Wie religiös seid ihr?

Wie religiös bist du?


  • Umfrageteilnehmer
    63
Ach ja, ich vergaß....
 
Wir sollten mehr Hypothesen aufstellen. Ich glaube 408 wäre eine gute Zahl.
 
@Klavirus

Ich hatte Di auch um Klärung gebeten. Deine Worte nochmal zu lesen bringt nix.

Beispiel A:
"Die soziale Gerechtigkeit ist ein Stützpfeiler unserer Gesellschaft." Es ist etwas ganz anderes gemeint, ob das ein Vertreter des Arbeitskampf sagt ("Die ist noch nicht erreicht, deswegen kämpfen wir dafür!") oder ein Vertreter des Arbeitgeberverbands ("Die haben wir doch schon längst; schaut mal, wie es euch geht im Vergleich zu früher!")

Beispiel B:
"Das Leben ist vergänglich." Das ist auch eine andere Aussage, ob das ein Zen-Philosoph sagt ("Deswegen ist es besonderes wertvoll und jedes Leben muss beschützt werden.") oder Josef Stalin ("Deswegen ist es kein Verlust, Leben zu opfern für die höhere Sache.")

Dahingehend bat ich, Deine Sätze mit Inhalt zu füllen.

Der Hinweis "Lies noch mal" kommt mir arrogant vor und für Kommunikation nicht Ziel führend.

Grüße
Häretiker
 
Ich bin der Ansicht, dass der Mensch allein aufgrund seiner Seinsverfassung „religiös“ im weitesten Sinne ist. Niemand kann umhin, „nach dem Sinn zu fragen“, und das heißt, nach einem letzten Grund alles Seienden. Diese Frage muss keineswegs explizit gestellt und noch weniger explizit beantwortet werden; die meisten stellen und beantworten sie implizit in der Art, wie sie leben und sterben. Jeder hat etwas, „woran sein Herz hängt“ (Luther), das er zu einem Letzten, Unbedingten erhebt. Sieht man es so, verschiebt sich die Frage „Existiert Gott?“ zu der Frage: „Was mache ich zu meinem Gott? Ist es etwas wirklich Letztes, Unbedingtes, oder vergötze ich ein endliches Seiendes, etwa Geld, Macht, Genuss, den Staat, meinen Erfolg, die Materie usw.?“

Am Ursprung unserer europäischen Kultur steht die Kritik der Mythen, und zwar an zwei Quellorten: Einerseits in der Philosophie des antiken Griechenlands, andererseits im aufkommenden Monotheismus des Judentums. Jaspers hat diese Periode (etwa um 500 v. Chr.) die „Achsenzeit“ der Weltgeschichte genannt. Gemeinsam ist Philosophie und monotheistischer Religion – trotz aller Unterschiede – die Kritik der Idolatrie, also der Götzenverehrung. Im Monotheismus ist es diese radikale Kritik, die in letzter Konsequenz dazu führt, dass Judentum, Christentum und Islam den Mythos nur noch als „gebrochenen Mythos“ (Paul Tillich) anerkennen. Sogar die Silbe „Gott“ ist letztlich nichts Eindeutiges, sondern ein Platzhalter für das Unbedingte, das wir nicht anders beschreiben und verstehen können als in den Kategorien dieser Welt. Doch diese Welt verweist auf etwas, das mehr ist als sie selbst, das auch die Poesie aufscheinen lässt, und mit dem wir in der Religion in Dialog treten.

Die religiösen Symbole und Erzählungen – konkret die des Christentums, auf die sich wohl vor allem die Frage des Threaderstellers bezog – sind Versuche, die Bewegung hin zum Unbedingten auszudrücken und zu leiten. Ein rein „privater“ Glaube ist undenkbar, denn jeder Glaube ist auf Symbole und auf Gemeinschaft angewiesen.

Ich bin gespannt auf eure Ansicht dazu, gerade auch auf Widerspruch! Vieles kann man sicher noch weiter ausführen und präzisieren, was ich auf Nachfrage auch gerne tun werde.

Grüße
Charis
 

Ich bin der Ansicht, dass der Mensch allein aufgrund seiner Seinsverfassung „religiös“ im weitesten Sinne ist. Niemand kann umhin, „nach dem Sinn zu fragen“, und das heißt, nach einem letzten Grund alles Seienden. Diese Frage muss keineswegs explizit gestellt und noch weniger explizit beantwortet werden; die meisten stellen und beantworten sie implizit in der Art, wie sie leben und sterben. Jeder hat etwas, „woran sein Herz hängt“ (Luther), das er zu einem Letzten, Unbedingten erhebt. Sieht man es so, verschiebt sich die Frage „Existiert Gott?“ zu der Frage: „Was mache ich zu meinem Gott? Ist es etwas wirklich Letztes, Unbedingtes, oder vergötze ich ein endliches Seiendes, etwa Geld, Macht, Genuss, den Staat, meinen Erfolg, die Materie usw.?“

Ich möchte gar nicht so weit ausholen: Mir ist ein solches Denken völlig fremd. Und ich lebe über ein halbes Jahrhundert ganz gut damit.
 
...allerdings ist es beiden nicht gelungen, die Götzenanbetung abzuschaffen...
Zum Glück ...
Ich möchte gar nicht so weit ausholen: Mir ist ein solches Denken völlig fremd. Und ich lebe über ein halbes Jahrhundert ganz gut damit.
Was soll ich dazu sagen? Vielleicht mit Adorno: "Ich versuche das, was ich erkenne und was ich denke, auszusprechen. Aber ich kann es nicht danach einrichten, was man damit anfangen kann und was daraus wird."
 
Niemand kann umhin, „nach dem Sinn zu fragen“, und das heißt, nach einem letzten Grund alles Seienden.
[...]
Doch diese Welt verweist auf etwas, das mehr ist als sie selbst, das auch die Poesie aufscheinen lässt, und mit dem wir in der Religion in Dialog treten.
[...]
Ein rein „privater“ Glaube ist undenkbar, denn jeder Glaube ist auf Symbole und auf Gemeinschaft angewiesen.

Kühne apodiktische Setzungen, die in ihrer Generalisierung unzulässig sind... Da wäre eine Präzisierung wünschenswert.

Ebenso hier:

Jeder hat etwas, „woran sein Herz hängt“ (Luther), das er zu einem Letzten, Unbedingten erhebt. Sieht man es so, verschiebt sich die Frage „Existiert Gott?“ zu der Frage: „Was mache ich zu meinem Gott? [...]

versus:
Ein rein „privater“ Glaube ist undenkbar, denn jeder Glaube ist auf Symbole und auf Gemeinschaft angewiesen.

"Undenkbar" ist so ein wuchtiges Wort, dass es mich realiter überrascht, es in diesem Kontext zu lesen. Ich bin daher vorsichtig mit der Behauptung, dass der Widerspruch zwischen den beiden Zitaten "undenkbar" sei, ich nenne ihn lediglich "augenscheinlich inkohärent" und bin gespannt auf eine Erläuterung.

Mir scheint, als sei Dein Unbedingtes das (vorläufige) Ende einer aufsteigenden Kausalitätskette, die im diachronen Vergleich nur früher oder später, mehr oder weniger schlüssig/nachvollziehbar endet. Hältst Du es für "denkbar", dass die postulierte Kausalität selbst in diesem (durchaus populären) Konstrukt nicht einer hinreichenden Kritik unterzogen wird?
 
Ich bin der Ansicht, dass der Mensch allein aufgrund seiner Seinsverfassung „religiös“ im weitesten Sinne ist. Niemand kann umhin, „nach dem Sinn zu fragen“, und das heißt, nach einem letzten Grund alles Seienden. Diese Frage muss keineswegs explizit gestellt und noch weniger explizit beantwortet werden; die meisten stellen und beantworten sie implizit in der Art, wie sie leben und sterben.

In dem Sinne bin ich auch Millionär. Habe ich eine Millionen Euro auf dem Konto? Nein, natürlich nicht. Aber ich habe mir die Frage gestellt. :-)

Im Ernst:
Üblicherweise verbinde ich mit Religion Begriffe wie 'transzendent' und 'heilig'. Ontologische Materialisten würden die Frage nach diesen beiden verneinen, ebenso wie die Frage nach dem Sinn der Existenz des Individuums oder des Universums. Wenn das - also die Ablehnung - schon religiös sein soll, bin ich Millionär, siehe oben.

Grüße
Häretiker
 
Üblicherweise verbinde ich mit Religion Begriffe wie 'transzendent' und 'heilig'. Ontologische Materialisten würden die Frage nach diesen beiden verneinen, ebenso wie die Frage nach dem Sinn der Existenz des Individuums oder des Universums. Wenn das - also die Ablehnung - schon religiös sein soll, bin ich Millionär, siehe oben.

Gerade der Materialist zeigt aber doch, dass Menschen offenbar nicht umhin können, ein Letztes anzunehmen. Für den Materialisten ist eben die Materie das Unbedingte, sein „Gott“. Gerade der Materialist beantwortet die Frage nach dem Unbedingten also sehr explizit, nur eben ganz anders als der Christ.

Kühne apodiktische Setzungen, die in ihrer Generalisierung unzulässig sind... Da wäre eine Präzisierung wünschenswert.

Es mag aufgrund der Kürze der Eindruck kühner „Setzungen“ entstehen, ich bin aber der Überzeugung, dass sich die religiöse Natur des Menschen in zahlreichen Detailanalysen auch in der Psychologie genau aufweisen ließe. Zudem bin ich aufgrund von Selbstbeobachtungen und Beobachtungen meiner Mitmenschen der Überzeugung, dass dem Menschen tatsächlich ein „Hunger nach dem Absoluten“ innewohnt, dass die Menschen, wie es Berdjajew ausgedrückt hat, „unheilbar religiös“ sind – auch dann noch, wenn sie dies leugnen oder bestreiten. „Vereinnahmung“, mögen manche sagen – doch ist es Vereinnahmung, wenn ich einfach feststelle, was der Fall ist?

"Undenkbar" ist so ein wuchtiges Wort, dass es mich realiter überrascht, es in diesem Kontext zu lesen. Ich bin daher vorsichtig mit der Behauptung, dass der Widerspruch zwischen den beiden Zitaten "undenkbar" sei, ich nenne ihn lediglich "augenscheinlich inkohärent" und bin gespannt auf eine Erläuterung.

Das ist nur ein scheinbarer Widerspruch. Ich bin in der Tat der Überzeugung, dass sich wirksame religiöse Symbole nicht „aus dem Stegreif“ erfinden lassen, sondern dass sie immer von Traditionen vorgegeben werden. Wichtig ist aus meiner Sicht im Christentum, dass der „gebrochene“ Charakter der Symbole erkennbar bleibt, dass sie also Wegweiser sind, aber nicht selbst zu Götzen erhoben werden.
Andererseits besteht natürlich die Möglichkeit, unzählige verschiedene Götzen anzubeten. Hier ist in der Tat ein Moment des „Privaten“ und des Beliebigen vorhanden. Genauer formuliert hätte die Frage also lauten müssen: „Was mache ich zu meinem Götzen?“ Der christliche Gott ist kein Götze, sondern ein Symbol für das Unbedingte. Womit wir beim nächsten Punkt wären.

Mir scheint, als sei Dein Unbedingtes das (vorläufige) Ende einer aufsteigenden Kausalitätskette, die im diachronen Vergleich nur früher oder später, mehr oder weniger schlüssig/nachvollziehbar endet. Hältst Du es für "denkbar", dass die postulierte Kausalität selbst in diesem (durchaus populären) Konstrukt nicht einer hinreichenden Kritik unterzogen wird?

Nein, wenn ich vom „Unbedingten“ spreche, meine ich nicht das Ende oder den Anfang einer Kausalkette. Ich meine vielmehr den Grund oder Abgrund, der alle Kausalitätsketten fundiert. Alle Kausalitätsketten sind Teil der Welt. Ich meine aber nicht einen Teil der Welt, sondern das Unbedingte als Weltgrund. Nichts Zeitliches, sondern etwas Ewiges. Vielleicht kann man nur in Negationen, in Symbolen und Metaphern davon sprechen.
 
Gerade der Materialist zeigt aber doch, dass Menschen offenbar nicht umhin können, ein Letztes anzunehmen. Für den Materialisten ist eben die Materie das Unbedingte, sein „Gott“. Gerade der Materialist beantwortet die Frage nach dem Unbedingten also sehr explizit, nur eben ganz anders als der Christ.

Nein, das sehe ich ganz anders.

Materie ist weder anbetungswürdig, noch birgt sie ein Heilsversprechen, schreibt mir vor, mit wem man in die Kiste springen darf oder droht, dass man von ihr getrennt werde.

Zudem bin ich aufgrund von Selbstbeobachtungen und Beobachtungen meiner Mitmenschen der Überzeugung, dass dem Menschen tatsächlich ein „Hunger nach dem Absoluten“ innewohnt,

Nein, auch das sehe ich anders.

Frei nach Luhmann:
Die Welt ist kontingent. Um in ihr einen ruhenden Pol zu finden, führt man Symbole ein, die "heilig" genannt werden und ewig und veränderlich sind. Das gibt den Menschen halt. Es gibt aber Menschen, die brauchen diese absoluten Symbole.

Ich bin sogar der Ansicht, dass wenn immer jemand die "absolute Wahrheit" verkündet, die garantiert falsch ist.

Im Gegenteil: ich finde viel spannender, was man noch findet und erfindet. Ein paar Jährchen habe ich noch.

Alle Kausalitätsketten sind Teil der Welt.


Und was ist mit den nicht-kausalen?

Ich meine aber nicht einen Teil der Welt, sondern das Unbedingte als Weltgrund.


Das verstehe ich nicht. Was ist das Unbedingte, was soll Weltgrund sein?

Grüße
Häretiker
 
Nochmal zur Klarstellung mit dem 'Absoluten':

Wer einer gängigen Religion angehört, hat ein Absolutes, auf das er sich beziehen kann. Je nach Ausprägung gibt es noch 'Wahrheiten' die als 'absolut' verkündet werden vermittels eines Mechanismus namens 'Offenbarung'. Das kann z.B. ein Buch sein.

Als ontologischer Materialist hat man diese Referenz auf das 'Absolute' ebenso wenig wie die Verkündung vermittels 'Offenbarung'. Er kann und muss mit dieser Unsicherheit leben. Wer also nach dem 'Letzen' oder 'Absoluten' sucht, muss sich eine Religion suchen, weil ontologischer Materialismus keine Antwort darauf geben kann. Wenn man heraus gefunden hat, warum es überhaupt etwas geben muss, kommt sofort die Frage: Warum ist das so und nicht anders? Es ist also gar nicht klar, ob diese Fragen letztendlich irgendwann einmal beantwortbar sind und was das uns helfen mag.

Für den Religiösen ist die Logik Gott gegeben, für den ont. Materialisten von Menschen gemacht.

Grüße
Häretiker
 
Ach kommt, ihr alle seid irgendwo Religiös. Bei Religion geht es nicht um die Akzeptanz von Fakten, sondern von Glauben. Religion, Gender, Geld, Musik etc...

Aber nach dem klassischen Begriff Religion bin ich das zu 0%. Ich gehe nicht in die Kirche und lasse meine Leben nicht durch die Gesetze einer Religion leiten. Mir tun Menschen leid, die sich durch irgendwelche ageblichen religiösen Regeln leiten lassen, sein es Christen Muslime Juden etc. Tu dies nicht, tu jenes nicht - weil es dir deine Glaube (nein hier die Religion) verbietet.
 

Ähnliche Themen

D
Antworten
4
Aufrufe
4K
DoctorGradus
D

Zurück
Top Bottom