im Entwurf merkwürdig aus mit eckigen Klammern, Post- und Member-Nummer. Und was heißt denn in dem Zusammenhang "Multi-Zitat"?

Die Beiträge dazu im Anleitungs-forum sind irgendwie auf einer externen PDF-Datei, die kann ich irgendwie nicht öffnen.
 
Dein Problem kann ich gut nachvollziehen, @Orchid.
Die Bewertung des Klavierlehrers überlasse ich anderen.

Aber hast du mal daran gedacht einen extra-Theoriekurs zu belegen? Die gibt es immer häufiger und ich kann mir vorstellen dass an Musikschulen auch erwachsene teilnehmen dürfen.
 
Kurzform:
Sollte ich auf Klavierunterricht verzichten?
Nein.
habe ich nur viel zu hohe Ansprüche an Klavierunterricht
Nein.
es gibt auf diesem Planeten einen KL, der mir das beibringen kann, was ich lernen möchte?
Ja.

Etwas längere Form:

Ich stand vor einem halben an einem sehr ähnlichen Punkt wie Du, allerdings nach erst zwei Jahren Klavierunterricht. Also habe ich meine Komfort-Zone verlassen und nach einem neuen KL gesucht. Glücklicherweise bin ich - soweit ich das beurteilen kann - auch fündig geworden. Dabei habe ich ihm von Anfang an gesagt, warum ich wechsele: Weil ich zwar das Gefühl hatte, zunehmend schwerere Stücke zu lernen, aber nicht nicht, Klavierspielen zu lernen. Diese Aussage hat er offensichtlich sehr ernst genommen. Denn seit ich bei ihm bin, habe ich sehr viel neues gelernt, von dem ich denke, dass es mich meinem Ziel näher bringt. Viele neue Stücke habe ich allerdings nicht gelernt. Denn sehr viel Unterrichtszeit verwenden wir für Dinge wie: Singen, Rhythmen klatschen, klopfen, stampfen, Übungen zum Körpergefühl, Stücke analysieren, Improvisieren - auch im Duett, Gehörbildung etc. pp.

Daher meine Warnung: Am Anfang kann es mit einem neuen Lehrer sehr ungewohnt sein. Aber wenn Du das Gefühl hast, den richtigen gefunden zu haben, dann gib ihm und seinen Methoden mindestens ein halbes Jahr Zeit um zu "wirken".
 
@Pedall
Das ist völlig normal und nicht nur bei Dir so. Die exhibitionistisch veranlagten Typen sind eher selten, und bei denen kommt mitunter sehr wenig Gefühl heraus.
Danke, das baut mich etwas auf.
Und auch das:
Ohne "trial and error" geht es beim Improvisieren nicht. Und je mehr theoretische Grundlagen Du in Deinem Kopf anhäufst, desto gehemmter wirst Du werden, weil Du das von Dir Gespielte mit der Theorie vergleichen wirst und dann erst recht als "Müll" abqualifizieren wirst.
leuchtet mir irgendwie ein. Ich muss versuchen, mutiger zu werden. Bissel mehr Selbstbewusstsein könnte da nicht schaden.

@Klimperline
ich muss dich enttäuschen, du bist -zumindest aus meiner Sicht- zwar anspruchsvoll, aber nicht zu anspruchsvoll! Auf der anderen Seite kann ich dir versichern, dass Du weiterhin auf einen passenden Unterricht hoffen darfst, den es gibt sie tatsächlich, die guten Kl, auch wenn man eventuell länger suchen muss.

Mir erging es ähnlich wie dir
Eigentlich enttäuscht mich das gar nicht. Es macht mich hoffend...:-).

@hasenbein
Ich habe es ja geahnt:
In Deinem Beitrag in einem anderen Faden:
Das ist im übrigen auch die Aufgabe eines KL. Er ist nicht dazu da, dass man ihm ein Stück vorspielt, und er sagt dann, was richtig und falsch war und was noch ein bisschen besser sein könnte. Sondern er ist dazu da, eine immer größere allgemeine Befähigung zum Musizieren herzustellen, und auch dazu, den Schüler im besten Sinne musikalisch zu bilden - seine Urteilskraft in verschiedenerlei Hinsicht zu stärken.
hast Du genau das gesagt, was ich mir wünschen würde.

@Peter
Also mein Tipp wäre: Suche Dir einen guten KL. Das scheint wirklich schwierig zu sein (Berichte wie Deinen liest man hier immer wieder) aber es lohnt sich auf jeden Fall und bleibe aber weiter am Ball, auch selbst zu lernen.
Genau so etwas habe ich gebraucht: einen Schubs in die (hoffentlich) richtige Richtung, danke.

@nispi
Aber hast du mal daran gedacht einen extra-Theoriekurs zu belegen? Die gibt es immer häufiger und ich kann mir vorstellen dass an Musikschulen auch erwachsene teilnehmen dürfen.
Ja, daran habe ich auch schon gedacht. Da werde ich mich mal umhören.

@Barratt
Entweder habt Ihr überhaupt keinen Draht zueinander oder der Lehrer und sein Unterricht sind indiskutabel. :-)
Ich bin erleichtert, dass auch andere das so sehen. Danke.

@DonMias
Ich stand vor einem halben an einem sehr ähnlichen Punkt wie Du
Ich bin froh, dass ich mich endlich überwunden habe, hier nachzufragen. Es hilft schon, wenn man sieht, dass andere ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Und natürlich wie sie damit umgegangen sind. Danke.

Danke Euch allen. :-)
 

Unvorbereiteter KL, der den Schüler fragt, was wir machen wollen. Auuu weiiia! Das geht GAR NICHT!
Das sehe ich anders, jedenfalls bei Erwachsenen. Ich finde es falsch, wenn der Erwachsene in den Unterricht kommt und darauf wartet, bespaßt zu werden. Ganz am Anfang weiß der natürlich noch nicht, was als nächstes dran ist. Aber relativ schnell wird er doch aktiver "Partner" im Unterricht - denn davon, was er zu Hause tut, was er kann oder nicht kann, versteht oder nicht versteht, hängt ab, was im Unterricht behandelt werden soll und in welcher Reihenfolge. Ich habe letztens erstaunte Blicke geerntet, als ich einen Schüler fragte, was er jetzt spielen möchte - da kam "Du bist doch die Lehrerin". Das schon, aber dann frage ich: "Was hast du denn innerhalb der letzten Woche gespielt /geübt ?"
Natürlich kann ich genauso auch etwas gezielt vorschlagen und einfordern. Das langfristige Ziel ist allerdings, dass der Schüler etwas übt und dann in den Unterricht mitbringt - als Ausgangsbasis, von der man sich selbstverständlich in alle möglichen Richtungen bewegen und Schwerpunkte (nach Ermessen des Lehrers) setzen kann.
Wenn man im Studium nicht vorbereitet ist, geht man nicht zum Unterricht, denn was soll man dann da? Ganz so extrem ist es im Hobbybereich natürlich nicht, aber die Tendenz ist nicht verkehrt.

"Vorbereitet" für den Unterricht sein - als Lehrer - bedeutet für mich auch, dass ich spontan, kreativ, flexibel und ideenreich bin. Natürlich muss ich mir bei Kindern und im Anfangsunterricht überlegen, was ich überhaupt grundsätzlich machen will. Relativ schnell gelangt man aber an den Punkt, wo man sich einen Plan macht und in der Unterrichtsstunde davon vielleicht noch 20% umgesetzt wird, weil ganz viele unerwartete Dinge passieren: Schüler hat nicht / was anderes geübt, Schüler versteht etwas nicht, was man nicht bedacht hat, interessiert sich für etwas, was gar nicht eingeplant war, Schüler ist gescheiter als gedacht, Schüler hat etwas komponiert, Schüler fragt etwas zur Musiktheorie, was eigentlich noch zu vorausgegriffen ist............
Wenn ich dann an meinem vorbereiteten Plan festhalte, kann das den Schüler ausbremsen oder überfordern, Ideen und Spaß im Keim ersticken, unpassend, langweilig oder verfrüht sein.
 
@Stilblüte
Sehr richtig. Bloß würde man dann als KL eher fragen: Was hast Du heute mitgebracht? (Um dann zu überlegen, womit denn heute sinnvoller wäre anzufangen, und was könnte bis zum nächsten Mal warten, falls keine Zeit dafür bleibt.) Oder: Wo hast Du heute die meisten/größten Fragen/Probleme? Oder: Was möchtest Du heute vielleicht selbst als erstes zeigen? (Weil vielleicht gerade an diesem Stück viel geübt wurde und der Schüler einen Fortschritt merkt und ihn vorzeigen möchte.)
Und nicht: Ich bin nicht vorbereitet, was machen wir heute? Das letztere klingt wirklich mehr danach, was hasenbein vermutet, nämlich nach wenig Interesse.
 
Haha, ja, da hast du natürlich Recht. Sowas würde ich auch niemals sagen. Kann mir nicht vorstellen, dass das jemand bei klarem Verstand tut. Höchstens mal als Entschuldigung - Kind Krank, selber krank, was weiß ich - völlig blank angekommen - sorry. Bitte mach einen Vorschlag, nächstes Mal bin ich wieder besser bei mir.
 
Ich glaube, man merkt schnell, ob der KL keinen Plan hat und unvorbereitet ist oder ob er einfach mal den Schüler herausfordern will, mitzudenken. Kommt beides vor.

Lehrer gibt's viele, viele gute, viele schlechte. Dabei ist das, denke ich kein absoluter Maßstab. Jeder Schüler kommt mit einem anderen Typ Lehrer klar, der eine will lieber den gemütlichen KL, der andere will schwer gefordert werden. Ich würde ganz pauschal sagen, wer sich mit dem KL nicht wohl fühlt, sollte wechseln.
 
Aber relativ schnell wird er doch aktiver "Partner" im Unterricht - denn davon, was er zu Hause tut, was er kann oder nicht kann, versteht oder nicht versteht, hängt ab, was im Unterricht behandelt werden soll und in welcher Reihenfolge.
Das ist schon richtig aber aus jeder Stunde geht doch ein Schüler mit Hinweisen / Aufgaben nach Hause, die er in der Zeit bis zur nächsten Stunde umzusetzen versucht. Da muss man doch in der nächsten Stunde wieder ansetzen? Alles andere, auch die Frage zu Beginn der Stunde "was ich jetzt spielen möchte" käme mir merkwürdig vor und ich würde vermuten, dass der Leher null Plan hat, was wir letzte Stunde besprochen haben und er keine Vor- und Nachbereitung macht.
Wenn Du mich das fragen würdest würde ich spontan antworten: Minecraft! :-D

Gerade die Frage "was willste heute spielen" käme mir eher wie eine Bespaßung vor (der Lehrer fragt mich was ich will anstatt ich frage den Lehrer was er mir rät).
 
Mal eine andere Frage: Ich lese, dass die Stücke in 2 bis 4 Wochen abgefrühstückt und dann im Prinzip vergessen werden. Sind 2 - 4 Wochen nicht viel zu kurz? Die Stücke sozusagen in Eigenleistung zu verfestigen erscheint mir auch merkwürdig. Bei mir damals in der Musikschule war die "Stunde" nur 30 Minuten und der Lehrer war auch nicht überragend, aber bei ihm wurden die Stücke so lange durchgekaut, bis man sie praktisch auswendig konnte. Zum halbjährlichen Vorspiel wurde dann ein Stück herausgesucht, das man in der Zeit gelernt hatte, und auf Vorspiellevel gebracht.

Das hier klingt für mich fast so, als würden die Stücke auf halbe Wege beiseite gelegt und abgeheftet.
 
Das hier klingt für mich fast so, als würden die Stücke auf halbe Wege beiseite gelegt und abgeheftet.
Das muss nicht zwingend schlecht sein. Gute Klavierunterricht soll meiner Meinung nach nicht Stücke vermitteln sondern das selbstständige Erlernen von Stücken. Mein KL sagte mir mal (nach ca. 8 Wochen, ich konnte das Stück flüssig spielen, mehr aber auch nicht): "Ich schlage vor, wir gehen zu etwas Neuem über. An diesem Stück hier kannst Du noch Dein Leben lang üben und dazulernen, aber Du weißt jetzt wie". Ich selbst habe an diesem Stück nie wieder geübt, kann es auch nicht mehr, es war nie wirklich vorspielreif aber das was ich daran gelernt hatte (z.B. effiziente Übemethoden) habe ich nicht vergessen und es hilft mir bei vielem anderen.
 
Relativ schnell gelangt man aber an den Punkt, wo man sich einen Plan macht und in der Unterrichtsstunde davon vielleicht noch 20% umgesetzt wird, weil ganz viele unerwartete Dinge passieren: Schüler hat nicht / was anderes geübt, Schüler versteht etwas nicht, was man nicht bedacht hat, interessiert sich für etwas, was gar nicht eingeplant war, Schüler ist gescheiter als gedacht, Schüler hat etwas komponiert, Schüler fragt etwas zur Musiktheorie, was eigentlich noch zu vorausgegriffen ist............
Es trifft zu, dass "vorbereitet sein" nicht gleichbedeutend ist mit starrem, unflexiblem Durchziehen eines vorgegebenen Programms. Vielmehr gehört dazu, dass man sich sofort auf die aktuelle Situation einstellt durch umfangreiche Sachkenntnis und Beherrschung des Fachgebiets, auf dem man vermittelnd tätig ist. Nachdem ich die Angaben der Fadenerstellerin gelesen hatte, wie so eine Unterrichtsstunde bei ihr abläuft, war es offensichtlich, dass da keine 20% an Substanz umgesetzt werden. Die Lehrkraft reagiert allenfalls zufällig auf den einen oder anderen Impuls von Schülerseite - und das ist herzlich wenig bis gar nichts.

So ein Unterricht bringt einen kaum weiter. Meine Vorredner haben recht, es gibt bessere Kandidaten für so eine Aufgabe. Da lohnt sich der Lehrerwechsel sicherlich.

LG von Rheinkultur
 

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