Wie religiös seid ihr?

Wie religiös bist du?


  • Umfrageteilnehmer
    63
Ach kommt, ihr alle seid irgendwo Religiös.

Wie heißt es so schön?

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oder

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Bin übrigens öfter in der Kirche. Meine Freundin ist Organistin und leitet eine Kirchenband.

Grüße
Häretiker
 
Verstehe ich nicht.

Hat doch niemand behauptet, dass Atheismus eine Religion wäre.

Wenn Atheismus eine Religion ist, dann könnte Bettnässen auch eine sein.

Oder Mäusefangen.

CW
 
Verstehe ich nicht.

Hat doch niemand behauptet, dass Atheismus eine Religion wäre.

Mehr oder weniger schon:

Ich bin der Ansicht, dass der Mensch allein aufgrund seiner Seinsverfassung „religiös“ im weitesten Sinne ist.

Für den Materialisten ist eben die Materie das Unbedingte, sein „Gott“.

Ach kommt, ihr alle seid irgendwo Religiös.

Es sei denn, Atheisten zählen nicht zu 'jeder' und 'alle'. :-)

Grüße
Häretiker
 
Ach kommt, ihr alle seid irgendwo Religiös. Bei Religion geht es nicht um die Akzeptanz von Fakten, sondern von Glauben.

Und wieder einmal hapert es an der sauberen Definition der Begriffe. Der Einfachheit wegen wähle ich die des Duden:

- (meist von einer größeren Gemeinschaft angenommener) bestimmter, durch Lehre und Satzungen festgelegter Glaube und sein Bekenntnis
- gläubig verehrende Anerkennung einer alles Sein bestimmenden göttlichen Macht; religiöse Weltanschauung

Zum Begriff "religiös" bietet der Duden Folgendes:

- die Religionen betreffend, zur Religion gehörend, auf ihr beruhend
- in seinem Denken und Handeln geprägt vom Glauben an eine göttliche Macht; gläubig

Der Duden fasst die Definition also eng, und das ist auch gut so. ;-) Um Deine Formulierung zu bemühen ("Bei Religion geht es nicht um die Akzeptanz von Fakten, sondern von Glauben"): Sie ist angelehnt an die europäische Aufklärung (die Anerkenntnis des Dualismus Fakten - Glauben). Für den Rechtgläubigen (er erlebt seit einigen Jahren eine ungeahnte Renaissance, und leider ist es nicht nur einer) sind z. B. die Offenbarungstexte Fakten. Dass die Texte sich nicht selten eklatant widersprechen und die Überlieferung, sagen wir diplomatisch: problematisch ist, wird irgendwie hingenommen oder durch exegetische Kniffe zurechtgehübscht.

Insofern ist die Aussage "Ihr alle seid irgendwo religiös" falsch, sobald ein Einziger aufsteht und sagt "Nö" - so wie Du selbst in Deinem zweiten Absatz, anschließend @Häretiker , ich auch und nicht wenige Andere haben sich im Verlauf des Threads ebenso geäußert. Wie kommst Du also zu der Behauptung?
.

@Charis
Danke für die Mühe der Antwort. Ich fürchte, wir beide werden in dieser Frage nicht einig werden. :-)
 
Hat doch niemand behauptet, dass Atheismus eine Religion wäre.
Wenn Atheismus eine Religion ist, dann könnte Bettnässen auch eine sein.

Es wurde behauptet, der Materialist sei (ohne es für sich selbst anzuerkennen) "in Wahrheit" religiöser als der Religiöse:

Gerade der Materialist zeigt aber doch, dass Menschen offenbar nicht umhin können, ein Letztes anzunehmen. Für den Materialisten ist eben die Materie das Unbedingte, sein „Gott“. Gerade der Materialist beantwortet die Frage nach dem Unbedingten also sehr explizit, nur eben ganz anders als der Christ.
 
Es ist die Frage, was genau man mit "religiös" meint. Jedenfalls ist "Religiös-sein" in meinem weiten Verständnis nicht dasselbe wie "einer Glaubensgemeinschaft oder Religion angehören". Wie ich es meine, habe ich ja mehrfach definiert. Im Grunde liefert @Häretiker eine ganz ähnliche Beschreibung:
Frei nach Luhmann:
Die Welt ist kontingent. Um in ihr einen ruhenden Pol zu finden, führt man Symbole ein, die "heilig" genannt werden und ewig und veränderlich sind. Das gibt den Menschen halt. Es gibt aber Menschen, die brauchen diese absoluten Symbole.
Nur dass ich eben sagen würde, dass nicht nur manche, sondern alle Menschen ein Bedürfnis nach Symbolen haben, die heilig sind und auf Ewiges, Unveränderliches (oder einen letzten Grund) verweisen.
Um nochmal auf das Beispiel des Materialisten zurückzukommen: Definiert man Materialismus als die Weltanschauung, die behauptet, dass "letztlich" alles Materie ist und alles andere nur Epiphänomen, dann wird besonders deutlich, dass gerade der Materialist einen Grund von allem und jedem postuliert - als ontologische Hypothese über die "eigentliche Natur" der Dinge. Dieser letzte Grund (die Materie) ist zwar unpersönlich, "kalt", sinnlos, und nicht ansprechbar und sinngebend wie der christliche Gott - aber einen letzten Grund, der unserem Suchen Halt gibt, stellt sie dennoch dar, und somit eine Antwort auf das religiöse Bedürfnis des Menschen.

Ich bin sogar der Ansicht, dass wenn immer jemand die "absolute Wahrheit" verkündet, die garantiert falsch ist.
Im Grunde bewegst Du Dich mit Deiner Ablehnung der Verkündung einer "absoluten Wahrheit" in einem ganz ähnlichen Fahrwasser wie die monotheistische Idolatriekritik. Das Christentum ist Teil der europäischen Aufklärungsgeschichte. (Das kann man übrigens auch bei Professor Ratzinger nachlesen.) Doch auch hier kommt es natürlich wieder darauf an, wie genau man "Aufklärung" definiert.
 
Nur dass ich eben sagen würde, dass nicht nur manche, sondern alle Menschen ein Bedürfnis nach Symbolen haben, die heilig sind und auf Ewiges, Unveränderliches (oder einen letzten Grund) verweisen.

Nein.

Um nochmal auf das Beispiel des Materialisten zurückzukommen: Definiert man Materialismus als die Weltanschauung, die behauptet, dass "letztlich" alles Materie ist und alles andere nur Epiphänomen, dann wird besonders deutlich, dass gerade der Materialist einen Grund von allem und jedem postuliert - als ontologische Hypothese über die "eigentliche Natur" der Dinge. Dieser letzte Grund (die Materie) ist zwar unpersönlich, "kalt", sinnlos, und nicht ansprechbar und sinngebend wie der christliche Gott - aber einen letzten Grund, der unserem Suchen Halt gibt, stellt sie dennoch dar, und somit eine Antwort auf das religiöse Bedürfnis des Menschen.

Existenz ist kein Grund, da machst Du m.E. einen Kategorienfehler. Habe ich aber geschrieben: Wie die Kette, die Du ansprachst, auch immmer aussehen mag, ob wir sie konkret erkennen oder nicht. Aber die Frage, warum es die Kette überhaupt gibt, ist nicht beantwortet.

Die Suche hat keine Halt ausser der Erfahrung, dass - bis jetzt - Materie nicht einfach so evaporiert und somit die Existenz gewährleistet ist.

Nur, weil Du es - warum auch immer - nicht ohne letztendlichen Halt schaffst, darfst Du das nicht verallgemeinern. Ich kann mit Unsicherheiten prima leben. Es gibt noch viele "weiß ich nicht", "wissen wir Menschen nicht" und "möglicherweise können wir das nicht wissen" oder - noch besser - werden es im Prinzip nie erfahren können, weil
1) Unvollständigkeitsaxiom
2) das Universum kann ich nicht auf einen Experimentiertisch stellen und wir sind Teil dessen, was wir beobachten
3) Es ein optimistische Annahme ist, dass die Grundfunktionen der Natur mit den mathematischen Formalismen, die wir kennen beschreiben können
4) Wir gar nicht alles wissen können => Unschärferelation
5) Schon das einache klassische Dreiköperproblem nicht mehr analtisch lösbar ist

Zumindest in meiner Lebensspanne gibt es praktische und theoretische Gründe, warum wir die koplette Erkenntnis des mikrokosmos nicht kennen werden. Und damit ist der Makrokosmos nicht erklärt: Versuche z.B. mal die neue Modefarbe 2020 mit Physik und Mathematik herzuleiten.

Halt!? Gibt's nicht, brauche ich nicht.

Grüße
Häretiker
 
Das wollte ich ihm auch schon wünschen ... Aber seine ostentative Haltlosigkeit gibt ihm offenbar genug Halt.

Gerade gläubige Menschen wissen um die Vorläufigkeit aller unserer Setzungen und unseres Wissens:
"Wir sind unfähig, vollkommen sicher zu wissen oder vollkommen unwissend zu bleiben. Wir treiben auf einer weiten Mitte, immer unsicher und schwankend, von einem Ende zum anderen gestoßen. Nichts steht für uns still. Das ist unser natürlicher Zustand, der gleichwohl unserer Neigung am meisten widerspricht. Wir brennen vor Verlangen, einen festen Halt und eine letzte, beständige Grundlage zu finden, um darauf einen Turm zu errichten, der sich bis zum Unendlichen erheben soll. Aber unser ganzes Fundament kracht auseinander, und die Erde tut sich bis in die Tiefen auf." (Blaise Pascal)
Glaube hat wenig mit "Gemütlichkeit", oberflächlicher "Sicherheit" oder "Halt" zu tun, sondern mit einer Bejahung im Angesicht und trotz der Abgründe des Seins. Das Problem ist, dass die meisten den Glauben und den Atheismus nur in ihren Schwundformen kennen - auf ihrem höchsten Niveau haben sie viel mehr gemeinsam, als es auf den ersten Blick scheint.

Einer der konsequentesten Materialisten der Philosophiegeschichte gab aufrichtig zu, dass er einer Ersatzreligion anhing:
„Was mich angeht, glaube ich ... an physikalische Objekte und nicht an die Götter Homers ... Doch hinsichtlich ihrer epistemologischen Fundierung unterscheiden sich physikalische Objekte und Homers Götter nur graduell und nicht prinzipiell. Beide Arten Entitäten kommen nur aus kulturellen Setzungen in unser Denken. Der Mythos der physikalischen Objekte ist epistemologisch den meisten anderen darin überlegen, dass er sich darin wirksamer als andere Mythen erwiesen hat, dem Fluss der Erfahrungen eine handliche Struktur aufzuprägen.“
(W. V. O. Quine: Zwei Dogmen des Empirismus. In: ders.: Von einem logischen Standpunkt aus, Stuttgart 2012, S. 123.)
 
Bevor ich mir Gedanken über all das mache was hier steht: @Häretiker : Du hast einen wunderbaren Schreibfehler gemacht: Es ist der Unvollständigkeitssatz, nicht das Unvollständigkeitsaxiom. Gesetztenfalls man hätte es nicht bewiesen, dann wäre es schon extrem masochistisch das zum Axiom zu erheben...armer Russel. :D
 

Ja, ist von Gödel, aber Russel hat stark darunter gelitten. Hat es doch sein Lebenswerk quasi "über Nacht" den Boden entzogen. Liest euch mal Gödels Vorwort zur Principia Mathematica von Russel und Whitehead durch. "Armer Russel" meinte ich, weil er wohl sehr stark darunter gelitten hätte, wenn das ein von der Mathematikergemeinde anerkanntes Axiom gewesen wäre.

Edit: Mein Lieblingssatz aus "Russels mathematische Logik" von Kurt Gödel: "Es ist zu bedauern, dass es dieser ersten umfassenden und durchgehenden Darstellung der mathematischen Logik und der Ableitung der Mathematik aus ihr so sehr an formahler Genauigkeit in den Grundlegungen mangelt, dass sie in dieser Hinsicht einen beträchtlichen Rückschritt im Vergleich zu Frege bedeutet."
 
Armer Russell, auch weil Du ihm permanent sein letztes "l" klaust ;-)
Das Zitat ist aber interessant, danke!
Was schreibt denn Gödel in dem Vorwort zu den Principia von Russell / Whitehead?
 
Einer der konsequentesten Materialisten der Philosophiegeschichte gab aufrichtig zu, dass er einer Ersatzreligion anhing:
„Was mich angeht, glaube ich ... an physikalische Objekte und nicht an die Götter Homers ... Doch hinsichtlich ihrer epistemologischen Fundierung unterscheiden sich physikalische Objekte und Homers Götter nur graduell und nicht prinzipiell. Beide Arten Entitäten kommen nur aus kulturellen Setzungen in unser Denken. Der Mythos der physikalischen Objekte ist epistemologisch den meisten anderen darin überlegen, dass er sich darin wirksamer als andere Mythen erwiesen hat, dem Fluss der Erfahrungen eine handliche Struktur aufzuprägen.“
(W. V. O. Quine: Zwei Dogmen des Empirismus. In: ders.: Von einem logischen Standpunkt aus, Stuttgart 2012, S. 123.)
An dieser Stelle muss ich widersprechen. Der Unterschied ist ein prinzipieller:

1.) In den meisten Definitionen der Wissenschaft ist das anzweifeln der Modelle inhärenter Bestandteil, schließlich definiert sich Wissenschaft häufig über das Wechselspiel zwischen Deduktion und Empirie. Während Religion, wie Barret zitierte, als "gläubig verehrende Anerkennung einer alles Sein bestimmenden göttlichen Mach" definiert wird. Die Anzweiflung dieses Modells und seiner Objekte ist nicht inbegriffen. Und die Geschichte lehrte uns, dass diese von denen, welche in ihrem Kulturkontext definierten was Religion ist, häufig auch nicht geduldet wurde. Edit zur konkretisierung: Und somit ist auch die Erkenntnistheoretische Fundierung eine andere, da es in beiden Konzepten unterschiedlich ist, wie man zu den Objekten = zur Erkenntnis gelangt. Und da eine Art der Definition in der Konstruktion liegt, sind für mich die Objekte nicht "prinzipiell gleich". (Diese Formulierung legt ja auch noch nahe, dass sie vom Prinzip also von der Konstruktion her gleich sind).

2.) Wissenschaft untersucht verschiedene Erklärungsmuster, verschiedene Axiome und Postulate und ihr Zwischenspiel. Das tut Religion nicht, wenn wird das von vergleichender Religionswissenschaft vollbracht.
 
Ich rate dringend an, zunächst einmal zwischen der Wissenschaft als Praxis und einer materialistischen Metaphysik zu unterscheiden. Quines Zitat (und meine "Religiositätsbehauptung") bezieht sich auf die materialistische Metaphysik, nicht auf die Praxis der Wissenschaft (die ist zunächst metaphysisch neutral und in der Tat auf ständige Revision des Wissens angelegt).
 
Ich bin der Ansicht, dass der Mensch allein aufgrund seiner Seinsverfassung „religiös“ im weitesten Sinne ist.
...
Ich bin gespannt auf eure Ansicht dazu, gerade auch auf Widerspruch!

Darauf entgegnete ich, dass ich das (religiös) meiner Meinung nach nicht bin.

Gerade der Materialist zeigt aber doch, dass Menschen offenbar nicht umhin können, ein Letztes anzunehmen.

Auch darauf entgegnete ich. Ein ontologischer Materialist hat nix, was 'heilig' oder 'unveränderbar' ist. Kontingenz ist das Stichwort.

Das wollte ich ihm auch schon wünschen ... Aber seine ostentative Haltlosigkeit gibt ihm offenbar genug Halt.

Aha, jetzt ist meine Haltung ostentativ. Du unterstellst oben etwas, möchtest Feedback, und wenne das kriss, isses 'ostentativ'.


"Verständis habe ich für alle, verstehen tue ich die wenigsten"
Sokrates

Grüße
Häretiker
 
Bevor ich mir Gedanken über all das mache was hier steht: @Häretiker : Du hast einen wunderbaren Schreibfehler gemacht: Es ist der Unvollständigkeitssatz, nicht das Unvollständigkeitsaxiom. Gesetztenfalls man hätte es nicht bewiesen, dann wäre es schon extrem masochistisch das zum Axiom zu erheben...armer Russel. :D

Lustiger Fehler. In der Tat ist er ja bewiesen worden, dann kann es ja kein Axiom sein. :-)

Fällt mir das fünfte Postulat von Euklid ein. Hat man über Jahrhunderte versucht, dieses von den anderen abzuleiten. Erst Gauß hat erkannt, dass das Problem unlösbar ist ...

Grüße
Häretiker
 
Ich rate dringend an, zunächst einmal zwischen der Wissenschaft als Praxis und einer materialistischen Metaphysik zu unterscheiden. Quines Zitat (und meine "Religiositätsbehauptung") bezieht sich auf die materialistische Metaphysik, nicht auf die Praxis der Wissenschaft (die ist zunächst metaphysisch neutral und in der Tat auf ständige Revision des Wissens angelegt).

Ok, du hast nicht gesagt, dass dein Beitrag im Sinne der materialistischen Metaphysik zu verstehen sind. Da ich leider nicht in allen philosophischen Schulen so gebildet bin: Magst du vielleicht kurz die Positionen der materialistischen Metaphysik zusammenfassen?
 
@alibiphysiker Ich bin Dir für diese Frage dankbar und wiederhole mich gern, wenn es ein wenig der Klarheit dient.
In einem Satz definiert, ist der Materialismus die Position, die behauptet, dass letztlich alles Materie ist und alles Geistige nur ein Epiphänomen, das aus verschiedenen Zusammensetzungen der Materie hervorgeht, "emergiert" bzw. "auf der Materie superveniert", wie die Fachbegriffe heute lauten. Diese Position gibt es bereits seit der Antike, bei Demokrit und Epikur, wobei das genaue Verständnis von "Materie" und "Geist" sich natürlich historisch immer wieder verändert hat.
Ein bekanntes zeitgenössisches Beispiel für Materialismus ist das Buch Die Natur der Dinge. Materialismus und Wissenschaft von Bunge / Mahner. Doch innerhalb bestimmter Bereiche der analytischen Philosophie des Geistes ist der Materialismus (meist unter den "feineren" Bezeichnungen "Naturalismus" oder "Physikalismus") fast schon Konsens, jedenfalls aber Mehrheitsmeinung. In dem materialismuskritischen Buch Halbierte Wirklichkeit hat Hans-Dieter Mutschler drei Prinzipien des gegenwärtigen Materialismus herausgearbeitet: das Materieprinzip, das Supervenienzprinzip und das Prinzip der kausalen Geschlossenheit der Welt.
Das Materieprinzip ist die Behauptung, dass alles Materie ist und aus verschiedenen Zusammensetzungen von Materie hervorgeht. Das Supervenienzprinzip ist die Behauptung, dass die Basis der Materie jeden "geistigen Überbau" festlegt. Das Prinzip der kausalen Geschlossenheit der Welt schließlich behauptet, dass jeder Weltzustand W1 den folgenden Weltzustand W2 kausal festlegt. Es gibt also keine geistigen oder "externen" Ursachen, sondern das Geschehen in der Welt bildet einen lückenlosen Kausalzusammenhang.
Soweit eine gegenwärtige Charakterisierung von Grundprinzipien des Materialismus.

Mein Punkt war nun, dass der Materialismus (wie ich ihn verstehe, und die Mehrheit der Philosophen ebenfalls) ein schlechtes Beispiel für eine nicht-religiöse Haltung des Menschen ist, da gerade er ein Letztes, Eigentliches postuliert. Ich zitiere mich hierzu nochmal selbst:
Dieser letzte Grund (die Materie) ist zwar unpersönlich, "kalt", sinnlos, und nicht ansprechbar und sinngebend wie der christliche Gott - aber einen letzten Grund, der unserem Suchen Halt gibt, stellt sie dennoch dar, und somit eine Antwort auf das religiöse Bedürfnis des Menschen.
Jeder, der die Positionen des Materialismus wirklich kennt, wird zugeben müssen, dass er eine sehr starke These über die Natur der Dinge und somit eine metaphysische Position par excellence darstellt. Alle Metaphysik und Ontologie ist auf ein letztes "Sein" aus, das Grund alles "Seienden" ist, und fügt sich somit sehr gut in meine Beschreibung der Suche des Menschen nach einem letzten Grund. Der Materialismus bildet hier überhaupt keine Ausnahme. Sucht man nach einer wirklich atheistischen Philosophie, wird man meines Erachtens vielleicht eher bei Nietzsche und Camus fündig, die die Grund- und Haltlosigkeit von allem und jedem konsequent zu durchdenken versuchten. Wobei die Frage ist, ob nicht auch sie ein "ultimate concern" (Tillich) umtrieb, etwas, "was sie unbedingt anging", und sei es nur die konsequente Leugnung jeder Form von "Unbedingtem".* Der Materialismus aber findet ganz offensichtlich Halt in dem Ersatzgott "Materie", und ist somit ein schlechtes Beispiel einer wirklich konsequenten nicht-religiösen Denkart.

*Hierzu äußerst empfehlenswert: Das Buch Dynamics of Faith von Paul Tillich.
 

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