Wie sieht bei euch die berufliche Perspektive mit einem Klavierstudium aus?

Courante, Du hast, wenn ich richtig geschaut habe, bislang noch nicht damit herausgerückt, was Du eigentlich momentan so spielst und was Du für Unterricht hast! Oder?
Hol das doch an dieser Stelle mal nach, es wäre sehr wichtig, um überhaupt mal über Dein Level Bescheid zu wissen!

Ich habe dieses Thema ja nicht eröffnet, um darüber zu diskutieren, ob ich für ein Klavierstudium geeignet wäre und um andere anhand meines Levels ihr Urteil darüber fällen zu lassen - denn letztendlich kann man nur wenn man den anderen einmal spielen hört oder sieht (kann ja auch in einem Video sein) das Level klar bestimmen.

Aber trotzdem erzähle ich euch gerne mal etwas über die Stücke, die ich so spiele: Ich spiele im Moment das Intermezzo Op. 117 No. 1-3 von Brahms. Die "größeren" Stücke die ich bisher geübt habe, waren Chopin Etüde Op. 10 No.8, ital. Konzert von Bach, "Die Wut über den verlorenen..." und die Mondscheinsonate von Beethoven und etliche Präludien und Fugen aus dem WTK. Ich habe bei einer Pianistin, die früher an einer Musikhochschule Klavier unterrichtet und dann auch Musik an einer normalen Schule unterrichtet hat, privaten Unterricht.
 
Hallo zusammen!
Ich verfolge gespannt eure Diskussion und würde gerne meinen Beitrag von österreichischer Seite leisten:
Nach Klavierunterricht seit klein auf, fünf Jahre Konservatorium Johannesgasse Wien und Matura (Abitur) am Musikgymnasium Wien,
Abbruch des Studiums, 6 Jahre nichtmusische Berufsausübung nur um reumütig zurückgekrochen zu kommen und nun als brotloser
Musiker sich (irgendwie) über Wasser haltend ziehe ich bislang folgendes Resümée zum Thema:

Nüchtern betrachtet liegt wohl in keiner anderen Branche die "Kosten-Nutzen-Rechnung" so sehr im Argen wie in der Musik.
Das beginnt bei der Qualifikation, geht über Studium bis letzendlich zum Berufsleben. Ich sehe am laufenden Band gescheiterte
Kollegen, frustrierte Umsteiger (vom Konzertpianisten zum Zwangs-Musikschullehrer) oder blauäugige Noch-Musiker, die den
heranrasenden Zug nicht wahrhaben oder wahrhaben wollen.

Wer diesen Weg gehen möchte, muss nach einem der schwerste und unmenschlichsten Studien mit Anstellen am Arbeitsamt und
dem - oft undankbaren - Privatunterricht Vorlieb nehmen.
Die finanziellen Vorstellungen sollten so tief wie möglich angesetzt, der Kinderwunsch kaum bis garnicht vorhanden sein.

Problematisch ist auch die Tatsache, dass es für diesen Beruf streng genommen garkeine berufsbereitende Ausbildung gibt.
Das Konzertfachstudium ist seit gut 70 Jahren stecken geblieben, ein reines Orchideenstudium und somit für die derzeitigen Bedingungen
der Arbeitswelt gänzlich ungeeignet.
Du kriegst keinen Cent dafür, wenn du deine Chopin-Etüde fehlerfrei herunterklimperst, aber ebendas wird an den Akademien gelehrt.

Ich selbst bin (wieder) Musiker weil ich die Alternative kennen- und hassen gelernt habe und ich bis zum bitteren Ende Musik machen werde, weil
ich nicht anders kann.

Die einzigen realistischen Posten, die noch gefragt sind, liegen im Studio-, Korrepetitions- und Unterhaltungsbereich. Bloß hier sind eben
jede Menge Zusatzqualifikationen, viel Flexibilität und Networking-Talente gefragt, die eben - wie oben beschrieben - in den klassischen Studien
nicht vorkommen. Echte Beispiele aus meinem Umfeld: Ein Gitarrist, der sich nach und nach sein eigenes Tonstudio aufgebaut hat und mit Werbejingels gutes Geld verdient
oder auch eine Pianistin, die in einem musikalischen Kabarettprogramm einen erstaunlich lukrativen Platz ergattert hat - ich selbst bin längst
kein klassischer Pianist mehr: ich bin Progressive-Metal-Keyboarder, Pädagoge, Korrepetitor, Komponist und Tontechniker.... :-)
Reüssiert habe ich noch nicht nennenswert aber man arbeitet dran und schöne wenn auch kleine Erfolge gibt es reichlich... ;-)

Ich hoffe, weitergeholfen zu haben.! lg
 
Das Konzertfachstudium ist seit gut 70 Jahren stecken geblieben, ein reines Orchideenstudium und somit für die derzeitigen Bedingungen
der Arbeitswelt gänzlich ungeeignet.
Du kriegst keinen Cent dafür, wenn du deine Chopin-Etüde fehlerfrei herunterklimperst, aber ebendas wird an den Akademien gelehrt.

das ist ja schrecklich!!!

sag, kann man das fehlerfreie Herunterklimpern von Chopinetüden und gerne auch Lisztparaphrasen auch andernorts erlernen, dort vielleicht dann mit lukrativeren Aussichten?....... ;);)

...wenn man sowas liest, dann fragt man sich, wo die Leute, deren Konzerte man besucht und deren Aufnahmen man anhört, herkommen... fallen die vom Mond? ...also "Akademien" und Musikhochschulen müssen ja geradezu teuflische Nutzlosigkeitsfabriken sein, wenn das alles stimmt, was du darüber andeutest... ;);)
 
Nach Klavierunterricht seit klein auf, fünf Jahre Konservatorium Johannesgasse Wien und Matura (Abitur) am Musikgymnasium Wien,
Abbruch des Studiums, 6 Jahre nichtmusische Berufsausübung nur um reumütig zurückgekrochen zu kommen und nun als brotloser
Musiker sich (irgendwie) über Wasser haltend
ziehe ich bislang folgendes Resümée zum Thema:
...was erwartest du nach so einem Ausbildungsweg?

...tut mir leid, aber ich kann das weder als vorbildlich betrachten noch kann ich daraus irgendwelche Schlußfolgerungen ziehen, welche das Klavierstudium ernstlich zu diskreditieren ("herunterklimpern von Chopinetüden") in der Lage wären...

dass nicht jeder einen super Platz nach einem schwierigen und anstrengenden Studium ergattert, ist eine Binsenweisheit - allerdings je besser man das Studium absolviert (und nicht abbricht), umso höher können die Chancen werden -- und das ist ja nun nicht eben selten so, d.h. das kommt in anderen Studienbereichen auch vor
 
Hehe... ich rede nicht von einer generellen "Nutzlosigkeit" ;-)
Das Thema dieses Treads dreht sich allerdings explizit um die "berufliche Perspektive" und in diesem Kontext sind Orchideenfächer
wie das Konzertfachstudium Klavier sicher nicht geeignet und definitv rückständig, sorry.
Die Studienrichtungen sind großartig und die Ausbildung hochwertig - keine Frage - mein ganzes Können fußt in erster
Linie auf meinen fünf Jahren Kons. Schade ist nur, das wegen niederer Beweggründe das Studium eine Modernisierung
verabsäumt hat und hart/härtest arbeitende und hochtalentierte MusikerInnen reihenweise unter die Räder kommen.
Ich kenne genug von ihnen.
Vielleicht ist mein leicht "pathetischer" Ausbruch zu später Stunde unter diesen Gesichtspunkten etwas besser nachvollziehbar... ;-)

Nachtrag: Von Binnsenweisheiten habe ich ebenfalls nicht gesprochen, sondern von Fakten - jedenfalls von jenen, die die Wiener Situation betreffen.
Und ich gebe dir recht: Gerade in einem hochbürokratischen Land wie Österreich zählt ein Diplom enorm viel.
Der Studienabbruch hatte leider nichts mit mangelndem Eifer oder Unentschlossenheit zu tun - die Ausführungen diesbezüglich würden
jedoch zuviel Platz in diesem Tread rauben und sie gehören ja auch nicht hierher...

Jedenfalls: Es geht nicht um "super Plätze" - es geht um gescheiterte Existenzen. Und diese stehen im direkten
Zusammenhang mit den konservativen, verstaubten und praxisfernen Unterrichtsmethoden - so schön sie auch sein mögen...
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
das Konzertfachstudium Klavier [...] definitv rückständig [...] Schade ist nur, das wegen niederer Beweggründe das Studium eine Modernisierung
verabsäumt hat [...].

Hallo mas82,
was genau findest du am aktuellen Studiengang "rückständig", was fehlt, was sollte man wie modernisieren, ändern, ergänzen, weglassen und warum / wozu? Das würde mich sehr interessieren.

Grüße
Stilblüte
 
Hallo Stilblüte!
Zunächst: ich möchte auf garkeinen Fall den Anspruch erheben, ein Reformator zu sein ;-) ich kann hier lediglich meine subjektive Meinung äußern:
Rückständig habe ich - restrospektiv betrachtet - am Hauptfach selbst das Unterrichten teils veralteter, festgefahrener Methoden gefunden, besonders
was Didaktik, Anschlagstechnik und Auftrittsstrategien betrifft. Beispiel: Ich hatte viel zu wenig Möglichkeiten, aufzutreten. Das ist anderorts wie beispielsweise an der
Franz-Liszt-Akademie nicht so: Dort hagelt es zwar ständig Prüfungen aber man hat auch unzählige Möglichkeiten, auf die Bühne zu kommen.
Weiters hatte damals Bühnenangst, Lampenfieber u. ä. keinerlei Rolle gespielt. Es ging letztendlich nurmehr ums Erbsenzählen: "Wer die wenigsten Fehler macht, gewinnt".
Übrigens - da in diesem Forum ja oft heiß diskutiert - für alle, die Probleme mit Lampenfieber und Nervosität haben: Barry Green/W. Timothy Gallwey, "The Inner Game of Music" - sehr empfehlenswert!!!
Was Anschlagstechnik betrifft: In Wien gibt es nur die Eine - schade, obwohl die russische Schule eine große, ergänzende Bereicherung wäre. Will man diese kennenlernen dann ab zu einem Meisterkurs in den Osten, anders geht es nicht und man kratzt nur an der Oberfläche. Leider weiß ich zu wenig über Methoden aus dem Westen; genau das ist der springende Punkt!
Auch die Literatur: Es sind immer die üblichen Verdächtigen - selbst Berühmtheiten wie Liszt oder Rachmaninoff sind hier in Wien rar an den Klassenabenden. Skrjabin? Fehlanzeige! Das betrifft auch die Etüdenliteratur: Neben Czerny (ich sag's gleich: ich liebe Czerny!!) fehlen andere wie Hanon oder Cramer-Busoni die höchstens lustlos an Musikschulen aufgetragen werden. Warum mal nicht Etüden von Oscar Peterson??? Oder von mir aus Michael Gundlach (vielleicht nicht unbedingt für die Vollprofis, aber dennoch... ein paar nette Anregungen...)? Und warum werden Tonleitern so stiefmütterlich behandelt - an den Akademien sind sie sogar bei manchen verpönt á la "Pah, die brauche ich nicht mehr üben..."; im Unterricht sowieso völlig irrelevant.

Vielleicht noch wichtiger ist der Ausbau der Nebenfächer statt Stärkung der Dominanz des Hauptfachs, zum Beispiel durch Studentenabbau (wie damals am Kons geschehen).
Ich glaube, dass gerade die interdisziplinäre Ausbildung auch in Bereichen des Jazz (Notenkunde, Improvisation, Rhythmus, Stimmführung, Interaktion mit anderen), Popular- und Unterhaltungsmusik, Korrepetition, Didaktik, auch Keyboard, Tontechnik oder Selbstmanagement entscheidend sind - vielleicht in Form von Modulen für die eigenverantwortliche und individuelle Planung des Studiums (was ja vielerorts ohnehin üblich ist) und auch als Ergänzung statt "Verdrängung" zu verstehen.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass A.) Flexibilität und Vielseitigkeit oft gefragt sind und B.) dass derzeit viele Absolventen oft eine sehr eingeschränkte Prespektive haben, was die beruflichen Möglichkeiten betrifft. Ich habe sogar schon Leute getroffen, die nach dem Studium vor dem "Nichts" standen da sie nicht wussten, was sie mit dem Studium anfangen sollten. Andererseits weiß ich von ehemaligen Kollegen, die die Studienrichtung gewechselt haben, dass ebendiese Neuorientierung in Verbindung des fundierten Konzertfachstudiums interessante Möglichkeiten eröffnet hatte. Ich denke, dass auch bei der Berufswahl mehr Phanatsie und Kreativität erforderlich ist, als es zunächst scheint und das aktuelle Studienmodell fördert dies nicht gerade...

Wie gesagt; manches von dem eben genannten beruht auch auf Vermutung und Bauchgefühl, nicht nur auf Fakten. Ich kann mich auch komplett irren...
Was haltet ihr von dem Ganzen? Habt ihr nicht auch diese oder ähnliche Erfahrungen gesammelt? Oder hab' ich keine Ahnung... :confused:
lg!
 
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Hallo mas82, danke für deine ausführliche Schilderung.
Also ich kann dich beruhigen - ein großer Teil dessen, was du befürchtest, trifft längst nicht immer zu (ich kann natürlich nur für mich bzw. meine Hochschule sprechen, habe aber auch schon von anderen Hochschulen ähnliches gehört).
das Unterrichten teils veralteter, festgefahrener Methoden [..], besonders
was Didaktik, Anschlagstechnik und Auftrittsstrategien betrifft. Beispiel: Ich hatte viel zu wenig Möglichkeiten, aufzutreten.
Nach welcher Methode man unterrichtet wird, hängt einzig und allein vom Hauptfachlehrer ab, das kann also selbst innerhalb einer Hochschule fünfmal anders sein und darf keinesfalls pauschalisiert werden. Ich für meinen Teil habe nicht den Eindruck, "veraltete" Didaktik zu erfahren.
Was Auftrittsmöglichkeiten angeht - es ist natürlich wünschenswert, wenn die Hochschule da genügend schafft, gewisse Mindestmöglichkeiten sollten gegeben sein; dennoch ist man auch selbst dafür verantwortlich, dass man eine Bühne hat, später hat man auch nicht sofort (wenn überhaupt) einen Agenten.
Weiters hatte damals Bühnenangst, Lampenfieber u. ä. keinerlei Rolle gespielt.
Eine noch eingehendere Beschäftigung mit dem Thema wäre wünschenswert, die Frage ist aber, in welcher Form - bei uns werden ab und zu Seminare zum Thema angeboten, außerdem kann man Alexandertechnik belegen und oft auftreten.
Ich würde es aber auch begrüßen, wenn es ein richtiges, wöchentliches Seminar dazu gibt. Im Zuge des Bachelors war bei uns ein "Auftrittstraining" angedacht, wo man einfach sehr oft vorspielt, bisher hat das aber noch nicht stattgefunden.
"Wer die wenigsten Fehler macht, gewinnt".
Kann ich nicht bestätigen - ich habe eigentlich erst im Studium gelernt, wie unwichtig falsche Töne sind.
selbst Berühmtheiten wie Liszt oder Rachmaninoff sind hier in Wien rar an den Klassenabenden. Skrjabin? Fehlanzeige!
Auch das trifft bei uns nicht zu. Was Czerny und Cramer-Bülow (Cramer-Busoni...?) angeht - die sind musikalisch nicht interessant genug, um eine echte Konkurrenz zu Debussy, Liszt, Rachmaninov, Chopin etc. darzustellen und außerdem zu kurz und zu einfach für Klavierstudenten und höchstens mal für die ersten Semester geeignet, gehören aber eher nicht auf die Bühne. Wie mit Tonleitern umzugehen ist, entscheidet wohl auch der Professor, da gibt es unterschiedliche Meinungen.
Vielleicht noch wichtiger ist der Ausbau der Nebenfächer statt Stärkung der Dominanz des Hauptfachs, zum Beispiel durch Studentenabbau
Ich verstehe nicht, wie das eine mit dem anderen zusammenhängt. Und warum sollte man im Konzertfachstudiengang das Hauptfach weniger wichtig nehmen?
Ich glaube, dass gerade die interdisziplinäre Ausbildung auch in Bereichen des Jazz (Notenkunde, Improvisation, Rhythmus, Stimmführung, Interaktion mit anderen), Popular- und Unterhaltungsmusik, Korrepetition, Didaktik, auch Keyboard, Tontechnik oder Selbstmanagement entscheidend sind
Jazz ist ein extra Studiengang, Stimmführung, Rhythmus und "Interaktion" mit anderen lernt man in allen Studiengängen. U-Musik hat in einem klassischen Studium auch nicht so viel verloren (wozu? Wenn man das haben will, kann man es studieren), Didaktik gibt es, Keyboard ist m.E. Blödsinn, Tontechnik ist ein (sehr ausführlicher) einzelner Studiengang, Korrepetition kann man auch studieren, prima Vista + Kammermusik sollte allerdings vorkommen.
Selbstmanagement ist ein großer Punkt, der eindeutig fehlt! Hier wäre ein Ausbau äußerst wichtig, dringlich und essentiell...
Ich habe sogar schon Leute getroffen, die nach dem Studium vor dem "Nichts" standen da sie nicht wussten, was sie mit dem Studium anfangen sollten.
Da ist m.E. niemand anderer als der Betreffende ganz allein dran schuld...
Andererseits weiß ich von ehemaligen Kollegen, die die Studienrichtung gewechselt haben, dass ebendiese Neuorientierung in Verbindung des fundierten Konzertfachstudiums interessante Möglichkeiten eröffnet hatte.
Gibt es da Beispiele?
Ich denke, dass auch bei der Berufswahl mehr Phanatsie und Kreativität erforderlich ist, als es zunächst scheint und das aktuelle Studienmodell fördert dies nicht gerade...
Das ist wohl richtig. Mir würde jetzt aber spontan auch nichts einfallen, wie man die Leute dazu kriegen kann, sich kreative Gedanken über Arbeitsfelder zu machen, in denen sie tätig sein könnten. Und zu voll dürfen die Studiengänge auch nicht sein, sonst hat man keine Zeit zum üben und kann am Ende nicht mal sein Instrument ordentlich spielen.
 
Wie gesagt; manches von dem eben genannten beruht auch auf Vermutung und Bauchgefühl, nicht nur auf Fakten.
...bedenkt man, wer alles in Sachen Klavier in Wien ausgebildet wurde und wer alles dort lehrte und lehrt, so neigt man dazu, mehr Vermutung und weniger Fakten...

mas82,
die Qualität eines Studiums, auch der Anspruch desselben, bemisst sich nicht an den Berufschancen - wären einzig und allein die Berufschancen ausschlaggebend, dann müsste man einen Studienabschluß "kellnern" oder auch "ungelernte Bauhelfer/innen" einrichten... ;)
...sag, würdest du gerne Fächer wie Keltologie, Indogermanistik, Orientalistik, Paläoanthropologie u.v.a. wegkicken? ...dort hagelt es auch keine Berufsplätze, in welche das Studium nahtlos hineinführt...
...und entre nous: ich hab schon so einige Studienabbrecher wettern gehört, gleichgültig ob sie rausflogen oder freiwillig aufhörten - na ja, alle die besser wissen, wie es gemacht werden sollte und wie es laufen sollte, können sich ja gerne auf dem freien Markt als Hochspezialisten für pianistische Ausbildung und Berufschancen anbieten ;)
 
Mir scheint, dass in Jazz-Studiengängen Themen wie Selbstmanagement besser implementiert sind. Schaden würde das als Option für den herangehenden Konzertpianisten wohl nicht in der heutigen Welt, wo Flexibilität mehr an Bedeutung gewinnt.

Ich kenne jemanden, die nach der klassischen Ausbildung noch ein Jazz-Studium (dazu an verschiedenen Hochschulen) angeschlossen hat. Das zieht das Studium natürlich in die Länge und setzt ein entsprechend breit gefächertes Interesse voraus. Aber die heutige Musik kennt ja auch nicht mehr nur die U- und nur die E-Musik. Die Übergänge sind fließend und Kooperationen nicht ausgeschlossen. Beispielsweise denke ich da an ein Album eines Jazz-Duos (Bass/Saxophon, A.N., A.N. "Poetry of Rhythm"), die dabei mit einem Streichquartett zusammengearbeitet haben.

Vielleicht hat das Fach Konzertpianist einen Sonderstatus, aber ich halte es tendenziell in der heutigen Musikkultur für hilfreich, etwas breiter aufgestellt zu sein und sich als Musiker auch organisieren zu können, wenn man nicht gerade ein internationaler Star ist, wo eine Agentur die Einträge im Kalender macht.
 
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Zunächst mal ein großes Dankeschön an alle eifrigen Autoren - ihr habt sehr spannende und interessante Ansichten geäußert, über die man noch lange diskutieren könnte.
Ich unternehme den Versuch, kurz und bündig zu antworten.
Natürlich kann man sich um Auftrittsmöglichkeiten bemühen, aber ich denke, ma n arbeitet da am Thema vorbei und sollte in der Verantwrotung des Pädagogen liegen. Nichtsdestotrotz: Die Möglichkeiten waren überschaubar - ich dachte an eine Art monatlichen Jour Fixe, intern/öffentlich, auch klassen- und fächerübergreifend. Hätte mir viel gebracht, aber als 17-jähriger war mir damals vieles noch nicht bewusst.
ich habe eigentlich erst im Studium gelernt, wie unwichtig falsche Töne sind.
Da gebe ich dir recht, nur leider deckt sich unsere Meinung nicht mit der der Lehrerschaft. Die Vermeidung und Prävention von Versagen und Irrtum stand eindeutig im Vordergrund, man hatte auch als Student nicht das Gefühl, unterstützt zu werden, wie es beispielsweise in Budapest der Fall ist, obwohl dort das Studium verdammt hart ist.
Was Czerny und Cramer-Bülow (Cramer-Busoni...?) angeht - die sind musikalisch nicht interessant genug, um eine echte Konkurrenz zu Debussy, Liszt, Rachmaninov, Chopin etc. darzustellen
Ein Missverständnis: Ich meinte, dass das Thema "Technik" zu kurz kommt, nach dem Motto "Man hat es oder man hat es nicht" und ich meinte, dass eine vitale Kultivierung der Etüdenliteratur wichtig wäre, auch an den Akadmien.

Studienabbau: Die Privatisierung des Kons wurde Wirklichkeit, das Hauptfach wurde vergrößert: nicht eine, sondern zwei Unterrichtseinheiten pro Woche. Schön. Und wie diese plötzliche Menge umsetzen? Durch Abbau der Studenten. Und wie? Studienplanänderung --> Knock-Out-Prüfungen: Die letzten österreichischen Studierenden meiner Klasse (mich eingeschlossen), die immer brav dem Studienplan gefolgt sind, waren plötzlich nicht gut genug. Aufgenommen wurden nurmehr Anwärter, die maschinelles, fehlerfreies Spiel beherrschten - die Unterrichtsleistung für diese - zweifehalfte - Disziplin wurde aber nicht hier erbracht. Es ist daher einfach, die Kriterien so zu straffen, dass ich nurmehr Studenten aufnehme, die ohnedies schon makellos sind und jene Studenten, an deren Können sich die Qualität des Lehrinstituts am ehester widerspiegelt, los zu werden, um das Bild nicht zu trüben.
So ist es leider.
Unterm Strich finde ich, dass Zusatzqualifikationen wichtiger wären als doppelte Unterrichtseinheiten. Die letzten Monate am Kons habe ich jedenfalls nicht mehr viel gelernt - ich hörte bloß die Sätze "Du übst zu wenig!", "Ich sage jede Stunde dasselbe!" und "Du schaffst nie die Übertrittsprüfung!". Danke! Das hat mir einmal die Woche auch schon gereicht...

Zum Abschluss: Natürlich sind Jazz, Komposition und dgl. eigene Studienrichtungen - es geht hier um ergänzende Grundlagen, um den Horizont zu erweitern, flexibler und vielseitiger zu werden, leichter einen Umstieg zu vollziehen und ähnliches...

Neuorientierung: Ich kenne einen ausgebildeten Organisten der sich autodidaktisch zum Korrepetitor gewandelt hat, diesen Job liebt und sowohl im In- als auch im Ausland an diversen Opernhäusern gewirkt hat und noch wirkt.
Oder: Ein klassischer Pianist, der aufs Keyboard umgestiegen ist und in einem eher unbekannten aber hoch interessanten Musikstil eine Marktlücke gefunden hat: Noch kein großer Durchbruch, aber: erstes Studioalbum, erste Deutschlandtour, Konzerte in Belgien und Portugal, erste Gespräche mit Plattenfirmen. Ziemlich cool ;-)

...die Qualität eines Studiums, auch der Anspruch desselben, bemisst sich nicht an den Berufschancen
Ich stimmte dir, lieber rolf, voll und ganz zu - ich habe auch nie behauptet, das Studium sei minderwertig oder obsolet. Aber in diesem Thread geht es doch um die Berufschancen und da ist zumindest bei uns Wien die Zeit stehen geblieben.

...Oje, jetzt ist es doch wieder ein Roman geworden... ;-)
Danke für die Aufmerksamkeit... :D
 
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Es ist doch eigentlich völlig egal, was man studiert! Die Hauptsache ist, dass man sich damit identifizieren kann und mit Engagement und Motivation dabei ist! Die Frage ist doch, wie kann man sich mit dem Studium in der Tasche so gut verkaufen, so dass man einen guten Job als Angestellten erhält oder sich selbständig machen kann?

Ich wollte nach dem Abi auch Klavier studieren, aber als ich sah, wie meine damalige Klavierlehrerin an der Musikschule versauerte, war mir die Lust daran vergangen. Ich hatte viel Zeit für die Aufnahmeprüfungen investiert. Tägliches Üben von 5-7 Stunden seit ich 16 war. Und trotzdem, es fühlte sich für mich irgendwie falsch an, Klavier zu studieren, um hinterher für das was man kann nicht genug honoriert zu werden.

Stattdessen studierte ich einfach tatsächlich "irgendwas", wo ich dachte, dass es mir Spass macht. Klavier konnte ich ja auch so noch weiterspielen.
Und wie rolf es öfters erwähnt, war das etwas anderes Hoffnungsloses, nämlich Ethnologie, Moderne Indologie und Musikwissenschaft. Ich bin also einer dieser Kultur- und Geisteswissenschaftler, wo mich alle Welt ständig fragte: "Und was machst Du damit?"

Als Wissenschaftler sucht man sich nicht einen Job als Ethnologe, Indologe, Orientalist, oder sonst was, ausser man will an der Uni arbeiten und forschen! Es stellt sich vielmehr die Frage, was hat man im Studium gelernt und was kann ich in der Bewerbung angeben.
Ich bekam nach meinem Studium einen sehr gut bezahlten Job in der Schweiz als technischer Übersetzer/Textmanager und kein Mensch wird auf Anhieb die Zusammenhänge meines Studiums mit dem des Übersetzerjobs erkennen. Das würde hier auch den Rahmen sprengen.
Ich war dann auch selber als Personalrekruter zuständig und ich liste euch jetzt hier mal auf, wie wir die Bewerber aussortiert haben, z.B. für die Stelle als Textmanager:

Kann der Bewerber irgendein Studium vorweisen, abgeschlossen, Die Länge des Studiums ist nicht so wichtig, wichtig ist, was hat der Bewerber noch während des Studiums gemacht. Auslandsaufenthalt? Nebenjob? Praktika?
Ein abgeschlossenes Studium sagt aus, dass der Bewerber selbständig arbeiten kann.
Der Bewerber muss absolut teamfähig sein (ist er in einem Verein, sonstige soziale Netze?), also keine Eigenbrötler. Die Nerds sollen sich bei der IT nochmal melden :D

Wie flexibel ist der Bewerber. Würde er einen Umzug in Kauf nehmen?
Was sind seine Hobbys. Hat der Bewerber einen Ausgleich.
Wie siehts mit Familie aus, Freunde, soziales Umfeld.
Ganz wichtig, mindestens eine Fremdsprache fliessend, und eine weitere gut. Jede weitere Sprache von Vorteil!
Will sich der Bewerber weiterbilden?
Wie siehts mit Netzwerk aus?

Die wichtigsten Stichpunkte für einen Job in der Wirtschaft und Industrie sind also selbständiges Arbeiten, Flexibilität, geregelte Arbeitszeiten, Teamfähigkeit, Lernfähigkeit, Sprachen, Kreativität, Neues lernen wollen

Bei solchen Jobs wird man immer eingelernt! Es ist also völlig wurscht, was man studiert hat, sondern man muss sich selber deutlich machen, welche Fähigkeiten man während des Studiums entwickelt! Wenn man die erkennt, kann man sie auch in die Bewerbungen reinbringen und sich gut verkaufen.

Das gilt auch für das Musikstudium! Man lernt doch viel mehr, als "nur" Musiktheorie, Literatur, Spielfähigkeit, usw. aber man muss sich das erstmal bewusst machen!

Wer viele Stunden am Tag üben kann, der hat extrem gut Ausdauer und Konzentrationsfähigkeit.
Wer auf der Bühne steht und seine Leistung vor Publikum erbringt, kann auch unter Druck gut arbeiten und in stressbedingten Situationen Leistung bringen.
Selbständiges Arbeiten sowieso!
Wer mit anderen Musikern zusammenarbeitet muss immer teamfähig sein. Was würde sonst für Musik herauskommen?
usw.

Der Liebe wegen habe ich vor einem halben Jahr meinen Superjob in der Schweiz gekündigt. Es ist mir nicht leicht gefallen, und wir haben uns 4 Jahre Bedenkzeit gegeben, 4 Jahre Fernbeziehung. Irgendwann will man das aber nicht mehr, vor allem wenn man mal dem Tod ziemlich nahe war und erkennen muss, dass man jede Sekunde so nützen soll, wie man es selber will. Ich habe mich also entschieden, dass viel Geld auch nicht alles ist und ich lieber jeden Tag bei meinem Mann sein will.

Ich habe mich also vor halben Jahr als private Klavierlehrerin selbständig gemacht und war gleich von Anfang an so gut wie ausgebucht. Ich arbeite auch als Organistin und Korrepetitorin für eine Musicalwerkstatt und komme so ganz gut über die Runden.

Was ich euch für das Studium empfehlen kann ist, dass ihr die Augen offen haltet, auch in die Nebenbereiche reinguckt. Viele Unis bilden berufsbezogene Kurse an, wo man teilnehmen kann, auch wenn man dort gar nicht eingeschrieben ist.
Geht für paar Monate ins Ausland, das fördert nicht nur Sprachfähigkeit sondern auch Eigenständigkeit!

Z.B. PR-Kurse, Selbstmanagement, Journalistisches Schreiben, Sprachkurse, Musiktherapie usw.

Man muss sich im Klaren sein, was man im Leben erreichen will und womit man zufrieden ist!
 
Jour Fixe, intern/öffentlich, auch klassen- und fächerübergreifend.
Exakt das gibt es bei uns (vier mal wöchentlich) und ich nutze es oft und gewinnbringend. Übrigens - nur ein sehr kleiner Teil der Studenten macht von diesem Angebot gebrauch!!!!! Warum??
Ein Missverständnis: Ich meinte, dass das Thema "Technik" zu kurz kommt, nach dem Motto "Man hat es oder man hat es nicht"
Ist in meiner Klasse nicht so, ich hab erst hier gescheit Klavierspielen gelernt (und lerne noch).
Unterm Strich finde ich, dass Zusatzqualifikationen wichtiger wären als doppelte Unterrichtseinheiten.
Ich bin nicht sicher, von welchen Zeiten du sprichst, aber ich finde, alles, was unter 90 Minuten pro Woche geht, ist ein Witz... Stell dir vor, du spielst eine Beethovensonate - die kannst du gerade einmal vorspielen, dann bleibt nur noch eine Stunde zur Besprechung übrig.
Was damals bei euch mit dem Aussieben der Studenten passiert ist, klingt nicht so nett, das kann man aber nicht auf den Rest der Welt übertragen, zumal das ja auch eine einmalige Sache war. Du hast wohl einfach Pech gehabt.
Es stimmt auch nicht, dass nur fertige Pianisten aufgenommen werden. Natürlich muss man einiges können, wenn man anfängt zu studieren, schließlich kann man in vier Jahren aus keinem einen Pianisten machen, der nicht sowieso schon sehr weit ist. Es wird dennoch auch auf das Potential geschaut, außerdem gibt es verschiedene Studiengänge mit unterschiedlichen Ansprüchen und auch die Hochschulen differieren.
Weiterhin verbietet einem auch keiner, vor dem Studium Privatstunden bei einem ordentlichen Lehrer zu nehmen, der einen angemessen vorbereitet...genausowenig, sich einem Professor vorzustellen um ihm zu zeigen, dass man willig und begabt ist und sich weiternetwickeln will.
Die letzten Monate am Kons habe ich jedenfalls nicht mehr viel gelernt - ich hörte bloß die Sätze "Du übst zu wenig!", "Ich sage jede Stunde dasselbe!" und "Du schaffst nie die Übertrittsprüfung!".
Ich hätte an deiner Stelle längst den Lehrer gewechselt, denn dieser hier war offenbar nicht das große Los für dich. Derartige Sätze hab ich noch nie (!!!!) gehört.

Ich glaub, du hast einfach denkbar schlechte Erfahrungen gemacht...
 
Ich stimmte dir, lieber rolf, voll und ganz zu - ich habe auch nie behauptet, das Studium sei minderwertig oder obsolet. Aber in diesem Thread geht es doch um die Berufschancen und
die waren für Pianisten noch nie rosig... tja, da kann das Studium nix für

in diesem Metier muss man verdammt gut spielen können: da ist es geraten, wenn man das denn wagen will, erst mal das mit dem verdammt gut spielen können herzustellen... und da ist es sogar sehr richtig, dass für das Studium recht streng selektiert wird: das mit dem verdammt gut spielen können ist nämlich keine Kleinigkeit ---- kurzum: ein Buhu zu veranstalten ist gar nicht nötig, denn wer sehr gut spielt, der wird was finden; wahrscheinlich ist es statistisch bei Ärzten auch nicht anders: da wird auch nicht jeder Klinikchef mit Privatpatienten etc
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
wahrscheinlich ist es statistisch bei Ärzten auch nicht anders: da wird auch nicht jeder Klinikchef mit Privatpatienten etc

naja,als -sagen wir mal insider-würde ich das etwas relativieren,einmal sind die Berufsaussichten mit Dr.med.schon etwas besser (wenn auch keineswegs so rosig wie sich die Leute das vorstellen,vor allem finanziell gibt es da grobe Fehlmeinungen in der Öffentlichkeit),außerdem gibt es viel mehr Klinikchefs als Star-Pianisten,und diese Klinik Chefs waren natürlich irgenwann mal fleißig beim Publizieren,jedoch angeborenes Hochtalent wie gute Pianisten können die zu 99% nicht vorweisen,von frühkindlichem Drill ganz zu schweigen,Ellbogentechnik hatten sie dafür genug...
 
außerdem gibt es viel mehr Klinikchefs als Star-Pianisten,
...nicht jeder Arzt und auch nicht jeder Klinikchef ist ein Barnard - nicht jeder Klavierprofessor mit reger Konzerttätigkeit ist ein Horowitz...
einigen wir uns so: es wird wohl ähnlich viele Klinikchefs wie Klavierprofessoren geben - aber der run auf diese Stellen, d.h. der Konkurrenzdruck dürfte vergleichbar sein (dass die Ausbildung etwas verschiedene Schwerpunkte hat, dürfte bekannt sein) :):):)

wie auch immer: das "Buhu, so´n Klavierstudium taugt ja eigentlich nix, weil´s nicht automatisch in eine feste Stelle mündet", wie man es in diesem Faden des öfteren wortreich zu lesen bekommt, sollte man nicht allzu ernst nehmen. Dass es weder leicht noch selbstverständlich ist, einen ordentlich dotierten Platz als Pianist/in zu finden, ist ja altbekannt - also entweder man wagt das, oder man lässt´s bleiben. Sicher ist nur: je besser man ist, umso bessere Chancen hat man - dass dabei aber die luft recht dünn und die Konkurrenz groß ist, ist auch altbekannt. --- das Studium selber aber sollte seinen Schwerpunkt nach wie vor beim spielen können behalten, denn das ist conditio sine qua non: ohne das bedarf man auch keiner Zusatz-Alternativ-Seminare ;)
 
Wie wärs mit meiner Heimatstadt - dort gibt es sehr große, weltbekannte Klinikkomplexe und ergo bestimmt einige Dutzend Klinikchefs - aber keinen einzigen Klavierprofessor :D Nicht mal eine eigene Musikschule hat das Kaff.
 

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