Wie spiele ich Bach?

Also ich muß euch ja bewundern wie fleißig ihr mit dem Bach zu Werke geht. Hätte ich die Lust, die Zeit und den Fleiß mich so ausgiebig mit Bach zu befassen, ich denk ich würd mir da lieber Berlusconis Bearbeitung von Wagner zu Gemüte ziehen. Wie der Siegfrieds Tod hinbekommen hat...schon bemerkenswert.

Viele Grüße

Styx
 
Hätte ich die Lust, die Zeit und den Fleiß mich so ausgiebig mit Bach zu befassen,
könnte es trotzdem passieren, dass das Ergebnis dieser Beschäftigung eher kläglich ausfällt (zumindest aus der Perspektive derer, die zuhören) ;-)
Oder anders gesagt: auch wenn du spöttelst, ändert das nichts daran, dass etliche Clavierwerke Bachs für diejenigen, die sie auf dem modernen Flügel spielen, ein ganzes Füllhorn gestalterischer und sogar technischer (Goldberg) Probleme auftürmen.

Ich bin früher mit Bach gezwackt, geplagt, gepeinigt und gepiesackt worden: "Lehrjahre sind keine Herrenjahre" weiß der Volksmund zu dergleichen. Irgendwelche WTK Fuge hatte ich immer nach ein paar Tagen spielen können, aber bis die Biester akzeptabel klangen war es ein steiniger Weg - hingegen Paganini-Liszt-Etüden ein langer steiniger Weg waren, bis ich sie im Tempo konnte, aber dann waren die gestalterischen Probleme bei weitem nicht so groß wie bei Bach. Liszt komponierte für den modernen Flügel und alle seine Möglichkeiten - Bach muss man angemessen auf den Flügel "übersetzen"
 
könnte es trotzdem passieren, dass das Ergebnis dieser Beschäftigung eher kläglich ausfällt"

Auf jeden Fall! I hab zu Bach koa sehr guades Verhältnis - wenn einem Bach mittels körperlicher Gewalt nahegebracht werden soll, bleiben solche Musikstücke bekanntlich nicht in all zu guter Erinnerung. Gewichtspiel gut und schön, aber wo zu muß sich dann ein übergewichtiger KL da zu auf die Schultern eines 12 Jährigen Buben setzen? Ohne Pedal spielen ist ja vielleicht auch ned so verkehrt, aber wo zu müssen dann die Beinchen eines 12 Jährigen Buben mit Tesafilm am Klavierhocker festgebunden werden? Und wo zu dient ein zweigespitzter Beistift unter den Achseln? :rauchen:

Viele Grüße

Styx
 

Um das Thema des Threads wieder aufzugreifen - bei Bach ist die Artikulation das wichtigste musikalische Ausdrucksmittel - und vergleichbar mit der Dynamik/Agogik der Romantik sollte diese wie ich finde maximal ausgereizt werden; d.h. grundsätzlich Bach staccatissimo spielen - und davon abweichend situationell legato bzw. Pedal einsetzen.
Gerade bei Bach gibt es viele Vorurteile wie "man darf Töne nicht über ihre angegebene Länge aushalten" -
auch wenn es schwierig ist, "Faustregeln" aufzustellen, so ist es dem widersprechend sehr effektiv, musikalische Linien legato zu spielen (während alles andere staccato erklingt)...
Auch das Pedal muss manchmal sogar eingesetzt werden ->
Ein brillantes und mustergültiges Beispiel für eine "moderne" Bach Interpretation liefert Amir Katz:

 
Ein brillantes und mustergültiges Beispiel für eine "moderne" Bach Interpretation liefert Amir Katz:

Ziemlich vieles gefällt mir ziemlich gut.

Womit ich überhaupt nicht klar komme, sind die Tempo- und Rhythmusverzerrungen bei der Sarabande.
Takt 6 ist viel schneller als die anderen Takte. Takt 17 (10:37) ist ein ungefähr ein 7/8-Takt, die beiden folgenden Takte sind astreine 4/4-Takte - dabei sollte das Ganze doch ein Tanz (!) im 3/4-Takt sein...
 
d.h. grundsätzlich Bach staccatissimo spielen - und davon abweichend situationell legato bzw. Pedal einsetzen.

Sorry, das halte ich für reichlich daneben. Wenn man Bach auf dem Cembalo spielt, ist die "normale" Artikulation sicher kein legato - schon deshalb nicht, weil man auf dem Cembalo schwere und leichte Zeiten dann kaum mehr unterscheiden könnte. Außer vielleicht durch stark inegales Spiel, das dann aber eher zum rein französischen Stil gehört und nicht zu Bachs Verschmelzung des Französischen mit der italienischen Manier.

Daraus zu schließen, man müsse nun grundsätzlich staccatissimo spielen, schießt wohl weit über das Ziel einer lebendigen Artikulation hinaus, und auf dem Konzertflügel ist es völlig absurd. Das klingt dann eher nach Nähmaschine als nach Musik.

Man hat auf dem modernen Instrument schließlich auch die Möglichkeit, schwere Zeiten dynamisch darzustellen. Ein Flügel ist der Violine - ganz besonders in schnellen Sätzen - in vielen Belangen ähnlicher als dem Cembalo. Ich würde mir deshalb ein Vorbild daran nehmen, wie Bach auf der Violine gespielt wird und weniger daran, wie man Bach aufgrund der Beschränkungen des Instrumentes auf dem Cembalo spielen muss. Die Grundstrichart des Barock war allerdings ein Detaché und keineswegs das Spiccato. Ein Detaché kann man auf dem modernen Flügel am ehesten durch ein ganz leichtes non-legato imitieren, das eher zum legato als zum staccato tendiert. Genau das macht übrigen auch Amir Katz über weite Strecken. Von staccatissimo ist da keine Spur - Gott sei Dank!

Was den Pedaleinsatz angeht - András Schiff kommt ganz gut ohne aus.
 
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Es kommt auch sehr aufs Stück an, wieviel Pedal man gibt. WTK I b-Moll fällt mir als Paradebeispiel ein, das ohne Pedal gar nicht klingt. Bereits erwähnte Invention in d-Moll ist da etwas anderes.
Ich habe Bach immer mit Pedal gelernt, aber wehe, es ist auch nur einmal eine Sekunde im Pedal drinn.
 
Bach solllte grundsätzlich ohne Pedal gespielt werden
Styx

Ich finde das ist gut zum Üben. Aber unser heutiges Klavier erfordert durchaus den sparsamen und gezielten Gebrauch des Pedals, auch bei Bach. Je nach Werk brauch man es nicht immer, aber zu behaupten bei Bach brauche mein kein Pedal, ist meiner Meinung nach nicht zeitgemäß. Wenn ein Stück ohne Pedal, musikalisch, wunder funktioniert finde ich es in Ordnung. Aber es vollkommen auszuschließen, halte ich nicht für richtig.
 
Es kommt auch sehr aufs Stück an, wieviel Pedal man gibt. WTK I b-Moll fällt mir als Paradebeispiel ein, das ohne Pedal gar nicht klingt. Bereits erwähnte Invention in d-Moll ist da etwas anderes.
Ich habe Bach immer mit Pedal gelernt, aber wehe, es ist auch nur einmal eine Sekunde im Pedal drinn.

Das liegt vielleicht daran, dass gerade das B-Moll-Präludium oft sehr langsam und stark romantisiert gespielt wird. Bei vielen Pianisten klingt das dann eher nach einem 8/8-Takt anstelle des vorgeschriebenen C (4/4).

Es gibt etliche Kantatensätze, die einen ähnlichen Gestus haben wie dieses B-Moll-Präludium. Z.B. die Arie Die Seele ruht in Jesu Händen aus der Kantate 127. Wenn man sich deren Klangbild zum Vorbild nimmt, kann dieses Präludium durchaus leichtfüßig und tänzerisch daherkommen. Pedal braucht es dann auch nicht unbedingt.
 

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