Wie spiele ich Bach?

Zum ursprünglichen Thema "Wie spiele ich Bach?" möchte ich gerne einmal eine Frage an die Expertenrunde hier stellen. Ich habe als Teenager außer dem 1. Präludium in C nie wieder Bach gespielt (seit > 4 Jahrzehnten). Nun hab ich seit 4 Jahren wieder Unterricht (für Senioren :-)) und habe meine KL jetzt erstmals gebeten, dass sie einmal ein neues Stück auswählt und nicht generell meinen Wünschen folgt. Und hoppla, nun übe ich die Franz. Suite in G - ohne Pedal. Ich stelle fest, dass ich wesentlich mehr Zeit benötige, um a) den Text zu verstehen und mich b) an flüssiges Spielen heranzuüben, als ich das mit anderer Literatur (z.B. Beethoven und Schubert) getan habe. Woran liegt das, dass ich mir so viel schwerer tue? Wenn's dann mal läuft, macht es aber sehr viel Spaß. :super:

Edit: zur Diskussion oben über Legato....ich habe vergessen zu erwähnen, dass meine KL vorerst striktes Legato wünscht.
 
Zum ursprünglichen Thema "Wie spiele ich Bach?" möchte ich gerne einmal eine Frage an die Expertenrunde hier stellen. Ich habe als Teenager außer dem 1. Präludium in C nie wieder Bach gespielt (seit > 4 Jahrzehnten). Nun hab ich seit 4 Jahren wieder Unterricht (für Senioren :-)) und habe meine KL jetzt erstmals gebeten, dass sie einmal ein neues Stück auswählt und nicht generell meinen Wünschen folgt. Und hoppla, nun übe ich die Franz. Suite in G - ohne Pedal. Ich stelle fest, dass ich wesentlich mehr Zeit benötige, um a) den Text zu verstehen und mich b) an flüssiges Spielen heranzuüben, als ich das mit anderer Literatur (z.B. Beethoven und Schubert) getan habe. Woran liegt das, dass ich mir so viel schwerer tue? Wenn's dann mal läuft, macht es aber sehr viel Spaß. :super:

Edit: zur Diskussion oben über Legato....ich habe vergessen zu erwähnen, dass meine KL vorerst striktes Legato wünscht.

Bach übt man anders ein, ganz besonders Fugen. Man handhabt auch den Fingersatz etwas anders. Bei Beethoven braucht man eher Kreativität, um einen Fingersatz, der gute Beweglichkeit ermöglicht zu finden; bei Bach sucht man eher einen logischen Fingersatz.
Ich war außerdem bei Vorspielen oft mit dem Präludium unzufrieden, während die solide einzuübende, vom Blatt unspielbare Fuge dann ganz gut war.
 
Bach übt man anders ein, ganz besonders Fugen. Man handhabt auch den Fingersatz etwas anders. Bei Beethoven braucht man eher Kreativität, um einen Fingersatz, der gute Beweglichkeit ermöglicht zu finden; bei Bach sucht man eher einen logischen Fingersatz.

Was soll denn ein "logischer" Fingersatz sein? Für mich gibt es nur gute und schlechte Fingersätze. Gut ist ein Fingersatz, wenn er die musikalische Intention unterstützt, bequem zu spielen ist und leicht zu merken. Einen prinzipiellen Unterschied zwischen Bach und Beethoven kann ich in der Hinsicht beim besten Willen nicht erkennen. Vielleicht kannst du das an einem Beispiel erläutern?
 
Und hoppla, nun übe ich die Franz. Suite in G - ohne Pedal. Ich stelle fest, dass ich wesentlich mehr Zeit benötige, um a) den Text zu verstehen und mich b) an flüssiges Spielen heranzuüben, als ich das mit anderer Literatur (z.B. Beethoven und Schubert) getan habe. Woran liegt das, dass ich mir so viel schwerer tue? Wenn's dann mal läuft, macht es aber sehr viel Spaß. :super:

Es liegt daran, dass Bach (z.T. gleichberechtigt) mehrstimmig :bomb: ist, man kann also nicht nur eine Stimme denken und alles andere als harmonische Ergänzung - im weitesten Sinne - sondern man muss gleichzeitig verschiedene Stimmen wahrnehmen. Einhändig klappt es meist schnell, die Schwierigkeit fängt beim Zusammenspiel an, die Hände ergänzen sich nicht, sondern arbeiten z,T. gegeneinander.........(wenn nicht aus Fingersatzgründen auch noch ein Teil der einen Hand, der anderen Hand bei deren Stimme hilft....oder eh noch eine dritte oder mehr Stimme(n) zusätzlich mitgezogen wird/werden - ne dritte Hand gibt es nicht.....:teufel:.)
 
Es liegt daran, dass Bach (z.T. gleichberechtigt) mehrstimmig :bomb: ist, man kann also nicht nur eine Stimme denken und alles andere als harmonische Ergänzung - im weitesten Sinne - sondern man muss gleichzeitig verschiedene Stimmen wahrnehmen. Einhändig klappt es meist schnell, die Schwierigkeit fängt beim Zusammenspiel an, die Hände ergänzen sich nicht, sondern arbeiten z,T. gegeneinander.........(wenn nicht aus Fingersatzgründen auch noch ein Teil der einen Hand, der anderen Hand bei deren Stimme hilft....oder eh noch eine dritte oder mehr Stimme(n) zusätzlich mitgezogen wird/werden - ne dritte Hand gibt es nicht.....:teufel:.)
Ja, das kann ich voll bestätigen. Einhändig läuft's sehr schnell. Aber beidhändig geht die Hirnakrobatik los. Andererseits, ich bin fasziniert, wie sicher das Spiel wird, wenn man die Akrobatik im Hirn für jedes einzelne Stück erstmal bewältigt hat. Wunderbar
 
In diesem Zusammenhang ist es hilfreich den Aufbau einer z.B. Fuge zu verstehen. In folgendem Video wird dies anhand der Komposition einer Fuge nach Bachmanier nachempfunden. Fachbegriffe erklären sich im Zusammenhang. Der Videoverfasser ist Italiener, der englisch spricht.
 
Was soll denn ein "logischer" Fingersatz sein? Für mich gibt es nur gute und schlechte Fingersätze. Gut ist ein Fingersatz, wenn er die musikalische Intention unterstützt, bequem zu spielen ist und leicht zu merken. Einen prinzipiellen Unterschied zwischen Bach und Beethoven kann ich in der Hinsicht beim besten Willen nicht erkennen. Vielleicht kannst du das an einem Beispiel erläutern?

Wenn ich Bach übe, dann ergibt sich der Fingersatz so, dass man alles Nötige binden kann und alles gut in der Hand liegt.
Das finde ich erst immer etwas unübersichtlich, wenn man es einmal drinn hat, läuft das aber ganz gut
Bei Beethoven muss man sich teilweise genau überlegen, wie fluppt die Repitition gut und wie komme ich flüssig weiter, man nimmt auch mal einen Triller mit mehr als 2 Fingern, man hat meist mehr verschiedene Möglichkeiten, überzusetzen oder unterzusetzen.
Ich habe eine tolle Beethovenausgabe mit total genialen Fingersätzen, auf die ich oft nie gekommen wäre, die mir aber total helfen.
 
Wobei es den 'perfekten' per se Fingersatz nicht gibt - das sieht man ja alleine schon daran, dass sich Fingersätze verschiedener Ausgaben sehr oft unterscheiden. Und da sitzen ja in der Regel keine Amateure (z.B. Henle, Peters, Schott). Wenn man die Fingersätze etwa von Busoni und Schiff für das WTK vergleicht stellt man schon fest wie unterschiedlich man einen Notentext auffassen kann.

Fingersätze können auch einen 'pädagogischen' Sinn haben - z.B. nutze ich manchmal gern den 5. Finger, obwohl der 4. (einfacher) ginge - einfach, um den kleinen Finger zu trainieren.
 
Wobei es den 'perfekten' per se Fingersatz nicht gibt - das sieht man ja alleine schon daran, dass sich Fingersätze verschiedener Ausgaben sehr oft unterscheiden.
Natürlich, Menschen sind ja auch anatomisch unterschiedlich. Mit kleinen Händen benutzt man andere Fingersätze als mit sehr großen. Mit kurzem Daumen und kurzem kleinen Finger greift man anders, mit dicken Fingern anders als mit dünnen usw.
 
Wobei es den 'perfekten' per se Fingersatz nicht gibt - das sieht man ja alleine schon daran, dass sich Fingersätze verschiedener Ausgaben sehr oft unterscheiden. Und da sitzen ja in der Regel keine Amateure (z.B. Henle, Peters, Schott). Wenn man die Fingersätze etwa von Busoni und Schiff für das WTK vergleicht stellt man schon fest wie unterschiedlich man einen Notentext auffassen kann.

Fingersätze können auch einen 'pädagogischen' Sinn haben - z.B. nutze ich manchmal gern den 5. Finger, obwohl der 4. (einfacher) ginge - einfach, um den kleinen Finger zu trainieren.

Absolut richtig. Und ich persönlich finde halt, den perfekten Fingersatz gibt es bei Beethoven eben noch weniger als bei Bach.


Eine von Peters von vorm Krieg. Mit einem Autogramm von Elly Ney drinn.
Fand modernere Noten von Peters von den Fingersätzen her bescheiden - da war Henle besser. Aber die Ausgabe ist klasse.
 

Absolut richtig. Und ich persönlich finde halt, den perfekten Fingersatz gibt es bei Beethoven eben noch weniger als bei Bach.

Grundsätzlich ist es aber viel einfacher, einen mehr oder weniger allgemeingültigen Fingersatz für Beethoven zu drucken als für Bach. Bei Beethoven sind Artikulation, Dynamik und Phrasierung durch den Komponisten festgelegt - ein gut gemachter, pianistischer Fingersatz wird erstmal für viele Hände passen.

Bei Bach hängt der Fingersatz ganz entscheidend davon ab, wie man artikuliert. Was nützt einem denn ein Legato-Fingersatz (ganz penetrant: Hans-Martin Theopold bei Henle), wenn man Bach überwiegend gar nicht legato spielt?

Fand modernere Noten von Peters von den Fingersätzen her bescheiden - da war Henle besser. Aber die Ausgabe ist klasse.

Bei Peters gibt es eine Beethoven-Ausgabe mit Fingersätzen von Arrau - die ist sicher nicht verkehrt. Bei Henle gibt es leider noch etliche Bände mit Fingersätzen von dem genannten Herrn Theopold. Die sind vollkommen unmusikalisch und praxisfern. Die ganz neuen Ausgaben sind allerdings wieder besser. Aber am besten finde ich meist (bei Beethoven) die Busoni-Fingersätze. Und am allerbesten meine eigenen. :-)
 
Aber am besten finde ich meist (bei Beethoven) die Busoni-Fingersätze.
@mick die sind prima - trotzdem empfehle ich dir gerade bei Beethoven die Fingersätze von Liszt, Klindworth und Bülow! Ganz besonders im Finale op.57 ist der Fingersatz von Bülow (der ihn von Liszt hat) exzellent; dasselbe gilt für den Kopfsatz op.111.

bzgl. der Bachsachen überzeugt mich nichts davon, dass man da - egal ob man mehr oder weniger legato spielen will - irgendwelche Spezialfingersätze benötigen würde. In den durchaus spielfreudig virtuosen Partiten gelten keine anderen "Fingersatzregeln" als bei Scarlatti, in den WTK Fugen wird man spieltechnisch nicht vor dieselben Probleme wie in Beethovens drei großen Klavierfugen*) gestellt (und die erfordern tatsächlich ein paar auf den ersten Blick absurd erscheinende Spezialitäten)

______________
*) op.106, op.110, op.120
 
Natürlich, Menschen sind ja auch anatomisch unterschiedlich. Mit kleinen Händen benutzt man andere Fingersätze als mit sehr großen. Mit kurzem Daumen und kurzem kleinen Finger greift man anders, mit dicken Fingern anders als mit dünnen usw.

Wobei das nicht wirklich der Grund für die unterschiedlichen Fingersätze sein dürfte - sonst müsste man ja davon ausgehen, dass die Herausgeber bzw. Ersteller der Fingersätze entweder für die eigenen Hände setzen, oder für einen gewissen Idealtypus mit klaviergerechten Händen.

Es is ja schon ein Fortschritt wenn dann und wann auch Varianten angegeben werden, allerdings scheinen es gerade deutsche Verlage für sakrosankt zu halten mal etwas mehr zu schreiben als den bloßen Notentext und die Fingersätze.

Wenn ich da an diverse Publikationen vom amerikanischen Markt denke, die sind oftmals viel pragmatischer in der Herangehensweise was Anmerkungen/Fingersätze etc. angeht.
 
Angeregt durch diesen Faden habe ich vor einigen Tagen das Präludium in C-Dur WTK 1 rausgekramt. Es ist die Version aus : Schönheiten der klassischen Musik , ich gehe davon aus, dass es die Originalversion ist.
Hier ist ein Foto:

image.jpeg

Das ist leider nur ein kurzer Abschnitt, da die Datei der ganzen Seite zu groß war.

Die Bleistifteintragungen sind noch das Relikt aus uralten Zeiten, als ich gelern hatte es auswendig zu greifen, aber nicht zu " spielen" .

Mit Klavierlehrer und durch eure Literatur Tipps habe ich Anschlag und Pedalgebrauch und ein annehmbares Legatospiel verbessern können. Ich konnte es auch nach kurzer Zeit wieder auswendig, allerdings kriege ich es immer noch nicht so hin, wie es sich in meiner Vorstellung anhört.

Ich vermute es liegt daran, dass ich den Spannungsbogen in den Takten technisch nicht richtig aufbauen kann. Hab es schon mit Crescendo / Decrescendo und links ganz leise , rechts lauter, verschiedenen Betonungen versucht, aber irgendwie kriege ich den richtigen Dreh nicht raus und den Spannungsbogen nicht rein.

Es soll wieder ein Überraschungsangriff auf meinen KL werden, in den Osterferien muss ich weiter am Beethoven arbeiten, an den Triller Übungen und an einer leichten Air Version ebenfalls von Bach.

Ich habe die Suchfunktion bemüht, aber keine Antworten gefunden, was das Präludium in C-Dur angeht. Über Hilfestellung würde ich mich sehr freuen!

Viele Grüße
Marion
 
Die Bleistifteintragungen sind noch das Relikt aus uralten Zeiten, als ich gelern hatte es auswendig zu greifen, aber nicht zu " spielen" .

allerdings kriege ich es immer noch nicht so hin, wie es sich in meiner Vorstellung anhört.

Ich vermute es liegt daran, dass ich den Spannungsbogen in den Takten technisch nicht richtig aufbauen kann. Hab es schon mit Crescendo / Decrescendo und links ganz leise , rechts lauter, verschiedenen Betonungen versucht, aber irgendwie kriege ich den richtigen Dreh nicht raus und den Spannungsbogen nicht rein.

Es ist ein schlichtes Präludium, mit durchlaufenden Akkordzerlegungen in 1/16, wobei der Beginn in der linken Hand ist - die beiden ersten 1/16 einer Gruppe, wobei man dann die Finger einfach liegen lässt - und somit kein Pedal braucht.

Wenn man zur nächsten Gruppe binden möchte, so auch in der Linken Hand.

Wenn du das Präludium dynamisch gestalten möchtest, so ist das bereits eine Interpretation von dir, oder dem jeweiligen Bearbeiter.

Aber keinesfalls kannst du links und rechts unterschiedlich laut spielen, da ja der Beginn jeder Gruppe links startet und rechts weiterläuft, also der Übergang von links nach rechts keinen Knick , sondern durchlaufend sein sollte....
 
Dieses reizende Stück erinnert mich daran, als ich die Noten davon zum ersten Mal gesehen hab und gedacht habe: "Wer das spielen kann, der kann Klavier spielen" - so kann man sich täuschen :-D:drink:

Ich möchte gern dieses Jahr mit der C-Dur Fuge anfangen. Hoffe, ich schaffe das :super::girl:
 
@ elli : das Pedal benutze ich nicht, zumindest nicht mehr, bei diesem Stück.

Ja, es ist schlicht und darum wurmt es mich, dass ich nicht in der Lage bin es zu spielen. Ich werde es wohl auf Eis legen und irgendwann meinen KL fragen, ob er es im Unterricht mit mir durcharbeiten möchte.

@ Ludwig: du schaffst das bestimmt!
 
Wenn du das Präludium dynamisch gestalten möchtest, so ist das bereits eine Interpretation von dir, oder dem jeweiligen Bearbeiter.
oh... das ist interessant...

@elli wäre es nach deiner kundigen Ansicht also richtig, restlos alle Töne des ersten Praeludiums WTK absolut gleich zu spielen?

...kleiner Tipp: das Praeludium hat eine formale Gliederung - spielt man restlos alle Töne egal, dann kriegt der Hörer die Gliederung des Praeludiums nicht mit...
 

Zurück
Top Bottom